Kritische Anmerkungen zur Entwicklung auf Turley

Was ist los auf Turley?

Ein Kommentar auf Achim Judts Interview in der Stadtteilzeitung „HerzogIn“

https://herzogenried.de/das-herzogenried/herzogin-die-stadtteilzeitung/

MWSP: Werbung in eigener Sache

Ein großer Teil der Denkmalgeschützten Gebäude auf Turley und des ganzen ehemaligen Kasernengeländes sind mittlerweile Spekulationsgebiet. Jeder, der hinschaut kann das sehen.

Dazu hat die MWSP (Mannheimer Projektentwicklungsgesellschaft für Wohn- und Stadtentwicklung) mit der Einbeziehung des sogenannten „Ankerinvestors“ Tom Bock maßgeblich beigetragen. Dies und fehlende vertragliche Vereinbarungen sind die ersten initiale Beiträge und Startschuss zur Spekulation auf Turley. Damit bleibt auch die Verantwortung für die lädierte Zukunftsperspektive des Stadtteils an der MWSP hängen.

Auch wenn Herr Judt versucht, mit inzwischen stattgefundenen bereits mehrfachen Weiterverkäufen zu argumentieren, um die heutige Verantwortung der MWSP zu verneinen. Als Geschäftsführer, der über den ganzen Prozess verantwortlich beteiligt war, kann er sich hier keinen „schlanken Fuß“ machen. Schließlich war es zu Beginn der Konversion genau dies die erklärte zentrale Aufgabe der MWSP, die Konversion entsprechend zu begleiten und um diese heutigen Wildwüchse zu verhindern. Was damals auch vom Konversionsbeauftragten Herrn Hummel, zunächst einigermaßen glaubhaft, vertreten wurde.

Die Klingelschilder weisen auf Leerstände hin

Was ist da los auf Turley? Ja, es stimmt, 3 von ursprünglich aber 5 gemeinschaftlichen gestarteten Wohnungsinitiativen haben es vor zehn Jahren geschafft. Gegen den Druck des Ankerinvestors konnte nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats für ca. 110 Personen dauerhaft Bezahlbarer Wohnraum abgetrotzt und geschaffen werden. Ein Altbau und zwei Neubauten, die damit auch dauerhaft der Spekulation entzogen sind. Die Mieten sind an den realen Kosten orientiert (dabei fast teilweise halb so teuer wie umliegend die Nachbargebäude!), statt von Renditeerwartungen bestimmt. Kommende Überschüsse, die durch die Mieten nach Abzahlung der Bankkredite entstehen, fließen über die Mietshäuser Syndikats Stiftung wiederum vermehrt in Bezahlbaren Wohnraum. Insofern sind, anders als Herr Judt es beschreibt, in Mannheim damals nicht nur die ersten selbstverwalteten Wohnprojekte in Mannheim entstanden. Es sind auch, und das leider aber bis heute, die einzigen Gemeinwohlorientierten Wohnprojekte. Vielleicht hat er den Unterschied bis heute nicht verstanden. Oder will ihn nicht verstehen. Denn ansonsten hätte sich das in der weiteren Politik der MWSP auf Franklin (ESPERANZA) und auf Spinelli (MAvanti) in der Vergabe der Konversionsflächen mit derselben Förderung wie auf Turley niederschlagen können. Die Mietshäuser Syndikate in Mannheim werden unter gemeinschaftlich, bestenfalls eben selbstverwaltet subsumiert.

Gemeinwohl aber, als Petrischale für Bezahlbaren Wohnraum, ist bis heute in der Mannheim Stadtverwaltung leider immer noch kein Förderkriterium. Herrn Judts Begriff von Gemeinwohl hingegen ist es, wenn ein Investor auch einen Kindergarten baut. Damit redet er den Begriff ganz in einem neoliberalen Sinn klein.

Baustellen über Baustellen

Die Judtsche Realität scheint sich im Lauf der Berufsjahre innerhalb der Konversion sowieso immer weiter verschoben zu haben. Es liegt ein großer Spagat zwischen manchen Veranstaltungen zu Beginn der Konversion („Demokratie und Bürgerbeteiligung 1968“) bis hin zur heutigen persönlichen Begeisterung bei Spatenstichen von reinen Investorenprojekten, etwa den HOME-Gebäuden. Mit Warmmieten bei ca. 20€, Baukosten zwischen 6000 und 9000€ pro Quadratmeter. Nur, wenn man sich solche Entwicklungen als Mehrwert für Mannheim schönredet, ist klar, wie man mit den „Schwierigkeiten“ im Job fertig werden kann. Dieser Gradmesser für auch den persönlichen Erfolg wird mit dem ständigen Ausverkauf der Konversionsflächen bezahlt.

Wer glaubt, dass es zusammen mit der MWSP um Schaffung und Sicherstellung von Bezahlbarem Wohnraum geht? Es ist belegbar, wie unter der MWSP kontinuierlich die Bodenpreise auf den Konversionsflächen in die Höhe geschraubt wurden. Und das ist einfach das diametrale Gegenteil von und toxisches Gift für Bezahlbaren Wohnraum. Das Gegenteil auch von zukunftsträchtigen Ideen wie Bodenfonds. Städtebauliche Blicke von Seiten der Architektenkammer oder anderen wohnungspolitisch Interessierten nach Ulm oder Wien kann man so getrost vergessen. Es gibt in Mannheim für so etwas einfach kein Umfeld. Nicht zuletzt wegen der MWSP.

Für die MWSP sind Immobilien, Grundstücke, Wohnungen tatsächlich Handelsmasse. Wir sind sehr lange dem Trugschluss aufgesessen, die MWSP als irgendwie städtische Firma müsse doch anders ticken. Als Mietshäuser Syndikate sagen wir „Wohnraum darf nicht Ware sein“! Die MWSP lebt davon!

Das Desaster mit Tom Bock auf Turley ist für den Newcomer Judt ein Wendepunkt, ein vielleicht traumatisches Erlebnis gewesen. Sowas wünscht man niemand. Insofern verständlich, dass die MWSP alle Verantwortung jetzt endlich von sich weisen will, das alles hinter sich lassen will. Wenn man genau hinhört: städtische Sprecher benennen auch die Insolvenz von Tom Bock als Ursache für das jetzt bald 12- jährige Desaster. Die Rolle der MWSP und auch die vor allem des Gemeinderats wird überhaupt nicht mehr erwähnt. Es mag auch tatsächlich sein, dass durch weitere Wiederverkäufe der direkte Einfluss der MWSP nicht mehr vorhanden ist. Aber was heißt das für den Stadtteil und Mannheim? Wer tritt jetzt an die Stelle der MWSP und bringt Klarheit auf Turley? Der Gemeinderat? Engagiert sich allen voran die SPD, die damals Tom Bock mit auf die Schilde hob? Hat der Gemeinderat mit der jetzt rechten Mehrheit überhaupt die Kraft und den Willen hier etwas zu verändern? Oder lässt man die Spekulation jetzt laufen?

Auf Baufeld 4 und jetzt 5 ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. Durch den damaligen Weiterverkauf von Tom Bock sind diese beiden Gelände zum Investor Fortoon gekommen. Zwar gelang es den städtischen Vermittlern, die von Bock ursprünglich geplanten Lofts im Nachgang in eine Vielzahl von kleineren Wohnungen umzuplanen. Aber durch die geänderten Besitzverhältnisse ist die Stadt eher im Rang eines Bittstellers. Es ist etwas verunsichernd, wenn die anwesenden Investoren bei der AUT-Sitzung am 9. 12. gefragt werden, ob die neu geplanten Wohnungen als Mietwohnungen im Bestand bleiben. Die treuherzige Antwort ist ja. Sollte so etwas nicht Bestandteil von Verträgen sein? Über die der Gemeinderat eigentlich Bescheid wissen sollte? War da nicht mal was mit fehlender vertraglicher Absicherung?

Ehemalige Reithalle – steht mal wieder zum Verkauf an

Über 500 Wohnungen werden hier am Ende stehen. Auch eine 30%ige Sozialquote wurde hier erreicht, also 30% geförderte Wohnungen. Natürlich gibt es angesichts der Mannheimer Wohnungsnot niemand, der das Projekt ablehnt. Die übrigen 70% dieser sehr dichten, sprich lukrativen Bebauung sind eine reine Gelddruck- und Umverteilungsmaschine von Arm nach Reich. 10 Stockwerke hoch oder 7 und 6-geschossig darf gebaut werden. Mit dieser ungewohnten Verdichtung liefert die Stadt wohl ausreichend Profitbasis! Dazu wieder das Sahnehäubchen eines Stellplatzschlüssels von 0,8. Mit diesen Bedingungen dürfte Fortoon äußerst glücklich sein.

Die Auswirkungen: geht man von den zu zahlenden Mieten des bereits fertig gestellten Baufeld 4 aus, dann werden die Quadratmeterpreise wieder bei 15 bis 17€ landen. Wer hier wohnt und normal verdient wird allein durch die Miete ärmer. Gleichzeitig wird in Zukunft der Mietspiegel in Mannheim weiter nach oben gedrückt. Drittens werden die hohen Mieten mit kommunalen Wohngeldzahlungen abgefedert werden, dazu kommt das nötige Geld direkt von der Stadt. Nach dem Auslaufen der Bindung (wie lange ist die Frist?) der mit Landesmitteln geförderten Wohnungen werden auch in den geförderten Wohnungen die Mieten auf das Niveau der 70% steigen.

Die derzeitig gefeierte Schaffung von Wohnraum bedeutet für die Mannheimer Bevölkerung und die Stadt also eine langfristige Abhängigkeit. Sahle, Fortoon… die Liste der Profiteure aus der Arbeit der MWSP wird länger, setzt sich mit Hilfe der MWSP immer mehr in Mannheim fest. Dabei hätten wir durch die Institution MWSP, damals beigeordnet dem OB, vor genau dieser Entwicklung bewahrt werden sollen. Dass dieses System aber nicht funktioniert, liegt vor allem an dem damaligen Gemeinderat, die rechte Mehrheit forderte eine schwarze Null bei der Entwicklung. Heute leben wir mit den Folgen.

Im Bestand rotten die Gebäude 4 (geplantes Hotel) und die Reithalle (Turleyplatz 28-34) seit Jahren weiter vor sich hin. Die von Herrn Judt angesprochenen Baugenehmigungen führte zumindest bei der Reithalle nur dazu, dass man jetzt wieder einen neuen Käufer sucht. Mit dem Erreichen der Baugenehmigung hat der Besitzer das Gebäude offiziell weitergetrieben – bloß ein Steuertrick.

Es sollte inzwischen klar geworden sein, dass es hier nur um Spekulation durch Zeitgewinn und damit gestiegene Preise geht. Schlimmer noch: auch das bereits einmal bezogene Gebäude 11 und 12 steht bereits seit einiger Zeit wieder zur Hälfte leer, sehr leicht an den Klingelschildern und den abends dunkel bleibenden Fenstern zu erkennen. Also nicht nur keine Bauentwicklung, sondern im Gegenteil gleichzeitig wachsender Leerstand. Droht bereits ein Weiterverkauf?

Die Frage ist, wie lange will sich das Bauamt /die Stadtentwicklung diesen Stillstand und Rückentwicklung noch weiter ansehen? Welche Perspektiven träumt man sich hier zusammen? Glaubt jemand ernsthaft an die Saga der Wirtschaftlichkeit eines x-ten Hotels? Einer noch so überragenden hochpreisigen italienischen Gastronomie?

Heutzutage – bei wenig Geld in den Hosentaschen der Meisten, bei knappen Mitteln? Wann sagt endlich mal jemand Stopp zu diesen Plänen – und rettet damit die Entwicklung auf Turley? Die MWSP hat sich bereits selbst aus der Verantwortung verabschiedet. Wer setzt sich jetzt als nächster verantwortlich den Hut auf? Herr Eisenhauer selbst? Ein Ende des ewigen Doppelpassspiels wäre tatsächlich gut, könnte Bewegung in die festgefahrene Situation bringen.

Es ist ja nicht so, dass es für die Gebäude keine sinnvollen Ideen gäbe. Das Gebäude 4 würde sich mit seiner Verschachtelung und der Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel wunderbar für ein Mannheimer Vorreitermodell eines Housing First Projekts eignen, wie es erst vor ein paar Jahren schon von der wohnungspolitischen Gruppe WoPoFo in Mannheim gefordert wurde. Das könnte doch für Herrn Ammer (Zuständigkeit Vulnerable Gruppen) interessant sein.

Utopisch? Nicht finanzierbar angesichts eines knappem Stadthaushaltes? Es kommt der Tag, an dem verantwortliche OBs jeder Kommune die Einführung einer Milliardärs- und Reichensteuer vertreten, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung. Einfach, weil es nicht anders geht, nur damit wird sich die miserable Lage der Stadt und ihrer BürgerInnen ändern lassen.

Die Reithalle könnte längs und dann acht mal quer geteilt werden: 16 sehr großzügige Wohnungen für große Familien oder WGs könnten so entstehen. Mit sehr guten Architekten und öffentlich gefördert vielleicht dann sogar mit einer Landung im Bezahlbaren Bereich. Auf jeden Fall mit der sichern Perspektive einer durchs Wohnen dauerhaften Nachfrage und Abzahlung der Finanzierung. Allerdings werden die Bedingungen durch jeden Weiterverkauf teurer und Sinnvolles damit immer schwieriger zu erreichen.

Für den Turleyplatz 7 gibt es auch bereits seit langem und inzwischen auch beachtete innovative Ideen. Für 25 Personen könnte hier selbstverwalteter Wohnraum nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats entstehen. Neu am Stand dieser Projektidee: das Amt für Denkmalschutz ist diesbezüglich nicht völlig abweisend!

Zum Thema Verkehr

Lange her, dass die MWSP sich selbst promotend auch mal einen Reisebus für Interessierte zum Vauban Gelände nach Freiburg bezahlt hat. Wie funktioniert ein Autofreier Stadtteil, wie kann ein Zentrum durch die BürgerInnen kostengünstig genutzt werden. Das war ganz schnell vom Tisch, als Tom Bock als Autoaffiner Italiener Ankerinvestor wurde. Jedenfalls wurde das so gesagt. So schnell vom Tisch, dass von heute aus bezweifeln ist, dass die MWSP jemals dabei mitgegangen wäre.

Die buchstäblich jahrelange laute ehrenamtliche Kleinarbeit der Hausprojekte (damals die einzigen Engagierten auf Turley, gut unterstützt von Wolfgang Raufelder) hat dann den Ausbau der Fritz-Salm-Straße auf eine Kapazität von für 3000 Pkw pro Tag verhindert. Leider zeigte die MWSP später keinerlei nachhaltiges Interesse an der Umsetzung der Durchfahrts- und Parkverbotsregelungen. Heute haben sich vielfältige Schleichwege aus dem Ulmenwegviertel und dem neue Baufeld 4 entwickelt. Nachsorge der Pläne? Fehlanzeige.

Endlich ist es inzwischen offiziell auf einer AUT Sitzung zu hören, dass die vermaledeite Tiefgarage unter dem Turleyplatz nicht gebaut wird. Heureka! Das wäre auch vor 10 Jahren mit Tom Bock bereits ökonomisch und ökologisch ein Fehler gewesen. Man vermisste jederzeit das Engagement und die Haltung dagegen allermöglichen Parteien. Wenn es um große Investitionen wie auf Baufeld 5 geht, dann ist inzwischen auch der Stellplatzschlüssel von 0,8 auf Turley diskutierbar. Das hätten die Wohnprojekte vor 10 Jahren auch gebrauchen können. Was ist heute an der Situation eigentlich anders? LTK ist richtigerweise auf der Höhe der Zeit und fordert den Faktor 0,6.

Mittlerweile kann man es typische MWSP-Manier nennen, wie durch eine schnelle Abstimmung und Intransparenz an allen BewohnerInnen vorbei im Gemeinderat versucht werden soll, fast 25% des Turleyplatzes als oberirdische Stellplätze für PKW zu verwenden. Dabei schiebt die MWSP die neue Bebauung auf Baufeld 5 als Grund vor. Eigentlich geht es aber um die Stellplätze fürs Casino und die Reithalle, falls die doch mal etwas werden sollte. Dass die Nutzung der weiteren Parkplatzreihe derzeit als noch offen bezeichnet wird, ist bloß eine Nebelkerze zur Eingewöhnung. Vermutlich ist das auch der Grund, warum es seit Jahren so lahm mit dem Casino weitergeht, jetzt wieder der rätselhafte Baustopp. Die MWSP rechnet also in jedem Fall mit einer Beparkung des Turleyplatzes.

Dabei gibt es auch andere Möglichkeiten. Auf dem Grundstück Turleyplatz 3 und 4 (Besitzer MWSP) könnte eine – später wieder demontierbare Hochgarage entstehen. Damit könnten auch in Zukunft alle erforderlichen Stellplätze nachgewiesen werden. Diesen Schritt will die MWSP aber nicht gehen.

Denn das wäre für sie mit Kosten verbunden. Die Parkplätze auf dem Turleyplatz werden als unabänderlich dargestellt. Die billigste Lösung!

Erwähnenswert vielleicht noch, dass ausgerechnet die Grünen für die Stellplätze auf der Turleywiese gestimmt haben!? Allgemeine Erkenntnis auch: das Parken oberirdisch muss etwas kosten, sonst bleiben die bereits gebauten Tiefgaragen noch viel sinnloser, weil ungenutzt.

Man könnte auch die Nutzung der Tiefgaragen vorschreiben? Da Fortoon jetzt auch mit 50% Leerstand rechnet, sollte das für die MieterInnen doch kaum teurer werden? Ist für 40€ zu vermieten mit Einnahmen nicht besser als für 85€ oder mehr ohne Einnahmen? Da sollte der Investor mal nachrechnen. Könnte nicht auch ein Teil der leerstehenden Parkgaragen nicht nur auf Turley, sondern auch z.B. im Herzogenried, stärker beworben werden, evt. günstiger angeboten werden? Der Besitzer der Parkgaragen im Herzogenried ist übrigens die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG.

Wer weniger Blech auf der Straße will, muss etwas dafür tun, das es weniger Autos und dafür Alternativen gibt. Die Haltestelle Eisenlohrstraße darf nicht erst 2030, sondern muss – mit Übergang zum Stadtteil Wohlgelegen – wie schon von Herrn Eisenhauer mal versprochen, unbedingt 2027 kommen!

Günter Bergmann