Stadtbild-Diskussion: 600 Töchter bei Kundgebung in Mannheim [mit Bildergalerie und Video]

Die Diskussion um rassistische Aussagen des Bundeskanzlers hat auch in Mannheim viele Menschen zu einer Kundgebung bewegt. Auf dem Marktplatz trafen sich am Sonntag nach Angaben der Veranstalterinnen 600 „Töchter“ und deren Unterstützer, um gegen die rassistische Stimmungsmache der CDU/CSU und die Instrumentalisierung von Frauen zu demonstrieren.

Rückblick: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte vergangene Woche seine Politik der Abschiebungen gelobt und in diesem Zusammenhang gesagt: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem“. Viele in Deutschland lebende Migrant*innen fühlten sich davon angesprochen, als Problem im Stadtbild dargestellt zu werden. Später bekräftigte Merz seine Aussage zum Stadtbild noch einmal mit der Aussage „Fragen Sie mal Ihre Töchter“, die wüssten schon wer damit gemeint sei.

In Mannheim hatte sich daraufhin eine Initiative mit dem Motto „Wir sind die Töchter“ gegründet, die zur Kundgebung mobilisierte – mit dabei die Parteien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mannheim, Grüne Jugend Mannheim, SPD Mannheim, Jusos Mannheim, Die Linke Mannheim, [‘solid] sowie Deutscher Gewerkschaftsbund, DGB Jugend, Fridays For Future Mannheim, Seebrücke Mannheim und Queeres Zentrum Mannheim.

Videobeitrag beo YouTube: https://youtu.be/SkVXjp4Khho

Mitveranstalter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schreibt zur Veranstaltung:

„Wir haben Friedrich Merz gezeigt: Das Stadtbild in Mannheim ist vielfältig und divers. Wir lassen uns nicht instrumentalisieren für rassistische Aussagen. Gerade in Mannheim wissen wir, was das Stadtbild ausmacht: Menschen aus rund 170 Nationen, mit verschiedensten kulturellen, religiösen und sprachlichen Hintergründen. Ein Bundeskanzler sollte für ALLE Bürger*innen sprechen und nicht einzelne Bevölkerungsgruppen diffamieren und als Problem im Stadtbild darstellen.“

Bereits am Freitag wurde auf Initiative von Die Linke eine Resolution verabschiedet in der es heißt:

„In Zeiten, in denen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit jährlich steigende Fallzahlen verzeichnet, gießen falsche, pauschalisierende und diskriminierende Aussagen Öl ins Feuer und erfordern eine laute Antwort der Zivilgesellschaft. Hasskriminalität hat im Jahr 2024 einen bisherigen Höchststand erreicht. Gewaltdelikte unter Hasskriminalität waren zu 68 % politisch rechts motiviert. Aber anstatt sich gegen die größte Gefahr für unsere Gesellschaft zu wenden, tritt der Kanzler auf ohnehin schon benachteiligte Gruppen ein und stellt sie unter Generalverdacht.“

Veranstalterinnen und Rednerinnen der Kundgebung „Wir sind die Töchter“

Auf der Kundgebung sprachen als Rednerinnen neben Vertreterinnen der Parteien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Tamara Beckh), SPD (Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori) und Die Linke (Bezirksbeirätin Isabell Fuhrmann und Mitglied des Kreisvorstands Isabell Iusco) auch die Vorsitzende des Migrationsbeirats, Andrea Chagas López, vom Landesverband der kommunalen Migrantenvertretung BW, Zahra Alibabanazhed Salam, für den Internationalen Frauentreff Fouzia Hammoud, Annahita Azizi von Frauen Leben Freiheit, Ezo Özlem vom Feministischen Bündnis, Yasmin Shabani vom Mannheimer Frauenbündnis und Marija Mavrak vom Frauenhaus Mannheim.

In den Redebeiträgen wurde immer wieder gefordert, den Töchtern zuzuhören. Probleme gebe es und Lösungen müssten gefunden werden. Anstatt pauschaul Migrant*innen für Probleme verantwortlich zu machen und damit auf Stimmenfang am rechten Rand zu gehen, solle sich der Kanzler besser um echte Lösungen kümmern. Gewalt gegen Frauen von Tätern aller Nationalitäten, Einkommensunterschiede, Wohnungsnot, steigende Lebenshaltungskosten, heruntergekommene und vermüllte Innenstädte – es gibt viele Baustellen und Frauen haben gute Lösungsvorschläge für Probleme. Dem Kanzler täte es gut, wenn er den Frauen zuhören würde, anstatt sie für seine Stimmungsmache zu instrumentalisieren.

Zum Ende der Kundgebung kamen auch noch zwei Männer auf die Bühne: Ein Songwriter hatte ein Lied über „Fritzes“ Stadtbild geschrieben und ein Zumba Trainer sorgte für einen sportlich-motivierenden Abschluss der Veranstaltung. (cki) 

 

Bildergalerie 




Mannheim-Franklin: HOME vor der Vollendung – ein Grund zum feiern?

H, O und E stehen schon auf Mannheim-Frankling, das M soll ein Investor aus dem Schwarzwald bis 2029 fertig stellen | Bild: KIM

Erneut gab es in der Lokalzeitung einen lobenden Artikel zu den „HOME“ Häusern im Neubaugebiet des Mannheimer Stadtteils Franklin. Nach einer Hängepartie mit abgesprungenem Investor soll nun auch das letzte der vier Buchstabenhochhäuser von einem neuen Investor aus dem Schwarzwald gebaut werden. Nach H, O und E soll 2029 auch das M fertig gestellt sein und den identitätsstiftenden Schriftzug „HOME“ im Zentrum der Konversionsfläche Franklin vollenden. (red)

Alle jubeln. Herr Judt von der MWSP, Herr Frings von der GBG, Oberbürgermeister Specht, wohl auch der Investor, die finanzierenden Banken und die Finanzinvestoren aus dem In- und Ausland. Auch MM-Kommentator Martin Geiger ist von dem „Konzept“ überzeugt. Kann man dazu dann überhaupt noch etwas kritisches schreiben?

Alles, was man vielleicht sich trauen könnte zu sagen, wischt Geiger bereits in seinem Kommentar vom Tisch. Nein, es ist wirklich kein sozialer Wohnungsbau. Saftig bis verrückt sind auch für ihn Quadratmeterpreise von ca. 7000€ oder darüber.

Nur so entsteht aber die dringend benötigte Bleibe für Besserverdienende. Endlich werden in Mannheim wieder Menschen Steuern zahlen. Dazu braucht es dieses Angebot und eine weit hin sichtbare Abgrenzung: hier wohne ich! Ein ganz besonderes HOME, sicher nur für einen kleinen, exquisiten Teil der Bevölkerung überhaupt jemals zugänglich. Womöglich identitätsstiftend für die, die es sich leisten können und diese Art Identität wohl nötig haben. Wohnen im „meistgesehenen Gebäude Franklins“. Klar, wer hier wohnt, bleibt unter sich und seinesgleichen. Anscheinend vorbei der städtebauliche Ansatz, solche Ghettos nicht mehr zuzulassen. Attraktiv ist das Konzept in jedem Fall für frisches, weltweites Geld.

Die ansonsten nicht sehr inhaltsschwere Idee der 4 Buchstaben ist als „Konzept“ für die MWSP aufgegangen. Ohne viel politischen Protest oder im Zweifel von x Hochglanzwerbekampagnen begleitet und jetzt am Ende wohl noch mal mit spezieller Förderung, ließ sich damit Mannheim mit äußerst hochpreisigem Wohnraum einnebeln. Welch eine städtebauliche und architektonische Kunst – die Bodenpreise nach oben zu treiben! Mannheim, das stattdessen dringend bezahlbaren Wohnraum FÜR ALLE bräuchte. DIE demokratische Aufgabe. Lieber Herr Geiger, bitte schreiben Sie deshalb die nächsten fünf Artikel mal wieder abseits der Mächtigen. Mehr für die HOMELESS. Denn eigentlich zahlen die auch Steuern.

Kommentar: Günter Bergmann | Bild: KIM




Vogelgrippe in Ludwigshafen nachgewiesen

Am Willersinnweiher in Friesenheim ist ein Schwan an der Vogelgrippe gestorben. Ein bedauerliches Ereignis, das auch gewisse Vorsichtmaßnahmen erfordert. Vermutlich ist die Gefahr aber begrenzt, da es sich um den Typ H3N2 handelt und nicht um H5N1, das sich bereits unter vielen Säugetieren ausgebreitet und auch schon mehrere hundert Menschen getötet hat.

Was leider nicht berichtet wird: Es sind bereits Millionen Vögel in den letzten Wochen an der Vogelgrippe gestorben oder getötet worden. Eine unbekannte, aber vermutlich sehr hohe Zahl stirbt gerade in den riesigen Vogelkolonien der Antarktis, wo sich die menschengemachte Seuche (der aktuelle H5N1-Typ) leicht ausbreitet und eine Todesrate von fast 100 Prozent aufweist. Im spanischen Olmedo mussten Ende September 760.000 Legehennen „gekeult“ werden, am 2.10. in Madrid 450.000 Hühner und gestern in den Niederlanden 71.000 Masthähnchen. Wenn ich nichts übersehen habe: kein Wort davon in der Ludwigshafener Tageszeitung Rheinpfalz. Eine kurze Recherche ergab: Bisher auch keine Silbe in anderen Tageszeitungen.

In welch barbarischen und brutalen Zeiten leben wir doch, wenn das Sterben Millionen empfindungsfähiger Tiere kein Interesse weckt und keine Meldung wert scheint. Oder gibt es eine andere Erklärung für diese ‚Presselücke‘? Dann würde es sich wohl nicht um Schweigen, sondern um Verschweigen handeln. Das wäre noch beunruhigender.

Text: Michael Kohler | Symbolbild: Pixabay




Tränen lügen nicht…

… die Wahrheit sieht trotzdem anders aus.

Vergangene Woche konnte Bundeskanzler Friedrich Merz seine Tränen nicht zurückhalten, als er bei der Wiedereröffnung der Synagoge Reichenbachstraße in München eine Rede hielt. Während sich viele Kommentare um die Frage drehten, ob die Tränen glaubwürdig und authentisch gewesen seien, wurde häufig ausgeblendet, dass auch authentische Tränen problematisch sein können.

Merz bezog sich in einer Passage seiner Rede auf Rahel Salamander, Tochter von Überlebenden der Shoah, die als Kind ihre Eltern immer wieder gefragt habe, ob denn niemand den Juden geholfen habe. Während dieser Schilderung ringt Merz immer wieder um Fassung und muss öfter innehalten. Im Anschluss spricht er sich dafür aus, dass die Bekämpfung des Antisemitismus stets einen außerordentlichen Stellenwert in der deutschen Politik und Gesellschaft haben müsse. So weit so gut.

Die Kommentator*innen der meisten Medien waren sich darüber einig, dass Merz Tränen glaubwürdig gewesen seien und sicher handelt es sich um eine adäquate Reaktion auf die Vorstellung, wie ein Kind mit einer einfachen Frage an seine Eltern versucht die unglaubliche Monströsität des Holocaust erfassen zu können. Was von dieser Monströsität und den heutigen Reaktion darauf jedoch verdeckt wird, ist die Tatsache, dass die Verfolgung der Juden und aller anderen Gruppen im Nationalsozialismus nicht mit dem Holocaust begann. Die Grundlagen dafür mussten erst einmal hergestellt werden, was bereits vor der Machtergreifung der Nazis begann und danach nur mit noch stärkerem Furor und umfassender Gewalt fortgeführt wurde. Dazu galt es vor allem erst einmal bestimmte Gruppen als verantwortlich für gesellschaftliche Probleme, sogenannte Sündenböcke zu markieren. Reale Probleme der Menschen -wie z.B. Armut, Arbeitslosigkeit oder Wohnungsnot- wurden aufgegriffen und mit Gruppen in Verbindung gebracht, die bei genauer Betrachtung wenig für die genannten Probleme konnten und zum großen Teil selbst unter ihnen litten.

Die Bekämpfung der Probleme wurde nicht nur mit der Bekämpfung der markierten Gruppe verknüpft, sondern auch zur Priorität politischer Bemühungen gemacht und quasi als alternativlos dargestellt. Statt systemische Ursachen zu bekämpfen oder diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die aus den Problemen der Vielen Profit ziehen, wurden Aufstiegs- und Wohlstandsversprechen der „Anständigen“ an die härtere Kontrolle, Sanktion oder Beseitigung von Sündenböcken gehängt.

Kommt nur mir das irgendwie bekannt vor?

DeBe




Absage der „Meile der Religionen“ – Religion als Teil der Lösung oder Teil des Problems?

Die „Meile der Religionen“ in Mannheim | Archivbild 2016 © Alexander Kästel

Die 2025er Ausgabe der „Meile der Religionen“ in Mannheim wurde abgesagt. Das „Forum der Religionen“ als Veranstalter zieht die Reißleine, nachdem immer mehr teilnehmende Organisationen abgesprungen sind. Die organisatorischen Abläufe seien am Ende nicht mehr gewährleistet gewesen, Schreiben die Sprecher des Forums in einer Mitteilung.

Eigentlich soll die Veranstaltung den Zusammenhalt in der Stadt stärken und die Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften zusammen bringen. Doch die weltweiten Konflikte haben auch in Mannheim für Verwerfungen gesorgt.

Können die Religionsgemeinschaften überhaupt dazu beitragen, ein friedliches und solidarisches Zusammenleben zu fördern oder sind sie nicht vielmehr selbst Teil des Problems?

Immer mehr Absagen machten Veranstaltung unmöglich

Schon vor Monaten hatte die muslimische Organisation DITIB abgesagt und ihre Mitgliedschaft im „Forum der Religionen“ ruhen lassen. Als Grund wurden Differenzen mit dem Leiter des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiöse Arbeit genannt. DITIB ist Betreiber der größten Mannheimer Moschee und gilt als Sprachrohr des türkischen Staates in Deutschland.

Vergangene Woche folgte die Jüdische Gemeinde, die nach der neuerlichen Eskalation in Nahost Sicherheitsbedenken als Grund angab. Es soll noch weitere Absagen gegeben haben, die in der offiziellen Mitteilung des Forums aber nicht genauer benannt wurden.

Zentrale Veranstaltung der „Meile der Religionen“ ist eine große, bunt gedeckte Tafel mit vielfältigen kulinarischen Beiträgen, die sich durch die Quadrate von evangelischer Kirche in R2, vorbei an katholischer Kirche in F2, über die Synagoge in F3 bis zur Moschee im Jungbusch zieht. In ihren besten Zeiten hatte die „Meile der Religionen“ eine hunderte Meter lange Tafel und tausende Teilnehmende beim gemeinsamen Essen.

Nach den Absagen in diesem Jahr wurde die voraussichtliche Anzahl der Tische immer geringer, so dass die Veranstaltung nicht mehr als „Einladung an die gesamte Stadtgesellschaft“ aufrecht erhalten werden könne, so heißt es in der Mitteilung des Forums.

OB will sich für den Erhalt der Veranstaltung einsetzen

OB Christian Specht bedauert die Absage der Veranstaltung. Die Sicherheitsbedenken seien „nachvollziehbar, auch wenn für dieses interreligiöse Fest der Begegnung keine konkreten Bedrohungen bekannt sind“. Er lud alle bisherigen Träger zu einem Gespräch ein, um auszuloten, wie es weitergehen könne. Das „traditionell friedliche und tolerante Zusammenleben in unserer Stadt“ müsse erhalten werden, fordert Specht.

Die bisherigen Träger, also die Mitglieder des „Forum der Religionen“, sind Vertreter der christlichen Kirchen, der Moscheegemeinden, der jüdischen Gemeinde und der alevitischen Gemeinde – allerdings handelt es sich nicht um ein allumfassendes Bündnis. Gerade die kleineren Kirchen und Moscheegemeinden sind nicht alle vertreten.

Die „Meile der Religionen“ scheitert nun an ihrem eigenen Anspruch. Sie will verbinden, wo es Trennungen gibt – Trennungen im besten Fall aufgrund von Unkenntnis, im schlechtesten Fall wegen Feindschaft zueinander.

Die „Meile der Religionen“ in Mannheim | Archivbild 2016 © Alexander Kästel

 

Religion als Welterklärung

Aber ist es überhaupt möglich, Verbindungen zu schaffen, wo die trennenden Faktoren so offensichtlich sind? Religionen haben sich immer in Konkurrenz, wenn nicht sogar in offener Feindschaft zu den jeweils anderen herausgebildet. Sobald es einen neuen Propheten, Messias oder Anführer hab, musste dieser sich selbst und seine Predigten mit der Delegitimation der jeweils anderen bestätigen.

Überall auf der Welt sind Religionen zersplittert und konkurrieren miteinander. Nur wenige Glaubensgemeinschaften stellen dazu eine Ausnahme dar.

Religionen gibt es seit tausenden Jahren. Ihr Zweck war die Erklärung einer Welt, die man nicht verstand. Und ihr Zweck war auch die Sicherung der Herrschaft von Menschen über Menschen.

Hat Religion in einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft überhaupt noch eine Existenzberechtigung?

Religion als Machtinstrument

Auch wenn durch die Wissenschaft die meisten Fragen des Alltags heute erklärbar sind, bleibt Religion als Macht- und Herrschaftsinstrument in den meisten Gesellschaften ein wichtiger Faktor.

Im Krieg Israel gegen Iran nennen die Kriegsparteien Religion zwar nicht als Ursache ihres Konflikts, dennoch stützen sich beide Regierungen auf eine religiöse Basis zur Sicherung ihrer Macht und zur Legitimation ihrer Aggression. Beim Mullah-Regime im Iran ist das offensichtlich, aber auch die Regierung Netanjahu kommt nicht ohne jüdische Hardliner aus, die ihr staatspolitisches Handeln religiös begründen.

Religion als kultureller Anker

Auch eine kulturelle Veranstaltungen, wie die „Meile der Religionen“, hat mit Macht und Herrschaft zu tun. Die Basis einer jeden Religion ist die Kultur. Die breite Masse einer aufgeklärten Gesellschaft ist zwar meist irgendwie noch mit Religion verbunden, aber üblicherweise nicht besonders tiefgläubig oder gar theologisch gelehrt.

Kultur ist das Instrument der religiösen Organisationen, mit dessen Hilfe sie die Menschen an sich binden. Viele Mitglieder der christlichen, jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften sind nicht streng gläubig – doch die großen Feiertage mit ihren Riten und Gebräuchen kennen alle.

Religiöse Kultur ist daher ein doppelter Anker. Er gibt Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit und den Organisationen ein Instrument an die Hand, mit denen sie ihre Mitglieder an sich binden können.

„Opium des Volkes“ hat Karl Marx die Religion genannt. Ein berauschendes Mittel, das gesellschaftliche Widersprüche und Interessenlagen unsichtbar werden lässt, für das Menschen irrationale Dinge tun oder sich sogar selbst schaden. Dabei muss immer bedacht werden: „Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen.“ (Marx)

Die „Meile der Religionen“ in Mannheim | Archivbild 2016 © Alexander Kästel

Religiöse Verständigung ist im besten Fall eine Überbrückung

Die Ursachen von Kriegen sind entweder materieller oder ideologischer Natur. Fast immer werden materielle Ursachen, zum Beispiel geopolitischer Einfluss, Ressourcenkonkurrenz oder Gebietsansprüche mit ideologischen Begründungen legitimiert. Nationalismus und Religion sind Zauberwaffen der Kriegstreiber. Dafür opfern Freiwillige ihr Leben.

Doch wenn Religion historisch und aktuell in fast allen Kriegen eine brandbeschleunigende Wirkung gezeigt hat, warum bemühen sich überhaupt Leute um einen interreligiösen Dialog? Als Massenphänomen gibt es bei den Religiösen die unterschiedlichsten Charaktere. Es gibt moderne und liberale Akteure in allen großen Religionsgemeinschaften. Sie bemühen sich um Verständigung. Solchen Leuten sind interreligiöse Bündnisse, wie das „Forum der Religionen“ wichtig.

Es gibt aber auch die Hardliner und deren wachsender Einfluss darf nicht unterschätzt werden. Islamistische Fanatiker*innen, die eine brutale Rechtsordnung auf Basis der Sharia installieren wollen, aber auch christliche Rechte, die ihre Bestimmung im Kampf gegen Homosexualität oder Abtreibungen gefunden haben, ebenso wie orthodoxe Jüd*innen, die Landenteignungen in der Westbank religiös legitimieren. Am Ende steht die Frage, welche Richtung sich an der Basis durchsetzen und ihren Einfluss ausbauen kann.

Kurzfristig kann ein „Forum der Religionen“ vielleicht den ein oder anderen Konflikt etwas abkühlen. Das Engagement derer, die sich dafür einsetzen, sollte man wertschätzen. Doch auch wenn die friedlichen, liberalen Vertreter*innen voraus gehen, bleibt das Wesen der Religion immer ein Türöffner für irrationale, regressive Weltanschauungen, eben ein Anknüpfungspunkt für Fanatismus und Hass.

Langfristig sollten Linke dafür sorgen, dass Religion aus den Köpfen der Menschen verschwindet und stattdessen ein humanistisches Menschenbild zum kulturellen Anker der Gesellschaft wird.

(cki)

 

 




Verkehrs- vs. Wohnungspolitik: Wem gehört die Stadt?

Wohnen, Mobilität, öffentlicher Raum – die Lebensqualität in der Stadt ist veränderbar | Archivbild: KIM

Wohnen als Menschenrecht und Verkehr als beherrschender Faktor des öffentlichen Raums sind Politikfelder, die von einer Partei kommunalpolitisch in unterschiedlichem Maße beeinflusst werden können. Was passiert dazu von linker Seite in Mannheim?

Die Fraktion LTK (Die Linke – Tierschutzpartei – Klimaliste) im Gemeinderat Mannheim hat eine Reihe von verkehrspolitischen Anträgen und Anfragen gestellt. Auch für den kurz vor dem Beschluss stehenden Masterplan Mobilität Mannheim 2035+ haben sie und die Vorgänger-Fraktion LI.PAR.Tie. sich leidenschaftlich engagiert. Dass überhaupt ein Masterplan Mobilität über Jahre hinweg entwickelt worden ist und nun zum Beschluss kommt, ist v.a. auf das Engagement von Alt-Stadtrat Thomas Trüper und der linken AG Verkehr zurückzuführen. Dabei steht die Frage im Raum, ob dieses Engagement wirklich gerechtfertigt ist.

Die Partei Die Linke fand auf Bundesebene mit der Konzentration auf wenige Kernthemen von hoher Bedeutung für ihre Wählergruppen zurück in die Erfolgsspur. Ganz vorne dabei das Thema Wohnungsnot und hohe Mieten, seit vielen Jahren auch bei der Linken Mannheim und den Fraktionen mit linker Beteiligung im Gemeinderat ein Dauerbrenner. Entsprechend wird es dazu ebenfalls absehbar wieder Anträge und Anfragen geben. Das Problem in diesem Themenspektrum ist gegenüber der Verkehrspolitik zum einen die begrenzte Einflussnahme der Kommune auf den Wohnungsbau und die Mietenentwicklung, während die Verkehrspolitik in einem sehr viel größeren Maß von der öffentlichen Hand bestimmt wird. Zum anderen verfügt Mannheim über eine große und in großen Teilen sozial verantwortungsvoll handelnde kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die GBG, die etwas Druck aus dem Kessel nimmt. Nichtsdestotrotz gilt es, die GBG weiterhin in die richtige Bahn zu lenken und Fehlentwicklungen entgegen zu wirken. Weiterhin geht es hier auch im Zeithorizonte: Während sich verkehrspolitische Maßnahmen durchaus auch kurzfristig (im Zeitraum mehrerer Monate bis wenige Jahre) umsetzen lassen und ihre Wirkung entfalten, benötigen wohnungspolitische Maßnahmen viele Jahre. So vergehen zwischen erster Diskussion im Gemeinderat über städtebauliche Konzepte und Sozialquoten bis hin zu Fertigstellung und Bezug des besagten Quartiers gerne mal zehn Jahre, teilweise sogar mehr.

 Wohnungsnot und Mietenwahnsinn als drängendste Politikfelder

Trotz GBG und der (eher kosmetischen) Mietpreisbremse besteht in Mannheim schon länger ein angespannter Wohnungsmarkt, der es nicht nur einkommensschwächeren Menschen schwer macht, eine für sie noch bezahlbare Wohnung zu finden. Auch Menschen mit durchschnittlichem Gehalt finden kaum noch eine gute und bezahlbare Wohnung. Im Bestand steigen die Mieten, Neubauwohnungen werden kaum noch unter 14 €/qm angeboten. Der Mietspiegel 2025/2026 stieg um fast 8,4 % auf eine durchschnittliche ortsübliche Vergleichsmiete von 9,19 €/qm. In zentralen Lagen sind die Mieten oftmals deutlich höher. Auch die Nebenkosten steigen und machen einen immer größeren Anteil an der Gesamtmiete aus, was die Menschen zusätzlich belastet.

Der geförderte Wohnungsbau mit Sozialmieten hinkt abgeschlagen hinter dem Bedarf zurück. Daran haben auch die Konversionsgebiete wie Franklin oder Spinelli wenig geändert, da dort Sozialer Wohnungsbau nach wie vor eine untergeordnete Rolle spielt. Entgegen einem bundesweiten Trend ist die Zahl preisgebundener Sozialwohnungen in Mannheim seit 2021 leicht gestiegen – u.a. dank der Sozialquote, für die sich Die Linke starkgemacht hat. Dennoch werden mittel- und langfristig wieder deutlich mehr Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen als neue hinzukommen. Rund die Hälfte der Mannheimer Haushalte dürfte Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben, da die Einkommensgrenzen in BaWü relativ hoch liegen. Doch derzeit beträgt der Anteil Sozialwohnungen bzw. preisgebundener Wohnungen (5.350 Wohneinheiten) unter allen Wohnungen nur etwa 3,1 %.

Unter einem CDU-Bürgermeister wackelt die wenigstens für ein bisschen Entlastung sorgende Sozialquote von 30 Prozent für Neubauten. Dazu stockt der Wohnungsbau gerade insgesamt. Auf den Konversionsflächen liegen viele Baufelder brach. Die Schafweide ist seitens der Verwaltung nicht mehr für den Wohnungsbau vorgesehen, dem Collini-Center droht ein ähnliches Schicksal und könnte an den erstbesten Investor verscherbelt werden.

So weit, so schlecht. Immerhin liegt der Landesregierung Baden-Württemberg der Volksantrag „Mieten runter!“, für den allein in Mannheim weit über 1.000 Unterschriften gesammelt wurden, zur Prüfung vor. Auf kommunaler Ebene soll wieder verstärkt die Skandalisierung angegangen werden, verbunden mit klaren Forderungen an die Stadt: Mieten deckeln, mehr Sozialer Wohnungsbau, Grundstücke in öffentliche Hand (Bodenfonds), Spekulation und Wohnungsleerstand bekämpfen. Bereits im März beantragte LTK auf Initiative der Klimaliste-Stadträtin Jessica Martin die verstärkte Förderung für die Wärmewende einschließlich energetischer Sanierung, um einen der wichtigsten Klimaschutz-Bausteine für alle bezahlbar zu machen (A091/2025). Denn, wie oben erwähnt, sind es auch die immer weiter steigenden Nebenkosten, die Wohnen für viele unbezahlbar machen. Energetische Sanierungen sind daher sowohl aus Klima- wie auch Sozialaspekten unabdingbar, müssen aber entsprechend gefördert werden, um einerseits Kaltmieten nicht übermäßig steigen zu lassen und um andererseits „kleine“ Eigentümer:innen nicht im Stich zu lassen.

 Verkehrswende als Befreiungskampf

Ist da der Fokus auf die Verkehrspolitik, vordergründig ein aus Sicht vieler Menschen eher grünes Thema, nicht verfehlt? Dazu sei als Gegenfrage gestellt: Wem gehört die Stadt? So wie es ein Menschenrecht auf Wohnen gibt, so besteht ein Menschenrecht auf die gemeinsame und sozial gerechte Nutzung des öffentlichen Raums. Nicht nur Wohnen, sondern auch Mobilität ist Menschenrecht. Große Teile der Stadt (und der Welt) sind in Privateigentum. Doch die Mannheimer Straßen, Gehwege, Grünanlagen und Plätze sind öffentlich. Ihre Nutzung beeinflusst unseren Alltag, wie wir uns selbst fortbewegen und den Raum wahrnehmen. Hierzu gibt es in der Geographie zahlreiche Forschungen, u.a. mit sog. Mental Maps. Über Mobilität sprechen alle Menschen – egal, wie sie sich fortbewegen und welches Alter oder Geschlecht sie haben.

Auch wenn die meisten Erwachsenen über alle Klassen hinweg ein eigenes Auto nutzen – die Reichen allerdings meist mehrere – und häufig auch brauchen, um z.B. ihren Arbeitsplatz zu erreichen, stellt sich doch die eingangs gestellte Frage, wem die Stadt gehört. Denn der Autoverkehr beherrscht so umfassend den öffentlichen Raum in der Stadt, dass er zu einer Unterdrückung aller Verkehrsteilnehmer:innen ohne Auto (oder Motorrad) geführt hat. Der Platz, den Menschen für eine teilweise privilegierte Automobilität beanspruchen, nimmt anderen Menschen ohne Auto Platz weg. Die Fläche ist endlich: Das gilt nicht nur für Wohnungsbaugrundstücke, sondern auch für den öffentlichen Raum. Aus dieser Situation muss sich die Stadtgesellschaft befreien und sich eigene Lebensräume zurück erkämpfen – ein klassisch linkes Anliegen.

So ist es kein Zufall, dass an den lauten, abgasgeschwängerten Hauptverkehrsstraßen eher ärmere Menschen, nicht selten ohne eigenes Auto, wohnen, während mit wachsendem Vermögen die Wohngebiete ruhiger und grüner werden – mit mehr Platz für Doppelgaragen und Hofauffahrten für Zweit- und Drittwagen. Auch der ruhende Verkehr belastet den öffentlichen Raum: Es gibt kaum eine Straße in Mannheim, die nicht beidseitig zugeparkt ist, wodurch kaum Platz für den Fußverkehr oder Kinder mit dem Fahrrad bleibt. Schon die Forderung, die Gehwege wenigstens so weit frei zu lassen, dass Menschen mit Rollstühlen und Kinderwägen durchkommen, führt zu Proteststürmen bei den betroffenen Autobesitzer:innen. Das politische Engagement für die Verkehrswende ist also der Einsatz für mehr Lebensqualität in verkehrsbelasteten Wohngebieten und im öffentlichen Raum auch und gerade für gesellschaftlich benachteiligte Gruppen: Kinder, Senior:innen, Behinderte und einkommensschwache Anwohner:innen, die sich kein Auto leisten können oder wollen oder keines fahren können.

Die Verkehrswende darf jedoch kein Ausspielen der grundlegenden Interessen Aufenthaltsqualität versus Mobilität sein. Um beides voranzubringen, eröffnen sich gerade im kommunalen Bereich vielfältige Ansätze wie der Ausbau und die Taktverdichtung des öffentlichen Nahverkehrs, der auf lange Sicht kostenfrei werden soll, bessere Fahrrad-Infrastruktur, mehr Sharing-Angebote usw. In den letzten Monaten hat LTK dazu einige Anträge und Anfragen im Gemeinderat gestellt, die allesamt noch auf Antwort warten:

– Geschwindigkeitsmessungen in einer Spielstraße auf der Schönau (A184/2025)

– Neue Fahrradstraßen in der Schwetzingerstadt (A164/2025)

– Bewertung von Fahrradschutzstreifen (A155/2025)

– Ein Quartiersparkhaus am Kompaktbahnhof Neckarau (A156/2025)

– Umsetzung des BaWü-Landesmobilitätsgesetzes (A147/2025)

– Fahrradstellplätze in Innenstadt-Parkhäusern (A116/2025)

– S-Bahn-Haltepunkt Schönau bei der Bahn einfordern (A092/2025)

u.v.m.

Ziel muss es sein, die Abhängigkeit vom (eigenen privaten) Auto drastisch zu reduzieren oder gar zu beseitigen. Mehr sozial verträgliche und klimagerechte Mobilität ist auch mit deutlich weniger Autos möglich, v.a. innerhalb der Stadt. Die frei gewordenen Flächen, die heute für Pkw-Fahrstreifen und Parkplätze (allesamt meistens versiegelte Flächen) benötigt werden, können für Mobilitätsformen des Umweltverbundes genutzt werden, entsiegelt und begrünt werden und letztendlich den Menschen zurückgegeben werden, die über keinen eigenen Garten oder keine eigene Terrasse verfügen.

Verkehrs- und Wohnungspolitik bedeuten gleichermaßen dicke Bretter bohren und immer wieder Rückschläge hinnehmen zu müssen wie zuletzt der abgeräumte Verkehrsversuch Innenstadt, durch den der Durchgangsverkehr aus den Quadraten verbannt werden sollte. Oder die oben erwähnten Wohnungsbauprojekte Schafweide und Collini-Center. Aber die Geschichte lehrt uns, dass es sich trotzdem lohnt, auch auf kommunaler Ebene für die Ziele linker Politik unbeirrt einzutreten. Das sind wir den Menschen in Mannheim schuldig.

Autoren: Dennis Ulas ist Stadtrat für Die Linke Mannheim und fachpolitischer Sprecher der Fraktion LTK u.a. für Wohnen und Verkehr, Stephan Bordt ist LTK-Fraktionsgeschäftsführer und ebenfalls Mitglied der Linken




Gedenkveranstaltung für Rouven Laur

Specht: „Die Frage von Gut und Böse ist keine Frage von Religion, Herkunft oder Hautfarbe.“ 

Um die 1.500 Menschen waren es (lt. Mannheimer Morgen vom 2.6.25), die am 31. Mai zur Gedenkveranstaltung für den ermordeten Polizisten Rouven Lauer und zur Enthüllung einer Gedenktafel auf den Marktplatz kamen. Es war genau ein Jahr her seit den tragischen Ereignissen und genau an dem Ort, wo sie stattfanden. OB Specht hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass es kein „verordnetes Gedenken“ ist, dass wirklich sehr viele Menschen an dem Schicksal des jungen und offensichtlich vorbildlich demokratischen Polizeibeamten Anteilnahme zeigten und immer noch zeigen. Der nicht abreißende Blumenschmuck am Marktplatzbrunnen legt beredtes Zeugnis dafür ab.

Gedenken nach einem Jahr rechter Instrumentalisierung 

Die sofort nach der Mordtat des Afghanen befeuerte Diskussion über eine angeblich notwendige Verschärfung des Asylrechts, in der die AfD erst die Ampel und dann die schwarz-rote Koalition, insbesondere die Union, vor sich hertrieb, ließ einiges für die Tonlage der Gedenkveranstaltung befürchten: Von der Litanei zu ergreifender ausländerrechtlicher Maßnahmen und zu verschärfender Reformen bis hin zur Gleichsetzung von polizeilicher Gedenkkultur mit derjenigen des Militärs: Aufmarsch der „Blaulichtfamilie“ und zum Abschluss der Veranstaltung das bei militärischen Trauerzeremonien unvermeidliche Lied „Ich hatt‘ einen Kameraden“ samt Deutschlandlied. Und vom Charakter der Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), die das provokante Szenario auf dem Marktplatz und die Kulisse des Attentats aufgebaut hatte, kein Wort?

Besinnung auf die „Seele Mannheims“ 

StadtPunkt zur Erinnerung an Rouven
Laur.

Doch es kam anders. Die beiden Hauptredner OB Christian Specht und Landesinnenminister Thomas Strobl, beide CDU, beschränkten sich im Wesentlichen auf menschliche Anteilnahme und Beileidsbekundungen für die Familie Laur, die Würdigung der Person Rouven Laur, sowie Dank an die Einsatzkräfte und Einforderung von Respekt ihnen gegenüber. Der angereiste Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) befleißigte sich „stillen Gedenkens“.

OB Specht jedoch bezog in seiner Rede im Gegensatz zu seinen Äußerungen vor einem Jahr auch eindeutig Stellung gegen die reaktionärsten Auswüchse der politischen Diskussion. So übernahm er nicht einfach wie weite Teile der Medien die verharmlosende Selbstcharakterisierung der BPE als „islamkritisch“ – sondern er bezeichnete sie als „islamfeindlich“ und somit als den Frieden und das Klima einer Einwanderungsstadt wie Mannheim störend und gefährdend.

Das Attentat habe einerseits tiefe Trauer ausgelöst. Aber nicht nur dies. „Das Attentat und der Tod von Rouven Lauer hat auch eine politische Diskussion entfacht, eine Debatte über Zuwanderung und Integration und den Schutz vor religiösem Fanatismus. Manche Beiträge zu dieser Diskussion waren verletzend, spaltend und herabwürdigend. Daher war es mir auch so wichtig, dass das Gedenken an Rouven Lauer nicht politisch vereinnahmt wird, auch nicht durch Demonstrationen an diesem Ort.“ Damit spielte er auf die BPE an, die tatsächlich an eben diesem Tag eine erneute Veranstaltung auf dem Marktplatz abhalten wollte, eine sog. „Mahnwache“, vier Stunden lang bis unmittelbar vor der Gedenkveranstaltung der Stadt.

Die Familie von Rouven Laur, mit der, so Specht in seiner Ansprache, „wir die heutige Gedenkveranstaltung (…) gemeinsam und in enger Zusammenarbeit (…) geplant und vorbereitet (haben)“, legte sofort über ihren Nebenklagevertreter RA Schädler Protest ein. Der Mannheimer Morgen zitierte ihn am 14.5.: „‘Die Familie findet die Absicht absolut geschmacklos‘, erklärt er am Dienstag dieser Redaktion. Vor Gericht hatten zuletzt mehrere Polizisten über das Unverständnis berichtet, das bei ihnen bei jenem Einsatz vor einem Jahr geherrscht hatte. Man habe sich etwa gefragt, weshalb die Gruppe eine Kundgebung gegen den politischen Islam ausgerechnet auf dem Marktplatz veranstaltet, in dessen Umgebung doch so viele Muslime leben und arbeiten.“ BPE zog ihre Kundgebungsanmeldung dann zurück und führte stattdessen am 31.5. eine vier Stunden lange Kundgebung vor dem Kölner Hauptbahnhof durch.

Specht schätzt die Situation und den Diskurs in Mannheim weniger heftig ein als in der Republik: „Mein Eindruck ist, dass die politische Debatte über den Umgang mit Zuwanderung in Mannheim insgesamt weniger verletzend geführt wurde. Dies lag sicherlich auch daran, dass wir in Mannheim wissen, dass die Frage von Gut und Böse keine Frage von Religion, Herkunft oder Hautfarbe ist. Ein besonders eindrucksvoller Beleg dafür ist, dass es ein afghanisch stämmiger Arzt war, nämlich unser Professor Nima Etminan, Direktor der Neurochirurgie vom Universitätsklinikum Mannheim, der mit all seinem Können und seinem Team und all seiner Kraft bis zuletzt versucht hat, das Leben von Rouven Lauer zu retten.“

Beitrag der Familie Laur und der Religionsgemeinschaften 

Zu Ende seiner Ansprache verlas OB Specht noch ein Schreiben der Familie von Rouven Laur an die Versammelten. Darin heißt es u.a.: „Mannheim hat einen engagierten Polizisten verloren, Einen, der für andere da war der beschützen wollte, bewirken wollte. (…) Wir hoffen immer noch, dass Rouvens Tod nicht umsonst war. Messerverbotszonen mögen ein guter Anfang sein, aber es sind nicht die Messer, die Menschen töten. Es sind die Menschen, die sich damit für Gewalt entscheiden gegen andere, gegen das Leben. (…) Wir sind dankbar für jeden Menschen, der sich anstatt für Hass und Wut für die Liebe entscheidet. Die Trauer in unserem Herzen wird nie verschwinden.“ Die Familie schließt mit den Worten: „Rouven hat geglaubt, dass jeder einzelne die Kraft hat, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Lasst uns diese Überzeugung weitertragen in allem, was wir tun, für Rouven, für unser Leben.“

Gebet der Religionen mit (v.l.n.r. Kantor Ammon Seelig (Jüdische Gemeinde), der Vertreterin der Alevitischen Gemeinde, Mustafa Dedekeloglu (Duha e.V, islamischer Wohlfahrtsverband), Dekan Karl Jung (Katholische Kirche) und Pfarrerin Ilka Sobottke (Evang. Kirche).

Den Abschluss der Redebeiträge bildete das „interreligiöse Gebet mit Vertreter*innen der beiden großen christlichen Kirchen, Dekan Karl Jung von der katholischen, Pfarrerin Ilka Sobottke von der evangelischen Kirche, Kantor Ammon Seelig für die Jüdische Gemeinde sowie für die muslimischen Gemeinden Mustafa Dedekeloglu vom Duha e.V. und eine Vertreterin der alevitischen Gemeinde. Stellvertretend für alle fasste Pfarrerin Sobottke die Würdigung von Rouven Laur zusammen: „Ein Mann, der das Leben schützte, ein Mann, der für das stand, was wir an und in unserer Stadt lieben: die bunte Gemeinschaft verschiedener Menschen. Rouven Laur steht für Mannheim.“ Den Reigen der Besinnungen und Gebete schloss die Vertreterin der alevitischen Gemeinde: „Gott, segne unsere Stadt und alle die verschiedenen Menschen, die in ihr leben. Amen.“ Insgesamt ein deutliches Bekenntnis zur „Seele Mannheims“, zur Einwanderungsstadt, zur Stadt der Vielfalt, und damit gegen völkische rassistische Tendenzen.

Delegation der Ahmadiyya-Gemeinde (Bild: KIM)

Marktplatz als Ort des Erinnerens 

Bodenplatte mit dem Rangabzeichen von Rouven Laur. (Bild: KIM)

Im Anschluss an den Redenteil begab sich die zahlreiche Prominenz zum Marktbrunnen zur Enthüllung der Gedenktafeln an Rouven Laur: Eine Text- und Bildtafel nach Art der „Stadtpunkte“ des MARCHIVUM und eine in den Boden des Markplatzes an der Stelle des Messerangriffs auf Rouven Laur eingelassene steinerne Intarsienplatte mit drei silbernen Sternen, dem Rangabzeichen auf der Schulterklappe seiner Polizeiuniform.

Nach der Enthüllung bildete sich ein langes Defilee der Prominez und dann auch von Besucher*innen der Veranstaltung, die eine Weiße Rose niederlegten oder kurz vor der Gedenktafel innehielten.

Der Familie von Rouven Laur gebührt Respekt für die positive Mitgestaltung der Veranstaltung, die auch anders hätte verlaufen können mit Konzentration auf den Täter, und für ihr Eintreten für „die Liebe“ und gegen Hass und Gewalt.

Thomas Trüper | Bilder: Wenn nicht anders angegeben: Stadt Mannheim




Zeitenwende beim DGB? Wichtig ist manchmal, was nicht gesagt worden ist

Kommentar zur Mai-Kundgebung des DGB

Der Hauptredner bei der diesjährigen 1. Mai-Kundgebung des DGB war der Bundesjugendsekretär des DGB, Kristof Becker. Er hat einiges richtig gesagt, was auch unserem Bericht im Kommunalinfo zu entnehmen ist. Manchmal ist es aber auch wichtig, was nicht gesagt worden ist. Gerade in unseren sehr bewegten Zeiten.

Becker hat zwar den Koalitionsvertrag erwähnt, in dem viel Richtiges (z.B. Investitionen) aber auch “viel Scheiße“ drinstehe. Nicht erwähnt hat er die noch vom alten Bundestag von CDU/CSU, SPD, GRÜNE beschlossene Änderung des Grundgesetzes bzgl. Schuldenbremse und Sondervermögen. Zwar wurde ein dringend notwendiges Infrastrukturgesetz von 500 Mrd. € beschlossen, aber gleichzeitig wurde ein Freischein für jegliche militärische Aufrüstung beschlossen, der gänzlich von der Schuldenbremse befreit ist.

Dass hierüber kein Wort gefallen ist, wird nicht nur der Gewerkschaftsbewegung noch schwer auf die Füße fallen. Durch die rasant steigenden Militärausgaben wird nämlich nicht mehr viel für Soziales und Kultur übrig bleiben. Die Zukunft wird’s leider zeigen.

Nun kann man einwenden, Schweigen ist immer noch besser als positiv Bezug nehmen auf dieses gigantische Aufrüstungsprogramm. Das soll nämlich bei einigen anderen gewerkschaftlichen Kundgebungen der Fall gewesen sein. Insbesondere die IG Metall hat anscheinend Gefallen, die bisher angestrebte Rüstungskonversion in der Metall- und Elektroindustrie nun andersherum zu buchstabieren. Ich will das Problem bedrohter Arbeitsplätze in der Automobil- und Maschinenbauindustrie nicht kleinreden. Aber müssen es nun unbedingt Panzer sein, die Arbeitsplätze retten?

Zu den weltweit geführten Kriegen wurde auch kein Ton gesagt. Das ist in der Tat ein vermintes Gebiet. Bisherige Positionen des DGB, die sich die Beendigung von Kriegen, den Vorrang von Diplomatie vor militärischer Eskalation und eine Entspannungspolitik zum Ziel gesetzt haben, sollte man nicht einfach zu Grabe tragen. Das Sprichwort sagt zwar: Reden ist Silber. Schweigen ist Gold. Schweigen ist in diesem Falle nicht immer Gold.

Roland Schuster




Im Würgegriff der Polizei

Städtische Überwachungskameras haben in diesem Fall kein Verbrechen aufgeklärt, sondern die Falschaussage einer Polizistin | Bild: KIM-Archiv

Erneut Racial Profiling in Mannheim

Die Wochenzeitung Kontext berichtet am 1.3. 2025 von einer Polizeikontrolle in Mannheim, bei der ein „27-jähriger Nigerianer unvermittelt in einen Würgegriff“ genommen worden war. Fünf Wochen später ist auch im Mannheimer Morgen – durchaus kritisch – von dem Vorfall zu lesen. Was im MM nicht erwähnt wird: der kontrollierte Mensch ist Schwarzer und somit handelt es sich um Racial Profiling, zu deutsch: rassistische Profilerstellung durch die Polizei. Die gibt es angeblich in Mannheim nicht. Zumindest nicht nach der Mannheimer Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer: „Ich verwahre mich auch, dass es strukturellen Rassismus in der Polizei gibt“ sagte sie im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung vor zwei Jahren. Anlass war der gewaltsame Überfall eines Sonderkommandos der Polizei auf eine Gruppe Schwarze Jugendlicher, die im Rahmen eines Austauschprogramms in Mannheim zu Gast waren und ohne jeden Anlass festgehalten wurden.

Uns liegt das Gedächtnisprotokoll von Herrn Omoregie vor, in dem er beschreibt, wie er morgens um 6:30 von der Nachtschicht in einem Altenpflegeheim kommend auf der Kurpfalzbrücke von zwei Polizist:innen kontrolliert wird.

Der Bericht beschreibt einen Alptraum.

Die beiden Beamt:innen unterstellen der Pflegefachkraft Drogen- /und oder Alkoholgenuss. Weil er sich weigert in der Öffentlichkeit eine Urinprobe abzugeben, wird er in den Würgegriff genommen: „Ich stand mit dem Rücken zum Brückengeländer und rief die ganze Zeit nach Hilfe und weinte. Er drückte mich so an das Brückengeländer, dass mein Oberkörper über dem Geländer hing und ich Todesangst hatte hinüber zu fallen“. Die beiden Polizist:innen rufen zur Verstärkung 10(!) weitere Beamt:innen herbei, die Herrn Omoregie mit Handschellen so fesseln, „dass ich vor Schmerzen schrie.“ Eine beschämende Körpervisite folgt: „Ich wurde ausgelacht und als Penner beleidigt. Es war so demütigend.“ Herr Omoregie wird in ein Polizeirevier gebracht, hier muss er sich ausziehen. Die Proben ergeben, dass bei ihm weder Alkohol noch Drogen nachweisbar sind.

Nach diesem entwürdigenden Vorgehen Mannheimer Polizist:innen erhebt Herr Omoregie Anzeige. Das Verfahren wird – surprise – eingestellt. Wie schon oft, erhält nun Herr Omoregie eine Gegenanzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzlicher Körperverletzung und tätlichem Angriff. Im Prozess am Amtsgericht Mannheim wird von der Polizistin bezeugt, dass sich ihr Kollege um Deeskalation bemüht und sich Herr Omoregie „hysterisch“ verhalten habe. (Wochenzeitung Kontext 1.3.25) Unterstützt wird der Angeklagte nun von der Beratungsstelle Leuchtlinie. Leuchtlinie ist eine Fach- und Beratungsstelle für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Baden-Württemberg.

Die Kamera-Überwachung auf der Kurpfalzbrücke hatte das Geschehen gefilmt. Danach erweist sich die Aussage der Polizistin als unwahr. Die Schilderung von Herrn Omoregie entspricht dem tatsächlich gewaltsamen Vorgehen der Polizist:innen. Er wird frei gesprochen.Das Trauma durch dieses menschenunwürdige Geschehen bleibt.

Ob die Anklage gegen die beiden Beamt:innen wegen Falsch-Aussage wieder aufgenommen wird, wird laut Kontext von der Staatsanwaltschaft noch geprüft.

Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) urteilt: in Deutschland existiert institutioneller Rassismus und die deutsche Polizei betreibe „Racial Profiling“. Das sieht Baden-Württembergs Innenminister Strobl anders: „Unsere Landespolizei hat kein strukturelles Rassismus- oder Diskriminierungsproblem“.

In Mannheim kommt es immer wieder zu Übergriffen durch die Polizei, die als rassistisch motiviert zu sehen sind. Ebenso regelmäßig werden Beschwerden dagegen unter den Teppich gekehrt – die Staatsbeamt:innen haben keine Konsequenzen zu fürchten. Innerhalb der Polizei scheint Korpsgeist zu verhindern, das rassistische Einstellungen angezeigt werden.

Um Vertrauen aufzubauen müsste es im Interesse von Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer sein, hier strukturelle Veränderungen herbei zu führen und sich endlich mit: „Motivation, Einstellungen und Gewalt im Alltag von Polizeibeamten“ in ihren Reihen auseinander zu setzen, anstatt zu vertuschen und die für die Staatsgewalt beschämenden Vorgehen abzustreiten.

Text: Margarete Würstlin




Wärmewende braucht klare Ziele – und soziale Gerechtigkeit

Kein Zukunftsmodell: Die Gasheizung. Die Umrüstung auf moderne Alternativen muss sozial gerecht organisiert werden. | Bild: KIM

Die von der MVV angekündigte Stilllegung des Gasnetzes bis 2035 ist ein mutiger und konsequenter Schritt, den wir von der Fraktion LTK ausdrücklich begrüßen. Anders als von manchen dargestellt, handelt es sich nicht um ein Datum, an dem plötzlich „der Gashahn abgedreht wird“, sondern um ein notwendiges Zieljahr, das die Richtung vorgibt.

Der kürzlich gefasste Beschluss des Gemeinderats verzichtet jedoch bewusst auf ein festes Ausstiegsdatum. Dabei gilt: Ohne klare Ziele keine klaren Wege. Mit dem Verzicht auf ein definiertes Zieljahr fehlt die notwendige Planungsgrundlage für alle Beteiligten.

Dr. Jessica Martin, Stadträtin Klimaliste, LTK Fraktion | Bild: Thommy Mardo

Zwar haben wir als Fraktion LTK dem Beschluss zugestimmt, da es wichtig war, grundsätzlich festzuhalten, dass klimaschädliches Erdgas keine Zukunft hat. Dennoch kritisieren wir, dass die Stadt damit die Chance verpasst, als Vorreiter bei der Wärmewende aufzutreten – während andere Städte wie Augsburg und Stuttgart bereits ähnliche Zeitpläne veröffentlicht haben.

Umso erfreulicher ist es, dass die MVV nach dem Beschluss mitgeteilt hat, dennoch am Gas-Aus 2035 festzuhalten. Die Wärmewende duldet keinen weiteren Aufschub. Wir können nicht bis Mitte 2026 warten, bis die EU-Gasbinnenmarktrichtlinie in deutsches Recht überführt sein muss.

Entscheidend ist dabei eine sozial gerechte Gestaltung der Wärmewende. Mit unserem Antrag „Soziale Verträglichkeit der Wärmewende sicherstellen“ haben wir konkrete Lösungsansätze vorgelegt. Dazu gehören ein Härtefallfonds für einkommensschwache Eigentümer:innen, erweiterte Beratungsangebote und Contracting-Modelle, die Investitionskosten über Energieeinsparungen refinanzieren.

Besondere Unterstützung benötigen jene Bürger:innen, die erst kürzlich – im Vertrauen auf eine mögliche Wasserstoff-Umrüstung – neue Gasheizungen installiert haben. Hier sehen wir die MVV in der Verantwortung, einen Sonderfonds einzurichten.

Die Klimakrise erfordert entschlossenes Handeln – aber dieses Handeln muss sozial gerecht sein. Eine verpasste oder verzögerte Energiewende wird für alle Beteiligten langfristig deutlich teurer werden. Wir erwarten daher, dass der Gemeinderat sich zeitnah mit unseren Vorschlägen befasst.

Statement von Dr. Jessica Martin, Stadträtin der Fraktion LTK, zur Debatte um das Gas-Aus in Mannheim

 

Der Antrag zur Sitzung des Gemeinderats am 18.03.2025  hat folgenden Wortlaut:

Soziale Verträglichkeit der Wärmewende sicherstellen

Der Gemeinderat möge beschließen:

  1. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit der MVV ein kommunales Förderprogramm „Sozialverträgliche Wärmewende Mannheim“ zu entwickeln, das ergänzend zu bestehenden Bundes- und Landesförderprogrammen speziell Härtefälle unterstützt.
  2. Es wird ein „Härtefallfonds Wärmewende“ eingerichtet, aus dem einkommensschwache Hauseigentümer:innen, Senior:innen mit geringem Einkommen und andere besonders belastete Personengruppen Zuschüsse für die Umrüstung ihrer Heizungsanlagen erhalten können.
  3. Die MVV wird beauftragt, spezielle Contracting-Modelle für einkommensschwache Hauseigentümer:innen zu entwickeln, bei denen die Investitionskosten vorfinanziert und über die Energieeinsparungen refinanziert werden.
  4. Die bestehenden Beratungsangebote der Klimaschutzagentur und der MVV werden ausgeweitet und niedrigschwelliger gestaltet. Insbesondere sollen regelmäßige Beratungstermine für Berufstätige in den Abendstunden nach Feierabend (bis 20 Uhr) sowie an Samstagen angeboten werden. Zudem sind dezentrale Beratungsangebote in den verschiedenen Stadtteilen einzurichten und aufsuchende Beratungen (u.a. für mobilitätseingeschränkte Personen) anzubieten. Um eine niedrigschwellige, qualifizierte Energieberatung zu gewährleisten, muss die personelle Ausstattung der Klimaschutzagentur in der Energieberatung verbessert werden.
  5. Das bestehende kommunale Darlehensprogramm in Zusammenarbeit mit lokalen Kreditinstituten muss inklusive vergünstigter Zinsen für energetische Sanierungsmaßnahmen unbedingt fortgeführt werden.
  6. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, quartiersbezogene Sanierungskonzepte zu entwickeln, die durch gebündelte Maßnahmen Kostenvorteile schaffen und die Belastung für einzelne Eigentümer:innen reduzieren.
  7. Es wird ein halbjährlicher Monitoring-Bericht zur sozialen Dimension der Wärmewende eingeführt, der die Wirksamkeit der Maßnahmen evaluiert und bei Bedarf Anpassungen vorschlägt.
  8. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, bei Bund und Land für weitere Förderprogramme zur sozialen Abfederung der Energiewende zu werben und entsprechende Anträge zu stellen.
  9. Die MVV wird verpflichtet, einen Sonderfonds für diejenigen Hauseigentümer:innen einzurichten, die nachweislich innerhalb des letzten Jahres von der MVV zum Einbau einer neuen Gasheizung beraten wurden, obwohl die Stilllegung des Gasnetzes bis 2035 bereits in Planung war. Dieser Fonds soll die vorzeitigen Umrüstungskosten für diese Kund:innen übernehmen oder substanziell bezuschussen. Die MVV hat ein transparentes Verfahren zur Nachweisführung und Antragsstellung zu entwickeln und dem Gemeinderat vorzulegen.

Die Finanzierung der Maßnahmen soll durch Umschichtungen im Klimaschutzbudget der Stadt, Mittel aus dem kommunalen Haushalt sowie durch die Akquise von Drittmitteln sichergestellt werden.
Der unter Punkt 9 genannte Sonderfonds ist durch die MVV zu finanzieren.