Abstimmung Straßennamen von 4. bis 17. März 2024 – Beteiligt Euch!

Vier Straßen im Mannheimer Stadtteil Rheinau-Süd sind benannt nach Kolonialisten und Rassisten. Bereits vor zwei Jahren hat der Gemeinderat beschlossen, dass sie umbenannt werden. In einem ersten Schritt wurden im Mai 2022 Vorschläge eingereicht. Daraus ist eine Liste von 18 möglichen Personen entstanden. An der Auswahl der vier neuen Namen können sich alle in Mannheim gemeldeten Personen ab 16 Jahren online beteiligen.  Das Ergebnis ist ein Meinungsbild der Bevölkerung. Es wird die Grundlage für die Entscheidung des Gemeinderats sein .

Wer steht zur Wahl? Auf der Vorschlagsliste stehen 18 Personen, die zu dem „Taufbezirk“ des betreffenden Viertels in Rheinau-Süd passen: Forschungsreisende und Personen des transkulturellen Austauschs. Die Meisten sind Menschen aus Europa, die sich in andere Länder begeben haben. Einige durchaus mit kolonialem Blick, andere als sogenannte Sammler, einer (Balthasar von Neumayer) auch als Teilnehmer einer kolonialistischen Expedition in Australien. Kurzbeschreibungen enthält die Liste der Stadt Mannheim

Bei der Neubenennung von Straßen, die nach Kolonialisten und Rassisten benannt sind, sollte Mannheim eine deutliche Haltung zum Ausdruck bringen: Ja zu gleichen Rechten und Lebenschancen für alle Menschen weltweit, Ja zu einem respektvollen Zusammenleben in Vielfalt, Nein zu Kolonialismus, Rassismus, Apartheid und Naturzerstörung!

Wir schlagen vier Personen vor, die im Unterschied zu den anderen Personen auf der Liste nicht aus der überlegenen Perspektive weißer Menschen auf die Welt blicken. Ihr kritischer Blick ist gespeist durch Erfahrungen in kolonialisierten afrikanischen Ländern und durch Rassismuserfahrungen.

Wählt May Ayim, Rudolf Duala Manga Bell, Wangari Maathai und Miriam Makeba!

Alle Infos zur Abstimmung bei der Stadtverwaltung: https://mannheim-gemeinsam-gestalten.de/dialoge/strassennamen-rheinau-sued

Weitere Infos: https://kolonialgeschichtema.com

AK Kolonialgeschichte Mannheim




Straßenumbenennung in Rheinau-Süd: Empörung über „entdemokratisierendes Verfahren“

Vorauswahl alleine durch Bewohner:innen aus Rheinau-Süd?

Nach dem Willen der BASF-Siedlergmeinschaft Rheinau-Süd soll es keine Straßennamen mit Bezug zu den deutschen Kolonien in Afrika geben. Dem kommt die Mannheimer Stadtverwaltung mit einem aktuellen Beschlussantrag entgegen. Er sieht vor, dass im ersten Schritt die Einwohnerschaft von Rheinau-Süd aus der Vorschlagliste von 18 Personen eine „Shortlist“ mit 8 Personen erstellt. Darin sollen die beiden Frauen mit den meisten Stimmen „gesetzt“ sein. In Rheinau-Süd rührt die Siedlergemeinschaft die Werbetrommel und kann erreichen, dass die Vorschläge des AK Kolonialgeschichte entfallen. Alle anderen Mannheimer:innen sollen nur noch aus dieser „Shortlist“ auswählen können.

Der größte Teil der Bewohnerschaft von Rheinau-Süd wohnt nicht in den betroffenen Straßen, hat also keinen größeren Bezug zu der Straßenumbenennung als andere MannheimerInnen. Trotzdem wird ihnen ein Sonderrecht zugestanden. Das stößt die bisher 17 Mannheimer Vereine, Gewerkschaften und Initiativen und 239 Einzelpersonen, die den Aufruf des AK Kolonialgeschichte unterzeichnet haben, ebenso vor den Kopf wie alle Mannheimer:innen, die im Beteiligungsverfahren Vorschläge eingereicht haben.

Der Hauptausschuss des Mannheimer Gemeinderats berät den Beschlussantrag am Dienstag, 30. Januar 2024 in der Zeit von 16:30 bis 19 Uhr im Ratssaal, Stadthaus N1. Der AK Kolonialgeschichte wird die Stadträt:innen zu Beginn mit Plakaten begrüßen – Unterstützende sind willkommen.

Stellungnahme des AK Kolonialgeschichte Mannheim

Der Arbeitskreis Kolonialgeschichte ist empört über den Versuch, das Verfahren zur Namensfindung zu entdemokratisieren. Die Bewohner*innen des Stadtteils Rheinau-Süd sollen das Recht bekommen, aus der Liste der Namensvorschläge mehr als die Hälfte zu streichen bevor andere Mannheimer:innen darüber abstimmen können. Eine sogenannte Shortlist soll dazu führen, dass 10 von den 18 geprüften Vorschlägen auf der Liste nicht berücksichtigt werden. Die Vorschlagsliste ist aus den eingereichten Vorschlägen aus der gesamten Mannheimer Bevölkerung entstanden.

Der Gemeinderat hat im Feb 2022 das Verfahren klar geregelt. Nur die AfD hat damals dagegen gestimmt. Nach diesem Beschluss wird das Meinungsbild im gesamten Stadtgebiet erhoben,
wobei das Meinungsbild von Rheinau-Süd separat ausgewiesen wird. Die Verwaltung bezeichnet die „Shortlist“ und das Sonderrecht von Rheinau-Süd als Anpassung des bestehenden Gemeinderatsbeschlusses „infolge von Diskussionen in der Stadtgesellschaft“ und als Kompromissvorschlag, der „allen Seiten weitgehend gerecht“ werde und die besondere
Betroffenheit der Anwohnenden der Straßen berücksichtige.

Tatsächlich ist der Beschlussantrag, der die Idee von drei gleichlautenden Anträgen von FDP, ML und CDU aufnimmt, vor allem dazu geeignet, der Stadtgesellschaft als Ganzes die Möglichkeit
demokratischer Einflussnahme zu entziehen und Diskussionen über die rassistischen und kolonialistischen Verflechtungen Mannheims zu unterdrücken.

Der Stadtteil Rheinau-Süd besteht nicht nur aus den Anwohnenden der betroffenen Straßen. Der größte Teil der Bewohnerschaft von Rheinau-Süd wohnt nicht in den betroffenen Straßen, hat also keinen größeren Bezug zu der Straßenumbenennung als andere MannheimerInnen. Trotzdem wird ihnen ein Sonderrecht zugestanden.

Wem kommt der Vorschlag entgegen, dass zehn Namensvorschläge in Rheinau-Süd aussortiert werden können?

Im MM vom 20.4.23 wird der Vorsitzende der im Stadtteil gut vernetzten BASF-Siedlergemeinschaft („fast 300 Mitglieder“) zitiert: „Wenn es keine Seen sein können, dann können es aber auch
keine Widerstandskämpfer sein“ Auf ihrer Homepage erklärt die BASF-Siedlergemeinschaft in ihrer Stellungnahme vom Mai 2023, dass sie von den Vorschlägen des AK Kolonialgeschichte mit „Protagonisten des antikolonialen Widerstands in Kamerun, Sänger, Dichter und andere Widerstandskämpfer… die Nase voll“ habe.

Damit drückt die Siedlergemeinschaft deutlich aus, dass sie eine Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte aus politischen Gründen ablehnt. Sie hat im Stadtteil Einfluss genug, um durch
die Propagierung bestimmter Namen zu erreichen, dass die vier Vorschläge des AK Kolonialgeschichte aus der „Shortlist“ entfallen.

Die vom AK Kolonialgeschichte vorgeschlagenen Namen kommen aus einem international geführten Diskussionsprozess und wurden in Mannheim mit vielen Menschen diskutiert. Für die Vorschläge haben sich bisher 17 Mannheimer Vereine, Gewerkschaften und Initiativen und 239 Einzelpersonen ausgesprochen. Das ist ebenso ein relevanter Teil der Mannheimer Stadtgesellschaft. Ihn stößt der Beschlussentwurf vor den Kopf.

Worum geht es dem AK-Kolonialgeschichte Mannheim?

Er will „klare Signale gegen Rassismus und für ein Zusammenleben in Vielfalt“ setzen. Anstelle der Kolonialisten sollen Personen geehrt werden, die sich gegen Rassismus, für Frauenrechte, für
Umwelt- und Klimaschutz sowie für globale Gerechtigkeit eingesetzt haben, und deswegen Vorbilder sind. Mannheim ist eine Zuwanderungsstadt, in der Menschen aus der ganzen Welt
leben. Straßennamen sollen diese Vielfalt abbilden und auch Zugewanderten öffentliche Bezugspunkte bieten.

Der Arbeitskreis bezieht sich auf die Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt und folgt den Empfehlungen des von der Stadt beauftragten historischen Gutachtens. Der AK Kolonialgeschichte spricht sich dafür aus, dass der Gemeinderat zu seinem Beschluss vom Februar 2023 steht und dass das gesamtstädtische Beteiligungsverfahren in der angekündigten Zeit und in seiner vorgesehenen Form zu Ende geführt wird.

AK Kolonialgeschichte Mannheim | https://kolonialgeschichtema.com

 




Koloniale Straßennamen von Windhoek bis Mannheim

Straßenschilder in Windhoek

Der Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim stellt die Debatte um die Umbenennung der Straßen in Mannheim-Süd bei einer Veranstaltung in einen größeren Kontext und spannt den Bogen nach Namibia. Denn nach sogenannten Kolonialpionieren wie Leutwein, Lüderitz und Nachtigal sind bzw. waren auch in Namibia Straßen benannt.

15 Straßen in der Hauptstadt Windhoek sind bereits 2019 umbenannt worden, das Verfahren für weitere Umbenennungen läuft. Naita Hishoono berichtet in der Onlineveranstaltung in deutscher Sprache über die aktuelle Debatte in der Hauptstadt Namibias, die Hinterlassenschaften der deutschen Kolonialherrschaft und die Situation im heutigen Namibia. Die Mitglieder des Arbeitskreises Kolonialgeschichte Mannheim informieren über die aktuelle Umbenennungsdebatte in Mannheim sowie Initiativen und Erfolge in anderen deutschen Städten.

Die Online – Informationsveranstaltung des Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim findet am Montag, 26.04.2021 von 19:30 – 21:00 Uhr statt. Referentin: Naita Hishoono, Leiterin des Namibia Institute for Democracy, Windhoek. Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmelden kann man sich per Email an makolonialgeschichte@posteo.de

Hintergrund: Umgang mit der kolonialen Vergangenheit in Namibia

Namibia ist seit nunmehr 31 Jahren unabhängig. Der Aufbau des jungen Staates ist mit vielfältigen Herausforderungen verbunden. Nicht zuletzt geht es um Identität und historische Vorbilder. Aber noch immer ist das Land geprägt von seiner kolonialen Vergangenheit, die mit der deutschen Kolonialherrschaft im Zeitraum von1884 bis 1915 begann. Das deutsche Kaiserreich beanspruchte Südwestafrika als deutsche Siedlerkolonie und setzte für dieses Ziel Vertreibungen, Landraub, Völkermord und Konzentrationslager ein. Straßen erhielten deutsche Namen, Kolonialherren wurden mit Denkmälern geehrt. Noch heute befinden sich 70 % des während der deutschen Kolonialherrschaft enteigneten fruchtbaren Landes und große Teile der Wirtschaft in der Hand von Weißen, die nur ca. 5 % der Bevölkerung ausmachen.

Über den Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim

Der Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim ist im Sommer 2020 entstanden. Inzwischen verfügt er über eine reich mit Informationen bestückte Homepage. Die Mitglieder wollen mit Recherche und Informationen zur kritischen Aufarbeitung und Diskussion in Mannheim beitragen. „Wir sind überzeugt, dass wir rassistische Menschenbilder nur bekämpfen können, wenn wir uns mit ihrer Entstehung in der Zeit des Kolonialismus beschäftigen“, so Hildegard Klenk, deren Schwerpunkt im Bildungsbereich liegt. Deshalb befasst sich der Arbeitskreis mit der in der Stadt gepflegten Erinnerungskultur, die z.B. in Straßennamen zum Ausdruck kommt.

„Bei der Neubenennung der Straßen sollte die Stadt Mannheim ein klares Signal gegen Gewaltherrschaft und Rassismus setzen. Anstelle der Kolonialisten sollten Antikolonialisten und Antikolonialistinnen geehrt werden. An die Stelle der weißen Europäer sollten Menschen aus dem globalen Süden oder von dort Zugewanderte oder ihre Nachfahren geehrt werden“, führt Bernhard Reinbold aus. Einige herausragende Persönlichkeiten werden auf der Homepage vorgestellt. Daneben stehen weitere Themenbereiche auf der Tagesordnung.

Margarete Würstlin betont die überfällige Beschäftigung mit den in den Kolonien geplünderten Kunst- und Kulturgütern in den Reiss-Engelhorn-Museen. Hinschauen möchte der Arbeitskreis außerdem auf besondere Mannheimer Verstrickungen. „Wir wollen Mannheimer Personen wie z.B. Seitz, Bumiller oder Scipio in den Blick nehmen, die an maßgeblicher Stelle im Kolonialsystem aktiv waren“, führt Gertrud Rettenmaier aus. Gemeinsam mit Barbara Ritter und dem Verein Rhein-Neckar-Industriekultur hat sie begonnen, den Anteil der Kolonialwirtschaft am Aufstieg von Industrie und Handel in Mannheim zu untersuchen.

Die Mitglieder Anna Barbara Dell, Johannes Hauber und Gisela Kerntke betonen, dass die kolonialen Strukturen bis heute in asymmetrischen Handelsbeziehungen und der ungleichen Verteilung von Ressourcen und Lebenschancen weiterbestehen. Der Arbeitskreis kooperiert mit dem Mannheimer Bündnis für gerechten Welthandel, dem Eine-Welt-Forum, KulturQuer QuerKultur Rhein-Neckar e.V. sowie den Organisationen und Initiativen in den Bereichen Migration und Flucht.

(Arbeitskreises Kolonialgeschichte Mannheim)

Weitere Infos

Webseite des AK Kolonialgeschichte Mannheim: https://kolonialgeschichtema.com