Zerschlagung des Rohbaus bei EvoBus in Mannheim geplant – Betriebsrat und IG Metall gehen in harte Auseinandersetzung mit dem Unternehmen

Busparkplatz am Evobus-Werksgelände in Mannheim | Bild: KIM-Archiv

  • Daimler Truck-Konzern gibt Pläne zur Verlagerung des kompletten Busrohbaus aus Mannheim ins Ausland bekannt
  • Ca. 1000 Arbeitsplätze im Werk Mannheim betroffen
  • IG Metall: Schwerer Schlag für Industriestandort Mannheim und die ganze Bundesrepublik
  • Betriebsrat und IG Metall erwarten Zukunftskonzept und kündigen harte Auseinandersetzung mit der Unternehmensleitung um den Erhalt von Arbeitsplätzen und Know-how an

Schwarzer Tag für Mannheim

Am Nachmittag des 29. Juni wurden in einer kurzfristig anberaumten Informationsveranstaltung die Beschäftigten bei EvoBus in Mannheim von der Unternehmensleitung darüber informiert, dass Teile der Produktion ins Ausland verlagert werden sollen. Im Rahmen eines von der Daimler Truck-Konzernleitung geplanten massiven Sparprogramms sollen u.a. der gesamte Rohbau in Mannheim geschlossen werden.

In Mannheim wären davon aktuell etwa 1000 Beschäftigte betroffen. Am Standort Ulm  stünden weitere rund 500 Arbeitsplätze auf der Kippe. Die EvoBus GmbH ist eine  100%ige Tochter der Daimler Truck AG. Am Standort Mannheim-Waldhof/Luzenberg arbeiten zur Zeit etwa 3500 Menschen für EvoBus. Im Motorenbau bei Daimler-Truck/ Lkw gibt es aktuell etwa 5000 Beschäftigte. Der Standort Mannheim mit zusammengenommen 8500 Beschäftigten ist einer der größten Arbeitgeber der Stadt Mannheim.

Thomas Hahl, 1. Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Mannheim, zeigte sich am Mittwoch nach der Informationsveranstaltung schockiert und wütend über die Pläne des Unternehmens:

„Der Karosserierohbau ist das Herzstück von EvoBus in Mannheim. Wir werden nicht zulassen, dass das komplett ins Ausland verlagert wird“, sagte er.  „Das nehmen wir nicht kampflos hin, sondern werden jetzt in eine harte Auseinandersetzung gehen.“ Es brauche für beide Standorte – also Mannheim und Ulm – ein gemeinsames Zukunftskonzept. „Da werden wir uns auch nicht auseinanderdividieren lassen.“ Das, was das Unternehmen bisher vorgelegt habe, sei „kein Konzept, das ist reiner Personalabbau.“

Wenn es in den deutschen Buswerken ein angebliches Kostenproblem gebe, liege das auch daran, dass in der Vergangenheit Investitionen in die Effizienz versäumt worden seien.

Bruno Buschbacher, Betriebsratsvorsitzender beim „Benz“ in Mannheim, kündigte an, gemeinsam mit Belegschaft und IG Metall für den Erhalt der Arbeitsplätze zu kämpfen:

„Die Auseinandersetzung hat begonnen. Wir werden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für unseren Standort kämpfen.  EvoBus ist der einzige Bushersteller, der noch in Deutschland fertigt, mit ausgezeichneten Beschäftigten, exzellentem Know-how und hoher Innovationskraft. Die Beschäftigten haben insbesondere in den beiden vergangenen Corona-Jahren außerordentliche Flexibilität bewiesen. Und das soll jetzt der Dank dafür sein? Wir sind harte Zeiten gewohnt. Wenn es drauf ankommt, steht der ganze Standort, Motorenbau und Busbau, zusammen.“

Die Arbeitnehmervertreter wollen von der Geschäftsleitung jetzt erst einmal weitere, belastbare Informationen zur aktuellen Lage des Busgeschäfts und der Standorte. „Wir befinden uns aktuell noch in der sogenannten Informationsphase und stellen infrage, ob sich eine Verlagerung ins Ausland überhaupt wirtschaftlich rechnet“, sagt Hahl und verweist darauf, dass auch im Ausland die Produktionskosten steigen. Daimler Truck hat unter anderem Bus-Produktionsstandorte in der Türkei und in Tschechien.

Buschbacher und Hahl weisen darauf hin, dass man nur am Standort Mannheim in der Lage sei, Sonderwünsche von Kunden, vor allem bei Stadtbussen, aber auch im Reisebusbereich in Ulm kurzfristig und mit hoher Qualität zu erfüllen. „Das sind Kernkompetenzen, die ganz klar für die deutschen Werke sprechen, trotz höherer Kosten.“

Der Mannheimer IG-Metall-Chef sieht dabei auch die Politik in der Pflicht: „Wer es ernst meint mit dem Standort Deutschland und Arbeitsplätze sowie Steuereinnahmen sichern will, darf auch bei der Vergabe von Bus-Aufträgen nicht nur auf den Preis schauen.“ Vor allem von den Kommunen erwarte man, dass „sie ihre Spielräume bei der Vergabe von Aufträgen nutzen und auch die Zahl der Arbeitsplätze und die tariflichen Arbeitsbedingungen in Deutschland als Kriterium berücksichtigen“.

Hahl: „Mit der geplanten Zerschlagung stellt sich die große Zukunftsfrage: Lassen wir es zu, dass die Transformation der Industrie brutal auf dem Rücken der Menschen ausgetragen wird? Oder kriegen wir es hin, Wertschöpfung, Perspektiven und Sicherheit für jeden zu erhalten? Es sind nicht allein 1000 Arbeitsplätze. Da hängt die drei bis vierfache Zahl an Angehörigen dran. Von Zulieferern ganz zu schweigen. Es ist nicht die Frage der Zukunft von EvoBus, sondern eine Überlebensfrage für den Industriestandort Mannheim und der industriellen Zukunft der Bundesrepublik Deutschland.“

(Pressemitteilung IG Metall Mannheim)




Kundgebung für Erhalt der Arbeitsplätze bei Galeria Kaufhof in N7 [mit Bildergalerie]

„Wir haben nicht vor, am 31. Oktober zu gehen und wir werden dafür sorgen, dass man uns bis in die Zentrale nach Essen hört!“ Sabine Jakoby, Betriebsratsvorsitzende bei der von der Schließung bedrohten Kaufhof-Filiale in N7, zeigte sich bei der Kundgebung in den Kapuzinerplanken am Samstag, 4. Juli 2020 kämpferisch. Unter dem Motto „Zukunft statt Kahlschlag“ hatte ver.di Rhein-Neckar aufgerufen und rund 300 Personen hatten sich um eine Uhr mit den Zeigern auf „5 vor 12“ versammelt, darunter Beschäftigte und Unterstützer*innen aus Gewerkschaft und Politik.

Jürgen Lippl, Geschäftsführer bei ver.di Rhein-Neckar, sicherte seine Unterstützung zu: „Die Gewerkschaft steht an eurer Seite in dieser schwierigen Zeit!“ Er forderte auch die Mannheimer Bevölkerung zur Solidarität auf: „Die Beschäftigten brauchen die Jobs, wir alle brauchen die Einkaufsmöglichkeiten.“

Oberbürgermeister Peter Kurz sicherte in einem Beitrag seine Unterstützung zu. Auch die Stadt sei überrascht worden, es habe zunächst keine Gespräche gegeben. Man wolle aber sehen, wie man als Stadt die Beschäftigten am traditionsreichen Standort unterstützen kann. Richtung Management sagte er: „Es gibt auch Perspektiven, es anders zu machen.“

Gewerkschafter Anton Kobel erinnerte daran, dass am Standort N7 einer der ersten aktiven Betriebsräte in einem Kaufhaus gegründet wurde. Die Belegschaft hätte sich schon früh an kämpferischen Warnstreiks beteiligt. Das betonte auch Ralph Heller, Betriebsratsvorsitzender am Uniklinikum in einem Grußwort: „Ich denke, es geht hier auch darum, einen Betrieb mit einem gut funktionierenden Betriebsrat aufzulösen“, sagte er mit Blick auf zunehmende Konkurrenz durch Online-Handel und Konzerne, die wie Amazon kaum betriebliche Mitbestimmung zulassen. Vor kurzem hat in unmittelbarer Nähe von Galeria Kaufhof N7 ein Outlet-Shop des Internet-Händlers Zalando eröffnet.

Weitere Redebeiträge und Grußworte gab es auch von DGB-Sekretär Lars Treusch, Alexandra Gödicke vom Betriebsrat der Kaufhof Filiale am Paradeplatz, von Gesamtbetriebsratschef Peter Zysik, der aus Köln angereist war, Wolfgang Alles vom Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise“ und auch die Bundestagsabgeordneten Leni Breimeier (SPD) und Gökay Akbulut (DIE LINKE) sicherten den Beschäftigten ihre Unterstützung zu.

Das Unternehmen Galeria Karstadt/Kaufhof hatte angekündigt, Filialen an 62 Standorten zu schließen, was rund 6000 Beschäftigte betrifft. Auf der Liste steht auch N7 in Mannheim mit 75 Beschäftigten. Die Filiale am Paradeplatz soll erhalten bleiben. Sechs Filialen in anderen Städten sollen nach Verhandlungen nun doch nicht geschlossen werden, was für einen kleinen Hoffnungsschimmer sorgt. Die Beschäftigten von N7 haben trotz allem noch nicht aufgegeben und wollen weiter für den Erhalt ihres Arbeitsplatzes kämpfen.

(cki)

Bildergalerie




Rückblick 1. Mai: Gute Beteiligung an den Kundgebungen in der Rhein-Neckar-Region [mit Bildergalerie]

Das Motto „Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit“ an der Demospitze

„Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit“ war das Motto der diesjährigen Kundgebungen des DGB zum 1. Mai. 340 000 Teilnehmer*innen bei knapp 500 Veranstaltungen meldete der DGB Bundesvorstand am Mittag des traditionellen Kampf- und Feiertags das Arbeiter*innen und Werktätigen. Im Vorfeld wurde in den Aufrufen Kritik an der „Großen Koalition“ geübt: „Wir werden die Bundesregierung drängen, die politischen Weichen in die richtige Richtung zu stellen: Solidarität statt gesellschaftliche Spaltung und Ausgrenzung, klare Kante gegen Rassismus und extreme Rechte.“ Wichtige Themen in den Reden zum 1. Mai waren Mitbestimmung und Arbeitsrechte, Tarifverträge und Lohnentwicklung, außerdem Wohnen und soziale Gerechtigkeit.

Unsere Reporter waren am 1. Mai in Mannheim, Heidelberg und Frankenthal und haben Eindrücke von den Gewerkschaftskundgebungen gesammelt.

 

Mannheim

Beschäftigte von GE

(cki) Rund 2500 Teilnehmer*innen zählte der DGB in Mannheim. Traditionell war der Treffpunkt zur Demo am Gewerkschaftshaus. Die Demo stellte sich gegen 10 Uhr auf und bildete thematische und organisatorische Blöcke, darunter die Einzelgewerkschaften des DGB, Beschäftigte des Uniklinikums und von GE, der Antikapitalistische Block mit vielen jungen Menschen, DIDF, der kurdische Gesellschaftsverein, Frauengruppen sowie linke und kommunistische Parteien und Organisationen, darunter viele aus der türkischen und kurdischen Community. Die Gewerkschaftsjugend fuhr mit einem LKW und lauter Musik in der Demo. Mehrere Songgruppen kamen zusammen, liefen bei der Demo gemeinsam und sorgten mit Arbeiterliedern für gute Stimmung.

Als die Demonstration gegen 11 Uhr den Marktplatz erreichte, wurden Sie von der Bühne aus von Gewerkschaftssekretärin Miriam Walkowiak begrüßt. Die Band Prallasoundsystem spielte Musik. Das Fest zum 1. Mai füllte sich, die Demonstrierenden konnten auf den Bänken vor der Bühne Platz nehmen und sich an rund 40 Ständen informieren oder mit internationalen Spezialitäten und Getränken versorgen.

Hauptredner Andreas Harnack von der IG Bau

DGB Kreisvorsitzender Jens Lehfeldt hielt als erster eine Rede und thematisierte dabei unter anderem die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt. Hauptredner war Andreas Harnack von der IG Bau. Er erläuterte das Motto „Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit“ und sprach über die Werte, für die Gewerkschaften stehen. Kritik gab es an der Groko, aber „viele Vorhaben der neuen Bundesregierung tragen unsere Handschrift“, ergänzte der Gewerkschaftssekretär. In den Bereichen soziale Gerechtigkeit und Bildung gebe es noch viel zu tun. Auch mit Kritik am Populismus von AfD und CSU sparte er nicht. Stattdessen warb er für eine „solidarische, gerechte und weltoffene Gesellschaft“. Sebastian Höhn, Intensivpfleger und Betriebsrat am Uniklinikum schilderte anschließend eindrücklich die durch zu wenig Personal verursachte, schwierige Lage in den Krankenhäusern.

Die Songgruppen spielten während der Demo Musik

Wolfgang Alles vom überbetrieblichen Solidaritätskomitee erinnerte an die Geschichte des 1. Mai in Mannheim und die Wiederbelebung der Gewerkschaftsdemonstrationen in den 80er Jahren. Für Solidarität über die eigene Berufsgruppe hinaus warb auch Denise Noe, Betriebsrätin bei Mercedes-Benz und aktiv in der IG Metall Jugend. Sie wies auf die Nachwuchsprobleme in vielen Berufsgruppen hin: „Aber was unternehmen die Arbeitgeber dagegen? Jammern, dass das Personal fehlt – ja das können sie alle. Aber sich dafür einsetzen, dass solch harte Arbeit ordentlich entlohnt wird das kann niemand von denen!“ Elisabeth Möller rief in ihrer Rede zum europäischen Aktionstag anlässlich der GE-Aktionärsversammlung auf.

Die Songgruppen von IG Metall, GEgenwehr (ehemals Alstom-Chor) und Trotz alledem, außerdem der 13-jährige Ali, Preisträger bei „Jugend musiziert“ mit Geige und Gesang, sorgten im weiteren Programm für musikalische Beiträge. Für viele Teilnehmer*innen ist der 1. Mai wie ein Familientreffen. Die politischen Weggefährt*innen aus den gewerkschaftlichen und linken Organisationen treffen sich in entspannter Atmosphäre, demonstrieren, diskutieren und feiern, viele gemeinsam mit ihren Familien. Einziger Wermutstropfen war das aggressive Auftreten der Polizei, welche die Demonstration durchgehend mit bewaffneten und gepanzerten Trupps und Pferden begleitete. In den letzten Jahren hielt sich die Polizei dezenter im Hintergrund. Dennoch blieb im Laufe des Tages alles ruhig.

 

Heidelberg

1. Mai in Heidelberg

(jb) Vom Bismarckplatz zum Marktplatz zogen ca. 400 Demonstranten von Gewerkschaften, Parteien wie der SPD, der Linken und der MLPD sowie aus Gruppierungen wie dem Sozialistisch-demokratischen Studierendenverband mit dem Slogan „Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit“ durch die Hauptstraße. Nach Angaben der Gewerkschaft nahmen an der Demo rund 400 teil, am zentralen Kundgebungsort vor dem Heidelberger Rathaus waren es dann um die Mittagszeit ca. 700 Teilnehmer.

Der Kreisvorsitzende des DGB, Thomas Wenzel, nannte den „Tag der Arbeit“ auch den „Kampftag arbeitender Menschen“ und er gab sich bei seinem Grußwort durchaus kampfbereit. Seine Kampfansagen und die der Hauptrednerin Claudia Dunst von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kamen an und wurden begrüßt.

Wenzel sprach vom Überbetriebliches Solidaritätskomitee Rhein-Neckar die den Kampf und Widerstand gegen die Globalisierung und den Arbeitsplatzabbau aufgenommen hat. Viele Arbeitgeber u. a. Siemens, Heidelberger Druckmaschinen, Goodyear, ABB, Freudenberg und Universitätsklinikum Mannheim bei denen Arbeits- und Ausbildungsplätze vernichtet wurden und aktuell noch werden.

Der Kampf der Gewerkschaften gehe auch weiter gegen die zunehmende Leiharbeit in Heidelberg, die sich um 276 Prozent (von 2003 bis 2015) mit zunehmender Tendenz gesteigert hätte, gegen prekäre Arbeitsplätze an den Universitäten und für kostenlose Kitas, Kindergärten und ein kostenfreies Studium. Bevor er das Mikrofon an Claudia Dunst weiter gab, sprach sich Wenzel für eine Umverteilung der Vermögenswerte und somit auch für eine Millionärssteuer aus.

Claudia Dunst sorgte für großen Applaus, als sie über die Errungenschaften von Gewerkschaften sprach. „Gewerkschaften sind die Experten für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt, sie sind die Kraft des sozialen Fortschritts, und wir haben im letzten Jahr viel erreicht.“

Auch in der Metropol-Region. Sie nannte Beispiele von Gewerkschaftsmitgliedern, die durch Gewerkschaften heute klar bessere Arbeits- und Lebensbedingungen haben.

 

Frankenthal

1. Mai in Frankenthal

(cr) An der vom DGB veranstalteten Kundgebung auf dem Rathausplatz nahmen etwa 400 Menschen teil. Infostände von Die Linke und Aufstehen gegen Rassismus, Weltladen, Bündnis 90/Die Grünen, DGB, SPD und Jusos, sowie NGG unterstützten die Veranstaltung.

Rüdiger Stein (DGB Vorder- und Südpfalz) sprach in seiner Rede die Sachthemen Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit an. Hervorgehoben wurden die Ansiedelung von Amazon und die kritische Bewertung seitens des DGB zu den nicht tariflich gebundenen Beschäftigungsverhältnissen, sowie der Versuch der Metro-Gruppe auf die Mitarbeiter der Real-Filiale tariflichen Druck auszuüben.

Rüdiger Stein, DGB

Mairedner war Günter Hoetzl (IGM Ludwigshafen/Frankenthal), der in seiner kämpferisch vorgetragenen Ansprache eine Partei in den Fokus nahm, die nach den Wahlen zum Deutschen Bundestag 2017 dort erstmals vertreten ist. Als „Rechtspopulistisch, demokratiefeindlich und die Gesellschaft spaltend“, ordnete der Redner diese Partei, ohne sie beim Namen zu nennen, ein.

Der Frankenthaler Oberbürgermeister Martin Hebich (CDU) kopierte in seiner wenig empathisch vorgetragenen Rede die Themen seiner Vorredner. Zu oft zu hören war, wenn es um die wichtigen Themen wie Gerechtigkeit, Vielfalt und den Arbeitsmarkt angeht. „man müsste, man sollte, man könnte“.

Die Reden der Gewerkschafter wurden von den BesucherInnen mit großem Applaus quittiert. Dieser blieb nach der Ansprache des OB’s quasi aus. Den rockig-poppigen-musikalischen Rahmen bildeten zwei Bands. Typische Arbeiterlieder wurden von einem gemischten Chor, unter Leitung der Naturfreunde, vorgetragen.




Tarifauseinandersetzung Metall- und Elektroindustrie – Starker 2. Warnstreiktag

Beschäftigte von John Deere Mannheim legen Arbeit nieder – 1500 Teilnehmerinnen bei Kundgebung auf dem Lindenhof – Stein betont gesellschaftliche Bedeutung der Tarifforderungen der IG Metall

Die gestern angelaufenen Warnstreiks in der aktuellen Tarifauseinandersetzung in Mannheim fanden heute ihre Fortsetzung beim Traktorenhersteller John Deere (der Warnstreik-Auftakt fand mit 150 Teilnehmern bei WABCO Radbremsen in Mannheim-Friedrichsfeld statt – die Red.). Um die 1.500 Beschäftigten legten ihre Arbeit nieder und versammelten sich zu einer Kundgebung der IG Metall auf dem Sparkassenplatz in Mannheim-Lindenhof.

Der Warnstreik ist die Reaktion der Gewerkschaft und der Beschäftigten auf das bisher vorgelegte Angebot der Arbeitgeber, das als Provokation in Richtung IG Metall und Hohn für die Belegschaften bewertet wird.

Der Betriebsratsvorsitzende Torsten Jann wies das Angebot der Arbeitgeber entschieden zurück und dankte den Beschäftigten für die zahlreiche Teilnahme an der Kundgebung. Flexible Arbeitszeitgestaltung dürfe nicht weiter eine Einbahnstraße sein und könne zukünftig nicht weiter nur einseitig vom Arbeitgeber ausgehen. Das Vorgehen der Arbeitgeber zeige bislang in keinster Weise eine Wertschätzung der Belegschaft, die den wirtschaftlichen Erfolg bei John Deere überhaupt erst möglich gemacht hat.

Klaus Stein, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Mannheim, hob in seiner Ansprache insbesondere auch die gesellschaftliche Bedeutung der von der IG Metall aufgestellten Forderung nach zeitlich befristeter Arbeitszeitreduzierung hervor. Diese sei besonders wichtig und zeitgemäß, damit auch zukünftig Kinder in intakten Familienverhältnissen aufwachsen könnten oder die Möglichkeit bestünde, Angehörige in schwierigen Zeiten unterstützen zu können.

Birol Koca, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, betonte die Geschlossenheit der Belegschaft bei John Deere hinter der Forderungen der IG Metall und kündigte an, die weiteren Entwicklungen sowie die Reaktion der Arbeitgeber genau zu beobachten. Notfalls werde man mit weiteren Aktionen den Forderungen der IG Metall Nachdruck verleihen.

IG Metall Mannheim 09-01-2018

Warnstreiks seit 8. Janaur

IG Metall Mannheim stellt Verhandlungsstand und Zeitplan der Tarifauseinandersetzung in der M+E-Industrie vor – Warnstreiks in den Betrieben Mannheims und der Region ab Montag, den 08. Januar 2018

In den Betrieben der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie in Mannheim und der Region wird die IG Metall ab 08. Januar 2018 zu Warnstreiks aufrufen. Dies kündigte der 1. Bevollmächtigte und Geschäftsführer der IG Metall Mannheim, Klaus Stein, heute in einem Gespräch mit den regionalen Medien an.

Die IG Metall fordert in der M+E-Tarifrunde 2018 eine Entgelterhöhung von 6 Prozent für 12 Monate sowie einen individuellen Anspruch auf Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden für maximal 2 Jahre. Für Beschäftigte mit zu pflegenden Angehörigen oder Kindern unter 14 Jahren, ebenso wie für Beschäftigte in Schichtsystemen und anderen gesundheitlich belastenden Arbeitszeitmodellen, die ihre Arbeitszeit absenken, fordert die IG Metall Entgeltzuschüsse, um die entstehenden Verluste abzufedern.

Bis dato gibt es in der Tarifauseinandersetzung nur ein schmales Angebot der Arbeitgeber zum Thema Entgelt. Die Arbeitszeitforderungen der IG Metall wie auch die Entgeltzuschüsse zur Entlastung besonderer Beschäftigtengruppen werden bisher in heftiger Weise vom Arbeitgeberverband Südwestmetall abgelehnt.

Klaus Stein forderte angesichts der Haltung des Arbeitgeberlagers und der hinzugekommenen erweiterten Flexibilitätsanforderungen der Unternehmen im Finanzkapitalismus ein Umdenken. „Wir müssen darüber reden, ob Unternehmen ein Teil dieser Gesellschaft sind oder ob wir es akzeptieren, dass sie sich gesellschaftlicher Verantwortung immer mehr entziehen.“ Stein kündigte an, dass die IG Metall in den kommenden zwei Wochen den notwendigen Druck aufbauen und entfalten werde, um der Debatte und ihren Forderungen Mächtigkeit zu verleihen. Ab Montag würden die ganze Woche lang jeweils von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich die Beschäftigten in den tarifgebundenen Unternehmen der M+E-Industrie zu Warnstreiks aufgerufen.

Zur Branche gehören Betriebe wie beispielsweise das Mercedes Benz-Werk/ EvoBus, John Deere oder Caterpillar in Mannheim.

Am 11. Januar gehen die Verhandlungen in Böblingen mit den Arbeitgebern dann in die dritte Runde.




GE, Siemens & Co: Die „Diktatur der Zahlen“

Bild: helmut-roos@web.de

Zum Jahresende schließt General Electric die traditionsreiche Turbinen-Fabrik in Käfertal. Obwohl es Kaufinteressenten gab, und obwohl es zahlreiche, gut begründete Alternativvorschläge des Betriebsrats und der Belegschaft zur Auslastung der Fertigung gibt.

Seit Anfang Dezember ist klar, dass der Konzern auch die verbliebenen rund 700 Stellen in Mannheim abbauen und damit das Werk endgültig plattmachen will. Die Gesamtsumme der von GE vor Ort vernichteten Arbeits- und Ausbildungsplätze würde dann auf etwa 1800 steigen. Ein einmaliger Erfahrungsschatz für die „Energiewende“ fällt somit der „Diktatur der Zahlen“ endgültig zum Opfer.

In der Regel verursacht zudem ein direkt gestrichener Arbeitsplatz den Verlust von zwei weiteren Stellen bei Zulieferern, Dienstleistern oder im Handel.

Siemens kopiert das Vorgehen von GE. Einerseits Milliardengewinne – offiziell 6,2 Milliarden Euro. Andererseits sollen 6.900 Arbeitsplätzen weltweit vernichtet werden, davon etwa die Hälfte in Deutschland.

Der strategische Ansatz aus Personalabbau, Werkschließungen und Verlagerungen in gewerkschaftsfreie Zonen meist in Verbindung mit Steuervermeidung und Subventions-Abzocke ist jedoch nicht neu. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Siemens Mannheim betroffen sein wird.

Bild: helmut-roos@web.de

Die Proteste gegen Siemens müssen natürlich unterstützt werden. Aber es bedarf einer wirksamen politischen Strategie gegen die „Diktatur der Zahlen“.

Bereits am 11. Juli 2005 hatten Betriebsrat und IGM-Vertrauenskörperleitung von Alstom Power in Käfertal zum „Widerstand gegen ,Globalisierung‘ und Arbeitsplatzabbau“ aufgerufen.
Verbot von Entlassungen!

In ihrem „Mannheimer Appell“ heißt es unter anderem: „Was […] fehlt, das ist eine betriebsübergreifende Gegenwehr und ein allgemeiner gewerkschaftlicher Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung. […]
Wir rufen deshalb alle von Entlassungen oder Werksschließungen bedrohten Belegschaften und unsere Gewerkschaften auf: Koordiniert den Widerstand über alle Grenzen hinweg!
Fordern wir gemeinsam die Einhaltung des Grundgesetzes ein: ,Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist … zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.‘ (Artikel 14 GG.) Kämpfen wir deshalb auch für ein Verbot von Entlassungen!“

Dennoch beschränken sich Betriebsräte und Gewerkschaften in der Regel auf das Aushandeln von „Interessenausgleich und Sozialplan“. Bestenfalls in Kombination mit einigen Protestaktionen oder sogar Streiks für einen „Sozialtarifvertrag“.
Ist es aber jetzt nicht höchste Zeit, dass eine wirksame und umfassende Verteidigung gegen die Kriegsführung des Kapitals entwickelt wird?

(H.N., aktualisiert aus Avanti² von Dezember 2017)

 

Konferenz  „GE – unser Kampf – wie weiter?“

Bild: helmut-roos@web.de

Mit dieser Fragestellung setzte sich eine Konferenz der IG Metall Mannheim und des Überbetrieblichen Solidaritätskomitees Rhein-Neckar auseinander. Sie fand am 18. November 2017 im Otto-Brenner-Saal des Gewerkschaftshauses statt.

Ziel der Tagung war es laut Einladung, „das Verhalten von GE im Zusammenhang mit der Übernahme und Zerschlagung von Alstom Power zu analysieren und Schlussfolgerungen für unsere weitere Arbeit zu ziehen“.
Inhaltlich sollten folgende fünf Themen behandelt werden:

· Wer und was ist GE? Welche Strategie und Philosophie liegt diesem Konzern zugrunde?
Hierzu gab es eine Analyse der aggressiven GE-Methoden von Wolfgang Alles (Sprecher des Solikomitees). Seine zentrale Schlussfolgerung war: Es sei notwendig, „eine wirksame Verteidigungsstrategie gegen diese Art von ,wirtschaftlicher Kriegsführung‘– diese Methoden des Klassenkampfs von oben – zu entwickeln“ (siehe auch den vollständigen Text unter http://www.mannheim.igm.de/news/meldung.html?id=84559).

· Wie sah das konkrete Vorgehen von GE bei der Zerschlagung der Ex-Alstom Power aus?
Elisabeth Möller, Betriebsratsvorsitzende, KBR-Vorsitzende und stellvertretende Europabetriebsratsvorsitzende berichtete detailliert von ihrem übermenschlich anmutenden Kampf gegen einen übermächtigen und rücksichtslosen Gegner.

· Welche betriebswirtschaftlichen Alternativen gab und gibt es?
Knapp und präzise skizzierte Michael Hoffmann vom Info-Institut Saarbrücken die betriebswirtschaftlich gut begründeten Vorschläge der Betriebsratsseite, die von GE dennoch nicht akzeptiert wurden.
Ausführlich stellte Eckhard Sans vom Käfertaler GE-Betriebsrat eine beindruckende Liste von alternativen Fertigungsprojekten für die Mannheimer GE-Fabrik vor (Windenergie, Kastoren-Fertigung, mechanische Fremdfertigung etc.). Ihre Umsetzung hätte langfristig den Erhalt von vielen Produktionsarbeitsplätzen und des einzigartigen Maschinenparks ermöglich, wurde aber von GE kategorisch abgelehnt.

· Welche Konsequenzen können wir aus dieser Entwicklung ziehen? Politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich, gewerkschaftlich und betrieblich?
Aus Zeitgründen konnte diese wesentliche Frage leider nur ansatzweise von den Podiums-TeilnehmerInen und den etwa 60 KollegInnen im Plenum diskutiert werden. Eine erfreuliche Einmütigkeit herrschte jedenfalls insofern vor, als allen Beteiligten klar war: Betriebsräte und Gewerkschaften stehen aufgrund der Erfahrungen mit GE vor enormen Herausforderungen. Ein weiter so wie bisher wäre fatal.

· Welches erste Fazit können wir ziehen?
Klaus Stein, der 1. Bevollmächtigte der IGM Mannheim, betonte zurecht, dass dramatische Entwicklungen hinter den Beschäftigten, den Betriebsräten und der IG Metall Mannheim liegen würden. Der durch GE erfolgte brutale Einschnitt, so Stein, müsse erst noch in allen Auswirkungen erfasst werden müssen. Deshalb regte er eine regelmäßige Fortführung des auf der Konferenz begonnenen Austauschs über gewerkschaftliche und politisch wirksame Gegenstrategien an.

(M.G., aus Avanti² von Dezember 2017)

 




Es reicht! Kundgebung gegen die Zerschlagung des Mannheimer General Electric-Standorts

Protestaktion gegen die Schließung des Mannheimer Werks (Bild: Helmut Roos)

Breite Solidarität vieler Menschen aus Mannheim und der Region – IG Metall: Wir brauchen gesellschaftiche Antworten

Am Montag haben etwa 400 Menschen am Tor 6 bei General Electric in Mannheim-Käfertal gegen die Zerschlagung des traditionsreichen Mannheimer Industrieunternehmens demonstriert.

Die Betriebsversammlung am Vormittag war unterbrochen worden und die Kolleginnen und Kollegen waren zur Kundgebung der IG Metall Mannheim ans Tor gekommen.

Viele Menschen aus anderen Betrieben, Gewerkschaften, Kirchen und Verbänden sowie viele Bürgerinnen und Bürger unterstützten den Protest.

Über die Solidaritätsbotschaften von Andreas Stoch von der SPD-Landtagsfraktion, Roland Schuster von der Partei die LINKE sowie der Siemens-Kollegen des ebenso von Zerschlagung betroffenen Standorts Offenbach freuten sich die Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sehr.

Klaus Stein, 1. Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Mannheim sagte: „Es reicht! Das Verhalten des GE-Managements ist asozial. Wir brauchen dringend gesellschaftliche Antworten auf solche menschenverachtenden Entscheidungen.“

Elisabeth Möller, Betriebsratsvorsitzende bei GE in Mannheim: „Die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen bei GE in Mannheim werden trotz anders lautender Versprechen in diesem Jahr im Regen stehen gelassen. Unser Protest und unser Kampf für die Arbeitsplätze geht weiter.“

IG Metall Mannheim, 11.12.2017

 

 

Grußwort von Roland Schuster (Die LINKE Mannheim)

(…) im Mannheimer Morgen vom Samstag wird eure Betriebsratsvorsitzende zitiert „Dieser Standort erlebt seit Jahren die Hölle auf Erden.“

Diese traurige und bittere Wahrheit, ausgesprochen von Elisabeth Möller, müsst ihr, und das ist schlimm, ertragen. Das erklärte Ziel, den Standort für möglichst Viele zu erhalten, konntet ihr nicht und konnten wir nicht, die wir euch unterstützt haben, erreichen.

Aber, das ist vielleicht ein kleiner Trost, lasst euch das von Einem sagen, der auch ein Blick von Außen hat:

Ihr, als Belegschaft, als Betriebsrat, als Vertrauensleute habt Alles, aber auch Alles gemacht um diese Arbeitsplätze zu erhalten:

Unzählige Protestversammlungen, Demonstrationen, gemeinsame Busfahrten nach Paris und nach Frankfurt zu den Konzernzentralen, das überbetriebliche Solidaritätskomitee, die starke Unterstützung durch die IG Metall, Öffentlichkeitsarbeit, Einschaltung der Politik usw.

Ihr habt auch den Part übernommen, den eigentlich die Geschäftsleitung hätte machen müssen: Ihr habt euch um mögliche Alternativgeschäftsfelder außerhalb der Energiewirtschaft gekümmert.

Aber all das wollte die Geschäftsleitung nicht hören, und als die Schließung der Fabrik nicht mehr abzuwenden war, habt ihr einen Investor bei der Hand gehabt, der die Fabrik kauft.

Aber auch das wollte die Geschäftsleitung nicht.

Sie wollte diesen Standort und diese Arbeitsplätze von Anfang an platt machen. Ihr und wir haben das geahnt – umso schlimmer nun ist es, dass das Unglück zumindest weitgehend eingetreten ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bei aller Traurigkeit und Wut: Wir müssen nach vorne schauen. Jeder Arbeitsplatz, der hier am Standort erhalten werden kann, muss bleiben! Und für jeden Arbeitsplatz, der nicht erhalten werden kann, weil die Geschäftsleitung sich weigert, soll GE, der Konzern mit den Milliarden-Gewinnen, so teuer wie möglich bezahlen. Dafür sollt ihr die Unterstützung bekommen, die ihr verdient habt.

Die Konferenz, die der Betriebsrat, die Vertrauensleute und das Solidaritätskomitee zusammen mit der IG Metall, am 29. November im Gewerkschaftshaus durchführten, trug den Titel „GE – unser Kampf – wie weiter?“

In den Konferenzmaterialien gibt es eine Rubrik mit „Antworten finden“.

Da heißt es:

Wie aktive gewerkschaftliche Gegenmacht in Betrieb und Gesellschaft stärken und verteidigen?

Helfen Vetorechte für Betriebsräte?
Ist eine demokratische Kontrolle von Konzernen möglich?

Kann Wirtschaft so umgestaltet werden, dass sie der Gesellschaft und nicht den Interessen weniger dient?

Diese eure Fragen sind auch unsere Fragen und darauf müssen Antworten gefunden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

hier hinter diesen Werksmauern sind Fabrikanlagen mit dem Wert vom mehreren 100 Mio. €. Kann es sein, dass eine Konzernleitung mit einem Federstrich diese Werte vernichtet? Politik und Gesellschaft müssen sich fragen, wie Konzernwillkür eingegrenzt werden kann und darauf eine Antwort finden!

 

 

Pressemitteilung von Gökay Akbulut (MdB DIE LINKE)

General Electric – Verantwortung statt Profitmaximierung

„Schon wieder will General Electric Stellen in Mannheim streichen, und das, obwohl der Vorstandsvorsitzende Wulf noch im Frühjahr weitere Streichungen ausgeschlossen hat. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten!“, kommentiert Gökay Akbulut die heutige Ankündigung von General Electric, erneut massiv Arbeitsplätze am Mannheimer Standort abzubauen. Insgesamt will der Konzern 1.600 Arbeitsplätze in Deutschland streichen. Mehrere Standorte sollen geschlossen werden. Darüber hinaus ist die Auslagerung von bundesweit 350 Stellen, davon rund 90 aus Mannheim geplant.

Die Mannheimer Abgeordnete weiter:

„Damit gehen erneut viele wichtige Arbeitsplätze in Mannheim und in der Region verloren. Die Stellenstreichungen bei General Electric sind zudem leider Ausdruck einer größeren Entwicklung, nämlich der allmählichen Deindustrialisierung in der Region. Das hat natürlich konkrete Auswirkungen für die Menschen vor Ort. In Zeiten zunehmender sozialer Spaltung und Prekarisierung sendet die de-facto Betriebsschließung in Mannheim ein fatales Signal an die Bürgerinnen und Bürger. Ich fordere von General Electric deswegen den Erhalt des Standortes Mannheim und der Beschäftigten. Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen mit Milliardengewinnen hunderte von Beschäftigten und ihre Familien einfach so vor das Nichts stellt. Und wofür? Um die kurzfristigen Profitmargen zu erhöhen. Als LINKE Abgeordnete sage ich ganz klar, wir müssen die Menschen endlich wieder vor die Profite stellen! Den Beschäftigten, ihren Betriebsräten und der IG Metall Mannheim gilt meine vollste Unterstützung und Solidarität in diesen schweren Stunden.“




Das geht auch Vegetarier und Veganer an: Plädoyer für das Fleischversorgungszentrum Mannheim, über dessen Liquidierung der Gemeinderat demnächst zu entscheiden hat

Das Fleischversorgungszentrum Mannheim (FVZ) steht auf der Kippe:
Es ist eine zu 100% städtische GmbH und erwirtschaftet zurzeit einen Jahresverlust von über 1 Mio. Euro. Das ist für die städtischen Finanzen nicht gut, bemüht man sich doch gerade, die finanziellen Mittel für dringende kommunale Investitionen zu sichern. Und soll ein Betrieb, der nicht mehr wie vor 100 Jahren zur hygienischen und ausreichenden Grundversorgung der Bevölkerung mit Fleisch notwendig ist, tatsächlich kommunal geführt werden – selbst mit Verlusten? Wir wissen doch: So, wie der Strom aus der Steckdose kommt, kommt das Fleisch von Lidl, Aldi und REWE. Tatsächlich stehen die Zeichen schlecht für das FVZ. Es ist der letzte große kommunale Schlachthof. Aber ist viel zu klein, um mit den wirklich Großen mithalten zu können – und genau darin liegt das eigentlich Besondere: Das FVZ Mannheim ist gerade kein Player in der Welt der monströsen Massentierhaltung und der Megaschlachthöfe. Das FVZ hat das Potenzial, Teil einer regionalisierten Lebensmittelversorgung zu sein – am besten zusammen mit der Großmarkt Mannheim GmbH (GMM), die ebenfalls zu 100% städtisch ist und sogar Gewinne im mittleren sechsstelligen Bereich erwirtschaftet.

Fleischwelt im Umbruch

Schon 1975, acht Jahre vor Ablösung des alten Schlachthofs durch das neu errichtete FVZ, konstatierte der SPIEGEL: „Schlachthöfe: Letztes Gefecht. Westdeutschlands Kommunal-Schlachthöfe kosten den Steuerzahler immer mehr Geld. Eine bundesweite Privatisierungswelle verspricht Abhilfe. (…), beschlossen bereits 70 westdeutsche Städte, ihre Schlachthöfe zu privatisieren. (…)Denn mit dem Vordringen moderner Kühl- und Transportsysteme entstanden in den ländlichen Erzeugergebieten immer mehr private und genossenschaftliche Versandschlachtereien, die ihre Rinder- und Schweinehälften schnell und preiswert in jeden Winkel der Bundesrepublik liefern können.“ (27.10.1975). Das Ergebnis dieser Entwicklung bedeutet heute: Die Bundesrepublik ist hinter China und den USA der weltweit drittgrößte Schweineproduzent. Die Schlachtung ist hochzentralisiert: „Die vier größten Unternehmen (Tönnies, Vion, Westfleisch und Danish Crown) haben in 2015 zusammen einen Marktanteil von 63 %. Allerdings ist im Vergleich zu den Vorjahren auffällig, dass sich die Schlachtzahlen an Schweinen der genannten Unternehmen weitestgehend auf Vorjahresniveau bewegen.“ (Beteiligungsbericht der Stadt Mannheim für das Jahr 2015, S. 214). Laut Gewerkschaft NGG beschäftigt die Schlachtindustrie 170.000 Menschen; davon sind nur rd. 41.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt – die Mehrheit arbeitet auf Werkvertragsbasis (agragheute vom 20.10.2016).

Wie funktioniert das FVZ?

Die Schlachtung findet als Lohnschlachtung durch eine alt eingesessene Firma statt mit z.T. seit Jahrzehnten sozialversicherungspflichtig beschäftigten Schlachtern. Die städtische GmbH stellt das Schlachtgebäude samt technischer Ausrüstung sowie die Tierställe. Die Veterinäre sind städtische Angestellte, das technische und kaufmännische Personal wird von der FVZ GmbH gestellt (TVöD, 17 Personen). Das FVZ erhält je Schlachttier eine Gebühr. Ferner vermietet es Gebäude auf dem Grundstück an Zerleger, Fleischverarbeiter, Händler und Nebenbetriebe.  In diesen beim FVZ angesiedelten Betrieben arbeiten ca. 160 Menschen. Das FVZ War bisher von zwei Großkunden abhängig (zusammen etwa 90% der Schlachtungen). Der größere Kunde – EDEKA – hat sich mittlerweile vollkommen zurückgezogen. Dies ist neben Produktionskosten- und Tariferhöhungen einer der Gründe für die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme des FVZ. Mit EDEKA wurde viel Umsatz aber kaum Gewinn erzielt. Positiv an EDEKA war ein hoher Qualitätsstandard, den man verlangte hinsichtlich Tierherkunft, Tierhaltung, Schlachtmethoden und Schlachtkörperhygiene.

Wie soll es nach Auffassung der Stadtspitze weitergehen?

Der Oberbürgermeister Peter Kurz sowie der Aufsichtsratsvorsitzende der VFZ Mannheim GmbH, Bürgermeister Michael Grötsch, haben öffentlich angekündigt, dass sie die Liquidierung des Schlachtbetriebes mit Rückbau der Betriebsgebäude bevorzugen. Das hätte unmittelbare Auswirkungen für die angesiedelten Betriebe. Es ginge dann also um insgesamt 180 Arbeitsplätze. Damit würde die Stadt in einem Umfang Arbeitsplätze vernichten, der sie bei vergleichbaren Plänen in der „freien Wirtschaft“ durchaus und berechtigterweise auf den Plan gerufen hat. Im Übrigen ist eine solche Liquidation weder kurzfristig noch kostenfrei umzusetzen. Vielmehr ist mit Kosteneffekten im oberen einstelligen Millionenbereich zu rechnen.

Welche Alternative(n) gibt es?

Das FVZ könnte als „Frischezentrum“ gemeinsam mit der GMM weitergeführt werden (evtl. nach Fusion). Eine konsequente und ausdrückliche Regionalisierungsstrategie mit Schlachttieren aus den umliegenden Regionen und einer entsprechenden Markenbildung wäre mit Sicherheit eine passende Antwort auf die zunehmende Abneigung von KundInnen gegen Ware aus den Megaschlachthöfen mit all ihren Negativfolgen. Sicherlich müsste der Betrieb angepasst und restrukturiert werden. Er müsste durch besondere Qualität höhere Preise erzielen – wofür laut Umfragen durchaus eine Publikumsbereitschaft absehbar wäre. Der Ekel vor unnötiger Tierquälerei, Menschenverachtung und Umweltschädigung nimmt zu. Solch ein „Frischezentrum“ wäre übrigens kein neu zu erfindendes Rad. Inzwischen hat sich sogar die regionale Bauernschaft eingeschaltet – sie fordert auch eine positive Lösung.

Die Aufsichtsräte der FVZ Mannheim GmbH wie auch der GMM GmbH und der städtischen Holding SMB GmbH werden im Mai die Alternativen in einer Klausur diskutieren. Dies konnte immerhin schon mal gegenüber ungestümen Planungen der Stadtspitze durchgesetzt werden.

Thomas Trüper (Stadtrat DIE LINKE)




Einigung bei GE Power – Begräbnis erster Klasse

Nach zahlreichen Arbeitsniederlegungen, Demonstrationen, Kundgebungen und zähen Verhandlungen kam es Anfang Februar zu einem Verhandlungsergebnis in der Einigungsstelle des

Foto: Demonstration der Belegschaft Mannheim-Käfertal auf der B38 während des Aktionstages am 12.05.2014.

Arbeitsgerichtes Mannheim für die Standorte Mannheim, Bexbach und Stuttgart. Demnach kann der GE-Konzern die Anfang 2016 angekündigten rund 1700 Arbeitsplätze abbauen, muss dafür aber einen hohen Preis in Form eines gut ausgestatteten Sozialplans zahlen, der deutlich teurer als geplant ausfällt. Die Fabriken in Mannheim und Bexbach werden geschlossen; am Kesseltechnik-Standort Stuttgart wird die Belegschaft halbiert. Was können die Ursachen für die Niederlage der kämpferischen Belegschaften sein?

Die Vorgeschichte

  • 2004 übernahm der französische ALSTOM-Konzern den Kraftwerksbereich von ABB, der durch Entwicklungsfehler an einer schweren Gasturbinenreihe vor dem Konkurs stand. Die Europäische Kommission zwang ALSTOM, den lukrativen Industrieturbinenbereich an Siemens zu verkaufen.
  • ALSTOM beschloss milliardenschwere Fehlinvestitionen in Turbinen- und Kesselfabriken in USA, Mexiko, Indonesien und Indien zu einem Zeitpunkt, wo asiatische Kraftwerksbauer bereits Überkapazitäten aufgebaut hatten. 2013 stand ALSTOM kurz vor der Pleite. Die Konzernleitung beschloss, den noch lukrativen Luftvorwärmer- und Behälterbau (Kassel/Bammental/Mannheim) zu verkaufen und die deutschen Fabriken in Neumark (Kessel), Bexbach (Schaufeln) und Mannheim (Turbinen) zu schließen. Gleichzeitig suchte ALSTOM nach einem Übernahmekandidaten, der die angehäuften Milliardenschulden tilgen und die unfähigen Manager und Aktionäre um Patrik Kron herum fürstlich abfinden sollte. Die Kesselfabrik in Neumark wurde nach über einem Jahr Widerstand geschlossen und der Luftvorwärmer-und Behälterbau verkauft. Die Mehrheit der deutschen Betriebsräte hoffte, den künftigen Übernahmekandidaten von der Stilllegung der noch verbliebenen Standorte abzubringen. Deshalb wurden diese Schließungspläne weder in der Öffentlichkeit noch in den Belegschaften diskutiert, was sich später als nachteilig herausstellen sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die deutschen Standorte noch gut ausgelastet und hätten wirtschaftlichen Druck ausüben können. 2015 wurden dann die Fabriken in Mannheim und Bexbach durch Auftragsverlagerungen systematisch leer gefahren und gingen in Kurzarbeit.
  • Ende 2015 setzte sich General Electric (GE) gegen Siemens durch und übernahm das restliche, angeschlagene Kraftwerksgeschäft von ALSTOM. Der europäische Betriebsrat entschied sich mehrheitlich vor allem auf Betreiben der deutschen Vertreter, den Verkauf an GE nicht zu blockieren. Während der damalige französische Wirtschaftsminister eine Beschäftigungssicherung für französische Standorte durchsetzen konnte, verzichtete der damalige deutsche Wirtschaftsminister Gabriel auf Standort- und Beschäftigungsgarantien.
  • Anfang 2016 kündigte GE den Abbau von 900 Arbeitsplätzen in der Schweiz und von 1700 Arbeitsplätzen in Deutschland an, darunter fast 1100 in Mannheim. Die Fabriken in Mannheim und Bexbach sollten geschlossen und die Belegschaft in Stuttgart halbiert werden. Statt eines versprochenen Expansionskurses in Europa beseitigt GE durch die Übernahme des Wettbewerbers ALSTOM selbst geschaffene Überkapazitäten. Der Widerstand beginnt aufs Neue.

Der Widerstand

Die Standortbetriebsräte und Belegschaften der GE Power AG in Deutschland schlossen sich zusammen und übertrugen das Verhandlungsmandat an den Konzernbetriebsrat. Von Anfang an wurde von Betriebsräten und der IG Metall auf den im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Weg zu einem Interessensausgleich und Sozialplan gesetzt, der durch betriebliche und überbetriebliche Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden sollte. Es wurden auch andere Wege notfalls in Betracht gezogen. Dazu zählten, über Urabstimmung und Streik für einen Sozialtarifvertrag oder über eine zeitweilige Betriebsbesetzung zu einem Ergebnis zu kommen.

Zahlreiche gemeinsame überbetriebliche Aktionstage wurden in Deutschland und in Paris mit guter Resonanz der Beschäftigten und der Öffentlichkeit durchgeführt. Zahlreiche Angestellte traten in die IG Metall ein und erhöhten deutlich den gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Wirtschaftlich rechenbare Alternativprodukte wurden von Betriebsräten mit Unterstützung des INFO-Instituts und der IG Metall ausgearbeitet und Investoren gefunden. Politiker, vom Mannheimer OB Kurz bis hin zum Wirtschaftsminister Gabriel, setzten sich für eine Verhandlungslösung ein.

Die GE-Konzernleitung zeigte sich unnachgiebig und verharrte auf ihrem „Herr-im Hause-Standpunkt“.  In Donald-Trump-Manier wischte sie alle Vorschläge für alternative Produktion und Investoren vom Tisch. Sie bestand auf einer kurzfristigen Fabrikschließung und kurzbefristeten Transfergesellschaften und machte somit einen „freiwilligen“ Interessenausgleich und Sozialplan unmöglich. Deshalb musste der Betriebsrat Ende 2016 die Einigungsstelle anrufen, deren Ergebnis Anfang Februar 2017 vorlag und schließlich beiderseits akzeptiert wurde.

Das Ergebnis

Was die Arbeitsplätze angeht, so hat sich GE voll durchgesetzt: Alle geplanten Schließungen und Teilschließungen werden vollzogen. Nur die Berliner Servicefabrik kommt mit einem „blauen Auge“ davon. Für den Mannheimer Standort bedeutet das:

  • Von den Anfang 2016 noch vorhandenen rund 1800 Arbeitsplätzen werden Ende 2018 rund 700 in den Bereichen Kraftwerksservice und Dampfturbine (Projektleitung, Konstruktion, Abwicklung) übrig bleiben -jedoch ohne eine Perspektive hinsichtlich Beschäftigungs- und Standortsicherung. Ein Umzug oder Schließung des Reststandortes ist somit ab 2018 nicht ausgeschlossen.
  • Die Schließung der Turbinenfabrik (rund 400 Beschäftigte) wird von Juli 2017 auf 2018 verschoben. Zwischenzeitig wird weiter nach Investoren gesucht. Eine Ausgründung zweier Fabrikabteilungen wird ermöglicht. Die Ausbildung der derzeitigen Lehrlinge wird bis zu deren Abschluss weitergeführt.
  • Da im Jahre 2016 bereits rund 400 Beschäftigte über Altersteilzeit und Aufhebungsverträge ausgeschieden sind, müssen rund 700 in sogenannte Transfergesellschaften wechseln und sind bis zu 18 Monaten mit 85% ihres Jahresbruttoverdienstes vor Arbeitslosigkeit abgesichert.
  • Die Abfindungssummen liegen über dem 1,5-fachen eines Bruttomonatsgehalts pro Beschäftigungsjahr.
  • Einem Teil der altersgesicherten Beschäftigten werden Ersatzarbeitsplätze angeboten.

Fazit: die Bilanz für die Arbeitsplätze ist verheerend. Der Sozialplan ist dagegen gut ausgestattet und verzögert bzw. verringert die Gefahr der Arbeitslosigkeit. Kurz und gut: ein Begräbnis erster Klasse.

Die Bewertung

Unter dem Eindruck der langen Auseinandersetzung und ihres ernüchternden Abschlusses ist es derzeit nur möglich, eine vorläufige und sicherlich noch unvollständige Einschätzung zu geben. Dennoch sollten einige Gesichtspunkte genannt werden, die in der weiteren Diskussion eine Rolle spielen und für künftige Auseinandersetzungen wichtig werden können:

Die gute Ausstattung des Sozialplans ist dem für die Branche relativ hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad, der vollen Unterstützung der IG Metall und dem einheitlichen, solidarischen Widerstand der Beschäftigten und ihrer Betriebsräte zu verdanken. Dieser reichte jedoch erstmals in der 28-jährigen Geschichte des Widerstandes nicht aus, um Arbeitsplätze zu retten. Das kann mehrere Gründe gehabt haben:

  • Die jüngste Auseinandersetzung fand in einem Zeitraum statt, in dem weltweit Überkapazitäten im Kraftwerksbau abgebaut wurden. Die konzerninterne Standortkonkurrenz war noch nie so groß wie unter GE.
  • Noch nie hatten es die deutschen Belegschaften mit einem solch starken, knallharten und erfahrenen ausländischen Konzern zu tun.
  • Die eigentlichen GE-Ziele bei der Übernahme des ALSTOM-Kraftwerksgeschäfts wurden von Betriebsräten und Belegschaften zu spät erkannt. Es herrschte zu lange die Illusion vor, GE würde in Europa expandieren.
  • Es gab in Teilen der Belegschaften und der deutschen und europäischen Betriebsräte die falsche Hoffnung, man könne GE mit Argumenten überzeugen und von gefassten Schließungsplänen abbringen. GE gehört jedoch zu den amerikanischen Konzernen, die einmal gefasst Beschlüsse knallhart durchziehen und sich auch nicht von sozialpartnerschaftlichen Formulierungen im Betriebsverfassungsgesetz beeindrucken lassen. Deshalb hat es sich nicht gelohnt, die schon von ALSTOM geplanten Fabrikschließungen erst unter GE offen anzugehen. 2013/2014 hätten die Belegschaften größeren wirtschaftlichen Druck erzeugen können.
  • Sowohl in den Belegschaften als auch in den Vertrauensleutekörpern und Betriebsräten ist es in den letzten 10 Jahren zu einem Generationswechsel und damit zu einem geänderten gewerkschaftlichen und politischen Bewusstsein gekommen. Zuwenig wurde innerhalb der IG Metall, der Betriebsräte und Vertrauensleute darüber gesprochen, welche Vorteile eine Verstaatlichung hätte. Zuwenig wurde darüber nachgedacht, an welchen Stellen GE druckempfindlich ist und ob es neben oder parallel zum im Betriebsverfassungsgesetz beschriebenen Weg der Konfliktlösung weitere Möglichkeiten gäbe. Auch neue Kampfformen -wie die Einbeziehung von Stammkunden- gehören dazu. Die Möglichkeiten, die sich aus der immer noch guten Auftragslage in Mannheim beispielsweise in den Bereichen Dampfturbinen und Inbetriebnahme ergaben, wurden unterschätzt. Zuwenig wurden örtlichen Betriebsräte und Vertrauenskörperleitungen bei Entscheidungen über Strategie & Taktik einbezogen.
  • Die Hilfe vom deutschen Wirtschaftsminister kam zu spät. Beim Übernahmepoker in 2015 hat er uns im Stich gelassen und im Gegensatz zu anderen Fällen darauf verzichtet, Standort- und Beschäftigungsgarantien einzufordern.
  • Im Nachhinein betrachtet war 2014 die Forderung v.a. der französischen Gewerkschaften nicht verkehrt: statt ALSTOM an GE zu verkaufen, forderten sie damals die Verstaatlichung von ALSTOM.

Joachim Schubert

Foto: Demonstration der Belegschaft Mannheim-Käfertal auf der B38 während des Aktionstages am 12.05.2014.

 




War gegen die „Killer-Strategie“ von GE kein Kraut gewachsen?

Versuch einer ersten Antwort

Vor etwa 20 Monaten, genaugenommen am 20. Juni 2015, haben wir für die Zeitschrift Lunapark 21 einen längeren Artikel verfasst, der sich mit der Zerschlagung von ALSTOM und der Übernahme durch General Electric (GE)  befasst.

Unter der Überschrift „Dedicated to Excellence“ („Der Spitzenleistung verpflichtet“) ist dort unter anderem zu lesen: „General Electric wird zunächst die von ALSTOM erworbene konventionelle Energiesparte und danach die von GE de facto beherrschten Gemeinschaftsunternehmen einem brutalen Gewinnmaximierungsplan unterwerfen. Dadurch soll der Kaufpreis schnellstmöglich wieder hereingeholt werden.
Die von dieser Strategie betroffenen Belegschaften, ihre Interessenvertretungen und ihre Gewerkschaften – in Deutschland ist das die IG Metall (IGM) – werden sich auf sehr harte Zeiten einstellen müssen. GE hat nämlich absolut kein Verständnis für ,Profit-Hemmnisse‘ wie aktive Betriebsräte oder eine wirksame Tarifbindung.“

Leider haben diese Sätze durch den Abschluss des „Interessenausgleichs und Sozialplans“ bei GE Power eine Bestätigung erhalten. Das ist sehr schmerzhaft.

Umso mehr stellt sich die Frage: Warum waren Konzernbetriebsrat und IG Metall nicht in der Lage, eine wirksamere Verteidigungs-Strategie zu entwickeln?

Versuchen wir deshalb, einige Stichpunkte für eine erste, aber noch unvollständige Antwort zu skizzieren.

Übernahme durch GE

  1. Vor mehr als drei Jahren wurden die Zerschlagungs- und Verkaufspläne des Pariser ALSTOM-Managements bekannt. Auf Seiten des Europäischen Betriebsrats (EBR) und der dort vertretenen Gewerkschaften fehlte eine klare Analyse der Situation und eine daraus abgeleitete Verteidigungsstrategie.
  2. Statt diese gemeinsam zu erarbeiten, kam es zu einer sehr kontroversen Debatte im EBR. Eine knappe Mehrheit der EBR-Mitglieder um die deutschen VertreterInnen entschied sich trotz der besonderen Bedingungen des französischen Rechts dafür, den Verkaufsprozess an GE nicht zu blockieren.
  3. Dieser Mehrheitsentscheidung lag offensichtlich eine nicht ausreichende Kenntnis des GE-Konzerns und seiner Methoden zugrunde.
  4. GE stieß zwar in Deutschland bei der Durchsetzung seiner Abbau- und Standortschließungspläne auf mehr Hindernisse als in anderen Ländern. Das lag an dem dort relativ höheren gewerkschaftlichen Organisationsgrad und an den Möglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes. Aber auch hierzulande war – trotz zahlreicher auch standortübergreifender Protestaktionen – keine wirksame Perspektive eines entschlossenen Widerstands zu erkennen. Weder auf der Ebene des Konzernbetriebsrats noch auf der Ebene der IG Metall als bundesweiter Organisation.

Vom Widerstand zum Taktieren

  1. Besonders im Käfertaler Werk gab es eine seit über 30 Jahren lebendige Tradition, mit klarer Kante und einer durchdachten betrieblichen, aber auch öffentlichkeitswirksamen Mobilisierung der Belegschaft gegen die Kahlschlagpläne der Kapitalseite zu kämpfen. Dabei wurde in der Regel darauf geachtet, für die Gegenseite nicht berechenbar zu werden.
  2. Dieser Weg wurde nach dem Frühjahr 2014 nicht mehr konsequent beschritten. Ein wesentlicher Grund hierfür war das altersbedingte Ausscheiden des „harten Kerns“ betrieblicher Funktionäre bis zu diesem Zeitpunkt. Offensichtlich ist es nicht gelungen, vorausschauend eine Weitergabe des „Staffelstabs“ sicherzustellen.
  3. Ein anderer zentraler Faktor war die Duldung einer ab Sommer 2014 immer deutlicher einsetzenden Stellvertreterpolitik durch den Konzernbetriebsrat. Das geschah in Verbindung mit einem weder in den örtlichen Betriebsratsgremien, noch in den Belegschaften ausreichend vermitteltem Taktieren. All dies führte zu einer zunehmenden Abgehobenheit des Konzernbetriebsrats.
  4. So beschleunigte sich die Entpolitisierung örtlicher Betriebsratsgremien und minderte deren aktive Beteiligung. Zudem lockerte das nicht nur die Verankerung in Vertrauenskörpern und Belegschaften, sondern unterhöhlte das zuvor große Ansehen und die Glaubwürdigkeit von Betriebsräten bei vielen KollegInnen.
  5. Die Chancen, wirtschaftlichen Druck auf den Konzern auszuüben, wurden offenbar nicht detailliert beleuchtet (z.B. im weltweiten Servicegeschäft, in der Planung von Dampfturbogruppen, in der Inbetriebnahme, ja sogar in der Produktion von Gasturbinen).
  6. Die guten Möglichkeiten für die Entwicklung von Alternativplänen gegen die Kahlschlagstrategie der Konzernleitung wurden viel zu spät und zu zögerlich angegangen. So konnten die zwar unvollständigen, aber durchdachten technischen und geschäftlichen Alternativen weder rechtzeitig in den Belegschaften noch in der Öffentlichkeit vermittelt werden. Umso mehr vermochte sich das politisch motivierte und insbesondere hinsichtlich der Anforderungen des Kraftwerksgeschäfts inkompetente Gebaren des Managements zunehmend als „alternativlos“ durchsetzen.
  7. Leider wurde auch der hartnäckige Ausbau einer inhaltlichen Argumentation und deren Vermittlung in Belegschaft und Öffentlichkeit vernachlässigt. So wäre es möglich gewesen, stärkeren Druck auf die Politik auszuüben:
  • durch die Skandalisierung von GE als „Jobkiller und Steuervermeider“ sowie als Betreiber von BR-Mobbing und als gewerkschaftsfeindlicher Konzern
  • durch das Einfordern eines „Schutzschirms“ – analog zur Bankenkrise – für alle Arbeits- und Ausbildungsplätze bei GE
  • durch die Bezugnahme auf Artikel 14 Grundgesetz und die „Sozialbindung“ des Eigentums sowie die Möglichkeit der Enteignung von GE.
  1. Es ist bezeichnend, dass es im Mannheimer Werk, das aufgrund seiner Größe und gewerkschaftlichen Tradition eine besondere Rolle im Konzern spielte, in den letzten Jahren nur zwei von der Belegschaft initiierte Widerstandsaktionen gab.

Zum einen die mehrtägige Torblockade im April 2014, mit der erfolgreich der Abtransport von Turbinenteilen in die USA verhindert wurde. Und zum anderen der faktische Streik in der Produktion und angrenzenden Bereichen Ende 2016.

Es gab zwar eine lange Liste von Aktionsvorschlägen zur Verteidigung der Arbeits- und Ausbildungsplätze. Aber diese wurde weder konsequent abgearbeitet noch zugespitzt – zum Beispiel durch weitere Blockadeaktionen, mehrtägige Betriebsversammlungen oder gar eine Betriebsbesetzung.

„Diktatur der Zahlen“

  1. Die Strategie von Konzernen wie GE ist im Kern explizit politisch: Es geht um die brutale Durchsetzung einer gnadenlosen „Diktatur der Zahlen“ und damit auch um die Vernichtung beziehungsweise Verhinderung gewerkschaftlicher und betrieblicher Gegenmacht.
  2. Um dieses Ziel zu erreichen, betrieb (und betreibt) das „Top-Management“ eine zielgerichtete Spaltungs- und Einschüchterungspolitik gegenüber den Belegschaften und ihren Interessenvertretungen. Einige Beispiele: haltlose Unterstellungen („Aufruf zum Mord“) und gesteuerte Hetzkampagnen gegen die KBR-Vorsitzende, „Erpressung und Lügen“ in den Verhandlungen, „Mitarbeiter-Informationen“ zur Verwirrung der Belegschaft und Verleumdung der Interessenvertretungen, Boykott von Betriebsversammlungen, Missachtung der Rechte des Betriebsrats aus dem Betriebsverfassungsgesetz und vieles mehr.
  3. Dabei scheut GE keine Mühen und Kosten. Millionen hat allein der – steuermindernde – Einsatz externer Anwaltskanzleien und „Berater“ bis heute gekostet. Sogar die massive betriebswirtschaftliche Selbstschädigung durch unwiderrufliches Zerstören von hochkomplexem Wissen im Kraftwerksbau und den Verzicht auf die angebotene „Investorenlösung“ (Übernahme der zur Schließung anstehenden Bereiche durch Bao Steel) nimmt der Konzern in Kauf. Nicht zuletzt kommen dadurch verursachte massive volkswirtschaftliche, soziale, gesundheitlich und ökologische Folgekosten hinzu. Sie müssen erst noch in das öffentliche Bewusstsein gerückt werden.

Was tun?

  1. Eine wirksame Verteidigungsstrategie gegen diese Art von „wirtschaftlichen Kriegsführung“ – oder besser: gegen diese Methoden des Klassenkampfs von oben – gilt es jetzt, aus den Erfahrungen bei GE zu entwickeln und in der Praxis zu überprüfen.

Sie wird sich offensichtlich nicht allein auf die Ebene des Betriebsverfassungsgesetzes, auf einige rechtliche Auseinandersetzungen und öffentliche Protestaktionen beschränken lassen.

Sie wird vielmehr ein Bündel von Fragen zu beantworten haben. Wie gelingt der Aufbau bzw. die Verteidigung von aktiver gewerkschaftlicher Gegenmacht in Betrieb und Gesellschaft? Wie ist eine demokratische Kontrolle nicht nur von einzelnen Betrieben, sondern von Konzernen möglich? Welche Vetorechte benötigen Betriebsräte? Wie kann die Wirtschaft insgesamt so umgestaltet werden, dass sie der großen Mehrheit der Gesellschaft und nicht den Profitinteressen weniger dient?

H.N.

(Aus: Avanti² Nr. 31 von März 2017.)




Jobcenter und Leiharbeit, Milliardengeschäfte hinter verschlossener Tür!

Wie der Bundesrechnungshof in einer Studie bereits 2014 offenbarte  kommt es im Zusammenspiel zwischen Jobcentern und  Leiharbeitsbranche zu massiven Steuerverschwendungen.
Es werden Summen genannt von denen manche Städte oder Kommune in dieser Höhe als Haushaltsetat nur träumen können. In der Studie wird auch von einer Vorteilsnahme zugunsten Dritter(Leiharbeitsbranche) referiert.  Insider die sich mit dem agieren der Bundesagentur für Arbeit befassen reden davon das seit der Schröder Reform der Arbeitsmarkt über das Repressionssystem Hartz Vier und Zahlungen sowie Steuerbegünstigungen regelrecht manipuliert wird zugunsten der Billiglohnbranche und prekärer Beschäftigung. Eigentlich sollte man annehmen das die „Schwarze Null “ dadurch von einer Panikattacke in die nächste getrieben wird. Nun ich will nicht in die Ecke der Verschwörungstheoretiker abschweifen, aber seltsam ist es schon das kaum etwas an die Öffentlichkeit dringt vom Zusammenspiel der Bundesagentur für Arbeit und dem auf deren Seite zu findenden Kooperationspartner Randstand Zeitarbeit Deutschland GmbH und anderen dieser Branche . Immerhin ist ja die Mediengestalterin Christine Strobl  eine führende Persönlichkeit der TV Landschaft die Tochter der „Schwarzen Null „, sie bestimmt maßgeblich mit was der Öffentlichkeit präsentiert wird. Und sparsam sind die Öffentlich Rechtlichen bekanntlich ja nicht wenn es darum geht Verfehlungen zu präsentieren. Allerdings ist es wohl kein Geheimnis das diese investigative Arbeit dann doch eher ein von gewissen Kreisen gewünschtes Bild aufmalt.

Wieso dringt aber so wenig nach außen?
Gibt es in den Reihen der Mitarbeiter so wenig Menschen mit einem Gewissen, keine die sich verpflichtet fühlen darüber aufzuklären im Interesse der Allgemeinheit?

Nun wer sich hier in Mannheim noch an den kritischen Kommilitone Marcel Kallwass erinnern kann der ahnt wohl was jemand der sich kritisch äußert oder gar anklagt zu erwarten hat, keinesfalls einen Umgang mit Samthandschuhen. Auch Kallwass berichtete damals schon und kritisierte Vorgänge wie die gezielte Optimierung der Zusammenführung von Bewerbern und Leiharbeit. Mustervereinbarungen zwischen den Netzpartnern Jobcenter und Leiharbeitsbranche, Synchronisierung der Personalverwaltungsprogramme der Mitarbeiter vom Jobcenter und Leiharbeitsfirmen, über eine sogenannte qualifizierte Erstreaktion die Mitarbeitern verpflichtend vorgibt das ein Angebot einer Zeitarbeitsfirma innerhalb von 48 Stunden an Bewerber weitergegeben werden muss bestimmten und bestimmen immer noch den Arbeitsalltag im Jobcenter. Das es insgesamt primär nur um permanentes Controlling und Zahlenvergleich geht führte Kallwass an. Die Geschichte endete in einer Machtdemonstration der Bundesagentur für Arbeit. An dem damals Auszubildenden wurde ein Exempel statuiert und er entlassen.

Hat sich was verbessert wie die Bundesagentur nach der Recherche des Bundesrechnungshofs versprach?
Wohl kaum…
Mitarbeiter klagen darüber dass sie durch eine zunehmende Arbeitsverdichtung regelrecht verheizt werden.  Dem eigentlichen Sinn ihrer Arbeit, der sinnvollen Betreuung orientiert an der individuellen Situation des Kunden, nicht gerecht werden können. Man sollte sich im Allgemeinen klar darüber sein das auch Repression nichts ist was lediglich die Kunden betrifft. Befristete Verträge, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und das Wissen das man ganz schnell selbst auf der andere Seite des Tisches sitzen kann zeigen den gewünschten Erfolg eines Systems das in allen Bereichen darauf setzt das Angst vorherrscht. Es ist wohl kaum verwunderlich das Mitarbeiter nur anonym oder hinter vorgehaltener Hand hinter die Barriere blicken lassen die ganz bewusst um die Rechtsbefreite Zone Jobcenter aufgebaut wurde. Ich selbst weiß ausGesprächen mit Mitarbeitern des Jobcenters Mannheim, selbstredend sind Namen wie Schall und Rauch, das man sich des Missbrauchs ihrer Arbeit durch schwarze Schafe dieser Branche  ganz im Sinn der erwünschten Zahlen und Statistiken von Andrea Nahles bewusst ist. Mannheim bildet dabei nicht die berühmte Ausnahme, der Handel mit der Humanware zwischen Leiharbeit und Jobcentern floriert auch hier.

Um davon mal eine Vorstellung zu bekommen der Brief einer Mitarbeiterin eines Jobcenters.

Gefunden auf altonabloggt, der privaten Homepage von Inge Hannemann aus Hamburg

Sehr geehrte Frau Hannemann!

Auf Grund Ihres letzten Blogartikel und des Berichtes des BRH und der berechtigten Empörung in den Medien zum Thema Zeitarbeitsfirmen (ZAF) – Bundesagentur für Arbeit, möchten wir einmal darstellen was hier wirklich abläuft. Vorweg sei gesagt, dass es ausschließlich um die sogenannten großen Firmen mit vielen Niederlassungen geht, die sich Eingliederungszuschüsse (EGZ) erschleichen.

Wer mit diesen Firmen zu tun hat merkt schnell, dass sehr viele der gezahlten Gelder völlig unberechtigt sind. Hier werden im großen Stil falsche Angaben bei den angeblichen Vermittlungshemmnissen gemacht, um abzukassieren.

ZAF stellen einen Antrag und müssen einen Fragebogen ausfüllen. In diesem müssen die Vermittlungshemmnisse angegeben werden, die für eine Entscheidung relevant sind. Was hier gelogen und betrogen wird ist skandalös! Es gibt ZAF, die stellen für jeden einen Antrag, andere benutzen für jeden Antrag denselben Text. Daran sieht man, dass es hier nur darum geht, abzukassieren und sich auf dem Rücken der Lohnsklaven reich zu verdienen. Das Prinzip ist einfach. Wer drei Monate Gelder bekommt, der muss auch drei Monate danach weiter beschäftigt werden. Die sogenannte Nachbeschäftigungsfrist entspricht also der Förderdauer. Die meisten Menschen bekommen befristete Verträge über 6 oder 12 Monate. Warum ZAF dafür überhaupt Fördergelder erhalten ist uns allen ein Rätsel. Wenn diese Frist abgelaufen ist, schmeißen sie die Leute raus und stellen für denselben Arbeitsplatz neue ein. Denn jetzt können wieder Zuschüsse beantragt werden. Wieder raus nach der Frist und wieder neu einstellen. Davon profitiert in großem Stil die Quote der BA. So wird jedesmal eine erfolgreich besetzte Stelle generiert. Einige Beispiele aus der Praxis, wie Vermittlungshemmnisse begründet werden: „Die Einarbeitung geht über das übliche Maß hinaus“; „kennt die Maschinen nicht“; „kennt das System“ oder „bestimmte Programme nicht“; „kann kein Deutsch“; „muss an die Höhentauglichkeit herangeführt werden“; „muss Schulungen machen“ usw. Wenn man dann die eingestellten Menschen kontaktiert und nachfragt, sind diese entsetzt. Die Einarbeitung ist dann nur Stunden oder zwei Tage, mit Maschinen wird gar nicht gearbeitet, der Beruf im Fragebogen ist falsch, kein Einsatz als Lagerarbeiter, sondern als Industriemechaniker – und trotzdem nur die Bezahlung eines Lagerarbeiters. Auch beendet ein Zuschuss keine Höhentauglichkeit. Bei Callcenter-Mitarbeitern steht sogar als Begründung: „Er/sie hätte wenig Erfahrung im Umgang mit einem Telefon“. Bei jungen Menschen, die gerade ausgelernt haben, kann die Begründung heißen: „Keine Berufserfahrung“. Gerade ausgelernt und schon rein in die Zeitarbeit.

Ganz übel wird es, wenn die Leute im Jobcenter gemeldet sind. Im SGB II steht ja der Erpressungssatz, dass jede Tätigkeit zumutbar ist – ein gefundenes Fressen für die Leihfirmen. Da muss eben ein Ingenieur in der Küche als Spüler arbeiten, sonst wird seine Existenz gefährdet (Sanktionen). Tausende Facharbeiter werden in Deutschland als Helfer verheizt und Ingenieure als Facharbeiter eingestellt. Die bekommen 10,61 €, damit sie später als Rentner arm sind. Dafür erlerne ich einen Beruf oder studiere. Die Bundesagentur für Arbeit trägt somit bewusst zu einem Fachkräftemangel bei, den wir gar nicht haben.

Eine weitere Masche ist, das Dritte im Auftrag von Leihfirmen Anträge stellen. Das sind Träger oder angebliche Experten eines Kompetenzcenters aus völlig anderen Regionen. Die haben nie den Mitarbeiter gesehen, kennen den Entleiher und den Arbeitsplatz nicht, aber maßen sich an, Zuschuss zu beantragen. Auch hier haarsträubend, wie im Fragebogen gelogen wird. Hier verdienen also zwei an einem Lohnsklaven. Auch gibt es Leute, die werden von Zeitarbeitsfirma A nach B vermittelt. Firma B hat eine eigene Leihfirma, über die der Mitarbeiter dann bei Firma C landet. Jetzt verdienen drei an diesen Menschen. Der größte Hohn jedoch ist die Begründung, wir möchten die Langzeitarbeitslosigkeit beenden. Klar, nach 6-12 Monaten, abkassieren und wieder raus, ist diese für diese Zeit auch beendet. Für wenig Geld buckeln. Das ist eine Sauerei was hier läuft und alle schauen zu: Die Gewerkschaften und die BA natürlich auch sehr gerne. Auch entlassen die ZAF Mitarbeiter, wenn sie krank sind um Kosten zu sparen, wenn diese dann wieder gesund sind, dürfen sie wieder kommen.

Wir Mitarbeiter werden auch erpresst. Da kann es so heißen: „Wenn wir keinen Zuschuss bekommen, stellen wir den nicht ein“ oder „wir kennen die Agenturleiter gut“. Auch wird den Erwerbslosen angeboten dazuzuverdienen. Sie sollen die angeblichen Vermittlungshemmnisse bestätigen, wenn es dann Zuschuss gibt, bekommen sie etwas davon ab. Man stiftet also die Erwerbslosen zum Betrug an. Man kann nur jedem, der in einer ZAF einmündet raten, nicht zu unterschreiben, dass die Firma Zuschuss beantragt. Und was soll das erst werden wenn ZAF Flüchtlinge einstellen? Flüchtlinge, die die Sprache nicht sprechen und unser System nicht kennen. Hier muss die Politik dringend einen Riegel vorschieben.

Das ist wirklich nur ein Bruchteil, wie versucht wird, sich Gelder durch bewusste Falschangaben zu erschleichen. Sie haben in Ihrem Buch „Die Hartz IV Diktatur“ diesen Skandal sehr gut erklärt, das interessiert unsere Wirtschaftsmarionetten in Berlin aber nicht.

Der rhetorische Trick der BA ist nun der, dass man alle, die sechs Monate und einen Tag beschäftigt sind, als dauerhaft integriert bezeichnet. Wenn BA-Chef Weise wieder mal eines seiner vielen Interviews gibt und sagt: Wir haben eine Million dauerhaft integriert“, dann könnten es eine Million für ein halbes Jahr sein. So wird die Öffentlichkeit belogen und getäuscht. Ohne ZAF kann Weise unsere Behörde schließen, bringen doch genau diese Firmen seine Quote. Dass Zeitarbeit in der BA klar bevorzugt wird, weiß inzwischen jeder. Bringt es doch schnell die Arbeitslosenzahlen nach unten. Dass zigtausende Schicksale daran hängen interessiert niemanden. Pervers ist, dass die arbeitsuchenden Menschen zu 70 Prozent bis 85 Prozent nur Vermittlungsvorschläge von ZAF erhalten, obwohl die Jobbörse auch Stellen außerhalb der Leiharbeit hat. Dass tausende Stellen gar keine sind und die Jobbörse damit einen Fachkräftebedarf suggeriert, den es gar nicht gibt, wäre mal ein Extrathema. Aber, wenn man seinen Laden nicht im Griff hat, kommt eben so was heraus.

Trügerisch sind auch die sogenannten Jobmessen. Riesige Plakate, die den Erwerbslosen attraktive Arbeitgeber vorgaukeln. Wenn man sich dann dort umschaut sind es sehr viele ZAF.

Die Branche beklagt auch zu recht, dass die Wirtschaft nicht bereit ist zu zahlen! Sie wollen gut ausgebildete Fachkräfte beschäftigen, aber nichts zahlen. So liefert die Leihbranche billige Tagelöhner anstatt NEIN zu sagen. 11 Euro für einen Facharbeiter. Die immer mehr steigende Armut und die Aufstocker sind nur einige Konsequenzen dieser Menschenverachtung. Und wir Mitarbeiter sind diesem System hilflos ausgeliefert, haben keine unabhängige Stelle, wo wir den ganzen Betrug mit Beweisen melden könnten. Alles schön vertuschen ist die Devise der BA. Warum schützt die Politik uns nicht? Selbst Gewerkschaften profitieren mit eigenen Leihfirmen davon.

Es wird sich aufgeregt über den Betrug bei VW, aber über den jahrelangen Betrug in der Bundesagentur für Arbeit redet kein Mensch. Autos sind eben wichtiger als Menschenrechte,wichtiger als die tatsächlichen sieben Millionen Erwerbslosen, die wir haben, ( die übrigens auch in keiner Nachrichtensendung auftauchen), wichtiger als zehn Millionen Menschen in diesem Land, die inzwischen am Rande der Gesellschaft vegetieren müssen. Auch hier versagen die Gewerkschaften und die Politik seit Jahren jämmerlich.

Mit freundlichen Grüßen

Kolleginnen/Kollegen, die mit Leihfirmen zu tun haben

Bericht Harald Weber