Thema Israel / Palästina: Schon wieder Canceln einer unerwünschten politischen Position

Absage eines Israel-kritischen aber Dialog-orientierten Wissenschaftlers durch die Mannheimer Abendakademie

Der aktuelle Vorgang betrifft die geplante Veranstaltung der Abendakademie Mannheim in Kooperation mit der Nahost-Gruppe Mannheim am 27. März 2024. Als Gastredner war Dr. Aref Hajjaj eingeladen.

Aref Hajjaj ist ein international geachteter und renommierter Wissenschaftler und Publizist und wird gerne gehört zum Nahost-Konflikt. Auf der Webseite des WDR steht zu seiner Vita: „Aref Hajjaj wurde im Februar 1943 in Jaffa/Palästina geboren. Nach der Vertreibung 1948 wuchs er in Beirut und Kuwait auf, bevor er in Heidelberg Politikwissenschaften, Geschichte und Völkerrecht studierte. Nach der Promotion arbeitete er im Deutschen Auswärtigen Amt als Übersetzer und Dozent für Arabistik und interkulturelle Kommunikation. Seit 2003 ist Hajjaj Vorsitzender des Palästina-Forums Bonn. Zuvor war er Vizepräsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft.“

Was sind die Gründe für die Absage?

Auf der Webseite der Abendakademie war zu lesen:

„Diese Veranstaltung wurde von uns abgesagt. Als Volkshochschule sind wir Mitglied des Mannheimer Bündnisses für ein Zusammenleben in Vielfalt. Diesen Werten fühlen wir uns verpflichtet. Die Nahost-Gruppe Mannheim hat sich in der Vergangenheit nicht eindeutig von der BDS (die antisemitische Boycott, Divestment und Sanctions Bewegung) distanziert. Wir lehnen die BDS Bewegung aufgrund unseres Selbstverständnisses ab. Als Teil der städtischen Familie sind wir darüber hinaus dem Gemeinderatsbeschluss dazu vom Dezember 2018 verpflichtet. Aus diesen Gründen kann die Veranstaltung nicht bei uns im Haus durchgeführt werden.“

Die angegeben Gründe sollten hinterfragt werden. Die Nahostgruppe Mannheim hat sich in einer Erklärung zur Absage geäußert. Diese ist unten stehend dokumentiert. Da die Veranstaltung in Kooperation mit der Nahost-Gruppe geplant wurde, können Zweifel angemeldet werden, ob die Absage der Veranstaltung durch die Abendakademie in freien Stücken zustande gekommen ist.

Am Tage und zur Uhrzeit, als die Veranstaltung stattfinden sollte, fanden sich eine ganze Reihe Menschen ein, die die Veranstaltung besuchen wollten und von der Absage offensichtlich keine Kenntnis hatten. Im Foyer der Abendakademie wurde Stadtrat Volker Beisel (FDP) mit einigen anderen Herren gesichtet. Darauf angesprochen, ob seine Anwesenheit mit der geplanten Veranstaltung im Zusammenhang stehen würde, antwortete Beisel sinngemäß, dass die Veranstaltung nicht stattfinden könne, da ein Stadtratsbeschluss, der BDS betrifft, umgesetzt werden müsse. Der Referent sei eindeutig ein Befürworter von BDS.

Nicht nur die Nahost-Gruppe Mannheim sondern auch der Referent Aref Hajjaj sind also Stein des Anstoßes.

Langsam bekommt es in Mannheim eine Tradition. Das Canceln von unerwünschten Positionen im israelisch-palästinensischen Konflikt.

Canceln kommt harmlos rüber, ist aber schlimmer als ein offizielles Verbot. Ein Verbot kann rechtlich angefochten werden. Ein Canceln lässt den unerwünschten Vorgang einfach verschwinden, ohne sich damit in der Öffentlichkeit auseinandersetzen zu müssen.

Erst kürzlich im Februar konnte die Veranstaltung mit Charlotte Wiedemann („Den Schmerz der Anderen begreifen“) nur deshalb stattfinden, weil die Stadt keine Handhabe sah, den Mietvertrag mit dem Bürgerhaus Neckarstadt zu kündigen. Die künftige Devise der Stadt wird sein, keinen Mietvertrag mehr abzuschließen. Auch bei der Veranstaltung im Bürgerhaus stand neben der veranstaltenden Nahost-Gruppe die Referentin im Visier der Stadt und der Jüdischen Gemeinde. Angeblich würde Wiedemann relativierende Äußerungen bzgl. des Holocausts machen. Dies sei objektiv gesehen antisemitisch. Jeder, der sich mit dem Werk von Wiedemann auseinandersetzt, sollte wissen wie substanzlos und absurd dieser Vorwurf ist. Selbiges gilt für die Person Aref Hajjaj.

Israelkritik = Antisemitismus?

„Der israelische Historiker und Antisemitismusforscher Moshe Zuckermann meint, dass es nicht antisemitisch sei, Israels Politik zu kritisieren. Der Antisemitismusvorwurf sei eine politische Taktik, um Kritiker einzuschüchtern. Ungerechtfertigte Vorwürfe führen dazu, dass die Öffentlichkeit verunsichert werde und Schwierigkeiten habe, echten Antisemitismus zu erkennen und zu bekämpfen.“ (DLF Kultur, 6.3.2024)

Unterschiedliche Definitionen des Antisemitismus, hier seien vor allem die IHRA-Definition und die Jerusalem Declaration (JDA) erwähnt, erschweren die Einordnung dessen, was Antisemitismus sei.

Die Vorwürfe werden nicht belegt, sondern es werden Gerüchte gestreut.

Mit dem Verdacht, sich nicht genügend von BDS distanziert zu haben und damit des Antisemitismus verdächtig zu sein, wurden in der jüngsten Vergangenheit auch andere Veranstaltungen behindert oder verhindert und Personen unter Druck gesetzt. Erinnert sei nur an fünf weitere Vorgänge.

  • Eine Ausstellung über das Vertreibungsschicksal der Beduinen in der Wüste Negev (Israel) in der Stadtbibliothek Mannheim, die für den November 2022 geplant war, wurde auf Druck der Stadtverwaltung verhindert.
  • Der Musiker Joss Turnbull musste sich im Dezember 2023 von einer Verlinkung mit der jüdisch-US-amerikanischen Philosophin Judith Butler distanzieren, um einer Ausladung durch Zeitraumexit in Mannheim zuvorzukommen.
  • Im November 2023 wurde die Fotobiennale 2024 in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg abgesagt. Einer der Kuratoren, Shahidul Alam, hat sich in einem Social-Media-Post „propalästinensisch“ gezeigt und den Gaza-Krieg Israels als Genozid bezeichnet.
  • Der Schauspielintendant des Nationaltheaters Mannheim Christian Holtzhauer musste im Januar 2021 Abbitte und Selbstkritik leisten, um seiner Abberufung zuvorzukommen. Mit vielen anderen Intendanten und Kunstschaffenden hat er den Apell einer „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“ unterzeichnet. Es geht darin mitnichten um eine Unterstützung von BDS, aber es geht um die Meinungsfreiheit, andere Positionen zuzulassen, und Offenheit für Denkräume zu verteidigen.
  • Erst nach einstweiliger Verfügung konnte eine Veranstaltung im Oktober 2019 mit dem deutsch-jüdischen Arzt und Publizisten Rolf Verleger im Trafohaus stattfinden. Das Kommunalinfo schrieb hierzu: „Bei der Veranstaltung am 29. Oktober (2019) hat Rolf Verleger deutlich gemacht, dass BDS für ihn im Prinzip gar kein Thema sei. Aber es ist ein Thema für Palästinenser, und das müsse man zu Kenntnis nehmen. Die notwendige Diskussion um dieses Thema wird auch in Mannheim geführt werden müssen. Es wäre fatal, diese Diskussion mit Verboten zu torpedieren.“

Diese Liste von gecancelten Personen und von Veranstaltungen, die nicht oder erst nach Gerichtsbeschluss stattfinden konnten, ließe sich um etliche Fälle erweitern. Man muss nicht mit allen Betroffenen einer Meinung sein. Was allerdings bedenklich stimmt, dass die Auseinandersetzung mit den Betroffenen erst nicht versucht wird. Stattdessen wird gecancelt. Mit dem härtesten aller Vorwürfe, dem Antisemitismusvorwurf. Nur sehr wenige widersprechen solchen Vorwürfen, da man selbst damit in Verdacht gerät, angeblich antisemitisch zu sein. Wo bleibt da die demokratische Gesprächskultur?

Was ist diesen geschilderten Fällen gemeinsam?

Alle gecancelten Personen sind aus dem linken oder linksliberalen und demokratischen Spektrum. Personen wie Hajjaj und Wiedemann kämpfen um eine Gesprächsebene zwischen Israelis und Palästinenser und versuchen die Sprachlosigkeit zu überwinden. Wie infam mag es da erscheinen, diese Positionen als antisemitisch zu diffamieren?

Die fatale Wirkung des Anti-BDS-Beschlusses des Mannheimer Gemeinderats

Der Anti-BDS-Beschluss des Mannheimer Gemeinderats vom 18.12.2018 ist in einem ähnlichen Duktus gehalten wie ein diesbezüglicher Beschluss des Bundestags. Das macht ihn aber auch nicht besser. Er gibt vor, „jegliche Form von Antisemitismus“ nicht zu dulden, und alle Aktivitäten, die im Zusammenhang mit BDS stehen „aufs schärfste“ zu verurteilen und entgegenzutreten.

In der praktischen Anwendung richtet sich der Beschluss jedoch nicht gegen rechte und wahrhaft antisemitische Positionen. Er richtet sich auch nicht gegen das Stattfinden Veranstaltungen rechter Parteien wie der AfD. Er richtet sich stattdessen gegen jegliche Form von Kritik, die die aktuelle israelische Politik in Frage stellt. Die fatale Wirkung des Beschlusses des Mannheimer Gemeinderats wird bei allen hier geschilderten Vorgänge deutlich. Eine Revidierung dieses Beschlusses ist angesagt!

Roland Schuster


Erklärung der Nahost-Gruppe Mannheim (27. März 2024)

Maulkorb für Israel/Palästina: Abendakademie sagt Veranstaltung ab.

Die Welt empört sich über die unvorstellbaren Grausamkeiten, die Israel den Menschen in Gaza antut, u.a. mit deutschen Waffen. Ein Vortrag über die Gesamtsituation und Perspektiven in Israel und Palästina ist in Mannheim jedoch unerwünscht. Die Mannheimer Abendakademie hat den für heute geplanten und von der Nahostgruppe Mannheim organisierten Vortrag von Aref Hajajj abgesagt. Sein Thema: Gibt es trotz der blutigen Eskalation Aussichten auf ein friedliches Zusammenleben?

Die Abendakademie begründet ihre Absage mit ihrer Verpflichtung auf die „Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“ und damit, dass die Nahostgruppe Mannheim „sich in der Vergangenheit nicht eindeutig von BDS (Bewegung für Boykott, Investitions-Entzug und Sanktionen) distanziert“ habe.

Welche Vielfalt?

Die Nahostgruppe Mannheim bekennt sich seit ihrer Gründung 2019 zur Mannheimer Erklärung, wurde aber vom „Bündnis für Vielfalt“ mit fadenscheinigen Gründen abgewiesen. Es hieß, sie engagiere sich für ein „außenpolitisches Thema“, nicht ein Thema der Stadtgesellschaft. In jüngster Zeit hat jedoch kaum ein anderes Thema Mannheim so sehr bewegt wie der Palästinakonflikt! Die zahlreichen Informationstische, Mahnwachen und großen Demonstrationen der mit Palästina solidarischen Menschen– all dies bleibt von dieser „Vielfalt“ ausgeschlossen. Dialogangebote der Nahostgruppe werden ignoriert. Oder es wird versucht, sie zu unterbinden, – wie jetzt und vor kurzem bei der Veranstaltung mit der Publizistin Charlotte Wiedemann.

Zur Mannheimer „Vielfalt“ zählen nicht die zahlreichen Palästinenser:innen und die besonders betroffenen Menschen aus Gaza, die in Mannheim mit uns leben. Viele davon sind deutsche Staatsbürger. Ihr Leiden zählt nicht, nicht für den „Mannheimer Morgen“ und nicht in der öffentlichen Debatte. Nein, Mannheimer sollen möglichst wenig erfahren, was sie vom proisraelischen Kurs der deutschen und Mannheimer Politik abbringen könnte! Man hört sogar unverhohlenes Bedauern darüber, dass die Rechtslage keine bessere Handhabe zur Unterdrückung der „Straße“ gibt, auf die die Palästinasolidarität ausweichen muss. Klingt fast wie: Verdammte Meinungs- und Versammlungsfreiheit!

Die Raumverbote mit Verweis auf Anti-BDS-Beschlüsse politischer Gremien sind rechtlich nicht haltbar.

So urteilte u.a. das Bundesverwaltungsgericht am 20.01.2022:

„Die Beschränkung des Widmungsumfangs einer kommunalen öffentlichen Einrichtung, die deren Nutzung allein aufgrund der Befassung mit einem bestimmten Thema ausschließt, verletzt das Grundrecht der Meinungsfreiheit.“

Was ist BDS?

BDS ist eine weltweite gewaltfreie Bewegung zur Durchsetzung der Menschenrechte und des Völkerrechts für alle Palästinenser:innen. Sie wurde 2005 nach dem Vorbild der erfolgreichen Boykottbewegung gegen das Apartheidregime in Südafrika gegründet und wird getragen von einer sehr großen Koalition palästinensischer Gewerkschaften, Massenorganisationen, Flüchtlings-Netzwerke und NGOs. BDS lehnt alle Formen von Rassismus einschließlich Islamfeindlichkeit und Antisemitismus ab. Die Bewegung richtet sich gegen Institutionen und Veranstaltungen, welche die israelische Politik der Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen unterstützen. Sie richtet sich nur dann gegen Personen, wenn diese selbst als Vertreter dieser Politik auftreten oder sich dafür instrumentalisieren lassen.

Was ist daran auszusetzen?

Das Recht auf Boykott ist vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich anerkannt worden. Weltweit bejahen über 40 jüdische Organisationen die BDS-Bewegung.

Die israelische Regierung bekämpft BDS und nutzt dafür das Stigma des Antisemitismus. Dies ist das übliche Vorgehen bei ernsthafter Kritik an der israelischen Politik. Ungeprüft haben sich dieser Propaganda 2018-19 mehrere deutsche Stadträte – auch Mannheim – sowie der Bundestag angeschlossen. Der Mannheimer Gemeinderat verstieg sich dabei sogar zur Gleichsetzung von BDS mit dem nationalsozialistischen Aufruf „Kauft nicht bei Juden!“. Die rassistische Hetze eines faschistischen Staats mit einer Widerstandsbewegung in illegal besetzten Gebieten gleichzusetzen, ist nicht nur falsch, sondern eine politische und moralische Bankrotterklärung. Der Beschluss wurde mit der Aufforderung verbunden, diese Bewegung in keiner Form – beispielsweise durch Vergabe öffentlicher Räume – zu unterstützen.

In Mannheim gibt es bisher keine BDS-Aktivitäten. Auch die Nahostgruppe Mannheim ist keine BDS-Gruppe. Wir wenden uns jedoch entschieden gegen eine Beschränkung der Meinungsfreiheit in Diskussionen über Israel und Palästina. Wir setzen uns gegen Rassismus in allen Ausprägungen ein.

Mit den Blamagen, die sie juristisch bisher bei den Unterdrückungsversuchen der Palästinasolidarität einstecken musste und weiter erleiden wird, tut die Stadt ihren Bürgern keinen Gefallen!

Der Anti-BDS-Beschluss des Stadtrats muss weg!

Wer Antisemitismus ernsthaft bekämpfen will, kann das nicht mit politisch und juristisch unhaltbarer Unterdrückung berechtigter und sehr notwendiger Kritik an Israel!




Kontroverse um BDS und Initiative GG 5.3 Weltoffenheit geht weiter – Leserbriefe

Ist das Engagement für „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“ verwerflich und antisemitisch, da diese Initiative den Dialog bzw. Diskurs mit Unterstützern des BDS nicht von vornherein ablehnt? Ausgangspunkt für die öffentliche Sichtbarkeit des Konflikts ist die öffentliche Aufforderung von Oberbürgermeister Peter Kurz an den Schauspielintendanten des Nationaltheater Mannheim, Christian Holtzhauer, sich zu seiner Unterstützung der Initiative GG 5.3 zu erklären. Die Initiative wird von 35 anderen Leitern großer deutscher Kultureinrichtungen unterstützt. (KIM berichtete). 

BDS (Boykott, Desinvestition, Sanktionen) verlangt ein Ende der Besatzung des Westjordanlandes, der Golanhöhen und Ost-Jerusalems durch Israel, die Gleichberechtigung arabisch-palästinensischer Bürger Israels und ein Recht auf Rückkehr nach Israel für palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen. Die BDS-Kritiker sehen in den Forderungen des BDS eine Infragestellung des Staates Israel.

Da die Kontroverse viele zum Teil sehr unterschiedliche Leserzuschriften erzeugt, werden wir die Leserzuschriften in diesem Artikel chronologisch (die neusten Zuschriften als erstes) dokumentieren, und durch neue Zuschriften jeweils ergänzen.

Der zeitlich zuerst eingegangene Leserbrief ist von Mathias Kohler.

Die zweite Leserbrief  als direkte Entgegnung ist von Johannes Hauber.

(KIM Redaktion)


Leserbrief von Johannes Hauber (15.02.2021):

Der Leserbriefschreiber Mathias Kohler setzt den Aufruf der Bewegung „Boycott, Deinvestment, Sanctions (BDS) gegen das Besatzungsregime des israelischen Staates mit dem Aufruf der faschistischen deutschen Regierung „Kauft nicht bei Juden“ gleich. Daraus folgert er, BDS sei antisemitisch. Diese Gleichsetzung rassistischer Hetze eines faschistischen Staats mit einer Widerstandsbewegung von Unterdrückten ist nicht nur falsch, sondern eine politische und moralische Bankrotterklärung.

Was ist BDS?

Die Palästinenser befinden sich in einer Situation, die ihnen das Recht auf Widerstand gibt, weil ihnen fundamentale Menschenrechte verweigert werden und das Völkerrecht verletzt wird. Eine sehr große Zahl palästinensischer Organisationen schloss sich in der BDS-Bewegung zusammen, um mit gewaltlosem Widerstand ein Ende der israelischen Besatzung und eine dauerhafte Konfliktregelung zu erzielen. Denn alle vorhergehenden Ansätze zur Erreichung einer palästinensischen Selbstbestimmung hatten sich als wenig erfolgreich erwiesen. Weder Verhandlungen im Rahmen des Oslo-Prozesses, noch der bewaffnete „Widerstand“ der zweiten Intifada (2000-2005) oder der Rechtsweg – etwa das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes von 2004 zu den israelischen Sperranlagen – hatten zu Fortschritten geführt.

Der BDS-Bewegung geht es um drei Ziele:

  1. Beendigung der nunmehr seit 54 Jahren fortdauernden Besatzung von Westjordanland, Gaza-Streifen und Ost-Jerusalem (sowie der syrischen Golan Höhen) und der Blockade Gazas;
  2. Gleichstellung der palästinensischen Bürger*innen mit jüdischen Bürger*innen Israels;
  3. Anerkennung des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge.

Alle drei Ziele der BDS-Bewegung sind im Völkerrecht verankert (insbesondere in Resolution 194 der UN-Generalversammlung, Resolution 242 des UN-Sicherheitsrates, Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Genfer Konvention). Bezüglich der Flüchtlingsfrage hebt die BDS – Bewegung – wie auch die Oslo-Abkommen – hervor, dass eine Regelung notwendig ist und dass diese die Rechte der Flüchtlinge einbeziehen muss. Sie postuliert aber keineswegs, dass die tatsachliche Rückkehr alle Flüchtlinge nach Israel die einzige mögliche Umsetzung sei.

Die BDS-Bewegung distanziert sich dabei explizit von Antisemitismus. Sie ruft ausdrücklich nicht zum Boykott jüdischer Menschen auf, sondern derjenigen Israelis (gleich welchen Glaubens), die sich nicht von Besatzung und Diskriminierung distanzieren.

Weitere Informationen: https://bdsmovement.net/what-is-bds

Gegen den Vorwurf des Antisemitismus

Namhafte jüdische und israelische Akademikerinnen und Akademiker, darunter renommierte Holocaust-Forscherinnen und Forscher, – unabhängig von ihrer jeweiligen Haltung zu BDS – lehnen eine Gleichsetzung von BDS mit Antisemitismus ab und betonen das Recht jedes und jeder Einzelnen, BDS zu unterstützen.
http://bds-kampagne.de/2019/05/15/ein-aufruf-an-die-deutschen-parteien-bds-nicht-mit-antisemitismus-gleichzusetzen/

Mittlerweile haben mehrere Gerichtsurteile in verschiedenen Städten Deutschlands den pauschalen Antisemitismusvorwurf gegen BDS Aktivistinnen und Aktivisten zurückgewiesen.

Die Zeitschrift Kommunaljurist 2020/7 kommt in einer Rechtsanalyse, bezüglich von BDS-Beschlüssen in Städten, zu folgendem Fazit: „Den Anti-BDS-Beschlüssen kommt in dieser Hinsicht keinerlei rechtliche Relevanz zu. Sie sind lediglich Ausdruck einer populistischen Symbolpolitik.“ Das Verwaltungsgericht Köln hat 2019, der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) am 11. Juni 2020 und der Bayrische sowie der Hessische Verwaltungsgerichtshof haben in 2020 geurteilt, dass Veranstaltungen über die internationale BDS-Kampagne durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt sind. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kam zum Ergebnis, dass der Bundestagsbeschluss (sowie entsprechende Beschlüsse auf Landesebene) keine Gesetzeskraft hat und daher nicht herangezogen werden kann, um das Grundrecht auf Meinungsfreiheit einzuschränken.

BDS-Beschluss des Deutschen Bundestages Angriff auf die Meinungsfreiheit

Frieden in Nahost?

M.K. stellt das Existenzrecht Israels in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Dabei hat er offensichtlich weder die Menschen in Israel noch die in Palästina im Blick. Er präsentiert die offizielle israelische Lesart der nahöstlichen Geschichte und Gegenwart, ohne sich mit der Frage zu befassen, wie Frieden in Israel/Palästina hergestellt werden könnte.

Es wird keine Friedensregelung geben können, wenn die Lebenssituation der Palästinenser*innen nicht wahrgenommen wird. Ohne Friedensregelung gibt es aber auch für die jüdische Bevölkerung Israels keine Perspektive, selbst nicht, wenn auf die schrittweise Vertreibung der Palästinenser gesetzt würde.

Uri Avneri, den M.K. mit einer unglaubwürdigen Äußerung zitiert (er gibt keine Quelle an) (1), betont die unveräußerlichen Rechte der Palästinenser, er sagt: „Jeder zukünftige Friedensvertrag zwischen dem Staat Israel und dem Staat Palästina muss einen Paragraphen einschließen, der besagt, dass Israel im Prinzip das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen anerkennt. Kein palästinensischer Führer könnte einen Vertrag unterzeichnen, der nicht diese Klausel enthält. Erst wenn dieses Hindernis beseitigt worden ist, kann die wirkliche Diskussion über die Lösung beginnen. http://www.uri-avnery.de/news/441/17/Das-schreckliche-Problem
Bereits 2001:
https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/das-recht-auf-rueckkehr-0
https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/das-recht-auf-rueckkehr

Ein Weg zu einem Friedensprozess würde nach Rolf Verleger voraussetzen, „dass Israel, vertreten durch seine Regierung, die Palästinenser für das Unrecht der Vertreibung und Enteignung von 1948 um Verzeihung bittet. Dann wäre ein Neuanfang möglich“ (R. Verleger, Hundert Jahre Heimatland).

Die Situation der Palästinenser*innen

Die israelische Friedensbewegung B’Tselem hat die Ausrichtung der politischen und rechtlichen Systeme im Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer als Apartheid bezeichnet, weil sie darauf ausgerichtet seien, die Vorrangstellung und Herrschaft der jüdischen Bevölkerungsgruppe sicherzustellen.

Gaza

Am untersten Ende, so der B’Tselem-Bericht, stehen die rund 2 Millionen Palästinenser*innen im zutiefst verarmten und blockierten Gazastreifen, wo der Staat Israel „faktische“ d.h. totale Kontrolle ausübt. Laut UNO ist die Schwelle der Unbewohnbarkeit in Gaza bereits überschritten. Ein normales Leben ist wegen der mangelhaften Infrastruktur – prekäre Versorgung mit Trinkwasser und Strom, fehlende Abwasserreinigung – der hohen Jugendarbeitslosigkeit und der mangelnden Gesundheitsversorgung nicht mehr möglich. Weitere Informationen zu Gaza: https://www.dw.com/de/gaza-leben-am-limit/a-43840936

Westbank

Eine Stufe darüber, so B’Tselem, stehen die rund 2,7 Millionen palästinensischen „Untertanen“ in der Westbank, die in Dutzenden unzusammenhängenden Enklaven zwischen jüdischen Siedlungen, unter strikter Militärherrschaft und ohne politische Rechte leben. Nach den in den 1990er Jahren im Zuge der „Oslo-Verhandlungen“ unterzeichneten Abkommen haben die Palästinenser*innen in der Westbank eine begrenzte Selbstverwaltung. Die Palästinensische Autonomiebehörde ist allerdings immer noch Israel unterworfen und kann ihre begrenzten Befugnisse nur mit Israels Zustimmung ausüben.

Staatsgebiet

Auf der höchsten Stufe der Hierarchie stehen die palästinensischen Bürger*innen Israels, welche die Staatsbürgerschaft besitzen und etwa ein Fünftel aller Israelis ausmachen.

B’Tselem erklärt, dass auch diese Bürger*innen in der Hierarchie unter den jüdischen Bürger*innen stehen. Sie sind faktisch vom Landerwerb ausgeschlossen, und es gibt ein Gesetz, das jüdischen Menschen zusätzliche politische Rechte einräumt.

Jahrzehntelange Landbeschlagnahmungen und diskriminierende Planungsmaßnahmen haben die Palästinenser*innen mit israelischer Staatsbürgerschaft in dicht besiedelten Städten und Dörfern konzentriert. In vielen jüdischen Städte gibt es Zulassungsausschüsse, die Palästinenser effektiv davon abhalten, dort zu leben.

Gleichzeitig fördert die israelische Regierung das Wachstum und die Expansion jüdischer Gemeinden, von denen viele auf den Ruinen palästinensischer Dörfer errichtet wurden, die 1948 zerstört wurden. Der israelische Staat kontrolliert 93 Prozent des Landes. 13 % davon besitzt der Jewish National Fund (JNF). Eine Regierungsbehörde, die Israel Land Authority (ILA), verwaltet und teilt das staatliche Land zu. Fast die Hälfte der Mitglieder seines Leitungsorgans gehört dem JNF an, dessen ausdrückliches Mandat darin besteht, Land für Juden und keinem anderen Teil der Bevölkerung zu entwickeln und zu verpachten.

https://mannheimnahost.wordpress.com/2021/02/05/btselem-this-is-apartheid/

Im Jahr 2017 hatte die UN Economic and Social Commission for Western Asia als erstes UN-Gremium in Israel Apartheid, d.h. nach internationalem Recht ein Verbrechen, festgestellt.

Der jüdische Völkerrechts-Experte Richard Falk stellte in einem Bericht fest, dass Israel „ein Apartheid-Regime errichtet hat, welches das palästinensische Volk als Ganzes unterdrückt und beherrscht“. Nachzulesen unter: https://oldwebsite.palestine-studies.org/sites/default/files/ESCWA%202017%20%28Richard%20Falk%29%2C%20Apartheid.pdf

UN-Generalsekretär Gutiérrez distanzierte sich schnell von dem Bericht und ordnete seine Entfernung von der UN-Website an. Der Druck aus den USA hatte nicht auf sich warten lassen. Nachzulesen unter: https://www.timesofisrael.com/un-chief-requests-report-accusing-israel-of-apartheid-be-pulled-from-web/

[1] Anmerkung zum Zitat von Uri Avneri das Mathias Kohler anführt: Während seines langen Lebens hat Uri Avneri seine politische Meinung mehrmals geändert. Als Teenager war er ein rechtextremer Terrorist (was er später sehr bedauerte) und als zionistischer Knesset-Abgeordneter war er noch Zionist, pro jüdischer Staat. Er hat die Oslo-Abkommen unterstützt und die BDS-Kampagne abgelehnt, aber einen Boykott von Siedlungsprodukten unterstützt. Heute, immerhin noch 2017, hat er auch zur Flüchtlingsfrage eine Meinung, die konform zum Völkerrecht ist. Bei genauer Recherche hätte M.K. feststellen müssen, dass es notwendig ist, ein Zitat im Kontext wiederzugeben, zumindest mit Zeitangabe. (Diese Fußnote ist am 16.02.2021 ergänzt worden. Die Red.) 

Johannes Hauber

Anmerkung des Kommunalinfo vom 19.02.2011: Der vollständige Text von Uri Avneri („Die große BDS-Debatte“
vom 12. März 2016) ist unter folgenden LINK nachzulesen:

http://www.schattenblick.de/infopool/politik/meinung/pmsp0546.html

 


Leserbrief von Mathias Kohler (12.02.2021):

Die BDS-Kampagne ist antisemitisch und kein Diskurs-Partner

Im Zusammenhang mit der Debatte wegen der Unterstützung der „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“, der „die Anwendung der BDS-Resolution des Bundestages große Sorge bereitet,“ durch den Intendanten des Mannheimer Nationaltheaters wird teilweise eine Verharmlosung der antisemitischen BDS-Kampagne betrieben, der widersprochen werden muss.

BDS steht für Boykott, Desinvestment (Investitionsentzug) und Sanktionen. Die Kampagne wurde 2005 ins Leben gerufen und labelt sich als friedlich. Argumentiert wird im Gründungsaufruf von 2005 und bei den BDS-Aktionen im Namen der Menschenrechte, des Antirassismus und des Antikolonialismus. Die Taktik der weltweit agierenden Kampagne ist jedoch eine Taktik der Diffusität, die im Wesentlichen die Ziele hat, Israel das Existenzrecht abzusprechen, Jüdinnen und Juden zur Minderheit in Israel machen Gewalt und Antisemitismus zu fördern.

 Ein Boykott von Israel ruft für viele Menschen zu Recht Erinnerungen an die antisemitischen Boykotte im Nationalsozialismus hervor. Omar Barghouti, ein führender Kopf der BDS-Kampagne formuliert unmissverständlich, dass die BDS-Kampagne sich nicht gegen die Politik Israels richte, sondern gegen Israel als Ganzes. Dies erlaube „Widerstand mit allen Mitteln, einschließlich des bewaffneten Widerstandes“, so Barghouti.

Wenn man auf der deutschen Website der BDS-Kampagne nach einer klaren Aussage zum Existenzrecht des israelischen Staats sucht, sucht man vergebens. Keine Aussage ist bekanntermaßen auch eine Aussage. Man findet nur eine krude Stellungnahme eines südafrikanischen Professors und BDS-Mitglieds vom Februar 2017. Ein paar Zitate daraus: „Die kalte historische Tatsache ist, dass Staaten kommen und gehen.“ „Das Dritte Reich, das tausend Jahre alt werden sollte, ist verschwunden.“ „Ich weigere mich, dem Druck nachzugeben, dass ich das Existenzrecht irgendeines Staates anerkennen muss.“ Jeder Anhänger, Verteidiger oder „nur“ Gesprächspartner der BDS-Kampagne muss wissen, dass die BDS-Kampagne das Existenzrecht Israels in Frage stellt.

Genau dieser Punkt ist von großer Bedeutung und eine zentrale Frage für den fast einstimmigen Beschluss des Mannheimer Gemeinderats vom 18. Dezember 2018. Die Nichtduldung von jeglicher Form des Antisemitismus und der Aufruf an „alle Mannheimer Bürgerinnen und Bürger, Konfessionen, Vereine, Vereinigungen und alle anderen öffentlichen Akteure in unserer Stadt auf, sich dieser Haltung anzuschließen,“ verpflichtet u.a. auch, den Claqueuren der antisemitischen BDS-Kampagne im wahrsten Sinne des Wortes keinen Raum zu geben. Wenn erfahrene politische Akteure, die die Hintergründe und eigentliche Zielsetzung der BDS-Kampagne sehr genau kennen, unschuldig mit den Augen klimpern und diese Kampagne als nur gegen die israelische Regierungspolitik gerichtet verharmlosen, dann versuchen sie einer eindeutig antisemitischen und antiisraelischen Kampagne einen Schleier umzulegen.

Und um es deutlich zu formulieren, es geht nicht darum, israel-kritische Diskussionen zu verhindern, es geht ausschließlich darum, keinen „Platz für die antisemitische Boycott, Divestment and Sanctions (BDS)-Bewegung in Mannheim“ zu schaffen. Es ist nachvollziehbar, wenn christliche Bildungseinrichtungen, Bürgerhäuser oder Hotels kritisch darauf achten, wen sie zu Gast haben oder auch nicht haben wollen. Apologeten der BDS-Kampagne dürfen sich angesichts der tatsächlichen Zielsetzung dieser Kampagne nicht wundern, wenn Ihnen nicht überall die Türen geöffnet werden.

Selbst der von Israel-Kritikern gern zitierte Uri Avnery (verstorben am 20.08.2018 in Tel Aviv), israelischer Journalist, Schriftsteller, Politiker und Friedensaktivist, der in drei Legislaturperioden als Parlamentsabgeordneter für unterschiedliche linke Kleinparteien Abgeordneter der Knesset war, für den Boykott ein legitimes Mittel im politischen Kampf war, und der früher selbst für den Boykott von Waren aus den Westbank-Siedlungen eingetreten war kennzeichnete die BDS-Bewegung als eine Bewegung, die “von palästinensischen Nationalisten initiiert, an die Weltöffentlichkeit gerichtet, ohne Rücksicht auf die israelischen Gefühle“ gegründet wurde.

Weiter schrieb er: „Die proklamierten Ziele von BDS sind drei: Beendigung der Besatzung und der Siedlungen, garantierte Gleichheit für die Araber innerhalb Israels, außerdem die Rückkehr der Flüchtlinge. Dies klingt harmlos, ist es aber nicht. Es erwähnt nicht Frieden mit Israel. Es erwähnt nicht die Zwei-Staaten-Lösung. Der Hauptpunk ist der dritte… Der Exodus der Hälfte des palästinensischen Volkes aus ihren Wohnsitzen im 1948er-Krieg – die zum Teil in einem langen, grausamen Krieg fliehend, zum Teil absichtlich vom israelischen Militär vertrieben wurde – es ist eine komplizierte Geschichte. Ich war ein Augenzeuge … Die hervorragende Tatsache ist, dass ihnen nicht erlaubt wurde, nach dem Ende des Krieges heimzukehren und dass ihre Häuser und ihr Land jüdischen Immigranten, viele von ihnen waren Flüchtlinge, die den Holocaust überlebten [überlassen wurde]. Diesen Prozess jetzt umzukehren, ist so realistisch, als ob man von den weißen Amerikanern verlangen würde, dorthin zurück zu kehren, wo ihre Vorfahren herkamen und das Land seinen ursprünglichen Besitzern zurückzugeben. Es würde die Abschaffung des Staates Israel und die Gründung des Staates Palästina vom Mittelmeer bis zum Jordanfluss bedeuten, ein Staat mit einer arabischen Mehrheit und einer jüdischen Minderheit. …

Für einen waschechten Antisemiten der alten Schule ist BDS heute die einzige sichere Kanzel, von der sie ihre abscheulichen Prinzipien predigen können und zwar unter dem Mantel des Antizionismus und des Anti-Israelismus.“

Diesen Ausführungen von Uri Avnery ist nichts mehr hinzuzufügen.

Roger Waters, Mitbegründer der britischen Band Pink Floyd und ein prominenter Lautsprecher der BDS-Kampagne, der antisemitische Verschwörungstheorien vertritt, hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Shebab, die der islamistischen Terrororganisation Hamas nahe steht, zum Tod von George Floyd in Minnesota die Haltung vertreten, Amerikas „militarisierte Polizei“ habe ihre tödlichen Praktiken, namentlich das Luftabdrücken durch das Knien auf dem Opfer, von der israelischen Armee gelernt, wo dies angeblich gegenüber den Palästinensern praktiziert werde. Die USA flögen regelmäßig Experten aus Israel ein, die den Polizisten dort beibrächten, wie man schwarze Menschen in effizienter Weise umbringe, behauptete Waters. Der Zionismus sei ein „hässlicher Fleck“, den „wir vorsichtig entfernen müssen“, sagte der Frontmann der BDS-Bewegung. In einem selbst komponierten Lied hat er für „Befreiung Palästinas vom Jordan bis zum Meer“, d.h. zur Vernichtung Israels aufgerufen. Diese Hintergründe sollte man in Betracht ziehen, wenn man die BDS-Kampagne zwar ablehnt aber für diskursfähig hält.

Mathias Kohler

 

 




Resolution: Kein Platz für die antisemitische Boycott, Divestment and Sanctions (BDS)-Bewegung in Mannheim

Gemeinsamer Resolutionsantrag von SPD, CDU, Grünen, ML, LINKE, und FDP am 18.12.18 verabschiedet: Kein Platz für die antisemitische Boycott, Divestment and Sanctions (BDS)-Bewegung in Mannheim

Oberbürgermeister und Gemeinderat der Stadt Mannheim verurteilen die antisemitische und antiisraelische BDS-Kampagne und die Aufforderung zum Boykott von israelischen Künstlern, Wissenschaftlern, Waren und Unternehmen aufs schärfste. Sie erinnert an den Aufruf der Nationalsozialisten „Kauft nicht bei Juden“ und somit an die dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte.

Die BDS-Kampagne verstößt außerdem gegen den Geist und Buchstaben der „Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“. Sie verpflichtet die Stadt Mannheim in der Pflicht,  Aufrufen „zu Hass, Gewalt und Ausgrenzung“ entgegenzutreten.

Jegliche Form von Antisemitismus wird in Mannheim nicht geduldet. Oberbürgermeister und Gemeinderat der Stadt Mannheim begrüßen und unterstützen daher den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen eingebrachten Beschluss des Deutschen Bundestages vom 17. Januar 2018, „der weltweiten Bewegung „Boycott, Divestment, Sanctions“ entschlossen entgegenzutreten

Dem Wortlaut des Bundestagsbeschlusses folgend bekennt sich die Stadt Mannheim zur besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels gelten für uns voraussetzungslos.

Sie ruft alle Mannheimer Bürgerinnen und Bürger, Konfessionen, Vereine, Vereinigungen und alle anderen öffentlichen Akteure in unserer Stadt auf, sich dieser Haltung anzuschließen. Die Stadt Mannheim bekennt sich zu der tief empfundenen Freundschaft zu Israel und setzt sich auch weiterhin für eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes ein.

Für DIE LINKE gab Stadtrat Thomas Trüper folgende Erklärung zu Protokoll

DIE LINKE bringt diese Erklärung gegen die antisemitische BDS-Bewegung wie ersichtlich mit ein. Den außerordentlich schwierigen Friedensprozess mit einer rassistischen Boykottkampagne zu unterminieren, ist zu absolut verwerflich.

Der Friedensprozess hat jedoch viele politische Gegner, auch bei Politiker*innen im Staate Israel selbst. In Verantwortung für den Frieden und für ein sicheres Leben aller Menschen in Israel und in der Region kritisieren wir alle Maßnahmen, die geeignet sind, den Friedensprozess zu stören – von welcher Seite auch immer.

Außerdem verwahren wir uns gegen Versuche, jegliche Kritik an der aktuellen Politik der israelischen Regierung als „antisemitisch“ zu diskreditieren. Wir wissen uns hierbei einig mit über 30 israelischen Wissenschaftler*innen, die am 20. November in einer gemeinsamen Erklärung der EU-Ratspräsidentschaft volle Unterstützung im Kampf gegen Antisemitismus zusicherten, aber warnten: Europa sagen wir: Vermischt Kritik an Israel nicht mit Antisemitismus.

Die Resolution wurde vom Gemeinderat gegen die Stimme des NPD-Vertreters Hehl und unter Enthaltung des Stadtrats Ferrat mit großer Mehrheit angenommen.

(red)