Schwarze Menschen als Opfer des Nationalsozialismus

Dr. Pierrette Herzberger-Fofana (MdEP) und Hollande Haun (Black Academy Mannheim) | Bild: Emma Teuwen

Im Zentrum RomnoKher Zentrum der Sinti und Roma in Mannheim, ist eine besondere Ausstellung eröffnet worden. Das Thema: Schwarze Menschen im Nationalsozialismus. So eine Ausstellung hat es in Deutschland noch nicht gegeben sagt Dr. Pierrette Herzberger-Fofana. Die Afrodeutsche ist Abgeordnete im Europaparlament, hat zum Thema geforscht und diese Ausstellung ist dabei entstanden. Im Parlament in Straßburg, wurde diese Ausstellung im April letzten Jahres erstmalig präsentiert. Nun macht sie in Mannheim Station, in einer etwas kleineren Ausgabe.

Der Andrang am Abend der Eröffnung ist groß im Kaminzimmer des RomnoKher-Zentrums. An den Wänden hängen Banner mit Informationen zu Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Sie alle eint die Hautfarbe. Es sind Schwarze Menschen, eine Opfergruppe, über die bislang nicht viel berichtet wurde und Dr. Pierrette Herzberger-Fofana will das ändern.

Sie forscht seit über 20 Jahren über Schwarze Menschen im KZ. Sie habe alles auf eigene Faust gemacht, sagt sie. Sie sei für die Recherchen in fast allen KZ‘s gewesen, auch in Österreich.

Schätzungen zufolge haben etwa 3000 Afrodeutsche in KZs oder Lagern ihr Leben verloren. Das Bild einer ganzen Familie: Vater, Mutter und zwei kleine Mädchen, ist auf dem Banner von Hagar Martin Brown zu sehen. Er wurde 1889 in Kapstadt geboren und, den Quellen zufolge, als sog. Mitbringsel von Liberia nach Deutschland gebracht. Damals war es für die Upper Class in Deutschland schick, ein schwarzes Kind als „Edelpagen“ zu besitzen. Brown arbeitet später als Chauffeur in Frankfurt, gründete eine Familie und in der NS-Zeit werden er und seine Töchter in der „Farbigen Karthothek“ der NSDAP als Zitat: „Neger und Mulatten Nr. 24 bis 26“ registriert. Brown wird 1935 von der Polizei vorgeladen und Ärzten übergeben, die medizinische Experimente mit Chemikalien an ihm durchführen. Ein Jahr liegt er mit Lähmungen im Krankenhaus und stirbt dort 1940.

Dr. Herzberger-Fofana hat einige der Opfer noch persönlich kennen gelernt. Gert Schramm z.B. Auf dem Bannerfoto sitzt er im dunklen Anzug, weißer Krawatte und dem Bundesverdienstkreuz. Dass er diese Ehrung bekam, dafür hat Dr. Herzberger-Fofana gesorgt. Gert Schramm überlebte das KZ als Teenager. Bis zu seinem Tod 2016 war er ein Aktivist gegen Rassismus, und er hat sogar ein Buch geschrieben. Der Titel: „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“. Aber ihn zu finden, das war gar nicht so leicht, sagt die Forscherin, denn er wurde irrtümlich als Roma geführt. Sie habe ihn dann 2007 über das Telefonbuch gefunden.

Die Ausstellung im Kaminzimmer des RomnoKher-Zentrums | Bild: Emma Teuwen

Und ganz besonders viel Kontakt hatte Dr. Herzberger-Fofana mit Theodor Wonja Michael. „Schauspieler, Chefredakteur, Regierungsdirektor“, steht auf seinem Banner. Er wurde als Sohn des Kameruners Theophilius Wonja Michael und dessen deutscher Ehefrau Marta geboren. Kamerun war noch eine deutsche Kolonie als sein Vater nach Deutschland kam. Sein Vater musste damals auf den sog. Völkerschauen auftreten, zusammen mit seinen Kindern, in Baströckchen! Ihm und seinen Geschwistern wird die deutsche Staatsbürgerschaft von den Nazis aberkannt. Aufgrund der Nürnberger Rassegesetze durfte er keine Ausbildung machen. Also verdiente er seinen Lebensunterhalt als Komparse in den kolonialen Propagandafilmen zusammen mit rund 500 anderen Afrodeutschen. Als 18jähriger kam er ins Arbeitslager. Nach dem Krieg studierte Michael, wurde Journalist und so lernte er auch Dr. Herzberger-Fofana kennen. Sie, als Afrodeutsche war Mitherausgeberin einer Zeitung, namens Afrolook. „Der Theodor, der war sehr engagiert in der Black Community“, erinnert sich die Forscherin, er habe viele Artikel geschrieben, viele Reden gehalten.

In den Schulbüchern finden schwarze Menschen bis heute keine Erwähnung. Auch deshalb veranstaltet das RomnoKher Zentrum diese Ausstellung, denn Schwarze Menschen sind eine ähnlich vergessene Opfergruppe wie die Sinti und Roma. Beide Gruppen wurden verfolgt, inhaftiert, oftmals zwangssterilisiert, durften keine Ausbildung anfangen, wurden gefoltert oder getötet. Sogar 400 Kinder aus schwarz-weißen Beziehungen sind Opfer dieser Zwangssterilisation geworden. Es gab nach dem 1.Weltkrieg eine ganze Menge afrikanischer Soldaten im Land, erklärt die Forscherin, afrikanische Soldaten der französischen Armee. Sie kamen aus Mali und Burkina-Faso. Weiße Frauen verliebten sich und bekamen Nachwuchs. Diese ca. 400 Kinder wurden abwertend als „Rheinlandbastarde“ bezeichnet und alle aus sog. Rassehygienischen“ Gründen zwangssterilisiert.

Auch Ferdinand James Allen, Sohn eines karibischen Musikers und einer Berlinerin, wird zwangssterilisiert, wegen seiner epileptischen Anfälle und er wird im Rahmen des als „Aktion T4“ bezeichneten Euthanasie Programms ermordet. Die Geschichte von 14schwarzen Opfern hat Dr. Herzberger-Fofana zusammen getragen. Sieben haben die NS Zeit nicht überlebt. Eine, Marie Neja, lebt noch in Hamburg.

Dr. Pierrette Herzberger-Fofana hat einen Brief an den Bundespräsidenten geschrieben, er möge doch beim diesjährigen Holocaustgedenktag einen Fokus auf die weniger beachteten Gruppen legen, wie Sinti und Roma. Schwarze Menschen, Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Wehrdienstverweigerer Widerstandskämpfer. Es gibt noch vieles aufzudecken und zu recherchieren. Es muss in die Geschichtsbücher reingesehen, es muss weiter geforscht werden, sagt sie.

Die Ausstellung „Schwarze Menschen, Opfer des Nationalsozialismus“ wird bald auch in Erfurt und München zu sehen sein. Im RomnoKher Zentrum in Mannhheim, B7,16 wird sie bis zum 22. Februar gezeigt. Eine wichtige Ausstellung, gerade jetzt, in einer Zeit, in der sich rassistische Vorfälle häufen, in der Rechtsradikale immer offensiver werden.

(Annette Lennartz)




Vor einem halben Jahr: SEK-Überfall auf vier junge Afrikaner in Käfertal

Pressekonferenz der Black Academy. In der Mitte v.l.n.r: Nicole Amoussou (Black Academy Mannheim), Biplab Basu (Beratungsstelle ReachOut und Kampagne für die Opfer rassistischer Polizeigewalt KOP, Berlin), Rechtsanwalt Abdulselam Aslandur (Antidiskriminierungsbüro Mannheim). Foto: KIM

Nicht vergessen – aber die juristische Aufarbeitung wird blockiert. 

Vor fast genau einem halben Jahr, am 27.4.23., wurden vier junge Männer aus Benin, Delegations-Gäste der Black Academy in Mannheim, morgens acht Uhr, noch in ihren Betten liegend, von maskierten SEK-Polizisten regelrecht überfallen. Sie wurden erniedrigend behandelt und verletzt und zwei Stunden in der Kälte auf der Straße gefesselt festgehalten (Kommunalinfo Mannheim berichtete in der Ausgabe 9/2023).

Obwohl sie sich sofort unaufgefordert mit ihren Pässen auswiesen und die Polizei davon in Kenntnis setzten, dass sie sich u.a. mit Unterstützung des Goethe-Instituts im Rahmen eines UN-Programms in Mannheim aufhielten, und dass sie vom damaligen Oberbürgermeister Peter Kurz empfangen worden waren, ließ die Polizei nicht von ihrem eingeschlagenen Weg ab, die jungen Männer in die „Drogenfahndung“ einzubeziehen. Die ganze Aktion war ein „Mitnahmeeffekt“ im Rahmen einer Fahndung gegen zwei verdächtigte deutsche Männer im selben Haus. Da die jungen Männer aber nun einmal Schwarze waren, wurden sie sofort mitverdächtigt. Anders kann man die Aktion nicht interpretieren. Die Polizei erklärte später, man habe mit der Anwesenheit der vier Afrikaner gar nicht gerechnet. In der Spontaneität ihres dann folgenden Einsatzes ist dies schon ein klarer Beweis für das jedem racial profiling zugrunde liegende Grundmuster der schnellen Verdächtigung von People of Color, kriminell zu sein.

Anzeige gegen die am Einsatz beteiligten Polizeibeamt:innen – Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein

Die gastgebende Black Academy in Mannheim hatte das für ihre Gäste schockierende und traumatisierende Erlebnis öffentlich gemacht, nachdem sie sich zunächst einmal um die Versorgung und psychische Betreuung der traumatisierten jungen Männer sowie um eine neue Unterbringung bis zu deren Rückkehr nach Benin gekümmert hatte. 

Danach begann der schwierige und langwierige Versuch, erstens die Unschuld der jungen Männer amtlich, und das heißt gerichtlich feststellen zu lassen, nachdem in der Presseberichterstattung zunächst die kriminalisierende Sichtweise der Polizei aufgegriffen wurde, die dann auch erfahrungsgemäß haften bleibt. Zweitens gilt es, rassistisch motivierte Polizeigewalt zu verurteilen und so die Notwendigkeit der Bekämpfung des strukturellen Rassismus innerhalb der Polizei zu verdeutlichen. Auf einer Pressekonferenz berichtete am 23.10. die Black Academy über den Stand ihrer Bemühungen.

RA Abdulselam Aslandur, Antidiskriminierungsbüro, erklärt, dass die Staatsanwaltschaft Mannheim die Ermittlungen eingestellt habe, da hier Aussage gegen Aussage stünden. 

Eine Prüfung der Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit der gegenteiligen Aussagen wurde von der Staatsanwaltschaft offensichtlich gar nicht erst vorgenommen.  Auch die Tatsache, dass zunächst viele Anwohner:innen Zeugen der Festsetzung der vier Männer auf der Straße waren, die auch Fotos anfertigten, scheint in den Augen der Staatsanwaltschaft irrelevant für die Frage zu sein, ob die jungen Männer verletzt wurden (durch das Stehenmüssen auf der Straße bei einer Temperatur von 6 bis 8°C), oder ob sie sofort mit Kleidungsstücken, Decken und Schuhen versorgt wurden (Aussage der Polizei). Auch die Tatsache, dass die Jugendlichen zunächst in Handschellen hinter dem Rücken und dann als „Erleichterung“ mit Kabelbindern gefesselt wurden, welches zu blutenden Wunden an den Handgelenken führte, scheint in Augen der Polizei irrelevant zu sein. Hierzu liegt ein anwaltlich eingeholtes ärztliches Gutachten vor, welches die Verletzungen bestätigt.

Besonders fragwürdig ist die Darstellung der Polizei, man sei von der Anwesenheit der vier Afrikaner überrascht worden. Seit wann werden geplante Zugriffe eines SEK vorgenommen, ohne die Örtlichkeit des Zugriffs vorher verdeckt auszukundschaften. In dem Gebäude des geplanten Zugriffs war seit über einem Jahr die Black Academy ansässig. Sie hatte dort immer wieder Gästegruppen untergebracht. Es war ein Kommen und Gehen von Menschen afrikanischer Herkunft.

Anwalt Aslandur hat gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens Widerspruch eingelegt. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht noch aus. Als Nächstes müsste sich im positiven Fall dann die Oberstaatsanwaltschaft mit dem Vorgang befassen, deren möglicherweise negative Entscheidung dann nur noch vor dem Oberlandesgerichtshof anfechtbar wäre.

Der Anwalt der Black Academy hat keine Akteneinsicht gewährt bekommen, da er nicht die beschuldigte Seite vertrete. Dies, wie auch das ganze Verhalten der Mannheimer Staatsanwaltschaft findet Biplab Basu „skandalös“. Er ist seit den 80er Jahren in Berlin antirassistisch aktiv und hat die inzwischen öffentlich geförderte Initiative ReachOut Berlin mitbegründet. „ReachOut ist eine Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und Bedrohung in Berlin. ReachOut berät auch Opfer von Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt.“ (https://www.reachoutberlin.de/de/Unsere%20Arbeit/Beratung/). Basu hat große Erfahrung in rechtlichen Auseinandersetzungen gegen Fälle von Racial Profiling. In einem Fall der willkürlichen und verdachtsunabhängigen Kontrolle durch die Bundespolizei in einem Zug der Deutschen Bahn errang er (es betraf ihn selbst und seine 17-jährige Tochter) nach 10 Jahren (!) letztes Jahr einen Erfolg vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, der feststellte: Vorwürfe von polizeilichem Racial Profiling seien so schwerwiegend, dass sie unabhängig untersucht werden müssen. (https://taz.de/Kampf-gegen-Racial-Profiling/!5885625/). Genau dies erfolgte bei dem Fall des SEK-Überfalls auf die vier afrikanischen jungen Männer nicht. Es ist sicherlich gut, dass die Black Academy Mannheim sich für die weitere Auseinandersetzung Kompetenz und Erfahrung z.B. aus Berlin zur Seite geholt hat. Denn im Kampf allein um die gerichtliche Bewertung des Vorfalls in Mannheim braucht es viel davon, außerdem gute Nerven, langen Atem und viel finanzielle Unterstützung.

Nicole Amoussou von der Black Academy Mannheim hebt allerdings abschließend hervor, es gehe nicht einfach nur darum, ein Urteil gegen zwei Polizisten zu erreichen. Die Polizei sei ein Produkt der Gesellschaft und in der Gesellschaft müsse sich etwas grundsätzlich ändern. Dazu bedürfe es viel Aufklärung und Aktivismus.

Thomas Trüper