Schon wieder eine Absage einer Veranstaltung mit Nahostbezug zum Krieg in Israel und Gaza

Hinweis der Redaktion: Der Artikel besteht aus vier Teilen: 1) Die Nahost-Gruppe zum Raumverbot 2) Fake News der DIG 3) Facebook-Eintrag der DIG 4) Kommentar aus der KIM-Redaktion

Israels Gewalt gegen Bäuer:innen im Westjordanland soll totgeschwiegen werden – Wieder ein Raumverbot!

Die Mannheimer Naturfreunde haben uns den zugesagten Saal ihres Hauses für den Vortrag von Rudolf Rogg am 3.6. kurzfristig entzogen. Das trifft uns besonders, denn Mitglieder der Nahostgruppe sind auch Mitglieder der Naturfreunde. Wir haben mündlich von mehreren Personen erfahren, wie es zu der neuen Vorstandsentscheidung kam. Vertreter der Jüdischen Gemeinde Mannheim und der Naturfreunde Ludwigshafen diffamierten die Nahostgruppe als antisemitisch und den Holocaust-relativierend. Als Beispiel führten sie an, im Ausstellungspavillon der Nakba-Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz sei auch die Webseite www.palestineremembered.com/ gezeigt worden, und auf dieser Seite gebe es Hitlerbilder.

Die genannte Seite bietet detaillierte Informationen über die 1948 zerstörten 500 Dörfer und ihre Bewohner:innen. Diese stellten wir im Pavillon als Service für aus Palästina stammende Besucher:innen zur Verfügung. Einige erkannten Dörfer bzw. Personen ihrer Familie und waren gerührt und dankbar für das Angebot.

www.palestineremembered.com informiert außerdem auch über die Geschichte und das Selbstverständnis der zionistischen Bewegung. In Zusammenhang mit Informationen über das Haʿavara (hebräisch für Übertragung)-Abkommen zwischen der zionistischen Bewegung und dem NS-Regime zwischen 1933 und 1941 zeigt sie auch ein Bild von Hitler. Nach diesem Abkommen konnten vermögende deutsche Jüd:innen nach Palästina ausreisen und dort über einen Großteil ihres Vermögens verfügen. Im Gegenzug verpflichteten sich die zionistischen Organisationen, Waren aus Deutschland zu kaufen. In der zionistischen Bewegung setzte sich damals eine pragmatische, an Eigeninteressen orientierte Haltung durch, die z.B. Ben Gurion vertrat. Ende 1938 bezeichnete Ben Gurion die deutsche Judenverfolgung als „Hebel“ zur Gründung des jüdischen Staates. „Wenn ich wüsste, dass es möglich wäre, alle [jüdischen] Kinder Deutschlands zu retten, indem man sie nach England transportiert, und nur die Hälfte, indem man sie nach Israel bringt, würde ich mich für Letzteres entscheiden, denn wir müssen nicht nur das Leben dieser Kinder, sondern auch die Geschichte des Volkes Israel abwägen.“ (zitiert nach Teveth Shabtai, Ben-Gurion: The Burning Ground, 1988)

Fürsprecher:innen der zionistischen Politik Israels fühlen sich vermutlich unwohl, wenn dieser Teil der Geschichte Israels diskutiert wird. Die Briefeschreiber an die Naturfreunde Mannheim setzten sie sich allerdings nicht mit der Darstellung des Ha’avara-Abkommens auf der Webseite auseinander, sondern leiteten aus der Tatsache, dass Hitler abgebildet wurde, abstruse Vorwürfe gegen die Mannheimer Nahostgruppe ab. Es gelang ihnen, im Vorstand der Mannheimer Naturfreunde Verwirrung zu stiften und eine große Gefahr an die Wand zu malen: Holocaust-Relativierer und Judenfeinde in unserem Haus!! So musste nicht über die geplante Veranstaltung oder ihren Referent gesprochen werden, und es brauchte auch keine Beweise für den „Antisemitismus“ der Nahostgruppe. Fake News und Stimmungsmache reichten aus.

Der Vorstand der Naturfreunde hat uns um Verständnis und um Gespräche gebeten. Wir sind wie immer gesprächsbereit. Aber die Absage trifft uns hart. Wieder müssen wir uns wenige Tage vor der Veranstaltung um einen anderen Raum bemühen.

Die Veranstaltung mit Rudolf Rogg fand nun am 3. Juni in Frankys Farm in G7,18 statt. Thema war die Siedlergewalt im Westjordanland.

Nahostgruppe Mannheim


Fake News der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft (DIG)

Der Ausstellungspavillon auf dem Marktplatz

Auf Facebook diffamiert die AG Rhein-Neckar der DIG am 23. Mai die Nakba-Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz als „ antisemitisches Straßenfest mitten in Mannheim“. Um das zu untermauern, setzt sie eine Reihe von Fake News in die Welt. Schamlos behauptet sie, es sei lauthals skandiert worden: „Juden sind Kindermörder, und es habe eine „Einführung in die Rassenlehre“ sowie „eine persönliche Analyse zu unserem Aussehen“ gegeben. Sie zitiert die Veranstaltenden mit einer frei erfundenen Aussage: „die Juden hätten es in den Gaskammern noch gut gehabt, verglichen mit Gaza heute.“

Eine Verleumdungsklage ist hier angezeigt. Denn sämtliche Veranstaltenden unterscheiden sehr genau und konsequent zwischen Israel/ Zionisten und jüdischen Menschen, und weisen jede Relativierung des Holocaust von sich. Zu den Veranstaltenden zählen auch antizionistische Jüd:innen. Ein Programmpunkt der Veranstaltung war eine Podiumsdiskussion jüdischer Antizionist:innen. Die DIG weigert sich, die Unterscheidung zwischen Zionismus und Judentum zur Kenntnis zu nehmen. Sie schreibt: „Daß es sich ja nicht um „Juden“ handelt, sondern um Zionisten und Besatzer ist eine Ausrede.“ Entsprechend deutet sie die BDS-Bewegung um in den Aufruf „Mannheim kauft nicht bei Juden. Der Webseite www.palestineremembered.com, die im Ausstellungspavillion gezeigt wurde, unterstellt die DIG zu Unrecht „übelste Nazi-Propaganda“ und behauptet, sie stelle „die Nürnberger Rassengesetze als wohlwollend oder schützend dar“. Differenziertes Denken und historisches Wissen ist offenbar nicht die Stärke der DIG. Sie kann oder will nicht unterscheiden zwischen einem Bericht über die Haʿavara-Kooperation zwischen Zionistischen Organisationen und NS-Regime und Nazi-Propaganda.

Gertrud Rettenmaier


Facebook-Eintrag der Deutsch-Israelischen Gesellschaft DIG Rhein-Neckar

Ein antisemitisches Straßenfest mitten in Mannheim

Am Samstag und Sonntag fand am Marktplatz in Mannheim eine Infoveranstaltung von Free Palestine Mannheim, der Nahostgruppe Mannheim und Zaytouna RNK statt. Es sollte um palästinensische Geschichte gehen. Wir wollten reden – schließlich heißt es ja immer, dass Dialog wichtig sei. Doch was wir dort erlebten, war eine unfassbare Bühne des Hasses.

Nakba-Veranstaltung am 17./18. März auf dem Mannheimer Marktplatz

Ein unterhaltsames antisemitisches Nachmittagsprogramm – inklusive Kinderschminken, während wenige Meter daneben die altbekannten Hassparolen erklangen. „Kindermörder Israel“ schallte es über den Platz, und als ob das nicht schon widerlich genug wäre, kam auch die uralte Ritualmordlegende zum Einsatz. „Juden sind Kindermörder“ wurde lauthals skandiert. Im Hintergrund eine Art Kunstausstellung, die an die Mauer zur Westbank erinnerte. Eine Mauer, die 2002 gebaut wurde, um die massive Welle von Selbstmordattentaten und Terroranschlägen zu stoppen , die von palästinensischen Extremisten ausgingen und bei denen hunderte israelische Zivilisten getötet und tausende verletzt wurden. Zwischen 2000 und 2003 während der Zweiten Intifada fanden über 70 Selbstmordattentate in Israel statt, bei denen Zivilisten in Bussen, Restaurants, Einkaufszentren und öffentliche Plätze gezielt angegriffen wurden. Die „Kunstwerke“ auf dieser Wand am Marktplatz verherrlichten diese Gewalt gegen Juden – und forderten mit dem Aufruf „Yallah Intifada“ noch mehr Gewalt. Steine soll man auf Juden werfen. Daß es sich ja nicht um „Juden“ handelt, sondern um Zionisten und Besatzer ist eine Ausrede.

Die von der Bundesregierung als antisemitisch und seit heute vom Berliner Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestufte BDS-Bewegung (Boycott, Divestment, Sanctions) hatte sogar eine eigene Wand – obwohl die Stadt Mannheim immer wieder versichert, so etwas werde hier nicht geduldet. Offensichtlich leere Worte. Die Realität sieht anders aus: „Mannheim kauft nicht bei Juden.“

Doch damit nicht genug: Unter dem Deckmantel „Widerstand ist legal“ wurden die Massaker vom 7. Oktober gerechtfertigt – einfach so, mitten in Mannheim, Meinungsfreiheit halt. Der Holocaust blieb natürlich auch nicht unerwähnt: Gaza sei ein KZ und die Juden hätten es „in den Gaskammern noch gut gehabt“, verglichen mit Gaza heute.

Die Veranstaltung war ein antisemitisches Sammelsurium: Einführung in die Rassenlehre gab es auch, damit jeder genau weiß, „was einen Juden ausmacht“. Wir bekamen vor Ort gratis eine persönliche Analyse zu unserem Aussehen.

Die Geschichtsverdrehung ging weiter: Plötzlich waren es 1948 nicht mehr die arabischen Staaten, die Israel angegriffen haben – nein, es waren die Zionisten, die die arabischen Nachbarn als erste überfallen haben. Israel? Ein zweites Nordkorea. Israelis? Halten Palästinenser als Sklaven. Jüdische archäologische Funde? Alles Lüge.

Der absolute Höhepunkt: Eine Website-Vorführung in einem der Zelte, auf der man sich fröhlich durch übelste Nazi-Propaganda klicken konnte – mitten in Mannheim, im Jahr 2025. Die Juden hatten im Dritten Reich den Antisemitismus selber geschürt um eine Flüchtlingskrise zu schaffen. Ben-Gurion hätte in einer Rede einen Monat nach dem Pogrom der Kristallnacht zur Ermordung deutscher Juden aufgerufen. Hitlers Verantwortung in der Judenverfolgung wird verharmlost, Geschichte umgedeutet und verfälscht. Die Nürnberger Rassengesetzte waren doch gut für die Juden, denn endlich wurden sie als Minderheit offiziell anerkannt. Jüdische Politiker werden die Reihe durch falsch oder aus dem Kontext heraus zitiert. Die Website stellt auch die Nürnberger Rassengesetze als wohlwollend oder schützend dar – was sie ganz entschieden nicht waren. Die Umdeutung nationalsozialistischer Rassengesetze als schützend oder großzügig ist ein klassisches Beispiel für: Verharmlosung des Holocaust, antisemitische Geschichtsrevision und moralische Umkehrung, bei der der Täter als missverstandener Wohltäter inszeniert wird. Dies ist Teil einer breiteren ideologischen Strömung, die versucht, die Brutalität des NS-Regimes herunterzuspielen oder gar zu suggerieren, die Jüdinnen und Juden trügen selbst eine Mitschuld an ihrem Schicksal – eine gefährliche und unehrliche Erzählung.

Und die Polizei? Die saß im Wagen, die Fenster zu. Weggeschaut. Geschwiegen.

Während wir versucht haben, wenigstens ein paar konstruktive Gespräche zu führen, wurden diese immer wieder von den Veranstaltern unterbrochen. Schließlich wurden wir sogar des Platzes verwiesen. Der Grund? „Mit Faschisten, Nazis und Zionisten redet man nicht.“

Der wahre Grund? Vielleicht war man lieber mit seinem Judenhass unter sich.

Wie lange wollen wir noch zuschauen, wie solche Veranstaltungen unsere Stadt vergiften? Wie lange soll Antisemitismus hier noch „Meinungsfreiheit“ heißen dürfen?

Es reicht!


Kommentar zur Absage der Veranstaltung der Nahost-Gruppe mit Rudolf Rogg

Nun also schon wieder eine Absage einer Veranstaltung mit Nahostbezug zum Krieg in Israel und Gaza

Die Absage durch die Naturfreunde erfolgte letztlich auf Grund einer Intervention seitens der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Wir haben eine Stellungnahme der Nahost-Gruppe Mannheim zur Absage der Veranstaltung durch die Naturfreunde und zu einem Facebook-Post der DIG veröffentlicht. Damit der Leser sich möglichst selbst ein Bild machen kann, haben wir den Facebookeintrag der DIG, der sich auf die Nakba-Veranstaltung am 17./18. Mai bezieht, ebenfalls veröffentlicht. Die DIG bezieht sich u.a. auf eine Webseite, deren Informationen Teil der Ausstellung während der Nakba-Veranstaltung gewesen seien. Wer sich die Webseite genau anschaut, wird die Vorwürfe des „Judenhasses“ nicht bestätigt sehen. Der verleumderische Bezug der DIG hat nun wieder einmal die Beendigung eines dringend notwendigen Diskurses zur Folge.

Die Naturfreunde Mannheim sahen sich in der Kürze der Zeit offensichtlich nicht in der Lage die vorgebrachten Informationen zu verifizieren. Sie haben auf ihrer Webseite angekündigt, sich mit den an sie „herangetragenen Informationen“ zu beschäftigen. Gleichzeitig wolle man in einen Dialog mit der Nahost-Gruppe treten, damit in Folge solche Veranstaltungen möglich wären. Es ist zu hoffen, dass die schwerwiegenden Vorwürfe aus dem Raum geschaffen werden können. Der Diskurs über den umstrittenen Themenkomplex Israel/Palästina/Gaza und Antisemitismus/Rassismus ist vergiftet und extrem schwierig. Er bleibt aber nichtsdestotrotz notwendig. Natürlich auf der Grundlage von Fakten.

Roland Schuster




Jahrestag des Massakers am 7. Oktober – eine Gedenkveranstaltung und ein Versammlungsverbot

Etwa 300 Menschen hatten sich am 7. Oktober 2024 auf dem Paradeplatz versammelt, um Solidarität mit Israel zu zeigen

Mannheim. Mit den Worten „Ich bringe eine gute Nachricht mit“ begrüßte der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht die rund 300 Menschen, die sich zum Jahrestag des Massakers vom 7. Oktober 2023 in Israel am Paradeplatz versammelt hatten. Gerade habe der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass es keine Versammlung einer propalästinensischen Organisation am selben Tag geben darf, berichtete Specht.

Es folgte großer Jubel der Menge, darunter Mitglieder der jüdischen Gemeinde und Politiker von CDU, SPD, Grüne, FDP und AfD. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft Rhein-Neckar/Mannheim (DIG) hatte am ersten Jahrestag des Massakers an der israelischen Bevölkerung zur Gedenkveranstaltung eingeladen. Die islamistische Hamas startete am frühen Morgen des 7. Oktober 2023 einen großangelegten Überraschungsangriff auf die israelische Bevölkerung. Mehr als eintausend Menschen starben, viele tausend wurden verletzt und hunderte Menschen als Geiseln verschleppt. Es folgte ein brutaler Krieg mit zehntausenden Toten im Gaza-Streifen und im Libanon, der sich immer mehr auf die gesamte Nahost-Region ausbreitet.

Breites Bündnis versammelte sich hinter Israel

Auf dem Paradeplatz waren Fotos der Geiseln aufgestellt, beschriftet mit der Forderung „Bring them home now“. Ein Infostand der DIG zeigte die Grausamkeiten des Hamas Überfalls mit Fotos der Ereignisse, umrahmt von Zitaten, die den Vernichtungswillen der Angreifer dokumentieren. „Bringt Vernichtung über die Juden, lähmt sie, zerstört ihr Wesen“ wird beispielsweise ein Hamas-Vertreter zitiert. Deutliche Worte, denen am 7. Oktober 2023 Taten folgten.

Moderator Chris Rihm von der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft

Chris Rihm, Vorsitzender der DIG Rhein-Neckar/Mannheim begrüßte und moderierte die Veranstaltung. Rihm war es wichtig, nicht nur auf die israelischen Opfern des 7. Oktobers aufmerksam zu machen. Das Leid aller Betroffenen, des seit einem Jahr andauernden Krieges, müsse gewürdigt werden, auch das der zahlreichen palästinensischen Opfer. Die Verantwortung sieht er klar bei der Hamas. Israel sei von der Terrororganisation zu seinen militärischen Aktionen gezwungen worden.

Versöhnliche Töne und Scharfmacher

Elke Zimmer (Grüne) erinnerte an die historische Verantwortung Deutschlands, Israel zu unterstützen. Sie betonte das Leid der Geiseln und ihrer Angehörigen. Weiteres Leid müsse verhindert werden. „Jedes zivile Opfer ist eines zu viel“ zitierte sie die israelitische Religionsgemeinschaft Baden.

Boris Weihrauch (SPD)

Als ausgesprochener Scharfmacher trat hingegen Boris Weihrauch (SPD) auf. Israel sei die einzige Demokratie im Nahen Osten und habe das Recht sich zu verteidigen. Wer das in Frage stelle, stelle sich außerhalb „unseres gesellschaftlichen Grundkonsens“. Weihrauch wies auf eine große Zahl von 4000 gemeldeten antisemitischen Vorfälle in Baden-Württemberg hin. In Richtung der propalästinensischen Demonstrationen forderte er „die ganze Härte des Rechtsstaates“ anzuwenden. Es brauche mutige Menschen, die den rechtlichen Rahmen nutzen. Dabei nannte der Jurist ausdrücklich auch das Aufenthaltsrecht, offenbar in Anlehnung an die Diskussion um Abschiebungen von Menschen auch in Kriegsgebiete wie Syrien und Afghanistan, die auf Initiative der SPD-Politikerin Faeser nach Druck von CDU und AfD wieder stattfinden.

Volker Beisel (FDP)

Auch Volker Beisel (FDP) ging in seiner Rede auf die propalästinensischen Demonstrationen ein. Ihnen warf er vor, jeden Samstag in Mannheim dafür zu demonstrieren, dass auf dem gesamten Staatsgebiet von Israel eine Diktatur der Hamas errichtet werde. Sie würden unter dem Deckmantel des deutschen Demonstrationsrechts für einen islamischen Gottesstaat streiten und für die „Ermordung der Jüdinnen und Juden in der Welt“ aufrufen. Es gehe ihnen darum, Israel zu vernichten und „die Menschen, die dort Leben, zu ermorden“ – harte Worte in Richtung der propalästinensischen Demonstrationen.

Oberbürgermeister Christian Specht (CDU)

Deutlich differenzierter und versöhnlicher war die Rede von Oberbürgermeister Christian Specht (CDU). Nach seiner anfänglichen Mitteilung über das Verbot der propalästinensischen „Gegendemonstration“ wies er darauf hin, dass solche Versammlungen an anderen Tagen wieder stattfinden dürfen. Specht drückte seine Solidarität mit dem Staat Israel und insbesondere den immer noch festgehaltenen Geiseln aus. Er betonte die schwierige Lage von Mannheims Partnerstadt Haifa, die dauerhaft von der Hisbollah mit Raketen beschossen wird. Er betonte aber auch, dass es Ausdruck von Menschlichkeit sei, um alle Opfer der Auseinandersetzung zu trauern. Neben einem zunehmendem Antisemitismus müsse er auch beobachten, dass sich viele Muslime einem Generalverdacht ausgesetzt sehen, wenn sie sich mit palästinensischen Opfern solidarisieren.

Die Mannheimer Erklärung sei eine Orientierung für ein respektvolles Zusammenleben der unterschiedlichen Gruppen in unserer Stadt. Die regelmäßigen propalästinensischen Demonstrationen würden von vielen jedoch als Aufrufe zu Ausgrenzung und Hass verstanden werden.

Propalästinensische und proisraelische Filterblasen

Eine propalästinensischen Veranstaltung war von der Organisation Zaytouna Rhein-Neckar am 7. Oktober zur selben Uhrzeit in Mannheim geplant gewesen. Die Versammlungsbehörde hatte diese jedoch verboten, was durch das Verwaltungsgericht Karlsruhe und den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim bestätigt wurde. Begründet wurde dies mit einer „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“. In der Verbotsbegründung des Verwaltungsgerichts heißt es außerdem, es sei mit der Versammlung eine „Rechtfertigung und Relativierung“ des Terroranschlags vom 7. Oktober beabsichtigt, da dieser vom Veranstalter bereits als „Ausbruch aus dem Gefängnis“ sowie „Kampf gegen Besatzer“ bezeichnet worden sei.

DIG Kundgebung am Paradeplatz – eine „Gegendemonstration“ bzw. propalästinensische Kundgebung blieb verboten

Doch nicht nur propalästinensische Demonstrationen laufen als selbstbezogene Filterblasen durch die Stadt. Auch der Veranstaltung der DIG fehlte es an Diskurs – trotz scheinbar breit aufgestelltem Bündnis und Publikum von Grüne bis AfD, über Kirchen bis zur Stadtverwaltungsspitze.

In der Thematisierung des Nahost-Konflikts gab es Schuldzuweisungen nur in eine Richtung. Mitgefühl und Empathie war reserviert für eine Partei.

Ein Beispiel: Volker Beisel (FDP) berichtete, dass er die israelische Warn-App für Luftalarm auf seinem Handy hat. „Die Sirene heult ununterbrochen seit einem Jahr“ berichtete Beisel. „Allein heute habe ich mehr als 30 Meldungen über Raketenwarnungen erhalten.“ Auch die Mannheimer Partnerstadt Haifa sei wieder betroffen.

Was Beisel aber keiner Erwähnung wert ist, sind die Raketen, die seit einem Jahr dauerhaft im dicht besiedelten Gaza und seit einigen Wochen in ganz Libanon einschlagen. Während in Israel die Menschen durch hochtechnologische Rakatenabwehr und Bunker vergleichsweise gut geschützt sind und es zum Glück bisher nur wenige zivile Opfer des Beschusses gab, ist die Zivilbevölkerung in Gaza und Libanon den israelischen Raketen hilflos ausgeliefert – keine Warn-App, kein „Iron Dome“, keine Bunker und die vielen tausend Todesopfer sind für Beisel keine Erwähnung wert.

Fotoausstellung zum Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023

Fehlende Perspektiven

Das Problem mit der pauschalen Solidarität mit dem Staat Israel, von der Ampel-Regierung zur „Staatsräson“ erklärt, wurde bei der Veranstaltung deutlich. Krieg, Terror, furchtbares Leid, Ursachen und Verantwortung – all das war Thema. Eine Kritik an der Politik der Regierung Netanjahu war jedoch absolutes Tabu.

Das ist umso fataler, da in der israelischen Gesellschaft wichtige Diskussionen stattfinden und progressive Kräfte das Vorgehen der rechten Regierungskoalition in Frage stellen.

Heruntergebrochen geht es um die Frage, was die langfristige Perspektive für Israel ist. Militärischer Sieg und die Vernichtung aller Feinde Israels ist das von der rechten Regierung formulierte Ziel.

Die Opposition fordert Verhandlungen und pragmatische Kompromisse, um Leben zu retten – das Leben der Geiseln, aber auch das Leben der zahlreichen Todesopfer und „Kollateralschäden“, die der Krieg mit sich bringt.

Auf dem Paradeplatz haben sich alle (bewusst oder unbewusst) hinter dem Staat Israel und damit hinter der rechten Regierung Netanjahu versammelt. Eine positive Bezugnahme auf die israelische Opposition gab es nicht.

Das ist bedauerlich, denn die Menschen in Israel, Palästina, Libanon und den weiteren angrenzenden Ländern brauchen eine Perspektive jenseits von Krieg und Terror. Die Entwicklung der letzten Monate hat gezeigt, dass alle Konfliktparteien weiter auf Eskalation setzen. Keine Kriegspartei ist bereit zu Kompromissen.

Wer die Filterblasen der proisraelischen und propalästinensischen Veranstaltungen in Mannheim besucht, dem wird klar, warum es zur Zeit keine Perspektive auf ein Ende des Nahost-Konflikts gibt.

Neben Vertreter*innen vieler anderer Parteien war auch ein Stadtrat der AfD unter der Kundgebungsteilnehmer*innen

Und die Sache mit der AfD

Dann war da noch die Sache mit der AfD. Neben Politikern von CDU, SPD, Grüne, FDP (und evtl. weiterer Parteien) war auch Stadtrat Rüdiger Ernst von der AfD Teilnehmer der Kundgebung der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft. Er war zwar kein aktiver Teil und hatte keinen inhaltlichen Einfluss, Zeichen der Abgrenzung gab es aber auch nicht.

Durch die Tolerierung des AfD-Politikers hat die DIG – unfreiwillig – einen kleinen weiteren Schritt zur Normalisierung faschistischer Politik in Deutschland beigetragen. Die AfD ist immerhin eine Partei, aus deren Reihen der Nationalsozialismus als Vogelschiss der Geschichte bezeichnet wurde (Gauland), SS-Mitglieder verharmlost wurden (Krah) und deren führende Ideologen eine rassistische Gesellschaft anstreben (Höcke).

Allerdings muss man insofern relativieren, dass die Normalisierung der faschistischen Partei aktuell kein spezifisches Problem der DIG, sondern ein gesamtgesellschaftliches ist, das alle öffentlichen Bereiche betrifft und viele Organisationen herausfordert.

Zur ganzen Geschichte gehört aber auch, dass AfD Politiker Ernst mit einem Mitglied der DIG freundschaftlich verbunden zu sein scheint und ein gemeinsames Auftreten bei der Kundgebung offenbar nicht als Problem gesehen wurde. (cki)


Redaktioneller Hinweis
Kurz nach erscheinen dieses Beitrags wies ein Sprecher der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft darauf hin, dass die im letzten Absatz erwähnte Person, ein Ordner der Versammlung, aktuell kein Mitglied der DIG sei. Zudem wurde auf die Magdeburger Erklärung der DIG verwiesen, in der es heißt:

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft grenzt sich entschieden von der AfD ab. Die AfD ist in den vergangenen Monaten unaufhaltsam weiter nach rechtsaußen gerückt. Völkische Politik ist prägend geworden. Die Jugendorganisation und »Der Flügel« sind vom Verfassungsschutz zum Verdachtsfall erhoben worden und werden systematisch beobachtet. Laut Verfassungsschutz handelt es sich bei beiden um eine rechtsextremistische Bestrebung. »Der Fortbestand eines organisch-einheitlichen Volkes wird vom ›Flügel‹ als höchster Wert angesehen. Der einzelne Deutsche wird nur als Träger des Deutschtums wertgeschätzt. ›Kulturfremde‹ Nicht-Deutsche gelten als nicht integrierbar. Ihnen soll eine Bleibeperspektive konsequent verwehrt werden. Ziel des ›Flügels‹ ist ein ethnisch homogenes Volk, welches keiner ›Vermischung‹ ausgesetzt sein soll.« Mit der AfD hat sich eine Partei in den Parlamenten etabliert, die offene Antisemiten und Israelfeinde in ihren Reihen hat, Netzwerke bis weit nach ganz rechtsaußen knüpft, die das Schächten verbieten will, die einen Schlussstrich unter die Holocaust-Aufarbeitung fordert, die die Demokratie verachtet und zerstören will, die gegen »Fremde« hetzt und Verschwörungsfantasien verbreitet. Unter denjenigen, die die AfD wählen, stimmt die Hälfte antisemitischen Aussagen zu, die sich auf Israel beziehen – weit mehr als unter den Anhängerinnen und Anhängern der demokratischen Parteien. Die israelische Regierung empfängt AfD-Abgeordnete aus guten Gründen nicht. Die israelische Botschaft erklärt, dass sie trotz verschiedener Anfragen keinen Kontakt zur AfD habe und ihn auch weiterhin vermeiden werde. Die Mitglieder der DIG haben mit ihrem Beitritt die Ziele der DIG anerkannt. Diese sind mit den Zielen der AfD nicht vereinbar. Deswegen unterhält die DIG keinerlei Kontakte zur AfD und der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) und arbeitet nicht mit ihnen zusammen. Die DIG verwahrt sich auch deutlich dagegen, von der AfD als Feigenblatt für deren vorgebliche Israeltreue und ihren Philosemitismus missbraucht zu werden. Wir lassen uns nicht für rassistische Zwecke instrumentalisieren.
Quelle: Magdeburger Erklärung der DIG, Grundsatzbeschluss vom 26./27. Oktober 2019




140 Tage nach dem Massaker der Hamas in Israel – Kundgebung und Demo in Mannheim

Eine Kundgebung („Gegen den Terror der Hamas und seine Verharmlosung“) und eine Demonstration („Großdemo Südwest Stoppt die Besatzung! Stoppt den Genozid!“) fanden sich zeitlich überschneidend am 24.2. in der Mannheimer City statt. Aufrufende waren auf Seiten der Israel-Solidarität: Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V. / Gruppe Rhein-Neckar/Mannheim, Junges Forum DIG Heidelberg/Mannheim, Jüdische Gemeinde Mannheim, Verein ehemalige Synagoge Hemsbach e.V., Freundeskreis Weinheim-Ramat Gan e.V., Arbeitskreis gegen Antisemitismus und Antizionismus Mannheim e.V. Auf Seiten der Gaza-Solidarität riefen u.a. auf: Zayounta Rhein-Neckar-Kreis, Free Palestine Mannheim, Palästina spricht.

Die DIG-Veranstaltung fand auf der N1-Seite des Paradeplatzes stationär statt. Es nahmen nach Angaben der Polizei 50, tatsächlich aber 130 bis 150 Personen teil. Viele Teilnehmende trugen Israel-Fahnen und hielten Bilder der immer noch gefangenen Geiseln hoch. Der Demo-Zug von Free-Palestine (nach Polizeiangeben 1.500, nach Veranstalterangaben 2.000 bis 2.500 Personen) führte von der Neckarstadt herkommend über Paradeplatz (Kaufhof-Seite) die Planken zum Plankenkopf und von dort wieder über den Paradeplatz zum Schloss-Ehrenhof. Es kam auf dem Hinweg zum Plankenkopf zu einer Begegnung auf Hörweite zwischen Demo und Kundgebung. Zwei relativ lockere Polizeiketten schirmten die beiden Veranstaltungen gegeneinander ab und verhinderten allzu nahe „Besuche“. Die Palästina lief sehr kompakt und diszipliniert zwischen einem rechts und links flankierenden Seil, welches die Ordner:innen mittrugen. Es kam zu keinem sichtbaren Zwischenfall. Das Mannheimer Prinzip der nicht direkten Konfrontation zwischen gegnerischen bis verfeindeten Gruppen der Stadtgesellschaft wurde eingehalten, wenn auch mit sehr scharfen Auflagen seitens der Ordnungsbehörde, gegen die sich die Veranstalter der Gaza-Demo z.T. erfolgreich vor Gericht gewehrt hatten. Sie publizierten u.a. über Instagram folgenden Aufruf an die Teilnehmenden: „Nur Palästina und Südafrikafahnen sind erlaubt. Bitte keine anderen National- und Organisationsfahnen mitbringen, denn wir wollen GEMEINSAM und EINHEITLICH unsre Solidaritätmit dem Widerstand der Palästinenserinnen und Palästinenser gegen die Besatzung zum Ausdruck bringen. 2) Kein Platz für Rassismus! Wir stehen für eine solidarische Umgangsweise unter uns und mit anderen ein. Deswegen dulden wir keinen Rassismus – weder unter uns noch in der Gesellschaft. Antipalästinensische, antisemitische und anderweitige rassistische Äußerungen werden von uns nicht toleriert! 3. Provokationen ignorieren! (…) Wir wissen, dass wir auf der richtigen Seite der Geschichte stehen, und das gibt uns Kraft, ruhig und besonnen auf Provokationen zu reagieren, bzw. diese zu ignorieren.“

Redner:innen auf der proisraelischen Kundgebung waren: Chris Rihm, Vorsitzender der DIG Mannheim, Stadtrat der Grünen und Organisator; Prof. Dr. Deborah Kämper, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mannheim und SPD-Stadträtin; Christian Söder (Mitglied im Vorstand der Jüdischen Gemeinde, Bezirksbeirat Schwetzingen Stadt der SPD); Thorsten Riehle (am letzten Tag seiner Stadtratstätigkeit SPD, inzwischen Bürgermeister für Arbeit, Wirtschaft, Soziales und Kultur), Christian Hötting (Kreisvorsitzender der CDU, Christopher Probst (Stadtrat der Mannheimer Liste) und ein Vertreter des Jungen Forums. Im Wesentlichen konzentrierten sich alle Redner:innen darauf, die Verantwortung der Hamas für diesen Krieg herauszustreichen und sich gegen Täter-Opfer-Umkehr zu verwahren. Sie forderten alle zur „Solidarität mit Israel und seinen Menschen“ auf und sie verurteilten die zunehmenden Angriffe auf Jüdinnen und Juden in Deutschland und somit den Antisemitismus.

Kundgebung der DIG: „Gegen den Terror der Hamas und seine Verharmlosung“

Beispielgebend dokumentieren wir die Rede von Deborah Kämper:

„140 Tage sind seit dem 7. Oktober vergangen. In den ersten paar Tagen – erinnern wir uns mal kurz: Alle, die ganze Welt war schockiert von der Bestialität, mit der die Hamas ihren Vernichtungswillen betrieben hat. Unvorstellbare Grausamkeiten, Verstümmelungen an Kindern, Frauen, an Männern, jungen und alten. Sie wurden systematisch betrieben. Das ist ein wichtiges Wort in diesem Zusammenhang: systematisch, nicht im Blutrausch, nicht in irgendeinem Wahn – systematisch. Ganz schnell aber, nachdem der erste Schock überwunden war, und vor allem, nachdem Israel begonnen hat, sich zu wehren, sein Existenzrecht zu behaupten, haben andere Töne den Diskurs bestimmt und tun es bis heute. Es kam sehr schnell das „Ja – aber“ auf. „Ja, das Massaker war übel, aber man kann ja verstehen.“ „Ja, der Überfall war schlimm, aber Israel möge angemessen reagieren. Ja, aber Israel möge das Völkerrecht beachten. Ja, aber Israel möge die Zivilbevölkerung beschützen usw. Wer hat eigentlich die Hamas an Angemessenheit erinnert und um Schonung gebeten? Israel also stand im Fokus der Anklage, der Ermahnung. Der UNO-Generalsekretär klagt Israel an, der Außenminister der EU macht absurde Vorschläge. Diese Haltung zu Israel setzt sich fest bis zu dem Zeitpunkt, wo dann Israel und nicht mehr die Hamas als Aggressor wahrgenommen und konstruiert wird. Seitdem sich Israel wehrt, demonstrierte man und bekundet Solidarität mit Palästinensern und Palästinenserinnen. Für nicht wenige gilt die Terrororganisation der Hamas als Widerstands- und Befreiungsbewegung, das Massaker als Akt der Befreiung.

Ja, im Gazastreifen herrscht unendliches Leid, die Hamas benutzt Zivilisten als Schutzschilde. Ja, im Gazastreifen herrscht unendliches Leid, doch die Hamas, die den Krieg sofort beenden könnte, hat alles andere im Sinn, bloß keinen Frieden. Ja, im Gazastreifen herrscht unendliches Leid. Nein, das vergessen wir nicht. Vergessen wir aber auch nicht, wer Interesse an dieser Situation hat.

Und hier? Wie ist die Situation hier? Seitdem sich Israel wehrt, nimmt der Antisemitismus zu, oder besser gesagt: tritt der vorhandene Judenhass an die Oberfläche. Seitdem sich Israel wehrt, werden die Räume für Juden und Jüdinnen eng, werden jüdische Schülerinnen und Schüler mit antisemitischen Parolen konfrontiert, sind jüdische Studierende an den Universitäten nicht mehr sicher. Mit anderen Worten: Es wird ein Zusammenhang hegestellt mit hier lebenden Juden und Jüdinnen, mit dem Krieg in Gaza.

Meine Bitte, die Bitte der jüdischen Gemeinde: Lassen Sie uns hier in Mannheim zusammenhalten, sorgen wir hier für solidarisches Miteinander. Leisten Sie alle jede und jeder von uns seinen und ihren Beitrag hierzu.“

Auf der Palästina-Demonstration sprach u.a. der Vorsitzende der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“, der Komponist und Übersetzer Wieland Hoban. Er verwahrte sich u.a. dagegen, von jüdischen (und nicht-jüdischen) Organisationen als Antisemit diffamiert zu werden. Er kritisierte den von Israel geführten Krieg als Genozid. Er geißelte den Zionismus, der aus den vor nationalsozialistischen Verfolgung und Vernichtung nach Palästina geflohenen Jüd:innen Unterdrücker und Mörder gemacht zu haben. Er schloss seine Rede: „Das Dringendste ist jetzt ein Ende des Genozids und ein Ende der Gewaltorgien der israelischen Armee im Westjordanland. Das langfristige Ziel muss aber ein freies Palästina sein, in dem alle Menschen in Freiheit und Gleichheit leben. Freiheit für Palästina! Nieder mit dem Zionismus!“

Kundgebung von Free Palestine „Stoppt die Besatzung! Stoppt den Genozid!“

Kommentar: Es braucht eine Israel-Solidarität 2.0 und eine Palästina-Solidarität 2.0

Es herrscht erneut Krieg zwischen Israel und der Hamas. Auslöser ist diesmal ein bis dato nie gesehener Massenmord der Hamas an grenznaher israelischer Zivilbevölkerung. Und nach Israel fliegen immer noch, aber keine besonders großen Schäden anrichtende, Raketen der Hamas. Die Reaktion darauf, der Einmarsch der Israelischen Armee (IDF) in den Gazastreifen, in dieses weltweit dichtest besiedelte Gebiet, fordert Opfer im fünfstelligen Bereich und zerstört die Infrastruktur und 50% der Häuser, er pflügt die Städte und Dörfer regelrecht um. Das Kriegs-Völkerrecht wurde und wird von beiden Seiten vollkommen ignoriert. Die IDF haben die Zivilbevölkerung aus dem Norden in den Süden („sichere Zone“) getrieben, und sind nun im Begriff, auch hier zu bombardieren. Ägypten hält die Grenze dicht, es bleibt fast nur der Strand mit Zeltstädten. Möglicherweise vermitteln doch noch die USA die Öffnung der Grenze nach Ägypten, und das nächste palästinensische Flüchtlingslager ist geschaffen.

Kriegszeiten sind keine Zeiten differenzierter öffentlicher Betrachtungen. Aber die inzwischen lange Geschichte des modernen Staates Israel, der vom Typus her ein Siedler-Staat ist mit arabischer immer noch Minderheitsbevölkerung kann seinen Bürger:innen keinen Frieden, keine Ruhe und somit keine guten Lebensumstände garantieren. Es kommt zu Aufständen der Minderheitsbevölkerung, zu drastischen Gewaltmaßnahmen dagegen bis hin zum Krieg, der wiederum die Spannungen und Feindschaft verschärft. Dies kann keine Zukunftsoption sein. Alternativlos ist die Wiederaufnahme eines Friedensprozesses, der zweifellos schwierig, da schon mehrfach gescheitert ist. Im Kriegsstrudel haben alternative Denkmuster Richtung Friedensvorbereitung natürlich wenig Chancen. Aber die palästinensische Exilbevölkerung einerseits, die jüdische Diaspora – sofern sie sich mit dem „Judenstaat“ verbunden fühlt – andererseits und vor allem auch die deutsche Bevölkerung und Politik mit ihrer geschichtlichen Verantwortung für beide Seiten (Shoah und von der Siedlergesellschaft verdrängte palästinensische Bevölkerung) müssen Hilfestellung leisten. Und das beginnt mit der Überprüfung des immer wieder Gesagten und vor allem Nichtgesagten.

Tatsächlich hört man aus der Palästinenserdemo heraus kein einziges Sterbenswort zum Thema 7. Oktober. Er ist verdrängt. Die Geschichte scheint erst beim „Genozid“ der IDF zu beginnen. Man hört aber auch aus der Israelsolidarität der Jüdischen Gemeinde und der DIG kein Wort zur israelischen / orthodoxen Siedlungspolitik im Westjordanland, zur Unterminierung jeglicher Zwei-Staatenlösung. Erst vergangene Woche hat Netanjahu weitere Siedlungen mit 3.000 Wohnungen genehmigt, und ständig finden Militäraktionen dort statt, wo die Hamas nicht das Sagen hat. Auf der Kundgebung der DIG wurden von zwei Rednern die Hamas und PLO in einem Atemzug genannt. Die unsägliche teils faschistische Regierung Netanjahu ist keines einzigen Wortes wert. Genauso wenig wie auf palästinensischer Seite auch nur ein kleines Wort der Kritik an der Hamas-Regierung und -Armee zu vernehmen ist. Diese Organisation hat, vom Iran gesponsert, keinerlei emanzipatorisches Potenzial. Sie ist aber eben nicht nur eine terroristische Miliz, sondern sie hat die gesamte soziale Infrastruktur in ihrer Hand und fungiert als politische Partei.

Das Kriegsziel der Israelischen Regierung: „Vernichtung, Ausradierung“ der Hamas ist illusorisch. Am Ende ist der Gazastreifen leergebombt und umgepflügt; die Bevölkerung vertrieben, aber die Hamas noch da und mittendrin.

Der einstige Botschafter Israels in der BRD, Avi Primor, stellte bei einem Vortrag im Mannheimer jüdischen Gemeindezentrum zum Thema Terrorbekämpfung vor Jahren völlig zu Recht fest: 1.) Terror lässt sich militärisch nicht besiegen mit Frieden am Ende. 2.) Terror lebt vom Rückenwind einer geschundenen Bevölkerung. 3.) Wirtschaftlicher Aufbau (Marshall-Plan) ist die wirkungsvollste Terrorbekämpfung. 4.) Grundsätzlich gilt: Frieden kann man nur seinem Feind machen.

Angesichts des fehlgeleiteten Kriegsziels der israelischen Regierung und der dadurch herbeigeführten Verschlechterung des internationalen Umfeldes Israels ist eben doch zu sagen: Ja – Israel hat ein Selbstverteidigungsrecht. Aber: Die Kriegszielbestimmung und die strategischen Maßnahmen sind zu bestimmen im Hinblick auf eine anzustrebende Zukunft in Frieden.

Das Verbrechen der Hamas besteht nicht „nur“ aus dem Massaker des 7. Oktober, sondern auch in dem vollen Bewusstsein, wie eine Regierung Netanjahus reagieren würde, also auch in der Inkaufnahme von 30.000 und mehr Kriegstoten. Und sie hat das Kabinett Netanjahu genau an dem Punkt „gerettet“, an dem große Teile der israelischen Bevölkerung diese Regierung ins Wanken gebracht hatten. Nun stehen alle unter Schock.

Im deutschen (alt-)linken Diskurs muss auch endlich der Widerspruch beseitigt werden, dass alle antiimperialistisch, antifaschistisch und antirassistisch sind, dass viele aber den israelischen Siedlerstaat als das üble Werk eines scheinbar vom Himmel gefallenen Zionismus halten. Dass hier zunächst der russisch-zaristische Antisemitismus und dann vor allem der imperialistische und rassistische Nationalsozialismus die Grundlage für den Bedarf an einer neuen „Heimstatt für all Jüd:innen“ im Millionenmaßstab gebildet haben, scheint vor lauter Imperialismus- und Kolonialismus-Kritik unter den Tisch zu fallen.

Es gibt also sehr viel zu bearbeiten und in den Diskurs zu bringen. Am wenigsten über den erforderlichen Schutz der Jüdinnen und Juden und der jüdischen Einrichtungen in Deutschland. Hier gibt es nichts zu diskutieren. Dieser Schutz ist einzuhalten und durchzusetzen. Der notwendige Diskurs sowohl über eine sichere Zukunft Israels als auch untrennbar über Frieden mit den Palästinenser:innen ist aber momentan tot. Er muss wieder zugelassen werden und darf nicht relfexartig von Anfang an und beliebig mit dem Antisemitismus-Verdacht erstickt werden. Aus Solidarität mit Israel und mit Palästina. Solidarität 2.0.

Thomas Trüper (Fotos: KIM)




Mahnwache für die Opfer des Terrorangriffs: 500 Menschen versammeln sich auf dem Paradeplatz

Nach dem Terrorangriff auf israelische Siedlungen:
Gedenken an die jüdischen Opfer – „Solidarität mit dem Staat Israel!“

Mahnwache für die Opfer des Terrorangriffs: 500 Menschen versammeln sich auf dem Paradeplatz

Mit einer von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) organisierten Mahnwache auf dem Paradeplatz in Mannheim gedachten ca. 500 Menschen der jüdischen Opfer im Zusammenhang mit den Terror-Angriffen der Hamas vom Gaza-Streifen aus auf jüdische Siedlungen und ein Festival.
Auch Vertreterinnen und Vertreter der meisten Stadtratsfraktionen und ihrer Parteien waren anwesend. Namentlich wurde von dem Vorsitzenden der DIG, Chris Rhim (Stadtrat der Grünen), Deborah Heidrun Kämper als Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde (Stadträtin der SPD) sowie Christian Specht (CDU) als Oberbürgermeister der Stadt Mannheim begrüßt. Die Gedenkrede hielt der Oberbürgermeister, laut Rihm „für uns alle“. Er betonte den Schulterschluss mit Israel.
Im Anschluss an diese Rede stimmte der Kantor der Jüdischen Gemeinde Mannheim, Amnon Seelig, ein Gebet an. Danach gedachten noch zahlreiche Menschen rund um den mit vielen Kerzen symbolisierten Davidstern der Opfer.
Zu bemerkbaren Zwischenfällen kam es fast nicht. Gegen Ende der Rede von Specht machte sich ein Mann lautstark bemerkbar mit Worten wie „Auch ich habe meine Familie verloren“. Er musste die Veranstaltung verlassen. Möglichweise war es ein Araber, der sich darüber erregte, dass nur der israelischen Opfer gedacht wurde.

ros

 


Kommentar

Leuchtender Davidstern aus Kerzen (Fotos: cki)

Alle Menschen, die sich für Menschenrechte und gegen Gewalt, Terror und Krieg einsetzen und dafür auch immer wieder auf die Straße gehen, werden sich nach dem furchtbaren Terrorangriff auf Zivilisten, auf junge Leute, die sich bei einer Musikveranstaltung vergnügten, auf Frauen und Kinder einschließlich Geiselnahme eindeutig äußern: Dieser Angriff ist ein Verbrechen und nichts Anderes. Das gilt für jeden Angriffskrieg, für jeden Terror (einschließlich Staatsterror) und für jede Gewalt gegen unschuldige Zivilisten.

Das linke Milieu tut sich schwer mit dem Staat Israel, mit Palästina und dem Widerstand gegen Israel. Dieser Staat ist ein wesentliches Refugium für jüdische Menschen, die in Europa besonders im 19. Und 20. Jahrhundert verfolgt wurden – vom Nationalsozialismus schließlich als Völkermord. Dieser Staat Israel ist aber nicht das Refugium, von dem die Zionisten der ersten Stunde träumten: Ein Land ohne Repression gegen irgendjemanden, auch nicht die alteingesessene Bevölkerung. Der Staat ist unter starken und brutalen Konflikten mit der palästinensischen Bevölkerung erkämpft und errichtet worden und findet seither keinen Frieden. Die Mehrheit der dort lebenden Menschen welcher Ethnie und Religion auch immer, ersehnen aber Frieden. Leider haben sie unwillige und unfähige Führungen. Und wo Religionen zu Staatsideologien erhoben werden, ist die Ultraorthodoxie aller Seiten nicht weit und gießt Öl in die Konflikte.

Der Nährboden des Terrors ist die Verzweiflung. Der Nährboden den Zionismus war und ist der militante Antisemitismus in Europa und Deutschland im Speziellen.

In der Stunde der Trauer über die Opfer des Terrors und mutmaßlich am Beginn eines weiteren Krieges in Nahost wissen wir nur Eines: Der Terror führt unter keinen Umständen zum Frieden, sondern erzeugt weiteren Terror.

Alle Menschen, die gegen Terror und Krieg, alle Regierungen, die angeblich oder tatsächlich für Frieden in Nahost eintreten, müssen als Freunde Israels und / oder als Partner der arabischen Staaten für einen turn-around in Nahost kämpfen und für erträgliche Lebensbedingungen aller Menschen in der Region intensiv arbeiten. Das ist das traurige Fanal der sinnlos getöteten und leider auch noch weiter dem Terror zum Opfer fallenden Menschen.
Und ja – Deutschland und die Deutschen haben als Erben des Nationalsozialismus in Nahost eine besondere Verantwortung für den Staat Israel, eine doppelte Verantwortung für alle Menschen in Israel und Palästina, für Frieden und gerechte Entwicklung.

Thomas Trüper


Wir dokumentieren im Folgenden die aufgezeichnete Rede von OB Christian Specht auf der Mahnwache. Mit einer Presseerklärung meldete sich das Nahost-Komitee Mannheim zu Wort, welche wir zur Information ebenfalls dokumentieren. Zwei Pole einer tief in der Gesellschaft brodelnden Auseinandersetzung. KIM

 

Oberbürgermeister Specht – Rede auf der Mahnwache der Deutsch-Israelischen Gesellschaft am 9. Oktober in Mannheim

Liebe Mannheimerinnen und Mannheimer, liebe Freunde Israels,

am vergangenen Samstag, am 7. Oktober begann in den frühen Morgenstunden ein beispielloser Angriff gegen den Staat Israel und seine Bürgerinnen und Bürger. Innerhalb weniger Stunden fiel eine infernalische Zahl an Raketen auf die Menschen in Israel nieder. Zum ersten Mal drangen hunderte von bewaffneten Terroristen aus dem Gaza-Streifen in das israelische Kernland ein. Sie töteten, vergewaltigten, misshandelten und verschleppten hunderte Israelis davon viele Frauen, Kinder und Jugendliche.

OB Christian Specht und DIG-Vorsitzender Chris Rihm

Wir versammeln uns heute, um diese Taten als das zu benennen, was sie sind: barbarische, menschenverachtende Terrorakte, die durch nichts zu rechtfertigen sind und die wir alle aufs Schärfste verurteilen.

Ich danke allen, die in diesen Stunden klare Worte finden, wie etwa der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Michael Roth. Er benannte, was wir in diesen Tagen erleben müssen. Es ist das größte Massensterben von Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust. Es ist beschämend und inakzeptabel, wenn sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in dieser Lage nicht auf eine einstimmige Verurteilung der Hamas einigen kann.

Wir versammeln uns heute, um der Opfer dieser Terrorakte zu gedenken. Die Bilder und Nachrichten, die uns erreichen, machen uns traurig und fassungslos.

Viele von uns kennen Israel mit fröhlichen und gastfreundschaftlichen Menschen. Viele kennen die wunderbaren Städte Israels. Tel Aviv, Jerusalem und natürlich unsere Partnerstadt Haifa. Und am wichtigsten, viele von uns haben Freunde und Bekannte in Israel. Unsere Gedanken und Gebete sind in diesen schweren Stunden bei allen Menschen in Israel. Bei all den Menschen, die Angehörige verloren haben, die verwundet wurden, und bei all den Menschen, die jetzt in schier unmenschlicher Sorge sind, weil ihre Angehörigen von verblendeten und fanatischen Terroristen verschleppt wurden, um sie als menschliche Schutzschilde einzusetzen und als Faustpfand, oder auch nur um sie zu quälen.

Was müssen die Menschen und die Familien in diesen Stunden aushalten? Wir können es nicht ermessen.

Mit der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Mannheim Heidrun Deborah Kämper

Vor zwei Stunden habe ich mit einem guten Bekannten der Stadt Mannheim, Jonathan Glick, der unsere Start Up-Gesellschaft Next Mannheim in Israel vertritt, telefoniert. Und er schrieb von letzter Nacht aus einem Schutzraum, wo er mit seiner Familie ausharrte, folgende Worte, die ich Ihnen gerne vorlese. Er hat mich vorhin nochmal autorisiert, Ihnen das auch sagen zu dürfen. Er schrieb: „Ich schreibe euch, weil ich weiß, dass die deutschen Medien nicht in der Lage sind, das ganze Bild der Katastrophe in Israel zu beschreiben. Bislang sind über 1.000 Israelis getötet und hunderte verschleppt worden. Alte, Kinder und Babies wurden aus den Häusern gezerrt, gekidnappt und nach Gaza verschleppt. Das ist der neue Islamische Staat. Israel braucht nun seine wahren Freunde, um in diesen schweren Stunden zu unterstützen Das ist nicht Israel gegen Hamas, das ist der demokratische Westen gegen radikale Fundamentalisten.“ Das sind die Worte unseres Freundes Jonathan Glick.

In der Nacht auf den 7. Oktober fand das Outdoor- Festival „Super Nova” statt. 3.000 junge Menschen nahmen teil, sie feierten und tanzten, um das Leben zu genießen. Die Hamas verübte unter diesen Menschen ein grausames Massaker. 300 Jugendliche wurden getötet. 600 werden vermisst. Sie sind entweder tot oder verschleppt. Über die sozialen Medien erreichen uns Hunderte von Bildern. Bilder von Menschen, die nicht mehr leben, Menschen wie Du und Ich, die brutal aus dem Leben gerissen wurden. Darunter junge Eltern, deren Babys nun zu Waisen wurden.

Wir versammeln uns heute, um unsere Solidarität mit dem Staat Israel zu bekunden. Wir dürfen uns nichts vormachen. Israel ist ein kleines Land, das umgeben ist von Feinden. Hamas, Hisbollah, die islamischen Revolutionsgarden, sie alle wollen Israel vernichten. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Wir dürfen nie vergessen, dass Israel ein sicherer Zufluchtsort für Juden aus aller Welt ist. Als Zeichen unserer Solidarität mit Israel habe ich heute angeordnet, dass heute die israelische Flagge am Rathaus gehisst wurde.

Wir stehen in diesen schweren Stunden zu unseren Freunden in Israel.

Der vergangene Samstag ist aber auch eine Zäsur. Eine Zäsur für unsere Außenpolitik. Wir müssen unser Augenmerk darauf richten, solidarisch mit dem Staat Israel und seinen Bürgerinnen und Bürgern zu sein. Unsere Solidarität gilt ausdrücklich auch den israelischen Verteidigungskräften. Sie sind es, die das Leben von israelischen Bürgern in diesen Stunden schützen.

Wir versammeln uns heute, um unsere Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde zum Ausdruck zu bringen. Ich heiße an dieser Stelle auch ganz herzlich die Vorsitzende Frau Deborah Kämper stellvertretend für die Gemeinde willkommen. Die Jüdische Gemeinde ist ein wichtiger, ein unverzichtbarer Teil unserer Stadtgesellschaft. Die Sicherheit der Jüdischen Gemeinde hat immer und insbesondre in diesen Tagen höchste politische Priorität.

Ich bin froh und dankbar, dass wir in Mannheim ein enges und vertrauensvolles Verhältnis mit verschiedenen Religionsgemeinschaften haben. Ich habe dies mit großer Dankbarkeit beim interreligiösen Friedensgebet anlässlich meiner Amtseinführung erlebt. Ich möchte die Mitglieder der muslimischen Gemeinde ausdrücklich

einschließen.

Die Terroristen aus Gaza sind nicht, wie sie behaupten, fromme Muslime. Sie sind fanatische Terroristen. Wir dürfen nicht in deren Falle tappen, und bei uns in Mannheim ob ihrer Taten entzweien lassen. Wir wollen friedlich, friedlich und mit Respekt zusammenleben. Wir verstehen unsere gemeinsame Mannheimer Erklärung, der wir uns alle verpflichtet fühlen. Ich danke allen Menschen in Mannheim, die für Frieden, Toleranz und Respekt einsetzen.

Mannheim verbindet eine lange Partnerschaft mit Haifa. Haifa liegt ganz im Norden Israels. Die Stadt Haifa kann von den Raketen der Hisbollah im Norden erreicht werden. Es muss alles unternommen werden, um einen Flächenbrand in der Region zu vermeiden. Ich habe auch heute meine Amtskollegin in Haifa, Dr. Einat Kalisch Rotem, unsere Solidarität zugesichert. Sie befindet sich derzeit in einem Notfallzentrum von Haifa und koordiniert die Lage vor Ort. Wir wünschen ihr und allen Freunden in Haifa, dass die Stadt vom Terror verschont bleibt. In Haifa befindet sich auch das wichtigste Krankenhaus im nördlichen Israel. Unser Dank und unsere Anerkennung gilt allen Rettungskräften unserer Partnerstadt, die in ganz Israel in diesen Tagen Übermenschliches leisten.

Wir versammeln uns heute auch, um deutlich zu machen, dass wir jede Unterstützung des Terrorismus in unseren Städten ablehnen. Die Bilder von Menschen in unserem Land, die diesen Terrorakt auch noch bejubeln, sind widerlich und abstoßend. Auch hier braucht es eine klare Haltung. Wenn auf Demonstrationen in Deutschland der Ruf erschallt „From the River to the sea, Palestine will be free”, dann ist dies ein unverhohlener Aufruf zur Vernichtung Israels. Solche Parolen werden wir niemals akzeptieren.

Antisemitismus und Dämonisierung Israels finden unseren schärfsten Widerstand.

Liebe Freunde Israels, ich danke Ihnen allen, dass sie sich heute hier in Mannheim am Paradeplatz versammelt haben. Sie geben damit ein starkes Zeichen, ein Zeichen des Gedenkens an die Opfer, ein Zeichen der Solidarität mit Israel und ein Zeichen der Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde in Mannheim.

Vielen Dank!

 


Presseerklärung der Nahostgruppe Mannheim zum Krieg in Israel und Palästina

Mannheim, 9. Oktober 2023

Jedes einzelne Menschenleben ist kostbar, und daher lehnt die Nahostgruppe Mannheim Gewalt ab. Das gilt auch für die politische Auseinandersetzung um Israel und Palästina und alle beteiligten Konfliktparteien. Grundlage unseres Engagements für einen gerechten Frieden in Nahost sind das Völkerrecht und die Menschenrechte.

Der jetzige Gewaltausbruch – so erschreckend er ist – ist für uns, die wir uns seit langer Zeit mit Israel und Palästina befassen, nicht unerklärlich. Es war zu erwarten, dass das immer unmenschlichere Anziehen der Daumenschrauben im jahrzehntelang fortgesetzten gewaltsamen Vertreibungsprozess gegen die palästinensische Bevölkerung – den die israelische Regierung auch unverhohlen ins Regierungsprogramm geschrieben hat – sich in Gewalt entladen würde.

Im Westjordanland und in Ostjerusalem gibt es fast jede Nacht Angriffe gewalttätiger Siedler. Die Besatzungsmacht deckt das und beantwortet jeden Protest dagegen mit Gewalt, Häuserzerstörungen und langen Gefängnisstrafen ohne Gerichtsprozess.

Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass die erbarmungslose Absperrung des Gazastreifens dort jegliche Aussicht auf menschliche Entwicklung für gut zwei Millionen meist junge Bewohner abwürgt. Es ist alles andere als erstaunlich, dass sich in einer solchen Einengung und Perspektivlosigkeit Spannungen, Frust und Gewaltbereitschaft aufbauen.

Wo in der Welt hat eine zu einem Apartheidsystem ausgewachsene brutale Unterdrückung einer Bevölkerungshälfte durch die andere Hälfte je in ein friedliches Miteinander gemündet?

Aber wie geht die internationale Gemeinschaft damit um? Obwohl verschiedene Menschenrechtsbewegungen und mehrere UN-Resolutionen die gewaltsame Unterdrückungspolitik des israelischen Staates seit vielen Jahrzehnten kritisieren, verzichten die westlichen Staaten auf eine ernsthafte Kritik. Gelegentlich wird lamentiert und ermahnt, es folgen jedoch keine Konsequenzen. In Deutschland werden Kritiker sogar mundtot gemacht, indem jegliche Kritik an der Politik Israels als antisemitisch verleumdet wird.

Das ist leichtfertig, unverantwortlich und nicht an universellen Menschenrechten orientiert. In Bezug auf Israel und Palästina werden zweierlei Standards in Bezug auf Menschenrechte angewendet. Das ist unmenschlich gegenüber den Palästinenser*innen und im Kern rassistisch.

Trotzdem können wir den Überfall palästinensischer Kämpfer auf Zivilisten in Israel nicht rechtfertigen. Die Bilder vom schrecklichen Leiden der Menschen in Israel sind für uns genauso wie das Leid der Menschen in Gaza quälend und erfüllen uns mit Schrecken und Entsetzen. Und wir befürchten noch größeres Grauen, wenn die israelische Regierung ihre Gegendrohungen wahr macht.

Welche Wege zu Frieden und Freiheit kann es im Nahen Osten geben? Die gebetsmühlenartig wiederholte Lösung einer „Zweistaatenlösung“ kommt in Anbetracht der Ausweitung der israelischen Siedlungen im Westjordanland einer zynischen Lebenslüge gleich. Die Netanjahu-Regierung setzt offen auf die Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung. Auf der anderen Seite wird eine gewaltfreie palästinensische Boykottbewegung gegen die israelische Besatzungspolitik, die mittlerweile von ca. 500 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Palästina getragen wird, hierzulande in völliger Verdrehung der geschichtlichen Unterschiede zum „Boykott gegen Juden“ verdreht und als Leugnung des Existenzrechts Israels kriminalisiert.

Das hat dazu geführt, dass die Notwendigkeit und der Mut, den Status Quo in Richtung einer Friedenslösung zu überwinden, von der politischen Agenda verschwunden ist.

Dass die Sicherheit Israels für Deutschland eine Staatsräson sein soll ist nicht nur berechnend und der Versuch einer billigen Entsühnung für die Gräueltaten des deutschen Faschismus. Es ist auch Ausdruck von zweierlei Standards gegenüber der Israelis und den Palästinenser.

Wir sind nicht bereit, das hinzunehmen. Gemeinsam mit vielen Menschen jüdischen, muslimischen oder christlichen Glaubens in der ganzen Welt setzen wir uns für ein Leben aller Menschen in Palästina und Israel in Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit ein




“Solidarität mit Israel” – Kundgebung der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft

Einen Tag nach der „FreePalestine“-Veranstaltung auf dem Friedensplatz (KIM berichtete), fand eine Kundgebung “Solidarität mit Israel” statt. Veranstalterin war die Deutsch-Israelische-Gesellschaft (DIG) Rhein-Neckar. Eigentlicher Anlass der Veranstaltung war jedoch ein bereits mehrere Tage zurück liegender Vorfall an der Synagoge in Mannheim. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wurde eine Scheibe zerstört. Ein antisemitisches Motiv und ein Zusammenhang mit dem Konflikt in Israel/ Gaza wird vermutet.
Zu der Solidaritätsdemonstration kamen auf dem Schlosshof zahlreiche Menschen zusammen, einige mit Israelfahnen. Chris Rihm, Vorsitzender der DIG begrüßte die Anwesenden, darunter Vertreter*innen der Parteien SPD, CDU, Grüne, FDP, ML und Die Linke. Auch die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und der Dekan der Evangelischen Kirche wurden begrüßt.

Chris Rihm ging auch auf die „FreePalestine“-Demonstration ein. „Ich hätte mir tatsächlich kaum vorstellen können, dass am Friedensplatz in Mannheim, welch Zynismus, der Raketenbeschuss auf Israel bejubelt, Flaggen und Symbole der Hamas, des IS, des Islamischen Dschihad gezeigt, israelische Flaggen zertreten und verbrannt werden und Hassprediger appellieren, die Sharia und nicht den deutschen Rechtsstaat zu akzeptieren.“

Zum Konflikt in Nah-Ost sagte er, er könne die militärische Intervention der Israelischen Regierung verstehen. „Was würden wir tun, wenn Mannheim von tausenden Raketen beschossen würde?“ Israels Streitkräfte griffen militärische Ziele mit Präzisionsschlägen an, während die Hamas mit Raketen die Zivilbevölkerung ins Visier nehme.

Nach der Rede wurde eine Schweigeminute abgehalten, die ausdrücklich beiden Seiten des Konflikts gewidmet war.

Kundgebung „Solidarität mit Israel“

Die nächste Rede kam von Bürgermeister Christian Specht, verantwortlich für den Bereich Sicherheit und Ordnung. Er gab den Gerichten eine Mitschuld, dass Demonstrationen, wie die gestrige, nicht verboten werden könnten. „Da müssen wir noch mal an uns arbeiten, ob diese rein juristische Gefahrenprognose wirklich ausreicht.“

Chris Rihm, Vorsitzender der DIG

Weitere Beiträge gab es vom Freundeskreis Weinheim – Ramat Gan und vom Jungen Forum der DIG, darunter eine ausführliche Analyse der Hamas und der internationalen pro-palästinensischen Solidaritätsbewegungen. Wer wirklich etwas für die Verbesserung der Situation der Palästinenser*innen tun wolle, der müsse sich vor allem gegen die Hamas stellen, so die Schlussfolgerung.

Kritik an den Entscheidungen der Regierung unter Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wurde von keinem der Redner geäußert.

Chris Rihm forderte in seiner Rede auch ein klares Bekenntnis der Islamverbände gegen die antizionistische Gewalt. Auch wenn am Sonntag keine persönliche Präsenz gezeigt wurde, so äußerte sich die DITIB Türkisch-Islamische Gemeinde Mannheim zumindest schriftlich mit einem offenen Brief an die jüdische Gemeinde. Darin heißt es „Antisemitismus hat, wie jegliche gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, keinen Platz in unserer Gesellschaft und keinen Platz in unseren Reihen.“ Vielleicht ist das ein kleiner Hoffnungsschimmer für Chris Rihms Appell: „Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass Jüdinnen und Juden, aber auch alle anderen Menschen, mit und ohne Religionszugehörigkeit, sich hier weiterhin sicher fühlen und nicht in einem Klima der Angst leben müssen.“ (cki)

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