1. Mai 2025: Gewerkschaftsdemo „Mach dich stark mit uns“ [mit Bildergalerie und Video]

Am Tag der Arbeit fand in Mannheim wie in jedem Jahr die traditionelle Demo der Gewerkschaften statt. Der DGB hatte mit dem Motto „Mach dich stark mit uns“ aufgerufen und den Bundesjugendsekretär Kristof Becker als Hauptredner eingeladen. Zur Demonstration mit Startpunkt Gewerkschaftshaus kamen bei bestem Wetter hunderte Menschen zusammen, die über den Ring, Wasserturm und Planken zum Fest auf den Marktplatz zogen. An der Spitze liefen Vertreter*innen des DGB und der Einzelgewerkschaften. Es dürften insgesamt ein paar weniger Teilnehmende als in den letzten Jahren gewesen sein. Die Stimmung war dennoch motiviert und kämpferisch, insbesondere in den Blöcken der Gewerkschaftsjugend und der Initiative Soziale Kämpfe.

Mit guter Ausbildung Zukunft sichern

Am Marktplatz hielt Bundesjugendsekretär Kristof Becker seine Rede. Er setzte sich mit den Folgen der Bundestagswahl für Gewerkschaften auseinander. „Vieles im Koalitionsvertrag ist richtig und wichtig. Vieles davon sind sogar direkte Forderungen von uns Gewerkschaften.“ Es sei gut, „dass jetzt investiert wird, dass Zukunft entstehen kann“.

Aber es stehe eben „auch viel Scheiße“ drin. Daher müsse man als Gewerkschafter*in der Politik genau auf die Finger schauen. Am Ende sei es doch ganz einfach: „Menschen brauchen wieder Zukunft, den Glauben daran, dass ihre Wahlentscheidung dazu beiträgt, dass es ihnen morgen und ihren Kindern übermorgen besser gehen wird als heute.“

DGB Bundesjugendsekretär Kristof Becker

2,9 Millionen Menschen in Deutschland unter 35 hätten keine abgeschlossene Berufsausbildung, der größte Risikofaktor für Arbeitslosigkeit und Armut. Nicht einmal mehr jeder fünfte Betrieb bilde aus.

Daher brauche es eine Offensive für gute Ausbildung. „Dass das geht, zeigt Bremen. Dort gibt es eine Ausbildungsplatzumlage.“ Betriebe zahlten in einen gemeinsamen Topf ein, aus dem Ausbildungsplätze finanziert werden. Ein gutes Leben falle eben nicht vom Himmel. „Als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter nehmen wir unser Schicksal selbst in die Hand“, so Becker. „Mach mit, werde Mitglied, triff die beste Entscheidung deines Lebens und werde einer von 5,6 Millionen.“

Der Berliner Bundesjugendsekretär Kristof Becker kommt selbst aus der Rhein-Neckar-Region und freute sich daher, mal wieder „zu Hause“ zu sein.

Gewerkschaftsfest auf dem Marktplatz und vorzeitiger Abgang der „Revolutionären“

Bis 13 Uhr gab es Programm auf dem Marktplatz. Musikalisch unterhielt die IG POP und der Thekenchor mit Neuinterpretationen traditioneller Arbeiterlieder. In Talk Runden berichteten Gewerkschafter*innen auf der Bühne von betrieblichen Kämpfen in verschiedenen Branchen und die DGB Jugend stellte mit einer Performance ihre Utopie einer guten Gesellschaft vor – in Abgrenzung zu einer fiktiven düsteren Version, in der ein politischer Rechtsruck gesiegt und Arbeiter*innenrechte weggefegt hatte.

Rund um den Marktplatz waren wieder zahlreiche Informations-, Essen- und Getränkestände sowie Programm für Kinder aufgebaut. Nicht zu übersehen war in diesem Jahr auch die Solidarität mit den vom Krieg schwer getroffenen Menschen in Palästina. Während einige Teilnehmer*innen ihre Solidarität mit dem Tragen von Kufiyas ausdrückten und ein Stand von Medico International Spenden für Gaza sammelte, provozierte während der Demonstration ein Palästina Block ganz am Ende des Zugs. Sie warfen dem DGB vor, kein Wort zum Nahost Konflikt zu verlieren und riefen israelfeindliche Parolen.

1. Mai Fest auf dem Marktplatz

Eine weitere Demonstration, die „revolutionäre 1. Mai Demo“, startete um kurz nach 12 Uhr vom Marktplatz und zog in Richtung Neckarstadt. Die Teilnehmer*innen der revolutionären Demo hatten sich bereits mit einem Block an der Demo des DGB beteiligt, wollten dann aber noch ihre eigene Aktion durchführen, so wie bereits in den letzten Jahren.

Leider führt diese Praxis zu einer Zersplitterung der gewerkschaftlichen Kräfte. Während auf der Bühne auf dem Marktplatz Gewerkschafter*innen von teils harten betrieblichen Auseinandersetzungen berichteten, ertönten die revolutionären Parolen über Megafon und es wurde gleichzeitig zum Abmarsch in Richtung Neckarstadt aufgerufen.

Der starke Bühnenauftritt der DGB Jugend – viele von ihnen wären sicher auch gerne mit in die Neckarstadt gelaufen – wurde leider, wie auch schon im letzten Jahr, vom Abmarsch der Revolutionären gestört. Das ist alles andere als solidarisch und spaltet die Bewegung unnötigerweise. Dabei könnte man einfach warten, bis das offizielle Programm um 13 Uhr beendet ist.

Text: CKI | Fotos: Helmut Roos | Video: DGB Nordbaden

Weitere Bilder des Tages

 




75 Jahre DGB: Gemeinsam stark als Gewerkschaftsbündnis

Empfang des DGB Kreisverbands Mannheim/Rhein-Neckar zum Tag der Gewerkschaften

Zum Tag der Gewerkschaften kamen die Kolleginnen und Kollegen zusammen, um auf 75 Jahre des gewerkschaftlichen Zusammenhalts zurückzublicken.

Nach der Begrüßung durch den Kreisvorsitzenden Ralf Heller und den Regionsgeschäftsführer des DGB Nordbaden, Lars Treusch, stellten die acht Mitgliedsgewerkschaften (IG Metall, ver.di, IGBCE, NGG, IG BAU, GEW, EVG und GdP) in ihren lebendigen Rede- und Videobeiträgen die Errungenschaften ihrer Gewerkschaften in den Mittelpunkt. Von der 35 Stundenwoche bis hin zu Tarifsteigerungen stellten die Gewerkschafter*innen vor, was die speziellen Belange der Gewerkschaften waren und was für die Kolleginnen und Kollegen in den letzten Jahrzehnten erreichen konnte.

Sie zeigten eindrücklich, dass es ein Anliegen der Gewerkschaften ist, mit großem Gerechtigkeitssinn nach sozialer Gerechtigkeit zu streben und das Arbeitsleben der Kolleginnen und Kollegen nachhaltig zu verbessern. Aber es wurde auch ein Ausblick gegeben. So machte Janna Köke (IG Metall Mannheim) klar, dass die Solidarität an der Seite von ZF-Wabco und Alstom groß sei, was durch den Beifall der Anwesenden bekräftigt wurde.

In der abschließenden Rede der stellvertretenden Kreisvorsitzenden, Sabine Leber-Hoischen, wurde nochmals ein Blick auf die letzten 75 Jahre des DGB geworfen und beleuchtet, wie es zu dem Zusammenschluss kam. Sie hob hervor, dass es nach der Zerschlagung der Gewerkschaften in der Nazizeit allen klar war, wie wichtig es ist, gemeinsam, vereint im Deutschen Gewerkschaftsbund, Kräfte zu bündeln. Es galt, geeint die Stimme zu erheben und niemanden zurückzulassen. „Gemeinsam sind wir eine wichtige und starke Säule innerhalb unserer Demokratie. Die Gewerkschaften sind untrennbar damit verbunden,“ führte Leber-Hoischen aus und warf einen Blick auf die spaltenden Kräfte in unserer Gesellschaft, denen man sich mehr denn je entgegenstellen muss.

Mit „Vom Kleinen zum Großen und von der Vielfalt zur Einheit!“, wurde u.a. der erste DGB-Vorsitzende Hans Böckler zitiert, der 1949 den Gründungskongress in München eröffnete. Seitdem hat sich der DGB immer wieder mit klugen Kampagnen in die politische Debatte eingeschaltet und hat sich der Zusammenhalt bewährt, denn für eine soziale und gerechte Gestaltung der großen Zukunftsherausforderungen werden starke Gewerkschaften benötigt, um Chancen für alle zu sichern und Risiken zu senken, aber auch eine Zukunftssicherheit zu geben.

Im Mannheimer Gewerkschaftshaus wurde abschließend gemeinsam der Geburtstagskuchen angeschnitten und zusammen mit dem Mannheimer Theken-Chor, rund um David Julian Kirchner, gesungen und gefeiert.

Pressemitteilung des DGB Kreisverbands Mannheim/Rhein-Neckar




Tausende demonstrierten gegen die Instrumentalisierung des Messeranschlags durch die AfD [mit Bildergalerie]

Mannheim. Der Freitag, 7. Juni 2024, stand ganz im Zeichen von Reaktionen auf das Messerattentat vor einer Woche, bei dem der Polizisten Rouven Laur getötet und Teilnehmer einer rechtspopulistischen Kundgebung verletzt wurden (KIM berichtete).

Einerseits würdiges Gedenken am Brunnen des von der Stadt Mannheim zum Gedenkort bis 16. Juni erklärten Marktplatzes mit Bundespräsident Steinmeier und Ministerpräsident Kretschmann rund um die Schweigeminute 11:34 Uhr. Gleichzeitig im Ehrenhof des Schlosses ein schweigender Gedenkakt mit über 500 Polizeibeamt*innen.

Andererseits das schamlose Auftriumphieren der AfD-Landesverbände Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen um 18 Uhr vor N1.

Nachdem ihnen der Verwaltungsgerichtshof Mannheim zweitinstanzlich den Zutritt zur Gedenkstätte Marktplatz verwehrt hatte, musste auf den Paradeplatz ausgewichen werden. Man gedachte vereinnahmend des ermordeten Polizisten, der – so, wie er von Personen geschildert wird, die ihn kannten – sich niemals von einer AfD hätte vereinnahmen lassen wollen.

Gegen diesen Affront, der zugleich zentrale Wahlkampfveranstaltung der AfD war – man erklärte sie kurzerhand zum Höhepunkt und zur Abschlussveranstaltung des Wahlkampfes – mobilisierten DGB und das Bündnis Mannheim gegen Rechts zu einer Kundgebung auf dem Alten Messplatz und anschließender Demonstration zum Paradeplatz. Dort trafen sie auf die AfD, von sehr starken Polizeiketten hinter lückenlosen Absperrgittern erfolgreich auf Distanz, aber „in Hörweite“ gehalten.

Die Verwaltung hatte offensichtlich mit bürgerkriegsähnlichen Zusammenstößen gerechnet. Wer die Presseerklärung des Oberbürgermeister-Dezernats las und ernst nahm, hatte sicherlich Bedenken, sich dem Protest gegen die AfD anzuschließen: „Die Stadt Mannheim steht in engem Kontakt mit der Polizei. Rettungsdienste und Feuerwehr sind in erhöhter Bereitschaft, ebenso wurden die Rettungsleitstelle sowie Krankenhäuser in Mannheim und Umgebung über die bevorstehenden Versammlungen informiert, so dass dort entsprechende Vorbereitungen getroffen werden können.“

Nach Polizeiangaben gab es keine Zwischenfälle. Der einzige Zwischenfall war die AfD.

 

Die Gedenkstätte am Marktplatz – ein Ort zum „stillen innehalten und pietätvollen Gedenken“

Staatliche Gedenkminute am Vormittag

Zur offiziellen Gedenkveranstaltung am Freitagvormittag mit Bundespräsidenten kamen auch hunderte Bürger*innen zum Marktplatz. Ein Meer an Blumen, Bildern, Botschaften und Nachrichten hatte sich rund um das Denkmal in der Mitte des Platzes gebildet. Um 11:34, dem Zeitpunkt des tödlichen Angriffs, gab es eine Schweigeminute für den Polizisten Rouven Laur, die von der Marktplatzkirche eingeläutet wurde. Bundespräsident Steinmeier, Ministerpräsident Kretschmann, Landtagspräsidentin Aras, Oberbürgermeister Specht sowie Kolleg*innen der Polizei nahmen daran teil. Bürger*innen konnten hinter eine Absperrung ebenfalls teilnehmen.

Anhand der Botschaften an der Gedenkstätte konnte man die Vielfalt der trauernden Menschen erkenne: Natürlich viele Kolleg*innen, aber auch politische Botschaften und religiöse, Schulklassen, die Schilder gemacht hatten, Geflüchtete und Muslime, die sich von der Tat distanzieren wollten.

Der Marktplatz als „Gedenk- und Trauerstätte“ wird mittlerweile von entsprechenden Schildern als solcher deklariert. Veranstaltungen, Informationsstände und Versammlungen sind demnach bis zum 16. Juni untersagt.

Bildergalerie: Offizielle Gedenkveranstaltung mit dem Bundespräsidenten am Vormitag

 

Kundgebung des DGB „Mannheim steht zusammen“

Sabine Leber-Hoischen, DGB Kreisvorsitzende

„Jedwede Form von Extremismus ist schädlich für unsere Gesellschaft und ihre Werte. Wir lassen Hass und Hetze nicht zu. Hass und Hetze führen zu Gewalt. Und Gewalt ist keine Lösung, für niemanden. Gewalt lehnen wir ab. Wir leben hier in Mannheim friedlich miteinander. Wir sind nicht immer einer Meinung, und es menschelt manchmal miteinander. Aber was wir ganz klar ablehnen, sind Extremismus, Rassismus, Antisemitismus, Faschismus und jede Form von Diskriminierung. Da sind wir in Mannheim klar, und wir lassen es nicht zu, dass dieses in unsere Stadt getragen wird. (…) wir halten friedvoll zusammen für Demokratie und Vielfalt.“

Mit diesen Worten fasste die stellvertretende DGB-Kreisvorsitzende Sabine Leber-Hoischen die Plattform der großen Kundgebung des DGB zusammen, zu der fast die gesamte Gegenbewegung gegen die AfD-Hetzveranstaltung auf dem Alten Messplatz erschienen war.

Es folgte ein Beitragsblock des Stadtjugendrings, moderiert von Sara Tot, DGB-Jugendsekretärin und SJR-Vorstandsmitglied. Der SJR ist der Zusammenschluss der meisten Sportvereine, aller „Blaulicht-Vereine“, Musikvereine, Die Falken – „extrem viele sehr engagierte junge Menschen in dieser Stadtgesellschaft“. Sara Tot wies darauf hin, dass sehr viel junge Menschen am Sonntag bei der Veranstaltung der „Jungen Alternativen“ und der AfD auf dem Marktplatz unterwegs waren. „Faschismus kennt kein Alter. Deswegen sind wir heute hier.“ Den Redebeitrag teilten sich wechselweise die Vorsitzende des Bundes der Katholischen Jugend Mannheim und der Jugendsprecher der DITIB- Yavuz-Sultan-Selim-Moschee.

Kai Burmeister, DGB Landesvorsitzender

Der DGB-Landesvorsitzende Kai Burmeister stellte den 1. Satz des Grundgesetzes in den Mittelpunkt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, in der Arbeitswelt wie in der ganzen Gesellschaft. Burmeister berichtete über viele Gespräche, die er in dieser Woche mit Polizeibeamt*innen geführt habe, die oft auch über die GdP zum DGB gehören. Er forderte mehr Respekt vor allen Menschen, die ihre Arbeit in Uniform tätigen, von Polizei über Bahn bis zu den Krankenhausärzten.

Das Recht auf Demonstrationsfreiheit beispielsweise und das Streikrecht seien nicht selbstverständlich. Wo Rechtspopulisten an der Regierung sind, werden international diese demokratischen Grundrechte eingeschränkt bzw. abgeschafft. „Deswegen sind Gewerkschaften der natürliche Gegner von Faschisten und Rechtspopulisten.“ Abschließend warb Burmeister für die europäische Zusammenarbeit und sprach sich gegen die Rückkehr zum Nationalismus aus.

Ralf Heller, DGB-Kreisvorsitzender rief zur Teilnahme an der anschließenden Demo auf. „Wir als Gesellschaft müssen hier zusammenstehen.“ Als Zeichen hierfür sangen die Kundgebungsteilnehmer*innen abschließend den Kanon „Wehrt euch, leistet Widerstand gegen den Faschismus hier im Land. Haltet fest zusammen! Haltet fest zusammen!“

Bildergalerie: Kundgebung des DGB „Mannheim steht zusammen“

 

Große Bündnisdemo von Mannheim gegen Rechts

Im Anschluss an die Kundgebung des DGB startete gegen 17:30 Uhr die große Bündnisdemo von „Mannheim gegen Rechts“. Auf dem Banner ganz vorne war zu lesen „Gegen Islamismus und Rassismus – Zusammenhalt für die Vielfalt“. So wurde sich klar gegen zwei rechte Ideologien positioniert, die versuchen, die Gesellschaft zu spalten und für tödliche Anschläge in den letzten Jahren verantwortlich sind: Mannheim, Hanau, Halle oder der Mord an CDU Politiker Lübcke. So kulturell unterschiedlich die fundamentalreligiösen und völkisch-rassistischen Ideologien auch sind, gemeinsam haben sie die Ablehnung einer vielfältigen, multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft und das wollen ihre Fanatiker*innen auch mit Gewalt durchsetzen.

Die Demonstration zog über die Kurpfalzbrücke, vorbei am Gewerkschaftshaus und bog am Wasserturm in die Planken ein. Der lange Demonstrationszug war in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt. Vorne liefen Vertreter*innen des breiten Bündnisses, wo es anfangs eher ruhig war, weiter hinten lief ein Block der Gewerkschaftsjugend und ein Antifa Block mit vielen Unterstützer*innen aus anderen Städten. Dort ging es im Vergleich zu vorne die ganze Zeit sehr laut und motiviert zu. Die Polizei begleitete den Aufzug von Beginn an mit einem Großaufgebot. Trotz martialischem Aussehen, konnte jedoch von allen Seiten ein deeskalierender Umgang miteinander beobachtet werden.

Am Paradeplatz angekommen zogen die Teilnehmer*innen der Demonstration vor die Absperrgitter, um sich den AfD Anhänger*innen gegenüber zu stellen. Es wurden lautstark Parolen ausgetauscht, in den Reihen der AfD waren viele sichtlich genervt und provoziert von der Gegendemo. Die ganze Situation rund um den Paradeplatz war hitzig und unübersichtlich.

Die Polizei zählte 3300 Menschen bei der Demo von „Mannheim gegen Rechts“, die einer Kundgebung von 700 AfD-Anhänger*innen gegenüber stand. Insgesamt dürften es deutlich mehr Leute gewesen sein, die sich auf und um den Paradeplatz bewegt haben, denn den vielen Menschen, die in der Stadt unterwegs waren entging das Schauspiel nicht. Gerade Passant*innen, die selbst von der Hetze der AfD angegriffen werden, schlossen sich spontan dem Protest gegen rechts an und stimmten mit ein: „Nazis raus!“

Aller Panikmache zum trotz, blieb es den ganzen Tag friedlich. Die Polizei meldete am Abend, dass es nirgendwo Ausschreitungen gegeben habe, keine Straftaten angezeigt oder Personen festgenommen wurden. Es sei lediglich zu verbalen Provokationen gekommen.

Bildergalerie: Demo „Mannheim gegen Rechts“

 

AfD-Wahlkampfabschluss – die Instrumentalisierung des Messeranschlags

Die AfD hatte groß aufgefahren mit den Landesvorsitzenden und Stellvertretern von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen, sowie einem Bundestagsabgeordneten, einem ehemaligen Polizeibeamten.

Rüdiger Ernst, AfD Stadtrat in Mannheim

Zu Beginn durfte Rüdiger Ernst sprechen, Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat und Kreisvorsitzender der AfD. Er thematisierte vor allem den Angriff auf seinen Vorstands-Kollegen Heinrich Koch durch „drei Linksextremisten“. Die von ihm gestellte Person sei später dann als „psychisch krank“ dargestellt worden, obwohl das in der kurzen Zeit gar nicht gehe und auch mit „linkextremistisch“ nicht im Widerspruch stehe. Zum Schluss seiner kurzen Rede wies er darauf hin, dass in Mannheim der „sogenannte Kampf gegen Rechts“ auch mit städtischen Haushaltsmitteln gefördert werde. Da gehe es aber nicht um den Linksextremismus und Islamismus, die eigentlichen Gefahren, sondern es profitierten von der Förderung die „Linksextremisten“.

Ernst verzichtete zu Ende der Veranstaltung, als alle anwesenden Mandatsträger auf die Bühne zum Abschlussfoto gebeten wurden, sich dazuzustellen. Vor die Mandatsträger wurde das Fronttransparent der Veranstaltung gezogen: „Messermänner & Islamisten raus!“  Auf die Frage an Ernst, warum er sich nicht auch dazustelle, meinte er, er sei kein Profilneurotiker (wie seine Kolleg*innen, die da zahlreich standen?). Der eigentliche Grund dürfte sein, dass die AfD in Mannheim einen eher unauffälligen Kurs fährt. Ernst möchte eher die Anschlussfähigkeit an die CDU / ML halten und sich als mglw. Mehrheitsbeschaffer anbiedern. Obwohl in zwei der drei Landesverbänden auch Kommunalwahlen bevorstanden, gab es ausschließlich Hinweise auf die EU- und Landtagswahlen und auch schon auf die Bundestagswahl – alle drei wichtig für den Griff nach der Macht.  Die Kommunalpolitik war für die AfD sichtlich uninteressant.

Messerkriminalität mit beliebigen Zahlen, bei denen sich der „fachkundige“ MdB und der Landesvorsitzende Baden-Württemberg gegenseitig überboten, war dann auch das zentrale Thema: Die Regierungen von Land und Bund wurden quasi im drei-Minuten-Takt aufgefordert, endlich für Sicherheit auf den Straßen zu sorgen, damit die Bürger sich unbesorgt in den Städten bewegen können. „Mit einer blauen Regierung“ werde sich das schlagartig ändern, natürlich durch Abschiebung aller „Gefährder und islamistischer Straftäter.“

Die Veranstaltung der AfD brachte im Übrigen den offiziellen Schulterschluss mit der „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE), deren Gründungsmitglied und Hauptagitator Stürzenberger offensichtlich das Attentat auf dem Mannheimer Marktplatz gegolten hatte. Stürzenberger habe sich über einen Anruf des Landesvorsitzenden sehr gefreut und man habe künftige Zusammenarbeit beschlossen. Ein BPE-Transparent stand schon in der Nähe der Bühne.

Bildergalerie: Kundgebung der AfD

 

Antifademo zum Feierabend

Nach Abreise der AfD entschlossen sich die Teilnehmer*innen des Antifa Blocks, mit einer gemeinsamen Demonstration zurück in die Neckarstadt zu laufen. Dem wurde in Rücksprache mit Polizei und Ordnungsamt auch behördlich die Zustimmung erteilt. Diskussionen gab es offenbar um die Route.

Letztendlich konnte der Demonstrationszug mit mehreren hundert Menschen ohne größere Probleme über den Ring zur Kurpfalzbrücke und zurück zum Alten Messplatz laufen. Damit endete für viele ein langer Tag.

Bildergalerie: Antifa Demo

 

Trotz Panikmache: Weniger AfD als gedacht und die große Katastrophe blieb aus

Tausende Menschen stellten sich gerade einmal 700 AfD Anhänger*innen entgegen. Das war ein deutliches Zeichen für Mannheim und kein großer „bundesweiter“ Mobilisierungserfolg der extremen Rechten. Dennoch sollte die Wirkung der instrumentalisierenden Hetze nicht unterschätzt werden, denn die politische Meinungsbildung findet viel umfangreicher im Internet statt, als auf der Straße. Die „Messermänner“ bleiben Zugpferde der AfD. Aber ein „zweites Kandel“ wird Mannheim wohl nicht werden, wie eine Sprecherin von „Mannheim gegen Rechts“ am Abend resümierte.

Dass der furchtbare Anschlag eines Islamisten zum Wahlkampfschlager der AfD wurde ist bitter. Genau so bitter ist die Tatsache, dass demokratische Parteien auf Bundesebene – von CDU über FDP bis SPD – den „Lösungsvorschlag“ der AfD aufgreifen und Abschiebungen in das von den Taliban regierte Afghanistan versprechen. Populismus funktioniert leider auch jenseits der AfD.

Rückblickend ist die Panikmache von OB Specht äußerst kritisch zu sehen. Mit dem Herbeireden von bundesweit anreisenden Gewalttätern und einem Katastrophenszenario, wurde bewusst versucht, die Bevölkerung von der Teilnahme an den Protesten gegen die AfD abzuhalten. Insgesamt ist das nicht gelungen, denn es haben sich tausende beteiligt – friedlich und solidarisch miteinander, aller Spaltungsversuche zum Trotz. Dennoch werden sich nach den Schreckensmeldungen vom Donnerstag sicher auch einige gegen das Demonstrieren entschieden haben.

Was Solidarität und Zusammenhalt bedeutet, auch in der demokratischen und linken Zivilgesellschaft, wessen Warnungen wir glauben und worauf wir uns verlassen können – das sollte nach diesem Freitag noch einmal gründlich nachbesprochen werden.

(tht/cki/hr/scr/u.a.)




Moderne Sklaverei auch im Rhein-Neckar-Raum?

Marian, Saisonarbeiter aus Rumänien, sortiert auf einem Gemüsehof zwischen Bonn und Köln Kartoffeln, als er sich im vergangenen Jahr am Samstag, dem 20. März den Daumen an einer Abfalltonne quetscht. Ein Kollege versorgt die Verletzung notdürftig, aber erst am Montag, als sich die Wunde bereits entzündet hat, fährt ihn der Chef zum Arzt. Der schickt ihn gleich ins Krankenhaus, wo Marian ambulant behandelt und für einen Monat arbeitsunfähig geschrieben wird. Wie die meisten der etwa 300.000 Saisonarbeitskräfte, die jedes Jahr aus Süd- und vor allem Osteuropa nach Deutschland kommen, ist Marian offiziell nur “kurzfristig beschäftigt”. Sein Arbeitgeber muss ihn dann zwar bei der Minijobzentrale anmelden, aber keine Sozialbeiträge für ihn abführen. Weder Kranken- noch Pflege-, weder Arbeitslosen- noch Rentenversicherung. Marian ist also nicht krankenversichert. Im Falle einer Erkrankung oder eines medizinischen Notfalles muss er die Kosten selbst tragen. Im niederbayerischen Mamming bekam eine Saisonarbeiterin, die schwer an Covid-19 erkrankt war, vom Krankenhaus eine Rechnung über 78.800 Euro ausgestellt. Marians Arbeitgeber aber war verpflichtet, ihn bei der Berufsgenossenschaft anzumelden, die bei einem Arbeitsunfall – um den es sich hier ja handelte – die Behandlungskosten trägt. Erstaunlicherweise aber will der Arbeitgeber die Rechnungen aus eigener Tasche bezahlen und drängt darauf, dass Marian so schnell wie möglich nach Rumänien zurückkehrt. Der nächste Bus fährt erst am Samstag, solange darf er in der Unterkunft bleiben, er erhält aber die ihm zustehende Lohnfortzahlung nicht. Erst kurz vor der Abreise bekommt er seinen Lohn. Er hat 246 Stunden gearbeitet, aber auf dem Zettel, den ihm der Bauer statt einer Lohnabrechnung übergibt, fehlen 22 Stunden und damit außer der Lohnfortzahlung für eine Woche nochmal 200 Euro. Jetzt wendet sich Marian an die gewerkschaftliche Beratungsstelle ‘Faire Mobilität’. Diese unterstützt ihn in seinem Kampf gegen den an ihm begangenen Lohnbetrug und trägt den Fall später auch in die Öffentlichkeit durch einen Artikel mit der Überschrift “Ausgenutzt, betrogen, weggeschickt “ (1)

Lauchzwiebelernte in der Pfalz – nicht nur Spargel und Erdbeeren

Lohnbetrug in der Pfalz

Saisonarbeiter*innen sind grundsätzlich in einer ausgesprochen schwachen und verletzlichen Situation. Die meisten sprechen nicht deutsch, kennen ihre Rechte nicht, sind extrem angewiesen auf ihre schmalen Verdienste, werden von der hiesigen Bevölkerung abgesondert und von ihren ‘Arbeitgebern’ häufig eingeschüchtert, bedroht, zuweilen auch mit offener Gewalt konfrontiert. Deshalb gelangen Geschehnisse wie das oben geschilderte nur ganz selten an das Licht der Öffentlichkeit.

Aber auch im Rhein-Neckar-Raum, wo sowohl auf der linken als auch auf der rechten Rheinseite viele ‘Saisonkräfte’ eingesetzt sind, und das nicht nur in der Landwirtschaft, gelingt es nicht immer, die unwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen dieser Menschen im Verborgenen zu halten: Am 11. August veröffentlicht die Tageszeitung ‘Die Rheinpfalz’ einen halbseitigen Artikel mit der Überschrift “Saisonarbeiter fühlen sich ausgebeutet”. Es geht darin um 20 Männer und drei Frauen aus Usbekistan, die im Juni und Juli in der Vorderpfalz auf dem Feld arbeiteten. Die Vermittlung war über einen jungen Germanistikstudenten gelaufen, ebenfalls aus Usbekistan, der selbst in seinen Ferien in einem Schnellrestaurant im Hunsrück jobbte. Bereits nach wenigen Tagen wird der junge Mann von seinen Landsleuten angerufen und darüber informiert, dass vor Ort vieles nicht so läuft wie vertraglich vereinbart. Arbeitsbeginn ist um sechs Uhr morgens, aber statt der vereinbarten täglichen acht Stunden, sind die Kolleg*innen oft bis abends um 20 Uhr im Einsatz. Ein Kollege berichtet auf Nachfrage, für 21 Tage Arbeit mit 10 bis 12 Stunden täglich habe er 620 Euro bekommen, weniger als ein Drittel des vereinbarten Mindestlohnes. Auch bei den anderen waren die vereinbarten Arbeitszeiten nicht eingehalten, die Löhne nur teilweise und die Überstunden gar nicht ausbezahlt worden. Der Vermittler will den Arbeitgeber aufsuchen, um die Situation zu klären. Vermutlich hatte der Betrieb, der laut ‘Rheinpfalz’ bei einer großen Lebensmittelkette als Lieferant von Gemüse geführt wird, nicht damit gerechnet, dass der Student sich für die von ihm vermittelten Landsleute einsetzt. Aber er reagiert schnell. Bereits bevor der Vermittler im Betrieb ankommt, beginnt dieser, die Arbeitsverträge nach und nach aufzulösen. Die jungen Leute, die kaum Deutsch sprechen und die jetzt weder Arbeit noch Unterkunft haben, schickt er weg. Am Erscheinungstag des Artikels sind noch 6 der 23 Saisonkräfte auf dem Hof beschäftigt, drei sind nach Usbekistan zurückgekehrt und für die Übrigen sucht der Vermittler nun neue Arbeit und Unterkünfte.

Der Arbeitgeber will sich trotz mehrmaliger Anfrage der ‘Rheinpfalz’ zu den Anschuldigungen nicht äußern.

Immer die gleichen Probleme

Das DGB-Projekt ‘Faire Mobilität’ nennt vier Problembereiche, die bei Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft immer wieder auftauchen:

Lohnbetrug: Zwar gilt eigentlich der gesetzliche Mindestlohn, aber die Bezahlung darf  auch aufgrund von Akkordlöhnen erfolgen. Eines von vielen mehr oder weniger legalen Hintertürchen, um gesetzliche und tarifliche Bestimmungen auszutricksen. Weitere übliche Tricks zum Lohnbetrug: Die Löhne werden erst “am Bus”, also direkt vor der Rückreise ausgezahlt. Ohne Abrechnung, Überstunden sind nicht abgerechnet, dafür gibt es nicht nachvollziehbare Abzüge für Unterbringung oder Verpflegung oder Transportkosten oder Arbeitsmittel.

Menschenunwürdige Unterkünfte: in Baracken, Containern, umgebauten Ställen, schimmligen Gebäuden, mit Matratzen ohne Bezug, ohne ausreichende Toiletten, Duschen und Kochstellen.

Unterbringung in billigsten Wohncontainern. (Bilder: F. Hofmann)

Fehlender Arbeitsschutz: Die Landwirtschaft ist in Deutschland sowieso die Branche mit den meisten Arbeitsunfällen. Zusätzlich besonders problematisch ist im Sommer ein mangelnder Schutz vor Hitze und Sonne. Ebenfalls hochproblematisch ist die im Rahmen der Corona-Strategie für Saisonarbeiter*innen beschlossene “Arbeitsquarantäne”. Sie zwang Wanderarbeiter*innen dazu, auch nach Corona-Ausbrüchen ohne ausreichende Schutzmaßnahmen zu arbeiten und sich engen Unterkünften und dichtgedrängten Transporten auszusetzen. Lediglich der Kontakt zur ortsansässigen Bevölkerung wurde untersagt. Diese “Arbeitsquarantäne” erinnert fatal an bestimmte Science-fiction-Filme, in denen nach Ausbruch einer Seuche Teile der Bevölkerung in einem Viertel eingeschlossen und sich selbst überlassen werden.

Fehlende Sozialversicherung: Vor allem die fehlende Krankenversicherung kann zu untragbaren Härten führen. Bei Menschen, die kurzfristig, aber regelmäßig in Deutschland arbeiten, entstehen zudem immer mehr Lücken im Verlauf der Rentenversicherung. (‘Kurzfristig’ war bis 2014 definiert als 50 Tage im Jahr, wurde dann auf Druck der Landwirtschaftslobby erhöht auf drei Monate oder 70 Tage und im ersten Corona-Jahr nochmals auf vorübergehend erhöht auf 115 Tage im Jahr.)

Lohnbetrug, menschenunwürdige Unterkünfte, fehlender Arbeitsschutz und fehlende Sozialbeiträge  sichern nicht nur die Profite der deutschen Landwirtschaft, sondern auch deren Exportüberlegenheit, durch die sie die Grundlagen landwirtschaftlicher Existenzen nicht nur im globalen Süden vernichten kann, sondern auch innerhalb der EU und in unseren unmittelbaren Nachbarländern.

Unentbehrlich, aber unsichtbar

Die Geschichten von Marian und von den Usbeken sind sowohl typisch als auch untypisch. Typisch insofern, als Saisonarbeiter*innen aus Ost- und Südeuropa seit vielen Jahren ein zentraler Bestandteil der deutschen Landwirtschaft sind. Dass Erntearbeiter*innen aus dem EU-Ausland und zunehmend auch aus Drittländern wie Usbekistan seit langem hier arbeiten, ist allgemein bekannt, das Ausmaß und die wirtschaftliche Bedeutung dieser Arbeit aber ist der breiten Öffentlichkeit kaum bewusst. Fast jede/r dritte Beschäftigte in der deutschen Landwirtschaft zählt zu den Saisonarbeiter*innen. Sie gewährleisten, dass deutsche Spargel, Erdbeeren, Äpfel, Gurken und vieles andere überhaupt geerntet werden können. Die Löhne sind extrem niedrig und werden wie dargelegt durch verschiedene Arten des Lohnbetrugs weiter gedrückt. Bei behördlichen Kontrollen, so sie denn überhaupt stattfinden, stellt sich heraus, dass Lohnbetrug und andere Gesetzesverstöße eher die Regel als die Ausnahme sind. Die Anzahl der Arbeiter*innen, die nur wenige Wochen in Deutschland arbeiten und dann in ihre Heimat zurückkehren, nimmt stark zu. Sie arbeiten nicht nur auf den Feldern, sondern auch in Schlachthöfen, auf dem Bau, in der Pflege und in der Transport- und Logistikbranche. Auch in industriellen Kernbereichen werden sie zunehmend eingesetzt, beispielsweise in der Autoindustrie. Trotz ihrer enormen und zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung gibt es keine Statistik, die sie erfasst. Sie sind, wie es Kathrin Birner und Stefan Dietl in einer Untersuchung über moderne Wanderarbeiter*innen ausdrücken, “im Alltag genauso unsichtbar wie sie wirtschaftlich unentbehrlich sind” (2).

Untypisch sind die beiden Geschichten insofern, als sie überhaupt bekannt wurden und insofern, als hier der Kampf gegen unwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen aufgenommen und zumindest teilweise erfolgreich geführt wurde. Aber, wie die erwähnte Untersuchung auch zeigt, mehren sich die Fälle, bei denen Arbeitsmigrant*innen um ihre Rechte kämpfen und diese Kämpfe auch gewinnen.

Moderne Sklaverei

Das Thema moderne Sklaverei nimmt rasch an Bedeutung zu.

Seit im Jahre 1980 (!) die Sklaverei im westafrikanischen Mauretanien verboten wurde, ist sie de iure weltweit abgeschafft. De facto aber existiert sie weiterhin und zwar in einem Ausmaß, wie es zuvor in der gesamten Menschheitsgeschichte nicht erreicht wurde. Schätzungen liegen je nach zugrundeliegender Definition zwischen 30 und 200 Millionen Menschen.

Ein Beispiel hierfür ist wiederum Brasilien, wo die Abholzung der Wälder, hauptsächlich für Viehwirtschaft und Futtermittelproduktion, nicht nur die Erderwärmung antreibt, sondern auch die Lebensräume der indigenen Bevölkerung und der Kleinbauern erbarmungslos vernichtet. In Brasilien ist Sklaverei bereits seit 1888 verboten, dennoch wurden seit 1995 über 57.000 Menschen aus der Sklaverei befreit. 2021 wurden in Brasilien knapp 2.000 Menschen aus sklavenähnlichen Verhältnissen befreit und damit doppelt so viele wie im Jahr zuvor, 89 Prozent von ihnen in ländlichen Gebieten. Für einige der großen fleischexportierenden brasilianischen Konzerne konnte nachgewiesen werden, dass sie ihr Fleisch aus Betrieben mit Sklavenarbeit beziehen. Da brasilianisches Fleisch auch nach Deutschland exportiert wird, verdienen auch deutsche Firmen an der Sklaverei in Brasilien, letztlich wird sie auch von deutschen Verbrauchern mitgetragen.

Brasilien ist andererseits eines der wenigen Länder, das während der sozialdemokratischen Lula-Regierung eine Definition moderner Sklaverei in sein Strafgesetzbuch aufgenommen hat. Es formuliert vier Kriterien, von denen eines vorliegen muss, um den Straftatbestand zu begründen:

  • Zwangsarbeit: Menschen werden mit illegalen Methoden zur Arbeit gezwungen und dürfen sich von ihrem Arbeitgeber nicht trennen. (Auf VW-Arbeiter wurde geschossen, falls sie versuchten, die VW-Farm zu verlassen.)
  • Schuldknechtschaft: Auf betrügerische Weise werden den Arbeiter*innen überhöhte Forderungen für Unterkunft, Verpflegung, Transport usw. präsentiert, die sie abarbeiten sollen.
  • Erniedrigende Arbeitsbedingungen: Gefährdung der Menschenwürde oder der Gesundheit oder des Lebens der Beschäftigten
  • Erschöpfende Arbeitszeiten: Arbeitszeiten, die zur völligen Erschöpfung führen und somit ebenfalls die Gesundheit oder das Leben der Beschäftigten bedrohen können.

Würden diese Kriterien in Deutschland auf Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich angewendet, vor allem in der Landwirtschaft, in der Pflege und in der Fleischwirtschaft, würde dies vermutlich zur Feststellung von mehreren hunderttausend Fällen moderner Sklaverei führen.

Diese modernen Sklav*innen sind nicht in Käfige eingesperrt, tragen keine Eisenringe oder Ketten mehr um ihren Hals oder an ihren Füßen und werden in der Regel auch nicht ausgepeitscht. Trotzdem enthält das Leben vieler Betroffener mehr Entbehrungen, Härten und Gefahren als das früherer Sklaven. Der weltweit führende Experte für Sklaverei nennt hierfür folgenden Hauptgrund: “Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte besteht ein Überangebot an potentiellen Sklaven.” (7)

Und die Gewerkschaften?

Die Haltung der deutschen Gewerkschaften gegenüber der Arbeitsmigration ist nicht ohne Ambivalenzen. Die Anwerbeabkommen der 50er und 60er Jahre wurden von ihnen abgelehnt, und auch bei der EU-Osterweiterung bestanden sie auf Einschränkungen der Arbeitnehmer*innenfreizügigkeit. Auch wenn es nicht offen gesagt wird, ist zu spüren, dass Gewerkschaften befürchten, dass eine migrantische Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt die Löhne nach unten zieht. Die meisten anderen europäischen Gewerkschaften sowie der Europäische Gewerkschaftsbund vertreten eine andere Richtung und treten ein für das Prinzip “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!” Auch die Haltung, dass Arbeitnehmer*innen ein Recht auf Bewegungsfreiheit haben, breitet sich aus und führt zu Versuchen, auf Migrant*innen zuzugehen und sie gewerkschaftlich zu organisieren statt ihre Zuwanderung zu kontrollieren. Als erste DGB-Gewerkschaft macht die IG Bau speziell migrantischen Arbeitskräften das Angebot einer Jahresmitgliedschaft. Diese Tendenz stützt sich nicht nur auf das gewerkschaftliche Prinzip der Internationalen Solidarität, sondern auch auf Studien, die zeigen, dass Einwanderung von Arbeitskräften sich positiv für bereits beschäftigte Arbeitnehmer*innen auswirkt. Ab 2011 entwickelte sich das erwähnte DGB-Projekt ‘Faire Mobilität’. Es hat den Anspruch, sogenannte mobile Beschäftigte in ihren Heimatsprachen über ihre Rechte zu informieren und sie bei Konflikten zu begleiten. Inzwischen ist die Beratung in allen osteuropäischen Sprachen möglich, und es hat sich ein über die gesamte Republik erstreckendes Beratungsnetzwerk entwickelt. Das Beratungsaufkommen steigt stetig.

Auch in Mannheim arbeitet in den Räumen des Gewerkschaftshauses ein aus fünf Personen bestehendes Team ‘Faire Mobilität’. Es führt diverse öffentliche Aktionen durch und bietet kostenlose Beratungen in deutsch, englisch, spanisch, rumänisch und bulgarisch auch zu Integrationsfragen an und vermittelt Beratungen in weiteren Sprachen. Die Kontaktdaten können eingesehen werden auf der Homepage ‘faire-mobilitaet-mannheim.de’

(1) Ausgenutzt, betrogen, weggeschickt | Faire Mobilität (faire-mobilitaet.de)
(2) Kathrin Birner & Stefan Dietl. Die modernen Wanderarbeiter*innen – Arbeitsmigrant*innen im Kampf für ihre Rechte. Unrast Verlag, Münster, 2021.
(3) Andreas Eckert. Geschichte der Sklaverei – von der Antike bis ins 21. Jahrhundert. C.H. Beck, München 2021.
(4) Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg (Hg.) Das “System Tönnies” – organisierte Kriminalität und moderne Sklaverei – Aufhebung der Werkverträge und des Subunternehmertums! Die Buchmacherei, Berlin, 2020.
(5)https://www.jungewelt.de/artikel/432426.ausbeuten-und-pl%C3%BCndern-wir-brachten-zivilisation.html?sstr=michael%7Ckohler
(6) Sven Beckert. King Cotton – Eine Geschichte des globalen Kapitalismus. C.H. Beck, München 2019.
(7) Kevin Bales. Die neue Sklaverei. Kunstmann, München 2001.

Michael Kohler




1. Mai 2022 in Mannheim: Die traditionelle Demo der Gewerkschaften ist zurück [mit Bildern und Video]

„In alter Tradition“ fand dieses Jahr wieder die Demonstration der Gewerkschaften zum 1. Mai mit anschließendem Fest auf dem Marktplatz statt. Nach dem Auslaufen der Auflagen zur Pandemie waren die Veranstalter*innen guter Dinge, die traditionelle Demo wieder aufleben zu lassen. Das Motto in diesem Jahr: GeMAInsam Zukunft gestalten!

Das frisch gewählte Präsidium des DGB Kreisvorstand, Ralf Heller, Sabine Leber-Hoischen und Axel Larivière begrüßte am Gewerkschaftshaus, von wo aus sich der Demonstrationszug über den Ring und durch die Planken auf den Weg zum Marktplatz machte. Vorne liefen Vertreter*innen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften, gefolgt von Stadträt*innen und Bundestagsabgeordneten der Parteien SPD, Grüne und Linke.

Es schloss sich ein Block der Gewerkschaftsjugend an, der mit Lautsprecherwagen, kreativen Schildern und Transparenten nicht zu übersehen war. Weiter ging es mit dem von Transparenten umschlossenen Antikapitalistischen Block. Am Wasserturm machte dieser mit Feuerwerk auf seine staats- und kapitalismuskritischen Forderungen aufmerksam („konnten wir unsere Wut über die Ausbeutung von Mensch und Natur im Kapitalismus Ausdruck verleihen“).

Videodokumentation zum 1. Mai 2022 in Mannheim auf dem Youtube-Kanal des DGB Nordbaden: https://youtu.be/ZgP6V-7ibIk

Am Marktplatz begrüßte die Band ewo² (Bernd Köhler, Joachim Romeis, Laurent Leroi) die Demonstration mit Arbeiterliedern und politischen Songs. Hauptredner auf der Bühne war in diesem Jahr Ralf Sikorski von der IG BCE. In seinem Plädoyer für Fortschritt und Gerechtigkeit sprach er sich dafür aus, gesellschaftliche Veränderungen als Chance zu begreifen. Digitalisierung, Globalisierung, Kampf gegen Klimawandel und die Transformation der Gesellschaft müssten von den Gewerkschaften aktiv mitgestaltet werden. „Wir stehen nicht an der Seitenlinie“, so Sikorski. In Betriebsräten, Personalräten, Aufsichtsräten und Politik müssten Gewerkschafter*innen das Land sozial, ökologisch und demokratisch zum Besseren verändern.

Der Marktplatz war wieder voller Stände der gewerkschaftlichen, politischen und sozialen Organisation der Stadt, die sich mit dem DGB verbunden fühlen. Für Aufsehen sorgten eine Aktion der GEW „Wir sind keine Packesel“ zur Belastung von Lehrkräften und ein szenisches Theater der Gewerkschaftsjugend, bei dem sich vorgestellt wurde, wie im Jahr 2030 unsere Gesellschaft aussehen könnte – mit oder ohne Gewerkschaften. Zahlreich vertreten waren auch die ver.di Kolleg*innen aus dem Fachbereich Sozial- und Erziehungsdienst, die sich aktuell im Tarifkampf befinden und zu Warnstreiks in der kommende Woche aufrufen. (cki)

Bildergalerie

mit Bildern von Helmut Roos




Warnstreik und Demonstrationen in Mannheim: Der Frauenkampftag im Zeichen der Care Arbeit

Mit zahlreichen Veranstaltungen über den ganzen Tag wurde von Gewerkschaften und feministischen Gruppen der diesjährige Frauentag begangen. Besondere Aufmerksamkeit lag auf dem Thema Care Arbeit. Vormittags streikten die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst und abends gingen hunderte Frauen (und auch viele Männer) auf die Straße unter dem Motto: „Ungesehen, überbelastet, unterbezahlt – wir kämpfen gemeinsam gegen Patriarchat und Kapitalismus“.

Video bei Youtube: https://youtu.be/To75bju7PoY

Warnstreik der Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen

Mittags fand auf dem Alten Messplatz eine Warnstreikkundgebung der Beschäftigten im sozialen Bereich des öffentlichen Dienst statt. Dort findet gerade eine Tarifrunde statt und ver.di Verhandlungsführerin Christine Behle berichtete in Mannheim vom aktuellen Stand. Die Forderungen von ver.di umfassen drei Bereiche. Zum einen geht es natürlich um eine bessere finanzielle Anerkennung der Arbeit und hier konkret um eine bessere Eingruppierung der unteren Lohngruppen (u.a. für Kinderpfleger*innen und Sozialassistent*innen). Dann geht es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Vor allem brauche es mehr verbindliche Vorbereitungszeiten, Praxisanleitungen und Entlastung in kritischen Bereichen, in denen wenig Personal arbeitet. Daraus folgt die dritte große Forderung: Ver.di will mehr Personal und ein verstärktes Engagement gegen den Fachkräftemangel. Die Berufe müssten insgesamt attraktiver werden und brauchten mehr gesellschaftliche Anerkennung.

Frauentagsversammlung rund ums Gewerkschaftshaus

Vom Alten Messplatz aus zogen die rund 1000 Streikenden mit einem Demonstrationszug über die Kurpfalzbrücke zum Gewerkschaftshaus. Auf dem Vorplatz hatte die Gewerkschaft Sitzgelegenheiten und Verpflegung bereit gestellt und verschiedene Workshops luden dazu ein, den Nachmittag hier zu verbringen, sich auszutauschen und zu vernetzen, bis später die Veranstaltung des DGB-Kreisfrauenausschuss im Otto-Brenner-Saal begann.

Karin Binder von der Gewerkschaft NGG war die Rednerin und setzte sich in ihrem Beitrag zum Frauentag mit der ungleichen Bezahlung und fehlender Anerkennung der klassischen Frauenberufe auseinander. Es könne nicht sein, dass Frauen für die gleiche Arbeit immer noch schlechter bezahlt werden als Männer. Wertschätzung müsse sich in Form von besseren Löhnen ausdrücken. „Das heißt Tarifverträge, höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen“. Außerdem rief sie alle Frauen dazu auf, bei den kommenden Betriebsratswahlen zu kandidieren. „Nur so können wir etwas verändern.“

Feministische Demonstration in den Abend hinein

Im Anschluss an die Veranstaltung im Gewerkschaftshaus trafen sich die vom Feministischen Bündnis mobilisierten Menschen zur Demo vor dem Gewerkschaftshaus. Auch hier war das bestimmende Thema die Care Arbeit, die sozialen Berufe und Tätigkeiten im privaten Bereich, die vor allem von Frauen gemacht werden. Zur Notwendigkeit einer Demo am Frauentag sagte Organisatorin Isabell Fuhrmann „weil viele Gleichstellungsrechte nach wie vor fehlen, darunter elementare Sachen, wie körperliche und sexuelle Selbstbestimmung“. Man halte das System mit schlechter oder unbezahlter Care Arbeit am Laufen, was dem Kapitalismus die Erwirtschaftung großer Profite ermögliche. Doch Frauen würden daran nicht angemessen beteiligt. Unterm Strich hätten Frauen nicht die gesellschaftliche Teilhabe, die ihnen zustehe. Deshalb müsse man weiter auf die Straße gehen „gegen Patriarchat und Kapitalismus“.

Die Demonstration zog über den Ring, vorbei am Wasserturm in die Fressgasse, bis zum Marktplatz, wie eine Abschlusskundgebung stattfand. Mitorganisatorin Tanja Hilton zeigte sich am Ende sehr zufrieden. Man habe mit einem Riesenbündnis eine tolle Demo auf die Beine gestellt. „Es war viel Arbeit, aber es hat sich gelohnt!“

(Text: cki | Bilder: hr, cki)

 

Die Bilder des Tages

 




AfD-Bundeswahlkampf scheitert in Ludwigshafen grandios

Die Alternative für Deutschland (AfD) hatte für den 14.08.2021 alles für eine große zentrale Wahlkampfveranstaltung für die Pfalz in Ludwigshafen vorbereitet. Neben den Bundestagsabgeordneten aus der Region Sebastian Münzenmaier (Mainz) und Nicole Höchst (Speyer) war ihr Bundessprecher Tino Chrupalla als Hauptredner angekündigt. Auf dem schnieken Europaplatz wurde eine respektable Bühne aufgebaut. Doch der zentrale Wahlkampfauftakt der rechtsaußen-Partei in der Pfalz floppte grandios.

 

Während rund 200 Antifaschist*innen lautstark protestierten, verloren sich nur gut 50 AfD-Anhänger*innen auf dem weitläufigen Platz. Nach weniger als einer Stunde war der rechte Spuk dann auch schnell wieder vorbei. Besondere Empörung löste die LGBTQIA-feindliche Partei mit der Terminierung am gemeinsamen Christopher-Street-Day (CSD) in Mannheim und Ludwigshafen aus.

Nachdem bekannt wurde, dass die AfD eine große zentrale Wahlkampfveranstaltung in der pfälzischen Großstadt plante, formierte sich ein breites linkes Bündnis zum Gegenprotest. Neben dem Netzwerk gegen Rechte Gewalt und Rassismus, Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar, Omas gegen Rechts beteiligten sich die Parteien Die Linke, die Jusos, die Grüne Jugend. Mit dabei waren auch die Naturfreunde Jugend und der DGB. Auch die Interventionistische Linke Rhein-Neckar (IL) und das Offene Antifaschistische Treffen Mannheim (OAT) riefen zum Protest auf. In der Spitze störten dann auch ca. 200 Antifaschist*innen lautstark die Hetze der AfD-Redner*innen. Kurzfristig machte dann auch die CSD-Fahrrad-Demo einen unangekündigten Abstecher zum Europaplatz, um der offenen Provokation der AfD gegen die queere Community entgegenzutreten. Der spontane bunte Auftritt unter der Regenbogen-Fahne auf dem Versammlungsplatz der AfD irritierte erkennbar Sympathisant*innen, wie Polizist*innen gleichermaßen und löste Jubel bei der Gegendemo aus.

Während die Ankündigung der AfD ein in Ludwigshafen selten zu sehendem gemeinsamem Auftreten linker Kräfte auslöste, floppte die Wahlkampfveranstaltung grandios. Nur gut 50 Rechte wollten die Rede des AfD-Bundessprechers Tino Chrupalla hören. Zum größten Teil waren dies bekannte AfD-Kader der Region. Da sich das rechte Häuflein, die meiste Zeit in den Schatten verzog, ergab sich ein trostloses Bild vor der imposanten Bühne auf dem Europaplatz. Da der wohl schönste Platz Ludwigshafens etwas abseits hinter dem Rathauscenter liegt, verloren sich auch keine Passanten zur AfD-Veranstaltung. Von den Redner*innen Tino Chrupalla, Sebastian Münzenmaier und Stefan Scheil (Wahlkreis-Direktkandidat) hörten wir nur die bekannte langweilige Hetze gegen die „Altparteien“, insbesondere gegen die Grünen. Mit ihrem Rassismus und der konsequenten Leugnung des menschengemachten Klimawandels biedert sich die Spießbürger-Parte den ewig Gestrigen an und ist keine Alternative für eine lebenswerte Zukunft. Die als homophob bekannte Nicole Höchst war sich nicht zu schade, unter der von der Kreisverwaltung gehissten Regenbogen-Fahne gegen den CSD und die LGBTQIA-Community zu hetzen. Nach nicht einmal einer Stunde war die groß angekündigte Veranstaltung der AfD dann auch schnell wieder zu Ende. Der Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Manfred Hartinger bat zum Schluss verzweifelt darum, dass nicht alle gleich gehen. Er wird nach diesem Desaster wohl so schnell keine zentrale Wahlkampfveranstaltung mehr nach Ludwigshafen holen.

Wie eng die Verbindungen der AfD zu bekannten Nazis ist, zeigte sich auch in Ludwigshafen. Bekannte Funktionsträger wie Manfred Hartinger oder Stadtrat Ralf Senck hatten keinerlei Berührungsängste mit Martina Helbig. Die frühere Beisitzerin ist inzwischen selbst der AfD Mannheim zu weit rechtsaussen. Für den von ihrem betriebenen Telegram-Kanal „Patrioten Mannheim“ machte sie eifrig Fotos. Dort postet sie rechtsextreme Hetze der übelsten Sorte vor allem gegen Muslime, Geflüchtete und die von ihr verhasste Antifa.


Fazit. Der zentrale Wahlkampfauftakt der AfD für die Pfalz in Ludwigshafen wirkte trotz großem technischem Aufwand und prominenten Redner*innen lustlos und wenig motivierend. Die selbsternannte rechtsextreme Straßenpartei konnte nur noch wenige Anhänger*innen mobilisieren ohne dass ein Funke übersprang. Die breite Gegenmobilisierung und der erfrischende Auftritt der CSD-Community machen Hoffnung, dass sich die AfD auch in Ludwigshafen auf dem absteigenden Weg in der Wählergunst befindet.

(Bericht und Fotos: Markus Schulz)

Weitere Bilder des Tages:




Glosse: Wie beim alternativen Monopoly – AfD Ludwigshafen kauft Verliererstrasse und Antifa besetzt öffentlichen Raum (mit Bildergalerie)

Die für Skandale und Randale bekannte AfD in Ludwigshafen war sich am 17.07.2021 nicht zu schade, erneut wieder ihre „Deutschland normal“-patriotischen Hinterbacken zusammen zu petzen und vor den Fremdkörper „Bürgerbüro“ zu flüchten. Erneut gab es einen, der leider nur sehr seltenen Prosteste gegen die blaune Partei in meiner Geburtsstadt.

 

 

„Unser Land, unsere Regeln / Bashing gegen alle Parteien/ Unser Land, unsere Renten / Die ganze Welt retten, erstmal Deutschland retten“

Mit stramm rechts-nationalen, einem heftigen Würgreiz generierenden Aufschlag zur Bundestagswahl 2021, rotzt die lokale AfD mit solchen Slogans rum. Einfach nur wiederlich.

AfD und IB kein Problem – oder doch?

Total enspannt könnte man sein wegen der Outfits der alten, grauen Afden. Jedoch, wenn ein junger und hipper Funktionsträger der Partei ein Shirt der Marke Peripetie trägt, die aktuell mega angesagt ist in der Neu-Rechten-Szene, dann poppen spätestens auch bei mir Fragzeichen hoch. Deutlicher kann die AfD ihre „Sympahtie“ zur IB und zur „Neuen Rechten“ nicht zu Tage tragen. Und ich will jetzt im Anschluss keine Fragen lesen. Ich bin wütend.

KVD in LU ziemlich Banane

Nichts gegen die Südfrucht. „Bei der AfD handelt es sich um eine politische Veranstaltung“ – okay, deren gescheiterten Wahlkampfstand. Maskenpflicht und Abstandsregeln galten dort nicht. Umarmungen und Küsschen verteilen total (nicht) okay. Wow und weshalb nicht?  Seid ihr doof oder parteiisch? Und aus welchem Grund wurden die Protestierenden mehrfach monoton drauf hingewiesen: „Mundschutz und Abstandsregeln sind einzuhalten…“ Sonst droht was?…Unfassbar….Ich bin noch wütender, wenn ich mir überlege, dass die neue Kameraüberwachung am Fremdkörper „Bürgerbüro“ bislang noch gar nicht vermutlich von offizieller Stelle gecheckt wurde. Wer kümmert sich darum, bei der Stadtspitze nachzufragen? Meine Banane kann ich nicht mehr fragen, habe die Fairtradefrucht heute verspeist. Versuche es morgen mit einer Kiwi, die wahrscheinlich mehr zu sagen haben wird, wie OB Jutta Steinruck.

Danke, liebe Antifa…

dafür, dass rund 4 Dutzend vorbildliche DemokratInnen, egal welcher Coleur, über Stunden friedlich aber laut den Neo-Faschos gezeigt haben, dass sie in LU dauerhaft keinen Platz haben werden; so meine Hoffnung. Das habt ihr super gemacht. Weiter so und bleibt stabil. Da geht noch mehr. Bin jetzt nicht mehr ganz so wütend, wie anfangs. Alerta, alerta Antifacista – fast ganz LU hasst die AfD.

(Glosse und Fotos: Rick de la Fuerte)

 

 

 

 




Solidarisch nicht alleine: Der 1. Mai im Netz und auf der Straße [mit Bildergalerie und Video]

Kundgebung mit Abstand auf dem Marktplatz

Die Absage der traditionsreichen Veranstaltungen zum 1. Mai schmerzte auch viele Gewerkschafter*innen in Mannheim. Schon früh hatte der DGB angekündigt, dass Demo und Fest auf dem Marktplatz im Corona-Jahr 2020 nicht stattfinden können. Stattdessen gab es einen Livestream, der Protest wurde ins Netz verlagert. Das Motto sollte Mut machen: Solidarisch ist man nicht alleine.

Im Zuge der jüngsten Entwicklungen, wonach politische Versammlungen unter besonderen Sicherheitsmaßnahmen durch die Behörden gestattet werden müssen, hatte sich ein Aktionsbündnis 1. Mai gebildet, initiiert von Gewerkschafter*innen und politisch Aktiven, das zu einer bewusst klein gehaltenen Kundgebung auf dem Marktplatz aufgerufen hatte.

DGB Veranstaltungen im Netz

DGB Regionsvorsitzender Lars Treusch beim Livestream aus dem Capitol | Bild: Screenshot Facebookseite DGB Nordbaden

Eigentlich bietet die Corona-Krise viele Anlässe, die Forderungen der Gewerkschaften auf die Straße zu tragen. Steigende Arbeitslosigkeit, Streit um die Höhe des Kurzarbeitergeldes, das Ringen um staatliche Hilfen und die politische Diskussion um die Abwägung zwischen Freiheit der Wirtschaft und Gesundheitsschutz der Bevölkerung, insbesondere natürlich der Beschäftigten in Risikoberufen.

Der DGB verlagerte seine Botschaften komplett ins Netz. Am Vorabend gab es einen Livestream mit Botschaften von Gewerkschafter*innen, dem Oberbürgermeister und einem Kulturprogramm aus dem Capitol. Am Morgen des „Tag der Arbeit“ folgte das Hauptprogramm des DGB zunächst mit einer Stunde Programm des Landesverband Baden-Württemberg. Anschließend gab es den professionell gestalteten Stream aus Berlin. Trotz aller Mühen und des hohen Aufwands, muss man feststellen, dass eine digitale 1. Mai Feier kein würdiger Ersatz für bewährte Traditionen der Gewerkschaften ist. Die Klickzahlen der Videostreams lassen vermuten, dass man mit der digitalen Variante nur einen Bruchteil der Menschen erreichen konnte, die sonst zu tausenden auf die Gewerkschaftsfeste in den Städten strömen.

Aktionsbündnis 1. Mai auf der Straße

Im Interview betonte Mitorganisator Wolfgang Alles vom Aktionsbündnis 1. Mai, man wolle mit der Kundgebung am Nachmittag keine Konkurrenzveranstaltung zu den Internet-Aktivitäten des DGB machen. „Es ist ein kleiner Versuch, in der Öffentlichkeit Flagge zu zeigen“. Bei der Planung seien DGB und Einzelgewerkschaften im Vorfeld informiert worden. Und tatsächlich fanden sich auch Mitglieder der DGB-Gewerkschaften auf dem Marktplatz ein.

Mit Abstand, Mundschutz und weiteren Sicherheitsmaßnahmen bemühten sich Veranstalter*innen und Teilnehmer*innen, eine verantwortungsvolle Kundgebung im Sinne des Infektionsschutzes durchzuführen. Erfahrung brachten viele schon von einer Aktion der Initiative Seebrücke mit, die einige Tage zuvor stattgefunden hatte (KIM berichtete).

YouTube Video

Videobeitrag: Interview mit Wolfgang Alles, Mitorganisator des Aktionsbündnis 1. Mai

„Lindner, Gauland, Schäuble, Palmer und Co gefährden Menschenleben für die Wirtschaft“

Bei der Kundgebung auf dem Marktplatz sprachen unter anderem Helmut Schmitt, zum Thema Betriebsratsmobbing, Daniel Leuthner (Bombardier) über mögliche Wege aus der Wirtschaftskrise, Maria Rigot (Bündnis gegen Abschiebungen) über die Situation der Geflüchteten, Hedwig Sauer-Gürth (Friedensplenum) zu den geplanten Anschaffungen von Kampfflugzeugen durch die Bundesregierung und Roland Schuster (Initiative Solidarität mit Rojava) über die politische Situation zum 1. Mai in der Türkei und den kurdischen Gebieten. Musikalisch wurde die Veranstaltung von Bernd Köhler und anderen begleitet.

Redner*innen der Kundgebung am 1. Mai

Moderator Wolfgang Alles betonte anschließend im Gespräch mit dem KIM, dass man die Lockerungen in der Corona-Krise genau beobachten müsse: „Die wirklich Gefährlichen sind Lindner, Gauland, Schäuble, Palmer und Co.“ Sie würden für die Interessen der Wirtschaft Menschenleben gefährden. Der Schutz der Menschen und ihrer Gesundheit müsse aber im Vordergrund stehen.

An der Kundgebung des Aktionsbündnis 1. Mai nahmen ca. 200 bis 300 Menschen teil. Sie wurde nach etwas mehr als einer Stunde beendet.

… und der Rest des Tages

Die Kundgebung des Aktionsbündnis 1. Mai war nicht die einzige an diesem Tag. Zur Vollständigkeit muss noch eine Kundgebung Marxistisch-Leninistischer Parteien am Vormittag erwähnt werden, an der gut 100 Personen teilnahmen, die mit roten Fahnen über den Marktplatz verteilt standen. Am späteren Nachmittag versammelten sich auf dem Marktplatz 20 bis 30 Personen, die dem Milieu der „Corona-Leugner*innen“ zugeordnet werden müssen. Diese Versammlung war nicht angemeldet und wurde nach ca. einer halben Stunde von der Polizei beendet. Über die Bewegung der „Corona-Leugner*innen“ oder „Corona-Rebellen“ laut Selbstbezeichnung wird KIM in einem weiteren Artikel berichten.

(Text: cki / Bilder: cki/hr)

 

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VVN-BdA Worms/ Bündnis gegen Naziaufmärsche: „Machtergreifung 1933“ und Proteste am 06. Juni 20 gegen Nazi-Aufmarsch

(Symbolbild)

Am 28.01.20 hatte der Kreisverband der VVN-BdA Worms-Alzey zur einer Diskussionsveranstaltung in die Räumlichkeiten des DGB in Worms eingeladen. Thematisch standen auf dem Programm ein Vortrag „Machtübergabe 1933 und die Konsequenzen nach 1945“ und Informationen zu geplanten Protesten am 06.06.20 gegen den Aufzug von Rechtsextremen unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft“.

 

Der Vortrag

Im Vordergrund standen die Umstände, die es möglich machten, dass die NSDAP an die Macht kam. Reiner Schalk sprach in seinem Referat davon, dass Reichskanzler Hindenburg erheblich unter Druck, u.a. durch seinen Sohn, der Hitler verehrte, stand und es der NSDAP finanziell gar nicht gut ging. Die Nachwehen der Weltwirtschaftskrise trugen auch dazu bei, dass die NSDAP an die Macht kommen konnte. Ebenso wie die Schwäche politischer Parteien dem Aufstreben der faschistischen NSDAP entschieden entgegen zu treten. Nach 1945, so der Vortrag, scheiterte die Entnazifizierung daran, dass Alt-Nazis ungehindert in die neue Bundesregierung und deren Verwaltungsapparat durchgereicht wurden. Die Konsequenzen dieser Politik zeigen sich bis heute anhand von geschilderten Beispielen: NSU 2.0, Ermordung von Walter Lübcke, Haltung des Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen und die versuchte Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA.

Im Anschluss an den Vortrag wurde der Dokufilm über Fritz Bauer gezeigt. Bauer war Jurist und bis 1968 Generalstaatsanwalt in Hessen. Seine Ermittlungen führten trotz aller damaliger Widerstände zum Eichmann-Prozess. Der Naziverbrecher Eichmann wurde 1962, nach einem öffentlichen Prozess, in Israel hingerichtet.

Block TddZ am 06. Juni 2020

Das Wormser Bündnis „Gegen Naziaufmärsche“ plant gemeinsam mit dem KV der VVN-BdA verschiedene Protestaktionen unter dem Motto „„Aufstehen für Demokratie-gegen Neonazis“. In Worms gibt es zusätzlich noch das Bündnis „Block TddZ“. Dem Anschein nach kennen sich die Bündnisse untereinander. Von einer Kooperation kann man derzeit nicht sprechen. Um dem gemeinsamen Anliegen Nachdruck zu geben, sollten die Antagonisten dazu umschwenken gemeinsame Sache zu machen. Beim „TddZ“ (Tag der deutschen Zukunft) handelt es sich um alljährliche Aufmärsche der extremen Rechten in Deutschland (z.B. 2016 in Dortmund, 2017 in Karlsruhe-Durlach, 2018 in Goslar und 2019 in Chemnitz). Zuletzt schwand das Mobilisierungspotenzial der Rechtsextremen bei vergleichbaren Aufzügen deutlich. Worms könnte aber aufgrund seiner Lage und dem rechtsextremen Spektrum in geografischer Nähe (Vorder- und Westpfalz, Saarland, Südhessen, Nordbaden und Rhein-Neckar-Raum) zu einem Anziehungsort für Rechtsextreme am 06. Juni 2020 werden.

 

(Bericht mit Material einer PM und Fotos: Christian Ratz)