„Bundesweit einmalige Großübung“ in Mannheim für den Fall eines Biowaffen-Angriffs (mit Video und Bildergalerie)

Wie andere Medien auch berichten wir über die am 26.09.19 statt gefundene Großübung. Des Weiteren gehen wir der Frage nach, warum die Großübung in Mannheim stattgefunden hat, ebenso der Frage nach dem größeren Zusammenhang, in der diese Großübung zu sehen ist und welche Ziele der „spiritus rector“, der Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU), hierbei verfolgt. Über diese Fragestellungen wurde in diesem Kontext bisher nicht von anderen Medien berichtet.

 

„Behörden in Baden-Württemberg üben für den Fall eines bioterroristischen Anschlags“ 

In der Pressmitteilung vom 26. September 2019 schildert das Landeskriminalamt Baden-Württemberg folgendes Szenario:

„Beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg ermitteln Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen der Abteilung Staatsschutz gegen eine islamistische Zelle im Großraum Mannheim. Es ist Eile geboten. Kräfte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) stürmen zeitgleich die beiden Wohnungen der im Fokus stehenden verdächtigen Personen. In einer Wohnung entdecken sie einen leblosen Körper und stellen sofort fest, dass sie sich mitten in einem improvisierten Labor befinden. Die Verdächtigen experimentieren offensichtlich mit biologischen Kampfstoffen. Zudem stellen die Spezialkräfte eine funktionstüchtige Sprengstoffweste und Waffen fest.“ 

Bei dem Szenario wurde fiktiv unterstellt, dass in diesem Labor das hoch giftige, toxische Rizin hergestellt wird, um einen tödlichen Anschlag auf tausende von Menschen durchzuführen.

Der Innenminister und die Vertreter des LKA betonten mehrfach , dass es keine konkreten Gefahrenhinweise gäbe. Jedoch müsse man sich trotzdem auf solche Szenarien vorbereiten, da in Köln-Chorweiler im Juni 2018 genau eine solche islamistische Zelle ausgehoben worden ist, bevor sie ihre geplanten Bio-Anschläge umsetzen konnte. Der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter findet gerade beim Oberlandesgericht Düsseldorf statt. „Wir wollen niemanden Angst machen, aber wir müssen auf das Schlimmste vorbereitet sein“, so der Präsident des baden-württembergischen LKA, Ralf Michelfelder.

Ralf Michelfelder, Präsident des baden-württembergischen LKA

In Mannheim wurden für die Großübung, mit der Bezeichnung „BAO Salus“ unter Führung des LKA rund 150 Personen eingesetzt. Diese kamen vom LKA, von Polizei, Staatsanwaltschaft, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Landesgesundheitsamt, Gesundheitsamt Mannheim und von den Rettungsdiensten. Ebenso war aus Berlin eine Beratergruppe des Robert-Koch-Instituts für biologische Einsatzlagen vor Ort. Dem Polizeipräsidium Mannheim und dem Krisenstab der Stadt Mannheim oblag die Gesamteinsatzleitung. Allerdings, so der Eindruck, ist das eher eine Formalie gewesen. Die Federführung vor Ort hatte eindeutig das LKA und der Innenminister. Das Hauptziel der Großübung war die „reibungslose Kooperation verschiedener Behörden und eine enge und gute Zusammenarbeit mit den Spezialisten vor Ort“.

Warum Mannheim als Standort dieser Großübung?

Von Strobl wurde gesagt, dass sich Mannheim mit dem Konversionsgelände des Benjamin Franklin Areals für eine solche „bundesweit einmalige Großübung“ besonders eignen würde. BM Frau Dr. Freundlieb (SPD) ergänzte „wir (die Stadt Mannheim; Anm. d. Red.) freuen uns als Standort ausgewählt worden zu sein“. Die Frage, weshalb ein Gelände in Nähe von Wohngebieten und mit dem Columbus-Areal ein Ort an dem Geflüchtete untergebracht sind ausgewählt wurde, blieb unbeantwortet. Auf genaueres Fragen hin ist jedoch ein anderer Grund für die Standortwahl zu erkennen gewesen. Die Feuerwehr Mannheim ist bundesweit einer von nur acht Standorten und einziger Standort in Baden-Württemberg, der mit einer ATF-Kompetenz (Analytische Task Force) ausgestattet ist. Die Feuerwehr Mannheim stellt hierzu auf ihrer Webseite fest:

„Aufgabe der ATF ist die Aufklärung von Schadensereignissen, bei denen mit der Freisetzung von radioaktiven Stoffen, biologischen Agenzien oder gefährlichen Chemikalien gerechnet werden muss. Von Seiten der Feuerwehr Mannheim wird das Einsatzpersonal und der Basisteil der technischen Ausrüstung gestellt, auf den das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hochmoderne Analysentechnik aufsetzt.“

Innenminister Strobl räumte ein, dass diese Übung nur sehr schwer in dieser Form in einer anderen Stadt hätte durchgeführt werden können. Weshalb die Mannheimer Feuerwehr mit dieser Kompetenz ausgestattet ist, darüber kann man nur spekulieren. Vermutlich ist es die Nähe Mannheims zu chemischen, biologischen und nuklearen Großanlagen.

In welchen größeren Zusammenhang ist die Mannheimer Großübung einzuordnen?

„Unsere Sicherheitsarchitektur steht heute vor ganz neuen Herausforderungen: Der internationale Terrorismus stellt nach wie vor eine abstrakte Bedrohungslage dar. Die Digitalisierung öffnet Einfallstore für Cyberkriminalität. Darüber hinaus können wir nach wie vor Opfer klassischer Großschadenslagen durch Gasmangel, Stromausfall oder Unwetter werden. Darauf müssen wir unsere Sicherheitspolitik einstellen und fokussieren“, sagte Innenminister Thomas Strobl. „Das Land Baden-Württemberg tut dies mit zahlreichen Großübungen von Polizei und Bevölkerungsschutz, vernetzt über viele Ministerien und nachgeordnete Behörden hinweg. Allein 2019 findet eine Vielzahl verschiedenster größerer Übungen statt, mit denen wir unsere Strukturen zur Bewältigung besonderer Schadenslagen einem Belastungstest unterziehen. Sie sind damit ein fester Bestandteil der Arbeit von Feuerwehr, Rettungsdienst, Bevölkerungsschutz und Polizei – und ganz wichtige Grundlage zur bestmöglichen Aufstellung des Landes in diesem Bereich.“ 

Video – Pressetermin: Behörden in Baden-Württemberg üben in Mannheim für den Fall eines bioterroristischen Anschlags. IM Thomas Strobl spricht zu MedienvertreterInnen

 

Die Arbeit von Strobl wird vom Ministerpräsidenten anscheinend unterstützt:

 „Vorsorge zu treffen ist in vielen Bereichen unerlässlich, so auch im Katastrophenschutz. Es ist uns wichtig, dass wir auf den Ernstfall so gut wie möglich vorbereitet sind, auch wenn wir inständig hoffen, dass er nicht eintritt“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Die Grünen) im Anschluss an eine kürzlich stattgefundene Sitzung des Ministerrats.

Wie die Landespresse berichtet will Innenminister Strobl noch in diesem Jahr ein sogenanntes präventives Sicherheitskonzept für diese Gefahrenlagen einbringen. Für diese Ziel will er „lokale Sicherheits-konferenzen“ regelmäßig durchführen. Großübungen wie in Mannheim dienen diesem Ziel.

Welche konkreten Ziele verfolgt Innenminister Strobl?

Im Oktober dieses Jahrs wird eine noch größere Übung als in Mannheim stattfinden. Am Bundeswehr-Standort Stetten am Kalten Markt wird es eine Großübung mit 2000 Einsatzkräften geben

Die Übung läuft als Terrorismus-Abwehr-Übung BWTEX. Das Besondere hierbei ist, dass der Einsatz der Bundeswehr mit Beteiligung von Feuerwehr, Rettungsdiensten, Bevölkerungsschutz, und Polizei erprobt wird.

Dem Ziel, die Bundeswehr grundsätzlich auch im „Inneren“ einzusetzen, will Innenminister Strobl näherkommen. Dieses Ziel hat der Innenminister auch gegenüber der Presse in Mannheim geäußert. Da er weiß, dass der Einsatz der Bundeswehr politisch umstritten ist und auch die Verfassungskonformität angezweifelt wird, hat er gleich schon mal angekündigt: „Natürlich im Rahmen des Grundgesetzes.“

Ein weiteres Thema von Strobl ist der freiwillige Polizeidienst. Laut Koalitionsvertrag soll dieser auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden. Die CDU fordert, dass die Polizei-Freiwilligen nicht nur uniformiert, sondern auch bewaffnet werden. Noch scheint dies ein Streitpunkt innerhalb der Koalition zu sein.

Unter Berücksichtigung all dieser Fakten kann man zu der Feststellung kommen: Großübungen wie in Mannheim und in Stetten am Kalten Markt sollen zum weiteren Ausbau des Sicherheitsstaates genutzt werden. Sie führen nicht zu mehr Sicherheit, sondern tragen zur Militarisierung der Gesellschaft bei. Konkretes Ziel der Oppositionskräfte in gewählten Parlamenten und von zivilgesellschaftlichen Bündnissen sollte sein, den generellen Einsatz der Bundeswehr im Innern und die Einführung eines bewaffneten Polizeifreiwilligendienstes mit demokratischen Mitteln zu verhindern.  

 (Bericht: Roland Schuster / Fotos und Video: Christian Ratz)

Fotogalerie:




Für die Pressefreiheit und gegen rechte Fake-News

Mehr als 150 Personen folgten dem Aufruf der Initiative „Freunde der Pressefreiheit“ in Ludwigshafen/Rhein um am 21.07.18 gegen den Aufzug des ausländerfeindlichen, rechtslastigen „Frauenbündnis Kandel“, um deren Sprecher Marco Kurz, vor dem Verlagsgebäude Der Rheinpfalz in der Amtsstraße zu protestieren. Das Frauenbündnis konnte nach eigenen Beobachtungen und Polizeiangaben weniger als 50 Teilnehmer mobilisieren.

 

Angriff auf die Pressefreiheit und großes Wehklagen

Das Frauenbündnis Kandel sieht sich, nach eigenen Angaben, von Medien entweder gar nicht berücksichtigt oder falsch wiedergegeben. Als Feindbild Nummer eins hatte man sich an diesem Tag Die Rheinpfalz ausgesucht, um gegen die Berichterstattung der Tageszeitung, die als falsch, einseitig, politisch beeinflusst und diffamierend kritisiert wurde zu Felde zu ziehen. Man wolle sich, so Marco Kurz bei seiner Rede u.a., künftig nicht mehr in die rechte Ecke stellen lassen. Die Demonstrationen des Frauenbündnisses, immer noch mehrheitlich von Männern dominiert, würde in Kandel und anderenorts für den Schutz von Frauen und Kindern und gegen eine, von ihm unterstellte, verfehlte Migrationspolitik auf die Straßen ziehen. Man wolle dies solange tun bis die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen wurden. In dieselbe Kerbe schlugen auch zwei RednerInnen des sogenannten Frauenbündnisses, die als Nicole und Julia präsentiert wurden. „Messermordende und mit Lkw’s in Menschenmengen fahrende Asylantragsteller“ würden die Sicherheit der Bevölkerung in Gefahr bringen. Von Marco Kurz wurde der Vorwurf geäußert, dass die Presse jährlich mit Millionenbeträgen von politischen Parteien mittels Werbeanzeigen „gekauft“ würde. Als Quelle für diese Behauptung nannte er den in rechten Kreisen beliebten News Blog „Jouwatch“. Am Beispiel der Rheinpfalz arbeitete sich der Redner daran ab, dass diese Tageszeitung in ihrer Berichterstattung über das Frauenbündnis gleich mehrfach gegen den geltenden Pressekodex verstoßen würde. „Lügenpresse, Lügenpresse“ skandierten daraufhin die ca. 30 TeilnehmerInnen, die sich als Mehrheit des Volks sahen. Kritisiert wurde weiterhin, dass Gewerkschaften und „Systemparteien“ gemeinsame Sache mit Linksextremisten machen würden. Beklagt wurde von Marco Kurz die nicht erfolgte Unterstützung durch die Ludwigshafener Bevölkerung „die scheinen wohl alle zu schlafen“.

NPD-Redner beim Frauenbündnis

Nicht mehr in die rechte Ecke stellen wolle sich das Frauenbündnis lassen. Vierter und letzter Redner an diesem Tag war ein im Rhein-Neckar-Raum bekannter NPD-Aktivist, der sich am Mikrofon als Reiner Berberich aus Mannheim vorstellte. Auch er verbreitete seine dumpfen Parolen. Latent bedrohlich klang es, als er namentlich den Vorsitzenden der Mieterpartei Mannheim und den Sprecher der Bündnisregionalgruppe Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar nannte und bekannt gab, dass man alles über diese beiden Personen wissen würde. Vor einigen Wochen schrieb der Redner in einem sozialen Netzwerk, dass sich die Dossiers über diese beiden Personen immer weiter füllen würden.

Solidarischer Protest gegen rechte Fake-News

Die Freunde der Pressefreiheit konnten eine bunte, laute und deutliche Gegenkundgebung auf die Beine stellen. Mehr als 150 Personen nahmen an der Veranstaltung teil. Parteien- und Organisationen übergreifend zeigte man starke Solidarität mit Der Rheinpfalz und trat damit vehement für die Pressefreiheit ein. Gelungen ist es den Organisatoren und den TeilnehmerInnen auch ein deutliches Zeichen gegen den Aufzug des rechtslastigen Frauenbündnisses zu setzen; dieses war in Ludwigshafen überhaupt nicht willkommen. Klare und zum Teil mahnende Worte wurden in den Redebeiträgen von Jutta Steinruck, OB Ludwigshafen (SPD), den Stadträten Hans-Uwe Daumann (Die Grünen) und Daniel Beiner (CDU), der MdB Doris Barnett (SPD), Bernhard Braun (Fraktionschef der Grünen im Mainzer Landtag), einem Sprecher der Naturfreunde-Jugend, Rüdiger Stein (DGB) und Sylvia Schaich (Die Linke, KV Frankenthal) gesprochen. Im Kern waren sich alle RednerInnen einig: In Ludwigshafen sei kein Platz für rechte Hetzerei, rechten Wirrköpfen, wie dem Frauenbündnis, dürfe man nicht die Straße überlassen, eine freie und unabhängige Presse ist Bestandteil einer Demokratie, rechten Kreisen, die in Parallelwelten leben, müsse entschieden entgegen getreten werden, Demonstrationen, die an die SA-Aufzüge der Nazis in den 1930’er-Jahren erinnern, und sich gegen die Pressefreiheit richten dürfen nicht unbeantwortet bleiben.

Der vielfältige und antifaschistische Gegenprotest wurde u.a. unterstützt von „Männerbündnis Kandel“, „Kandel gegen Rechts“, OAT Mannheim und den Büdnisregionalgruppen Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar, Südpfalz und Weinheim/Bergstraße u.v.m..

Nach Polizeiangaben verliefen beide Kundgebungen friedlich. Lediglich beim Abzug des Frauenbündnis soll in der Bahnhofsstraße ein pyrotechnischer Gegenstand gezündet worden sein. Personen, die die Polizei dem linken Spektrum zuordnete, erhielten Platzverweise.

 

(Bericht: Christian Ratz – Fotos: Erik Butz und Christian Ratz)

 

Weitere Bilder des Tages:

Freunde der Pressefreiheit

Frauenbündnis

 




Nie wieder: Mit Schreckschusspistolen, Schlagstock und Reizgas zur Demo [mit Bildergalerie und Glosse]

Kandel – 07.07.18

Nach offiziellen Angaben nahmen rund 600 Personen an den vier angemeldeten Kundgebungen am vergangenen Samstag teil. Etwa 500 PolizeibeamtInnen befanden sich im Einsatz. Anlass der Kundgebungen war der erneute Aufzug des rechts-nationalen, migrationsfeindlichen „Frauenbündnis Kandel“, mehrheitlich durch Männer auf der Straße vertreten. „Die Partei“, das „Männerbündnis Kandel“ und „Wir sind Kandel“ setzten unterschiedliche Schwerpunkte bei ihren Protest-Veranstaltungen.

 

Rassistischer Angriff von Rechten führt zu Festnahmen – KIM-Reporter wird von einem „Polizeibeamten“ angegangen

Gemäß einer Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Rheinpfalz verliefen die Veranstaltungen insgesamt friedfertig. Dies deckt sich auch mit unseren Beobachtungen, die wir den Tag über machen konnten.

Die Polizei berichtet: „Es kam nur zu einem erwähnenswerten Vorfall. Auf der Hauptstraße beleidigte gegen 13.30 Uhr ein 30-jähriger Karlsruher einen 25-jährigen aus Trier. Bei der sich anschließenden Identitätsfeststellung leistete der 30-Jährige gegen die Einsatzkräfte Widerstand und beleidigte eine Polizistin. Bei dem 30-jährigen Tatverdächtigen konnten die Polizisten schließlich eine geladene Schreckschusswaffe und ein Teleskopschlagstock auffinden. Auch die 63-jährige Begleiterin des Karlsruhers hatte eine geladene Schreckschusspistole und Pfefferspray dabei. Die Waffen wurden sichergestellt. Gegen die beiden Tatverdächtigen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, der 30-Jährige muss sich wegen Beleidigung, Verstoß gegen das WaffG und gegen das Versammlungsgesetz, die 63-Jährige wegen der Verstöße gegen das Waffengesetz und Versammlungsgesetz verantworten.“

Augenzeugen zufolge, wurde von den beiden Personen, gegen die polizeilich ermittelt wird, und die dem Unterstützerumfeld des „Frauenbündnis Kandel“ zugerechnet werden könnten, eine Person aufgrund seiner Hautfarbe rassistisch beleidigt und als „Nigger“ beschimpft.

Ein vermeintlicher „Polizeibeamter“ verlangte von einem KIM-Reporter dessen Presseausweis sehen zu wollen. Als dieser den „Beamten“ nach dessen Dienstausweis fragte, musste dieser passen. Die hinzugerufenen Polizeibeamte nahmen sich der Sache an. Der polizeiliche Staatsschutz wird inzwischen wohl gegen diese Person ermitteln, die sich fälschlicherweise als Polizeibeamter ausgab und damit versuchte die Pressearbeit zu behindern.

„Falscher“ Polizeibeamter

In der Sache geeint, in den Farben getrennt?

Kandel ist seit einem Gewaltverbrechen, bei dem eine junge Frau Ende Dezember 2017 von ihrem Ex-Freund, einem Asylantragsteller, ermordet worden sein soll, Schauplatz regelmäßiger Aufzüge aus dem rechten Spektrum. Nur mühsam entwickelte sich in der Kleinstadt etwas, was der Beobachter als Widerstand dagegen bezeichnen kann. (Siehe hierzu unsere Glosse zum Thema).

Drei Gegenkundgebungen fanden an diesem Tag statt: Die Partei, das Männerbündnis Kandel (Fokus Marktplatz) und Wir sind Kandel (am Saubrunnen) mobilisierten mehr als 400 Menschen. Unterstützung kam zusätzlich durch die Kunstaktion „Mauer gegen rechts“ in der Lauterburgerstrasse, an der Marschroute des rechtslastigen, Reichsbürger nahen „Frauenbündnis“, realisiert von Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz mit Unterstützung von AgR Rhein-Neckar.

Sämtliche RednerInnen bei den verschiedenen Kundgebungen gegen die regelmäßigen Aufläufe aus rechten Milieus, sprachen sich vehement und nachhaltig gegen jede Form von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus aus. Beispiele:

Dr. Bernhard Braun (MdL, Die Grünen) warnte bei seiner Rede am Saubrunnen davor, dass Rassisten unter dem Deckmantel der Anteilnahme gesellschaftliche Spalterei betreiben. Seinen Worten zufolge ist die Landesregierung in Mainz weiterhin zutiefst betroffen, was das Gewaltverbrechen in Kandel angeht. Kandel werde man auch in diesen Zeiten nicht alleine lassen.

Dr. Dennis Nitsche (OB Wörth, SPD) sprach sich auf dem Marktplatz klar und deutlich für eine offene und bunte Gesellschaft in Kandel, so wie er sie aus Wörth kennt, aus. Der Redner dankte wörtlich der „Antifa“ für den dauerhaften Einsatz in Kandel, was die Verteidigung demokratischer, rechtsstaatlicher Prinzipien angeht und für den Schutz der aus rechten Lagern angegriffenen Bürgermeister und Medienvertretern. Seine klare Ansage war sinngemäss „Für ein geeintes Europa und für eine unabhängige und kritische Presse“.

 

Laut, bunt und kreativ vs. dumpf-nationalistisch „verkurzt“

Dumpf-hohl bis rhetorisch nahezu NSDAP-gleich klangen Reden und Lieder beim nur mäßig besuchten monatlichen Auflauf des beim Marsch 2017 gescheiterten Marco Kurz und seinem sogenannten „Frauenbündnis“. Damit ist auch Kurz in der Z-Klasse der rechten „Promi“-Redner angekommen. „Man lädt sich halt gegenseitig ein.“

„Marco muss weg“ war auf einem Schild zu lesen. „Kurz“ musste am 07.07.18 eine abgekürzte Route laufen. Laute, kreative Buntheit werden wahrgenommen. Nachhaltigkeit und dauerhafte ehrliche Arbeit gegen rechte Extremisten und besorgte BürgerInnen vor Ort lässt weiter zu wünschen übrig. Die BürgerInnen, die sich noch mehrheitlich verstecken, gilt es zu motivieren. Es wird eine Herkulesaufgabe für „Wir sind Kandel“ werden, um sich als gesellschaftlicher, antifaschistischer Anker zu beweisen. Charta hin oder her.

Antischafistische Unterstüzung kam an diesem diesem Tag u.a. aus Mannheim, Karlsruhe und Landau. Fahnen und Banner zeigen lautet auch diesmal das Motto.

Gegen die Pressefreiheit:

Das „Frauenbündnis“ unter der Regie von Marco Kurz beabsichtigt am 21.07. in Ludwigshafen/Rhein vor dem Verlagsgebäude der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ einen Protest auf die Straßen zu tragen. Ein geplanter Demozug soll bis zum Hauptbahnhof führen. Unseren Informationen zufolge mobilisiert sich der Gegenprotest in der Industriestadt, um klare Kante gegen rechts und eine Lanze für die Pressefreiheit zu zeigen.

 

Glosse:

Quo vadis, Kandel?

Ein südpfälzisches „Dorf“ und sein eigener politischer Selbstmord.

In Kandel kann man sich mittlerweile ziemlich sicher sein, der rechte Rand wird verharmlost. Die Stadtoberen haben es immer noch nicht erkannt, dass die Stadt längst mit dem Rücken zur Wand steht. Das Epizentrum der „Rechten“ in Süddeutschland ist Kandel schon längst geworden. Das Rathaus hat sich schulterklopfend selbst manipuliert. Da fallen dann schon mal starke Worte wie „es werden ja immer weniger“, „es sind ja nur noch 100“ und „bald gibt er auf, der Kurz“. Diese Naivität wird Kandel früher oder später gewaltig um die Ohren fliegen, es war schon immer so. Naivität hat ihren Preis. Und den wird auch Kandel zahlen.

„Wir sind Kandel“. An jedem Ortseingang ist es groß zu lesen. Aber wer oder was ist „Wir sind Kandel“? Wir fragen nach. Ist „Wir sind Kandel“ ein Stadtrat, der damit beschäftigt ist, die Schuldigen der Demonstrationen bei denen zu suchen, die für ein nazifreies Kandel auf die Straße gehen? Bei den Personen, die ihre Freizeit und Geld investieren? Bei den Personen, die für Menschenrechte, gegen Rassismus und für ein friedliches Miteinander stehen?

Ein Stadtrat der Gegendemos grundsätzlich als Missbrauch von Linksextremen sieht, ein Stadtrat der unwahre Behauptungen aufstellt, um seinen eigenen politischen Ansichten Nachdruck zu verleihen; ein Stadtrat der gezielte Gewalt gegen seine Bürger (3.3.2018) schweigend duldet, drei Silvesterböller aber als Sprengstoff verkauft, ein Stadtrat der alle friedlichen Gegendemonstranten pauschal als Linksextreme kriminalisiert, es aber gleichzeitig ignoriert und duldet das Rechtsextreme durch die Straßen von Kandel laufen?

Ist „Wir sind Kandel“ ein Stadtrat, der als Dank an die vielen Menschen, die für Kandel auf die Straße gehen, mit verschlossenen Toiletten oder der Verweigerung von Strom belohnt?

Ist „Wir sind Kandel“ ein Bündnis, welches sich aus Angst vor Entzug der Hilfe der Stadt Kandel nur bedingt zu einer Zusammenarbeit mit anderen Gruppen entschließen kann?

Ist „Wir sind Kandel“ ein Stadtrat, der damit beschäftigt ist, über Dritte an Unterlagen von Journalisten zu gelangen, über diese eventuell verwertbare Informationen über das eigene Feindbild Antifa zu erhalten, das es so aber in Kandel überhaupt nicht gibt?

Für einen Stadtrat, für den Infos über das rechte Spektrum hingegen völlig uninteressant ist. Ist „Wir sind Kandel“ der Stadtrat, der sich längst nicht mehr die Frage stellt: “Was ist da los?”, sondern: “Was machen wir als nächstes?” „Wie werden wir die linke Gegendemonstration los?“

Ist „Wir sind Kandel“ der Stadtrat, der sich einem so dringend benötigten Austausch und Dialog entzieht?

Es scheint, als habe man sich im Rathaus längst damit abgefunden, Deutschland nicht mehr als ruhiges Land, tolerant, bunt und lebenswert für alle Menschen wahrzunehmen, sondern als Hotspot rechter Gruppierungen, ein Land, das nicht mehr in der Lage ist, mit allen demokratischen Kräften Gesicht zu zeigen.

Fragen über Fragen. Im Rathaus Kandel ist es ziemlich dunkel, vielleicht würden neue, hellere Glühbirnen nützen. Kommunalwahlen stehen ja vor der Tür. Leider ist es aber auch so, dass Politiker wie Dr. Dennis Nitsche nicht auf den Bäumen wachsen. In Kandel braucht es keine Politiker, die nicht in der Lage sind, Situationen richtig einzuschätzen und lieber der Mehrheit der „Helfer*innen“ gegen rechts permanent vor die Füße spucken!

 

(Bericht: Christian Ratz – Glosse: John Brambach – Fotos/Video: Erik Butz, John Brambach und Christian Ratz)

 

Weitere Bilder des Tages:

 




Sozialquote für Mannheim – Presseinformationen von SPD Mannheim und Die Grünen Mannheim, Gemeinderatsfraktion

SPD MANNHEIM POCHT AUF QUOTE – FÜR BEZAHLBARES WOHNEN

Die SPD Mannheim hat sich auf ihrem Parteitag einstimmig hinter das 12- Punkte-Programm der Stadt Mannheim für bezahlbares Wohnen gestellt. Kernpunkt ist eine Quote von mindestens 30% preisgünstige Wohnungen bei Neubauprojekten und zwar ohne Ausnahmen auf Quartiersebene.

Im Hauptausschuss des Gemeinderates haben CDU, FDP, ML und ehemalige AfD die Umsetzung der Quote für bezahlbaren Wohnraum abgelehnt. Mit Blick auf die Abstimmung im Gemeinderat am 3. Mai erklärt SPD Vorsitzender Stefan Fulst -Blei: „Die CDU und ihr Vorsitzender und Bundestagsabgeordneter Löbel haben im Bundestagswahlkampf für bezahlbares Wohnen plakatiert. Das waren nur Lippenbekenntnisse, wie ihre Ablehnung der Quote im Hauptausschuss gezeigt hat. Wir erwarten deshalb, dass sie ihr Versprechen umsetzen und der Quote im Gemeinderat zustimmen. Nur so kann die Stadt steigende Mietpreise langfristig aufhalten. Der freie Markt hat an dieser Stelle versagt.“

Die Stellvertretende Vorsitzende Isabel Cademartori ergänzt: „Die Behauptung der Gegner, dass Mannheim durch eine Quote für Investoren unattraktiv wird ist angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre geradezu absurd. CDU, ML und FDP müssen nun zeigen, dass ihnen die Interessen der Menschen und Mieter dieser Stadt wichtiger sind, als die der Immobilieninvestoren.“

In seiner vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Ralf Eisenhauer eingebrachten Resolution bekräftigte der Parteitag, dass die SPD Mannheim sich Angriffen auf den Mannheimer Mietspiegel entschieden entgegen setzen wird und sich dauerhaft gegen Privatisierung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBG ausspricht.

SPD Mannheim


GRÜNE fordern mehr Tempo beim Bau von bezahlbarem Wohnraum

Neue Studie belegt die Lücke im Wohnungsangebot

Eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt den großen Mangel an sozialem Wohnraum in deutschen Großstädten auf. Auch für Mannheim weist die Studie eine erhebliche Versorgungslücke aus. Die Gemeinderatsfraktion von Bündnis 90/Die GRÜNEN fordert daher die konsequente Umsetzung des 12-Punkte-Programms.

„Studien der Hans-Böckler-Stiftung belegen zum wiederholten Male die Lücken auch im Mannheimer Wohnungsangebot. Bezahlbaren Wohnraum zu finden gleicht derzeit einem Glücksfall im Lotto. Es gilt also die 30 Prozent Quote und das 12-Punkte-Wohnbauprogramm konsequent und rasch umzusetzen. Wir wollen dabei aber auch auf Wohnqualität im Bau und im Wohnumfeld achten, die Warmmiete im Auge behalten und für soziale Durchmischung sorgen. Denn Wohnungsbau bei dem Menschen die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, an den Rand gedrängt werden ist nicht akzeptabel und würde den Sprengstoff der Zukunft schaffen“, so Stadtrat Gerhard Fontagnier, wohnungspolitischer Sprecher der GRÜNEN Gemeinderatsfraktion.

In der aktuellen und umfangreichen Studie „Wie viele und welche Wohnungen fehlen in deutschen Großstädten“ werden die sozialen Versorgungslücken nach Einkommen und Wohnungsgröße mehr als deutlich aufgezeigt. Dabei fehlen in den 77 deutschen Großstädten 1,9 Mio. bezahlbare Wohnungen – davon etwa 1,4 Mio. günstige Apartments unter 45 m² für Einpersonenhaushalte. Zu diesen Ergebnissen kommt die neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie. Demnach besteht ein besonders großer Mangel an bezahlbarem Wohnraum gemessen an den finanziellen Möglichkeiten der lokalen Bevölkerung.

In Mannheim ist dabei der Anteil der Wohnungssuchenden, die über weniger als 60 Prozent des Bundesmedianeinkommens verfügen, besonders hoch. Das entspricht der sogenannten Armutsgefährdungsschwelle mit ca. 1.000 Euro monatlich für einen Einpersonenhaushalt. In dieser Einkommensgruppe müssen laut der Studie 35.000 Haushalte und damit fast ein Viertel aller Haushalte mit entsprechenden Wohnungen versorgt werden. Die Studie hat für Mannheim eine Deckungslücke errechnet von rund 20.000 bezahlbaren Wohnungen im Einkommenssegment bis 80% des Bundesmedianeinkommens, in dem bereits 7,50 Euro je Quadratmeter eher unbezahlbar sind. Auffallend ist dabei die Lücke von Wohnungen zwischen 45 bis 60 qm. Hier gibt es lediglich ein Versorgungspotenzial von 13,5 Prozent.

Hier finden Sie Informationen zur aktuellen Studie:
https://www.boeckler.de/14_113590.htm
Hier finden Sie Informationen zur Studie von 2017:
https://www.boeckler.de/14_110740.htm

Die GRÜNEN Mannheim, Gemeinderatsfraktion, 11. April 2018