SV Waldhof: Abgang ins Chaos

Führungsriege beim SV Waldhof

Inkompetent, selbstherrlich oder nur dreist?

Es kommt nicht oft vor, dass wir BILD oder SPORTBILD zitieren. In diesem Fall aber wollen wir eine Ausnahme machen, da der entsprechende Artikel sehr viel Aufschluss über das Führungsgebaren des SV Waldhof Mannheim gibt.

Sportbild wurde der Vertrag des Geschäftsführers vom SV Waldhof (SVW), Markus Kompp, aus internen Kreisen zugespielt, und hat hierzu berichtet (Sportbild 33, 2020). Herr Kompp sei laut MM außer sich ob der undichten Stelle, da nur sechs Personen in Frage kämen. Man werde den Maulwurf finden.

Dabei ist nicht die undichte Stelle sondern der Vertrag selbst der eigentliche Skandal.

Der Artikel „Drittliga-Boss hat Aufstiegsklausel für den BVB“ mag im ersten Moment noch belustigend klingen.

Doch der Reihe nach: Im Jahre 2019 wurde der Vertrag von Kompp vorzeitig verlängert: Laufzeit vom 1. November 2019 bis zum 30.06.2022.

Fotos: Helmut Roos Helmut-Roos@web.de

Das gute Gesicht des SV Waldhof im März 2016: Fans in Solidarität  mit den von Kündigung bedrohten Beschäftigten von XXXL ManMobilia, GE und Bombardier (Bild: helmut-roos@web.de)

Doch Kompp hat sich eine Ewigkeitsklausel in den Vertrag reinschreiben lassen: “Der Geschäftsführer erhält die Option zu einer Auflösung des Geschäftsführerdienstvertrages mit einer Ankündigungsfrist von 7 Kalendertagen, sollte dem Geschäftsführer ein Angebot von `Borussia Dortmund´ vorliegen“. Da Kompp wohl kaum für eine Tätigkeit bei Dortmund in Frage kommt, mag dies noch als Witz durchgehen.

Pikant sind die Vergütungsregelungen

Für die 4. Liga (Regionalliga) gibt es als Grundgehalt 8.000 €. In der 3. Liga, wo der SVW momentan spielt, sind es schon 12.001 € pro Monat, mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga erhöht sich das Grundgehalt auf 25.000 €. Zudem gibt es Prämienregelungen für Aufstieg, für Nichtabstieg und für die Teilnahme am DFB-Pokal.

Sportbild schreibt: „Auch mit Blick auf die Zukunft wurde an alles gedacht. Für den Bundesligaaufstieg würde es 100.000 € brutto geben, das Gehalt auf 50.000 € brutto je Monat steigen. Für die Teilnahme an der Europe League würde er 20.000 € kassieren.“

Corona wird funktionalisiert

Dass es dem Waldhof-Chef nicht schnell genug auf seinem Weg nach oben gehen kann, wurde in der Corona-Pause klar. Waldhof lag vor dem Re-Start auf Platz 2 der 3. Liga. Kompp forderte vehement einen sofortigen Saisonabbruch und damit den Aufstieg. Der hätte sich nicht nur für den Verein sondern für ihn persönlich extrem ausgezahlt“, so Sportbild. Kompp setzte bekanntlich alles auf eine Karte. Er erzählte was von einem Corona-Toten in der Verwandtschaft von einem Spieler, ohne konkret zu werden, und untermauerte damit seine Forderung nach einem sofortigen Saisonabbruch. Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen, setze er sowohl Spieler als auch Trainer auf vollständige Kurzarbeit. Das heißt, Spieler und Trainer waren von einem Tag auf den anderen zu 100% freigestellt, ohne dass diese Vorgehensweise abgesprochen war, und wurden damit extrem vor den Kopf gestoßen.

Langfristiger Vertrag auch mit dem Sportchef

Übrigens auch mit dem Sportchef Jochen Kientz wurde im Februar 2020 „langfristig“ verlängert. Die genaue Laufzeit wurde allerdings wie beim Vertrag mit Kompp nicht genannt, ebenso wie die anderen Vertragsbedingungen. Es ist damit zu rechnen, dass auch bei Kientz das Modell der Selbstbereicherung gewählt worden ist.

Das herrschende Dreigestirn des SV Waldhof, das bei der Profiabteilung und immer mehr auch beim Hauptverein das Sagen hat, besteht aus Geschäftsführer Kompp, Sportchef Kientz und dann derjenige der über allem droht, Sponsor und dem Multimillionär (oder vielleicht Milliardär) aus der Parfümbranche Bernd Beetz, der als Aufsichtsratschef alle Verträge unterzeichnet.

Erfolg heiligt die Mittel

Geld regiert die Welt, auch beim SV Waldhof. Am 11. April 2019 wird mit Hilfe von Beetz das Eigenkapital erhöht. Mit dem Schritt der Erhöhung des Stammkapitals auf nunmehr 2,55 Millionen Euro stellen wir wichtige Weichen für die Zukunft des Spielbetriebs. Wir erfüllen nun selbst das geforderte Stammkapital für die Zweite Bundesliga unter Leitung der DFL. Mit der Erhöhung möchten wir die sportliche und strukturelle Wettbewerbsfähigkeit in den kommenden Jahren stärken“, erklärt laut Wochenblatt Mannheim Bernd Beetz. Die Abhängigkeit des Vereins steigt immer mehr: „Ohne die Zuwendungen der Familie Beetz und die Absicherung wäre die GmbH längst bilanziell überschuldet und hätte Insolvenz anmelden müssen“ (RNZ 18.07.2019) . Viele Mitstreiter beim SV Waldhof haben inzwischen resigniert das Handtuch geschmissen, wie z.B. der Vizechef und Betriebsrat von Daimler-Benz, Stefan Höß. Beetz betreibe eine Diktatur, nur seine Meinung zähle. Der charismatische Höß sollte eigentlich die Verbindung der Profiabteilung zum Hauptverein und zu den Fans herstellen.

Der Erfolg des SV Waldhof wird auf´s Spiel gesetzt

Solange der Erfolg sich einstellt, halten viele still. Möglicherweise haben aber nun Beetz, Kompp und Kientz überzogen. In ihrer Selbstherrlichkeit stellen sie den eigenen Erfolg über den Erfolg des Vereins. Sie gefährden damit substanziell den Verein.

Die Spielerverträge wurden in der jüngsten Vergangenheit laut Kientz in der Regel nur noch auf 1 Jahr begrenzt. Selbst Erfolgstrainer Bernhard Trares, der die Profifußballmannschaft von der Regionalliga in die Dritte Liga und fast in die 2. Bundesliga führte, wurden immer nur 1-Jahreverträge angeboten. Trares sagte mehrfach, dass es ihm nicht um das Geld sondern um Wertschätzung gehe. Trares, der loyal zum Verein und dem Management stand, hatte offensichtlich zu sehr seinen eigenen Kopf. Als Kientz dann über die Presse verlauten ließ, dass man Trares nur einen Einjahresvertrag anbieten könne, da man ihn sonst nicht loswerden könne, hat Trares, der sehr am Verein und an den Fans hing, seinen Abschied verkündet.

Das war aber wohl bewusst kalkuliert. Vom FC Chemnitz wurde der Trainer Patrick Glöckner losgeeist. Über Ablösesummen und Laufzeit des Vertrages wurde sich in Stillschweigen gehüllt. Klar ist: der junge Glöckner, Jahrgang 1976, ist ein Spezi von Jochen Kientz. Nachdem Patrick Glöckner seine aktive Karriere bereits mit 28 Jahren beendet hat, gründete er 2006 in Frankfurt die Agentur „Amaze Models“. Unter anderem hat Kientz damals unter dem Namen Joe Ibiza für diese nebenbei gemodelt. Über die muskelprotzenden jungen Männer mit Karieslächeln gibt es heute noch Bilder – Geschmackssache.

Die Bilanz ist am Ende verheerend

Bekanntlich hat sich Kompp verzockt. Der beabsichtigte Saisonabbruch wurde vom DFB abgelehnt. In den verbleibenden Spielen rutschte der SV Waldhof vom zweiten auf den neunten Platz. Der anvisierte Aufstieg in die 2. Bundesliga war damit futsch. Viele Spieler, gerade die sogenannten Leistungsträger, sind inzwischen gegangen. Der ehemalige Kapitän Kevin Conrad wechselte sogar eine Klasse tiefer, um beim SV Elversberg für einen Dreijahresvertrag anzuheuern. Conrad hatte ja im Frühjahr bemängelt, dass die Vertragssituation mit den Spielern total ungeklärt ist, und ist dafür beim Management in Ungnade gefallen und öffentlich abgekanzelt worden. Ein anderer Leistungsträger Maurice Deville geht zum Drittliga-Aufsteiger Saarbrücken und beklagt sich in Socialmedia über mangelnde Wertschätzung. Der torgefaehrlichste Stürmer Gianaluca Korte hat ebenfalls den Verein gewechselt und spielt zukünftig für den SV Wehen Wiesbaden. Der Abgang weiterer Leistungsträger seht unmittelbar bevor. Die Mannschaft zerfällt. Auf die Schnelle haben nun Kientz und Co einige Spieler gekauft. Es erscheint aber unwahrscheinlich, dass diese Mannschaft konkurrenzfähig ist. Zumal der Teamspirit, was die Mannschaft unter Trares ausgezeichnet hat, nun vollkommen fehlt.

Normalerweise würde die nun neu zusammengewürfelte Mannschaft keine Chance in der Dritten Liga haben. In Corona-Zeiten ist vieles, auch im Fußball unwägbar. Viele der Mannschaften, gerade der Dritten Liga, werden in starke finanzielle Schwierigkeiten kommen. Vielen, ja vielleicht sogar der Mehrheit der Vereine, droht die Insolvenz. Der SV Waldhof wird da keine Ausnahme bleiben. Der Druck, noch näher an den Sponsor Beetz zu rücken, wird da sein.

Ein neuer Aufbruch!

Trotzdem wäre dem Verein zu wünschen, dass er sich aus dieser Abhängigkeit löst. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Ja, es gibt sie noch, die Fußballromantiker. Und dafür gibt es auch existierende Beispiele, zum Beispiel der 1. FC Heidenheim, der in der 2. Bundesliga kickt und fast in die Erste aufgestiegen wäre. Breites regionales Sponsoring, keine Abhängigkeit von einem Einzelsponsor, langfristige Bindung von Spielern und Trainer, seriöses und bodenständiges Management und ein treues Fanpublikum sind hier die Grundlage des Erfolgs.

Roland Schuster

 

Hinweis: In einer ersten Version des Artikels waren einige Namen falsch geschrieben. Dies wurde korrigiert.




Machtkampf im Fußballstadion: Kann man Solidarität kaufen, wenn man Milliardär ist?

Tatort Sinsheim: Das Stadion der TSG Hoffenheim. Symbolbild: (CC) S. Hofmann

Während ganz Mannheim am Samstag in den Bann des lange ersehnten Derbys gegen den Erzrivalen aus Kaiserslautern gezogen war, ereignete sich knapp 50 Kilometer südöstich beim Heimspiel der TSG Hoffenheim ein Ereignis, das die Fußballkultur in Deutschland nachhaltig verändern könnte. Der offene Machtkampf zwischen dem DFB und der aktiven Fanszene scheint zu eskalieren.

Was war geschehen? Wiederholt kam es bei einem Spiel gegen die TSG Hoffenheim zu Sprüchen und Bannern mit Beleidigungen gegen den SAP-Milliardär Dietmar Hopp, Gesellschafter und gefühlter „Besitzer“ des TSG Hoffenheim. Hopp ist zur Symbolfigur des modernen, profitgesteuerten Fußballs geworden. Sportvereine werden zu Wirtschaftsunternehmen und Fußballspiele zu Kommerzveranstaltungen.

Auf Bannern, die im Gästeblock bei den Bayern-Fans hochgehalten wurden, war zu lesen: „Alles beim Alten: Der DFB bricht sein Wort, Hopp bleibt ein Hurensohn“. Hintergrund ist die erneute Zuspitzung des Streits um Kollektivstrafen. Nach Beleidigungen gegen Hopp bei einem Spiel Dortmund gegen Hoffenheim im Dezember 2019 kam es im Februar diesen Jahres zu einem Sportgerichtsurteil, demnach bei künftigen Auswärtsbegegnungen den Dortmund-Fans der Zutritt zum Hoffenheim-Stadion verboten ist – für die nächsten zwei Jahre! Dies führte zu Solidarisierungseffekten. Kurz nach dem Urteil provozierten Gladbach-Fans gegen DFB und Hopp.

Und nun die Bayern-Fans am Samstag. Der Schiedsrichter ließ die Partie zwei mal unterbrechen – dramatische Szenen im Schneeregen – und die letzten Minuten spielten beide Vereine ein kurioses Nicht-Angriffsspiel, das offenbar als Solidaritätsbekundung  für den Hoffenheim-Milliardär gemeint war.

Der 6:0 Sieg der Bayern war Nebensache, doch das Ereignis bestimmte nicht nur die Sportnachrichten des Tages. Auf allen Kanälen wurde über den „Skandal“ von Sinsheim berichtet. Scharfe Verurteilungen der Ultras, Kommentare aus allen Ecken, Solidaritätserklärungen für Dietmar Hopp und schlimme Vergleiche (dazu später mehr).

Streit um die Zukunft des Fußballs

Aufmüpfige Fußballfans zündeln gerne – auch das gefällt dem DFB nicht. Symbolbild: (CC) Biso

Der Streit ist ein jahrelanger. Zugrunde liegt dem Konflikt die sehr grundsätzliche Frage, wohin der Fußball steuert. Fankultur ist in Deutschland und international in der Gesellschaft fest verankert und hat in den vergangenen 20 Jahren durch die Ultra-Bewegung enormen Aufschub bekommen. Aktive Fans haben sich gut organisiert, junge Menschen haben Ideen und Kreativität in die Kurven gebracht und sich mit spektakulären Aktionen einen festen Stand in der Fußballwelt erarbeitet. Das führte zu einem Selbstbewusstsein der Fangruppen. Die Ultras wissen genau, dass ohne sie auf den Tribünen nicht mehr viel läuft.

Parallel dazu ist in dieser Zeit die Kommerzialisierung des Fußballs immer weiter voran geschritten. Vereine wurden zu Aktiengesellschaften. Immer neue Regeln und Vorgaben, die nur dem Profit zu dienen scheinen, nehmen den Fans die Freiheit. Das alles geht einher mit spürbaren Auswirkungen: Stehplätze verschwinden, Tickets werden teurer, Spiele werden auf Montage verlegt, dazu kommen Kollektivstrafen, Verbote, Überwachung und Kontrolle…

Rund um den DFB scheint eine Parallelgesellschaft entstanden zu sein, die offenbar wenig demokratisch ist – sogar eigene Gerichte hat – und deren oberstes Ziel die Maximierung von Profit zu sein scheint.

Die Dimension des „Hurensohn“-Begriffs

Dietmar Hopp ist zur Symbolfigur dieser Entwicklung geworden. Als Superreicher investierte er viel Geld in den Lieblingsverein aus seiner Kindheit und verhalf ihm damit zum Aufstieg in die erste Liga. So ähnlich lief es auch bei anderen Vereinen und natürlich verdrängten die Clubs der Reichen so manchen Traditionsverein, der keinen wohlhabenden Mäzen hinter sich hatte. Die Proteste der Ultras richten sich seit Jahren gegen diese Entwicklung und Dietmar Hopp wurde zur Symbolfigur.

Wer einmal beim Waldhof in der Ost war (oder inmitten einer beliebigen anderen gut organisierten Fanszene), der weiß, dass die Ausdrucksweise derb ist und sich verbal sehr ausgiebig auf dem Gegner eingeschossen wird. In den meisten Stadien (aber nicht allen) ist der Begriff „Hurensohn“ die Standardbeleidigung und so ziemlich jede und jeder wird damit bezeichnet, der irgendwie zum gegnerischen Team gezählt wird. Das ist nicht schön. Der Begriff „Hurensohn“ ist sexistisch und diffamierend – man sollte ihn nicht verwenden.

Dietmar Hopp – für viele eine Symbolfigur für die Kommerzialisierung des Fußballs. Bild: (CC) S.Mandel

Man sollte aber auch nicht übermäßig viel hinein interpretieren, denn ein tieferer Sinn oder eine besondere Intention steckt wohl eher nicht hinter dem Schimpfwort Nr. 1. Vielmehr kommt er hier zur Abgrenzung der eigenen, oft als proletarisch verstandenen Fan(sub)kultur vom Establishment des DFBs und der Vereins-Oberen zum Tragen. Der Inhalt des Banners, der oben erwähnten Aktion der Gladbacher, ist ein Beispiel dafür: „Hurensöhne beleidigen einen Hurensohn und werden von Hurensöhnen bestraft“. (Gemeint ist: BVB Fans beleidigen Dietmar Hopp und werden vom DFB bestraft.)

Mittlerweile ist der „Hurensohn“ zum Symbolbegriff der Auseinandersetzung geworden. Die Gegenseite schießt mit ganz anderen Mitteln zurück. Das Konglomerat aus DFB (mit seinem Geld, seinen Schiedsrichtern und Sportgerichten), Staatsmacht (Polizei) und Finanzelite (Dietmar Hopp, Red Bull und Co.) lassen die Muskeln spielen und wehren sich mit Kollektivstrafen und dem Versuch, die Fanszene zu spalten. Die Medien spielen das Spiel bislang mit. Ob der Plan aufgeht, wird sich zeigen.

Solidarität 1. und 2. Klasse

Nun stellt sich in diesem Konflikt nicht nur die Frage der Verhältnismäßigkeit. Vielmehr gibt es hier ganz offensichtlich eine Schieflage, wo der DFB, aber auch der Staat, mit voller Härte einschreiten und wo weggesehen wird. Das zuständige Polizeipräsidium Mannheim berichtete kurz nach dem Fußballspiel Bayern-Hoffenheim, es habe eine Sonderermittlungsgruppe „Kurve“ mit fachkundigen Beamt*innen eingerichtet, die nun systematisch Videoaufnahmen aus dem Stadion auswerten solle, um Täter*innen gerichtsfest ermitteln zu können. Der Polizeipräsident kommentierte persönlich: „Deswegen gehen wir gezielt gegen Hass auch auf den Stadionrängen vor“. Am nächsten Tag wurde mit einer weiteren Pressemitteilung eine Öffentlichkeitsfahndung eingeleitet („Personen, die private Videoaufnahmen mit ihren Handys (…) gefertigt haben, werden gebeten, diese Mitschnitte (…) zur Verfügung zu stellen.“)

Das erinnert eher an einen Banküberfall, als an ein Fußballspiel. Es geht hier aber immer noch um den Straftatbestand der Beleidigung. Schön für Herrn Hopp, könnte man meinen, dass sich um den armen Mann so gekümmert wird. Das Problem ist aber, dass die allermeisten Menschen eine solche Unterstützung nicht bekommen. Wer musste schon einmal zum nächsten Polizeiposten, weil man beleidigt oder bedroht wurde? Welcher Ermittlungseifer war dann zu beobachten?

Doppelmoral

Seit Jahren fordern Faninitiativen den DFB dazu auf, gegen Rassismus und Sexismus im Stadion aktiv zu werden. Opfer müssten besser geschützt werden, aber kaum etwas passierte. Viel zu oft wurde betroffenen Frauen, Schwulen oder Migrant*innen gesagt, jetzt habt euch doch nicht so, das sei halt so, im Fußball. Nun trifft es einen Superreichen und auf einmal geht es?

Ein aktuelles Beispiel, dass DFB und DFL mit zweierlei Maß messen, zeigt sich am Fall der rassistischen Beleidigungen gegen den Berliner Verteidiger Jordan Torunarigha beim Pokalspiel gegen Schalke Anfang Februar. Spielunterbrechung? Von wegen… Es gab auch keine Top-Meldungen in den Medien und keine bewegten Promis, die das Opfer öffentlichkeitswirksam verteidigten, noch nicht einmal eine Stadiondurchsage. Er bekam wohl nur die Solidarität der 2. Klasse – wenn überhaupt.

Sind die Vertreter des Fußball Establishments, die Promis, Vorstände, Präsidenten, DFB- und DFL-Funktionäre überhaupt moralische Instanz, fähig und in der Lage für „fair play“ und allgemeine Gerechtigkeit in der Fußballwelt zu sorgen? Wohl kaum. Ein Kommentar im Tagesspiegel bringt die Doppelmoral im deutschen Fußball auf den Punkt:

„Wenn Rummenigge in diesem Zusammenhang vom „ganz hässlichen Gesicht des Fußballs“ spricht, übertreibt er gewaltig. Das ganz hässliche Gesicht des Fußballs zeigt sich dann, wenn Weltmeisterschaften gekauft werden, Arbeiter beim Bau von WM-Stadien sterben oder Funktionäre zig Millionen Steuern hinterziehen. Dass an diesem wunderbaren Sport immer mehr fußballfremde Akteure verdienen wollen und verdienen, gefällt einem kleinen Teil der Branche nicht, es ist meist jener Teil, der mit zugespitzten Botschaften auf sich aufmerksam macht.“
Der Tagesspiegel vom 29.02.2020

Sinsheim ist nicht Hanau!

Am schlimmsten in der medialen Rezeption der Hopp-Beleidigungen sind aber die unpassenden Vergleiche. Die Banner gegen Dietmar Hopp haben nichts mit Rassismus oder der NS-Zeit zu tun. Wir reden hier von einem Mann aus den höchsten gesellschaftlichen Kreisen – mehr Privilegien zu haben geht eigentlich nicht. Auch Vergleiche mit Hass-Kommentaren im Internet sind unpassend. Der Bezug zum Attentat von Hanau ist völlig daneben, leider war davon aber immer wieder in Kommentaren verschiedener Medien zu hören.

Den provozierenden Fußballfans täte eine Versachlichung der Debatte trotzdem gut und vielleicht sollten sie auch mal darüber nachdenken, den „Hurensohn“-Begriff einzumotten und sich eine passendere Provokation zu suchen. Dann werden auch die Spaltungsversuche des DFB ins Leere laufen. Immerhin gibt es ja eine Zukunft zu gewinnen – die Zukunft moderner Fußball- und Fankultur.

(cki)