Mannheim FRANKLIN / SULLIVAN: GBG kauft 352 Sozialwohnungen von Investor

Eines der von der GBG erworbenen fast fertiggestellten Häuser auf Sullivan von Süd-Westen aus gesehen. (Foto: KIM)

Es ist schon eine Sensation, gemessen am bisherigen Geschäftsgebaren der GBG und an den einstigen Planungen für das Konversionsgelände FRANKLIN: Auf dem nordöstlichen Teilgebiet SULLIVAN kauft die GBG Unternehmensgruppe 361 Neubau-Wohneinheiten, von denen 352 aus Mitteln der Landeswohnraumförderung subventioniert sind. Es handelt sich somit um „Sozialwohnungen“, die für Besitzer:innen eines „B-Scheins“ zu einem Einstandsmietpreis von 8,90 EUR/m² zu mieten sind. Dies ist der Mietpreis, der lt. Fördervoraussetzung 40% unter der Ortsüblichen Vergleichsmiete für Neubauwohnungen mit vergleichbarer Ausstattung liegt. Mieterhöhungen sind laut den Bestimmungen der Landeswohnraumförderung nur im Rahmen der Entwicklung des entsprechenden um 40% reduzierten Mietspiegelpreises möglich, maximal jedoch um 5% alle zwei Jahre. Die Bindungsfrist beträgt 40 Jahre. Dennoch: 8,90 EUR/m² sind zwar günstig, aber nur relativ, bezogen auf den gegenwärtigen Wohnungsmarkt.

Neun der 361 Wohneinheiten waren aufgrund ihres Zuschnitts nicht förderfähig. Das Land macht hier immer noch sehr enge Vorschriften, die z.B. die heute sehr verbreitete offene Verbindung von Wohnzimmer und Küche nicht zulassen.

Es handelt sich schwerpunktmäßig um 2 – 4-Zimmerwohnungen, die in zwei Bauabschnitten zum Teil fast fertig sind, zum Teil bis 2025 fertiggestellt sein werden. Die Häuser sind nach kfw-40-Standard in serieller Holzhybridbauweise errichtet.

Die Wohnanlage verfügt über zwei Tiefgaragen mit Stellplatzfaktor 0,8.

Die Häuser befinden sich in einer Top-Lage: Das Gesamtbaufeld grenzt nördlich an den Käfertaler Wald. Westlich schließt sich ein großer auf einer Sanddüne gelegener Spielplatz an, östlich ist in unmittelbarer Nachbarschaft eine Kita geplant. Die neue Franklin-Stadtbahnlinie hat ihre Endstelle wenige Fußminuten entfernt.

Wie ist diese Preisgestaltung der Wohnungen in dieser Lage möglich?

Über den Kaufpreis des Komplexes haben die GBG und die Projektentwicklungsgesellschaft Gateway Real Estate Stillschweigen vereinbart. Jedoch betont GBG-Geschäftsführer Karl-Heinz Frings lt. Mannheimer Morgen vom 18.6.24 „dass es sich keinesfalls um ein Zuschussgeschäft handele, sondern sich der Kauf für die städtische Gesellschaft auch wirtschaftlich lohne.“

Damit wird zunächst ausgesagt: Mit öffentlichen Unterstützung lassen sich trotz der parallelen Mietpreisreduzierung durchaus Profite erzielen; denn Gateway Real Estate ist keine Wohltätigkeitsorganisation und hat sich trotzdem auf das Geschäftsmodell eingelassen. Die Sozialquote ist ihnen kein Thema. Sie übererfüllen sie um knapp 70%.

Zweitens ist auch für die GBG Unternehmensgruppe der Kauf des Wohnkomplexes trotz der stark gedeckelten Mieten wirtschaftlich interessant, wenn auch die GBG keine Rendite wie profitorientierte Unternehmen erwartet.

Dennoch ist der Vorgang in einer Zeit außergewöhnlich, in der reihenweise Investoren von ihren Bauabsichten auf Franklin oder auch Spinelli zurücktreten, weil die Wirtschaftlichkeit aufgrund explodierender Baukosten für sie nicht mehr gegeben sei.

Auch über den Grundstückspreis gibt es keine Aussagen. Jedoch hat das Grundstück Geschichte: Es wurde im Rahmen der Investorensuche an die mittlerweile berüchtigte und insolvente Tom Bock Group vergeben. Die gründete für ihre Bauvorhaben wie üblich einzelne Projektgesellschaften. Diese wurden im Rahmen Untergangs der Tom Bock Group an Gateway Real Estate veräußert. Einen sensationellen Preisaufschlag wie beim Übergang der Baufelder IV und V auf Turley von der Tom Bock Group auf Fortoon scheint es in diesem Fall nicht gegeben zu haben.

Eine vollkommen neue, aber uralte Produktionsweise: Seriell

Entscheidend für die Günstigkeit der Häuser und letztlich der Mieten dürfte bei dem vorliegenden Sullivan-Projekt  die Produktionsmethode sein. Hersteller der Häuser ist die zwei Jahre alte Firma NOKERA aus Rüschlikon in der Schweiz. Zwischen Nokera und Gateway Real Estate bestehen enge wirtschaftliche und personelle Beziehungen. In einer GBG-Presseerklärung zu dem Verkauf der 361 Wohneinheiten an die GBG vom 17.06.24 wird der Vorstandsvorsitzende von NOKERA Management AG, Ralph Burkhardt, zitiert:

„Dieses Vorhaben ist ein Musterbeispiel für ein NOKERA-Projekt, denn wir schaffen lebenswerten, nachhaltigen und gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum. Wie sich die Anwesenden heute hier vor Ort überzeugen können, sind schnelles serielles Bauen und hohe Wohnqualität kein Widerspruch. Mit Digitalisierung, innovativen Produktionsmethoden, nachhaltigen Materialien und der emissionsarmen Systembauweise mit Holz können wir das deutschlandweite Wohnraum-Problem in den Griff bekommen und die Energiewende im Gebäudesektor aktiv vorantreiben.“

Das sind gewaltige Worte, jedoch fußen sie auf Prinzipien, die in der alternativen und innovativen Bauwirtschaft schon lange diskutiert und mit Erfolg praktiziert werden: Auch im Geschoßwohnungsbau Holz einzusetzen statt Zement via Beton, einen der größten CO2-Emittenten weltweit. In Mannheim auf Turley steht schon seit acht Jahren ein Holzhybrid-Mehrgeschoß-Wohnhaus mit vier Stockwerken und höchster Energieeffizienz. Gebaut wurde es von dem Mietshäusersyndikat-Projekt UmBAU².

Die Serielle Produktion von standardisierten Fertigbauelementen kam bekannterweise in der DDR bei der Bekämpfung der Wohnungsnot zur Anwendung („Plattenbauten“). Aber auch beispielsweise in den 70er Jahren in Mannheim Herzogenried und Rheinau Durlacher Straße. Schon länger wird über serielle Kita- und Schulbauten diskutiert.

Selbstdarstellung der Firma NOKERA

„Wir verfolgen das Ziel, die Bauindustrie durch einen skalierbaren und effizienten Ansatz in der seriellen Fertigung mit Holz nachhaltig zu transformieren und so die Energiewende im Gebäudesektor aktiv voranzutreiben. Der serielle Neubau, die serielle Sanierung und die serielle energetische Optimierung durch Wärmepumpen und Photovoltaik werden dabei aus einer vollständig digitalisierten, skalierbaren Plattform bedient.“

„Serielle Fertigung mit Holz
Wir produzieren Mehrfamilienhäuser, Schulen und Kindergärten sowie öffentliche Gebäude aus Holz. Durch digitalisierte Abläufe und die serielle Fertigung ermöglichen wir höchste Präzision und kurze Bauzeiten von nur knapp 3 Monaten – so produzieren wir hocheffizient nachhaltige Gebäude mit maximaler Planungssicherheit und Kostentreue.“

NOKERA: weltweit größte Fabrik für seriellen Holzbau in Stegelitz bei Magdeburg. Kapazität: 30.000 neue Wohneinheiten pro Jahr. Dialektik der Ökologie: Gewaltiger Flächenfraß einschließlich Wald für ökologische Großproduktion. Elon Musk lässt grüßen. (Bild: NOKERA)

„Durch die Verwendung von Holz wird Bauen und Sanieren ressourcenschonend
Unser primärer Baustoff ist zertifiziertes Holz (PEFC), das zum Großteil aus Deutschland stammt – ein Baustoff, der nachwächst und CO₂-Emissionen und Energieverbrauch stark reduziert. Durch die Verwendung von nachhaltigem und zertifiziertem Holz wird Baumüll drastisch reduziert und Gebäude bis zu 95% recyclebar.“

„Das Ergebnis sind Gebäude, die mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen
Für alle Neubau- und Sanierungsprojekte bieten wir die Installation von Photovoltaikanlagen, Wärmepumpen sowie das Energiemanagement an. So entstehen Energieeffizienzhäuser (KfW 40 NH), die mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen und mit dem DGNB-Gold Standard zertifiziert sind. Von Sustainalytics wurden wir als eines der besten 3% ESG-Unternehmen weltweit bewertet.“

Erstens kommt es anders…

Franklin wurde ab 2013 durch die MWSP geplant und parallel dazu wurden bereits Investoren gesucht. In einer Broschüre der MWSP aus 2018 ist die Rede von 4.400 geplanten Wohneinheiten und sechs Kitas. Ca. 1.100 Mietwohneinheiten sollten „preisgünstig“ errichtet werden. Heute werden auf der Website der MWSP 4.700 Wohneinheiten prognostiziert und 9 Kitas angekündigt.

Für Sullivan, das Filetstück von Franklin (neben der Offizierssiedlung), sah die Planung 592 Wohneinheiten vor, davon ganze 10 Mietwohnungen, und diese „bezahlbar“ – Filetstück eben. (V009/2017, Angang 1) Heute reden wir von 361 Mietwohnungen allein in dem jetzt gekauften Gateway-Komplex. Und davon gerade mal 9 nicht öffentlich geförderte Wohnungen. Dazwischen liegt der chaotische Untergang der Tom Bock Group und der Kauf durch Gateway Real Estate. Dieses Immobilienunternehmen baut Wohnungen hauptsächlich als „Bestandhalter“, d.h. es vermietet die Wohnungen. Warum es das große Bauprojekt auf Sullivan plötzlich doch verkauft, kann möglicherweise damit zusammenhängen, dass es die Anteile an den intern so bezeichneten „Soho Projektgesellschaften“, lt. Geschäftsbericht 2022 „vollumfänglich als Sicherheiten“ für Darlehen „bereitgestellt“ habe.

Wie auch immer: Die GBG hat sich einen gewaltigen Ruck gegeben und den größten Wohnungskauf ihrer Geschichte getätigt.

Wohnungspolitische Bewertung aus linker Sicht

Dieser Schritt ist in jeder Hinsicht zu begrüßen und hätte schon früher angesteuert werden müssen.

  • Die Linke hatte im Gemeinderat immer wieder auf den Schwund von Sozialwohnungen hingewiesen, der auch durch die damaligen Neubau-Planungen nicht einmal ausgeglichen wurde.
  • Die Linke hatte auch immer wieder gefordert, mehr Wohnungen in öffentlichem Eigentum zu behalten oder dorthin wieder von Projektentwicklern zurückzukaufen. Nur so kann Wohnraum der spekulativen Verteuerung nachhaltig entzogen werden. „Halten statt verkaufen“.
  • Die Linke hat gefordert, dass die GBG ihren Wohnungsbestand deutlich vergrößert.
  • Die Linke hat darauf hingewiesen, dass die Mindestquote für geförderte oder preisgünstige Wohnungen von 30 auf 50% erhöht werden muss.
  • Und die Linke hat die obligatorische Festlegung der Bindungsfrist für Sozialwohnungen auf die gesetzliche Höchstdauer (jetzt in Baden-Württemberg 40 Jahre), am besten aber unbefristet, gefordert. Die Kombination aus kurzen Bindungsfristen (ab 10 Jahre!) und von nicht gemeinwohlorientiertem Sozialwohnungs-Trägern stellt für die Mieter:innen ein großes Risiko dar. Deshalb Ausbau des öffentlichen, gemeinwohlorientierten Wohnungssektors.

Mit der Kaufaktion der GBG ist nun ein wichtiger und richtiger Schritt in diese Richtung erfolgt.
OB Christian Specht lässt sich in der o.g. Presseerklärung der GBG folgendermaßen zitieren: „(…) ergibt der Ankauf der Wohnungen ökonomisch, ökologisch und inhaltlich Sinn für die kommunale GBG und liegt genau in der Strategie der Bestandserweiterung. Auf diese Weise kann die GBG gleichzeitig ihr Wohnungsangebot erweitern und erneut Verantwortung für die Entwicklung eines Quartiers übernehmen.“ Na dann!

Gaytway / NOKERA werden auch in Sullivan Süd aktiv

Der hier betrachtete Wohnungstransfer von Gateway zur GBG muss nicht der einzige bleiben: Gateway veröffentlichte am 9. Juli 2024 folgende Pflichtangabe über „Geschäfte mit nahestehenden Personen“:

„Die Gateway Real Estate AG entwickelt über ihre Tochterfirmen S0 SoHo Sullivan GmbH & Co. KG, S6 Park Lane GmbH & Co. KG, S7 Curve Quartier GmbH (gemeinsam die „Projektgesellschaften“) ein weiteres Immobilienprojekt in Mannheim. Das Projekt hat die Schaffung von sozial geförderten Wohnraum zum Gegenstand.

In diesem Zusammenhang haben die Projektgesellschaften heute mit der NOKERA Construction GmbH („NOKERA“) einen Generalübernehmervertrag zur schlüsselfertigen Errichtung von 15 Wohngebäuden mit einer Geschossfläche (oberirdisch) von ca. 19.600 m² geschlossen. Der Bau der Obergeschosse erfolgt in serieller Holzhybridbauweise. Für die Erbringung sämtlicher vertraglich geschuldeter Leistungen der NOKERA wurde ein Pauschalpreis in Höhe eines mittleren zweistelligen Millioneneurobetrags vereinbart.“ (https://www.gateway-re.de/investor-relations/ir-news-new/new-detail/?news_id=EQS-RPT_2801233_de).

Die genannten Projektgesellschaften sind diejenigen auf Baufeld 10 von Sullivan-Süd, die zuvor im Eigentum der Tom Bock Group waren. Vielleicht kann die GBG im Rahmen ihrer neuen Expansionsstrategie auch diese Objekte nach Fertigstellung erwerben?

Die Aktivitäten von Gateway / NOKERA stoßen nicht überall auf Gegenliebe

Die Errichtung einer großen Zahl von öffentlich geförderten Wohnungen treibt neuerdings eine am 3.7.24 gegründete „Bürgerinitiative Franklin Miteinander“ auf die Barrikaden. Sie meldete sich auf der letzten BBR-Sitzung Käfertal zu Wort und schrieb den OB und alle Gemeinderatsfraktionen an. In dem Brief heißt es u.a.:

„Im Jahr 2018 haben viele von uns auf diesem Gebiet Grundstücke erworben, da uns die Planung des gesamten Gebiets sowie des Teilgebiets Sullivan, auf dem wir wohnen, sehr überzeugt hat. Geplant war ein sozial gut durchmischtes Gebiet, mit vielen Grünflächen und direktem Zugang zum Käfertaler Wald.
Leider haben sich im Vergleich zum ursprünglichen Plan (…) zahlreiche Änderungen ergeben, ohne dass die Anwohner einbezogen wurden. (…) Laut einem Artikel im Mannheimer Morgen vom 18.06. entstehen (…) insgesamt 352 Wohnungen mit Wohnberechtigungsschein (gekauft von der GBG). Auch dort waren ursprünglich Eigentumswohnungen geplant. (…)
Wir machen uns große Sorgen um die Lebensqualität, die diese Änderungen mit sich bringen werden. Vor allem sind wir in Sorge darüber, ob die Infrastruktur ausreichend mitwachsen wird. Wir gehen davon aus, dass unter den Mietern mit Wohnberechtigungsschein wesentlich mehr Familien mit Kindern sein werden, als dies bei Eigentumswohnungen der Fall gewesen wäre. (…) Schon heute ist die Franklin Schule überfüllt und viele Familien erhalten keinen Kita-Platz.
Wir sind – wie es ja auch geplant war – ein Gebiet mit sehr vielen Familien mit Kindern und wir möchten, dass unsere Kinder in guter Lebensqualität aufwachsen können. Wir sind in Sorge, dass es mit diesem hohen Anteil an Sozialwohnungen auf Sullivan zu Problemen kommt, die man aus anderen Gebieten kennt und unbedingt vermeiden sollte.“

Was sich hier in wohl gesetzten Worten äußert, findet in Posts an den Mannheimer Morgen noch anderen Ausdruck:

„Hans Georg Rasmussen | Cool dann können wir ja noch mehr Arbeitsverweigerer aus Bulgarien, Rumänien und Afghanistan mit Neubauwohnungen belohnen und wundern uns dann über den permanenten Sperrmüll.“

Die Einkommensgrenze für den Berechtigungsschein auf öffentlich geförderte Mietwohnungen liegt in Baden-Württemberg übrigens z.B. für einen Vier-Personenhaushalt bei einem Haushaltsjahreseinkommen von 75.800 EUR.

Hier stellt sich vor allem die Frage, wie auch Menschen mit einem Einkommen deutlich unterhalb der Einkommensgrenze die Chance bekommen, eine Sozialwohnung zu ergattern. Hier werden wohl nur Quoten helfen, damit auch wirklich eine Durchmischung der Bewohnerschaft gewährleistet ist.

Thomas Trüper




Buchstabenhochhäuser für Reiche

Neubau auf dem Franklin Konversionsgelände (KIM Archivbild 2019)

Vergangene Woche erschienen in verschiedenen Medien ausführliche Berichte über die geplanten Hochhäuser in Buchstabenform auf dem Konversionsgelände Franklin. Das ist das aktuell größte Neubaugebiet in Mannheim. Der Mannheimer Morgen berichtete ausführlich und druckte Konzeptgrafiken des Prokjektentwickers ab. Auch überregionale Medien berichteten, teils begeistert, über die Bauprojekte der „Stararchitekten“ aus Rotterdam. Die für das Konversionsgelände verantwortliche städtische Entwicklungsgesellschaft MWSP hat sich für Franklin etwas ganz besonderes einfallen lassen: Vier Hochhäuser sollen in Buchstabenform gebaut werden und, sehr amerikanisch, als Ensemble das Wort HOME darstellen. Neben privaten Projektentwicklern baut auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG einen Buchstaben, das „E“. (red)

Kommentar zum Wohnungsneubau auf Franklin

Der von der MWSP in Mannheim als Stararchitekt eingeführte Winnie Maas gilt mittlerweile mit seinen Entwürfen hochpreisigen Immobilienentwicklern als Rechtfertigung, die Quadratmeterpreise hier noch weiter nach oben zu treiben. 9000€ pro qm! Nur ein sehr ausgewählter Kreis der Mannheimer Bevölkerung würde hier wohnen können. Aber für einen realen Personenkreis wird ja auch nicht geplant. Wem nutzt also so ein Gebäude? Je hochpreisiger das Bauen, desto größer die Gewinnmargen von Finanziers, Investmentfonds, Banken, Projektentwicklern. Es geht nicht mehr um einen realen Bedarf. Mannheim als Ort für Finanzinvestments wird so gepusht. Steigende Bodenpreise und steigende Mieten sind die Folge. Und deswegen haben dann eben wohndemokratische Ideen wie Bezahlbarer, durchmischter Wohnraum oder CO2 sparendes Bauen Nachrang.

Mögen sich anderswo Architekturbüros und PlanerInnen den Kopf zerbrechen, wie Neubau und Gebäudebestand mit größten Anstrengungen auch für die MieterInnen klimaneutral werden kann, selbst unser OB musste ja gerade erst richtigerweise für „Sustainable Cities and Communities“ zur Klimarettung nach Glasgow. Zur Realisierung dieses Jahrhundertentwurfs auf Franklin jedoch muss man eben schon mal etwas mehr CO2 erzeugenden Zement in Tiefgaragen verbraten dürfen. Dass man die in 15 Jahren so schon rein physikalisch nicht mehr wird brauchen können, spielt aus Investorensicht heute keine Rolle. Und das alles, weil man eben technisch Buchstabensuppe jetzt auch Bauen kann. Heißt es nun LOVE, HOME oder gleich EURO. Für die Fettaugen auf der heutigen Renditesuppe ist Maas´ Idee einfach genial! Danach die Sintflut!

Gemeinwohlorientierung statt teurer Buchstabensalat

Zum Engagement der städtischen GBG auf Franklin: Zum Wohnberechtigungsschein, einer einkommensbedingten Voraussetzung für eine geförderte mietgünstige Wohnung, haben 50% aller Mannheimer Haushalte Zugang, die Einkommensgrenzen sind gar nicht so gering. Um Landeskredite des geförderten Wohnungsbaus zu erhalten braucht ein Investor 20% Eigenkapital. Eine vereinfachte Rechnung: für eine als durchschnittliches Beispiel 75qm große Wohnung (Drei Personen Haushalt, eine der in Mannheim am stärksten nachgefragten Wohnungsgrößen) mit angenommenen gestiegenen Baukosten von 4000€/qm würden also insgesamt 300.000€ benötigt. Nähme man die von der GBG für das „E Hochhaus“ verplanten 50Mio € als Eigenkapital für geförderte Wohnungen ließen sich alleine daraus bereits 166 (über 50 Wohnungen, 46%! mehr als im hochpreisigen „E“) Wohnungen bauen. Diese 166 Wohnungen können aber mit den Landeskrediten (80%!) verfünffacht werden, ergibt also insgesamt 830 geförderte Wohnungen. Das Gesamtbauvolumen läge dann also bei rund 250 Mio Euro.

Für jede dieser 830 geförderten Wohnungen gäbe es zusätzlich zu den Landesbaumitteln nochmals 120.000€ als Darlehen der KfW Bank, wenn die Gebäude im KfW 40 Standard erbaut würden. Also könnten wieder rund 100 Mio von der Investitionssumme abgezogen werden. Für etwa 150 Mio Euro könnten durch die GBG also etwa noch mehr als dreimal so viele städtische geförderte Wohnungen auf Franklin entstehen wie die ca. 250 jetzt – diese übrigens leider auch nur im KfW 70 Standard fertiggestellt.

Ein komplettes Quartier für Mieten 66% unter der ortsüblichen Vergleichsmiete – und das dann klimaneutral! Alles eine Frage der kaufmännischen Prioritäten und welche Mehrheit im Aufsichtsrat der städtischen Gesellschaft hier aufs Gemeinwohl achtet. Fest steht: je größer das kommunale Kontingent an Gemeinwohlorientierten preisgünstigen Wohnungen – städtisch, genossenschaftlich oder á la Mietshäuser Syndikat – desto gerechter, fairer, besser und demokratischer das Wohnen! Dafür gilt es Boden zu reservieren! Statt für teure Nudelsuppe mit Tennisplatz on Top! Wem gehört eigentlich die Stadt? Und wen lassen wir darüber entscheiden?

(Kommentar: Günter Bergmann)




Überlegungen zur sozialen Wohnraumpolitik vor den Haushaltsberatungen

Randbebauung Spinelli-Nord / Käfertal Süd und Grünzug von Süden her gesehen. (Quelle: Stadt Mannheim FB 61, Spinelli – städtebauliche Rahmenplanung. Stand 2018)

Die Ausgangslage

Nach Auffassung der Stadtverwaltung müssen aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten 10 Jahren jeweils 1.000 Wohnungen in Mannheim gebaut werden, um die Wohnungsnachfrage zu befriedigen. Entgegen früheren Prognosen wächst Mannheim: durch Zuzüge in den Wirtschafts- und Arbeitsstandort, durch Rückkehr älterer Menschen, die in jüngeren Jahren in den Odenwald und die Pfalz in ein eigenes Haus gezogen waren und natürlich durch die EU-Binnenwanderung und absehbar auch durch Geflüchtete, wenn sie denn anerkannt sind und Freizügigkeit erlangen. Ferner geht die Verwaltung – ohne belastbare Daten zu diesem Thema – davon aus, dass 23% der Bevölkerung eher über geringe Einkommen verfügen, was bei den Wohnungsneubauten zu berücksichtigen sei. Nach einer langen Diskussion in den gemeinderätlichen Gremien konnte 2017 eine knappe Mehrheit aus SPD, Grünen und LINKEN dann bekanntlich das 12-Punkte-Programm für preisgünstiges Wohnen durchsetzen. Dies enthält Richtlinien z.B. über Vergünstigungen für Bauherren preisgünstiger Wohnungen. Ferner enthält es die Festlegung, dass 30% der Wohnungsneubauten im Geschoßwohnungsbau größer 10 Wohneinheiten dem preisgünstigen Segment angehören müssen bzw. unter Zuhilfenahme von Landeswohnraumförderung einer Preisbindung von 33% unter dem Mietspiegelpreis für Neubauwohnungen unterliegen müssen. Als kommunale Instrumente kommen hier vergünstigte Baulandabgaben oder Vergabe von Erbbaurechten zu günstigen Sonderkonditionen in Frage.

Tatsächlich sind die Wohnungsneubauten, die zwischen 2016 und 2020 außerhalb der Konversionsflächen fertiggestellt wurden / werden, sämtlich nicht im preisgünstigen Segment errichtet (ca 2.260 Wohneinheiten). Auf den Konversionsflächen Turley und Franklin sind 700 bzw. 4.500 Wohneinheiten geplant und z.T. schon bewohnt. Auf Turley sind knapp 50 Wohneinheiten (Mietshäuser-Syndikat) preisgünstig, auf Franklin sollen es 1.415 sein (29%; inkl. preisgünstiger Eigentumswohnungen).

Dagegen steht ein Verlust von 990 preisgünstigen Wohneinheiten bei der GBG zwischen 2009 und 2017. Zwischen 2012 und 2019 sind ferner 1.619 Wohneinheiten aus der Mietpreisbindung herausgefallen.

Das Potenzial an weiteren preisgünstigen Wohnungen begrenzt sich (bis auf einige absehbare Nachbesserungen auf Turley und Franklin) noch auf die Konversionsflächen Spinelli und Hammonds. Dort sind ca. 1.800 bzw. 400 Wohneinheiten geplant. Ansonsten verfügt die Stadt Mannheim noch über 70 für den Wohnungsbau geeignete Grundstücke außerhalb der Konversionsflächen.

Daraus ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, auf den verbleibenden Konversionsflächen Spinelli und Hammonds das zu schaffen, was bisher nicht erreicht wurde: Einen Quantensprung bei leistbaren Neubauwohnungen. Mit einer 30%-Quote im Geschoßwohnungsbau (es sind auch Einfamilienhäuser geplant!) ist es nicht getan.

Worauf es ankommt:

Für eine nachhaltige Versorgung mit neuen leistbaren Wohnungen sind folgende Faktoren notwendig:

  • Von den entstehenden Wohneinheiten müssen möglichst viele (über 50%) in der Hand von gemeinwohlorientierten Bauträgern bzw. Vermietern bleiben – oder wieder dorthin zurückkehren. Das wären die GBG, Genossenschaften, soweit sie sich nicht dem hochpreisigen Wohnungsbau verschrieben haben (was tatsächlich auch vorkommt), sowie Wohngruppen, Mietshäusersyndikat, neue Genossenschaften. Die Eigentumsfrage ist deshalb wichtig, weil nur so die sozialen und städtebaulichen Ziele durchgesetzt und auf Dauer, nach Auslaufen eventueller Mitpreisbindungen, eine weiterhin leistbare Mietpreisstruktur erzielt werden kann. Rein private, gewinnorientierte Bauträger spekulieren auf einen hohen (ggf. wegen Mietpreisbindung verzögerten) Wertzuwachs aus den Mieten.
    Ideal wäre es, wenn der leistungsfähigste dieser potentiellen Bauträger, die GBG, die meisten der Grundstücke direkt von der BIMA erwerben und selbst bebauen würde. Dazu ist die GBG aber weder finanziell noch personell in der Lage. Die MWSP ist von ihrem Gesellschaftszweck nicht als Vermietungsgesellschaft sondern nur als Zwischenhändlerin konzipiert sowie für die Erschließungsarbeiten zuständig. Tatsächlich sind auch schon die Verhandlungen mit Projektentwicklungsunternehmen für ein Gros der Wohneinheiten zumindest auf Baufeld 1 von Spinelli Nord weit fortgeschritten, und das heißt Verkauf an Privat.
    Es wäre aber wichtig, dass zumindest nach Projektabschluss die Projektentwickler die Immobilien nicht an profitorientierte Kapitalanleger weiterverkaufen, sondern zurück an den „Konzern Mannheim“, also z.B. die GBG. Denkbar und logisch wäre sogar, dass die Projektentwickler ohne Eigentumsübergang nur als Dienstleister mit entsprechender Bezahlung tätig werden, und die Grundstücke samt Häusern z.B. bei der GBG bleiben.
  • Diese Überlegungen setzen voraus, dass z.B. die GBG durch eine Kapitalerhöhung seitens der Stadt Mannheim in die Lage versetzt wird, die Grundstücke samt Häusern direkt oder nachträglich zu erwerben. Dabei ist zu beachten, dass die Eigenkapitalquote der GBG nicht weiter sinken sondern sich bei 25% halten sollte, weil sie sonst auf dem Kapitalmarkt bei der Darlehensbeschaffung Schwierigkeiten bekäme. Mit einer Kapitalerhöhung beispielsweise um 50 Mio. Euro könnte sie ohne Verschlechterung der Eigenkapitalquote 200 Mio. Euro investieren. Sie verschuldet sich um weitere 150 Mio. Euro und trägt diese Schulden aus Mieteinnahmen langfristig wieder ab. Der Kreditmarkt ist im Moment noch sehr günstig mit langen Laufzeiten. Auf diese Weise würde ein nennenswerter Teil der Spinelli-Wohneinheiten unter öffentlicher Kontrolle gehalten und verfiele nicht dem spekulativen Marktgeschehen.
  • Die erforderlichen Grundstückstransaktionen müssten möglichst so abgewickelt werden, dass nicht mehrmals Grunderwerbssteuer bezahlt werden muss. Der Bodenpreis ist gegenüber Turley und Franklin erwartungsgemäß schon wieder gestiegen. Die Grunderwerbsteuer beträgt je Verkaufsgang 5 %. Zusammengenommen verteuert das den Wohnraum enorm.

Was heißt das für den Doppelhaushalt der Stadt Mannheim?

Die Stadt kann sich mit ihrem Kernhaushalt nicht länger aus dem Konversions- und Wohnungsbaugeschäft heraushalten. Die Idee, die „Jahrhundertaufgabe Konversion“ allein den „Konzerntöchtern“ GBG und MWSP zu überlassen, nur damit die heilige Kuh der Schwarzen Null bzw. des Nettoneuverschuldungsverbots weiter gepflegt wird, lässt sich nicht mehr halten. Finanziert werden könnte die Kapitalerhöhung z.T. aus der Rücklage und zum Teil auch aus den überplanmäßigen Überschüssen des laufenden Haushalts – also gar nicht notwendigerweise aus Kreditaufnahme im Kernhaushalt. Zu beachten ist, dass eine Kapitalerhöhung bei einer Tochter bilanziell in der „Familie“ bleibt, also keineswegs einen Wertverlust, sondern im Gegenteil die Grundlage einer Wertsteigerung für die Stadt darstellt.

Der von der SPD ins Spiel gebrachte „Wohnungsfonds“, über den auch in der Verwaltung nachgedacht wird, und der laut SPD vier Jahre lang mit 10 Mio. Euro gefüttert werden soll, ist ja wenigstens ein Gedankenschritt in die richtige Richtung, je nach dem, was sich darunter vorgestellt wird. Entscheidend ist die Frage: Was soll der Fonds bewirken? Es geistert die Idee herum, dieser Fonds solle „Grundstücke kaufen und verkaufen“. Nur: Welche Grundstücke sollen denn an wen verkauft werden? Die Stadt hat in der Vergangenheit keine Grundstücksbevorratung betrieben, sondern den Stadthaushalt mit jährlich 10 Mio. Sondererträgen aus dem Verkauf von Grundstücken durch Hebung stiller Reserven gestützt. Diese Finanzierungsquelle würde bei strikter Grundstücks-Zukaufstrategie nicht mehr fließen. Die Devise muss heißen: „Halten, nicht verkaufen!“

Ein weiteres Instrument, von der BIMA erworbene Bauflächen und ebenso auch die 70 Wohnungsbaugrundstücke außerhalb der Konversion im kommunalen Eigentum zu halten, wäre die Vergabe von Erbbaurechten. Dazu muss der gegenwärtige, schon seit Jahrzehnten festliegende Erbbauzins von 4% deutlich gesenkt werden. Vor allem müsste das im 12-Punkteprogramm enthaltene Instrument, den Erbbauzins in den ersten 25 Jahren zu stunden bzw. auf Null zusetzen, aktiviert werden. Das würde den Eigenkapitalbedarf von gemeinwohlorientierten Bauträgern deutlich senken. Für Wohngruppen wäre dies angesichts der im Raum stehenden Bodenpreise fast eine Voraussetzung, sich überhaupt engagieren zu können. Für den Stadthaushalt wäre es eine hinzunehmende Belastung.

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE, Fraktionsvorsitzender LI.PAR.Tie. (überarbeitet 20.11.2018)




Energiekonzepte FRANKLIN und Spinelli – tauglich für 2050?

Spinelli Konversionsgelände | Bild: KIM

Am 2. Juli befasste sich der Unterausschuss Konversion des Mannheimer Gemeindrats u.a. mit dem Energiekonzept FRANKLIN und Spinelli auf Grundlage eines mündlichen Berichts von Dr. Alexander Kuhn, MVV Energie AG. Diese mehrheitlich in kommunalem Eigentum befindliche Gesellschaft wurde von der Stadt im Zuge der Planungen zur Gestaltung des Konversions-Quartiers „Franklin“ bereits vor Jahren beauftragt, dort die energetische Entwicklung zu planen und koordinieren. Es soll ein umfassender Ansatz sein Richtung Stromversorgung, Wärme, Mobilität, und alles „intelligent“ gesteuert.

Herr Kuhn sprach folgende Aspekte an:

  • Das Niedertemperatur-Wärmenetz findet bei den Investoren großes Interesse. Gemeint ist hier das Konstrukt der „Grünen Fernwärme“, deren Primärenergie-Kennziffer durch die Einführung einer PV-getriebenen zusätzlichen Wärmequelle aus Wärmepumpen abgesenkt wird (das Kommunalinfo berichtete). Dahinter steckt die mehrheitliche politische Entscheidung des Mannheimer Gemeinderats, Franklin an das nun einmal bestehende kohlebefeuerte GKM-Fernwärmenetz anzuschließen.
  • Die Lade-Infrastruktur für e-mobility werde aufgebaut
  • Es werde eine Sektorverbindung zwischen Strom, Wärme und Mobilität realisiert
  • Intelligente Zähler werden eingebaut, die es den Abnehmern ermöglichen, den Stromverbrauch z.B. an die Netzauslastung anzupassen.
  • Carsharing: Hier laufen die ersten Elektroautos, jedoch sei – auch aufgrund der noch lauenden Aufsiedlung – die Nutzung „verbesserungsfähig“.

Für Spinelli solle es ein Nahwärme-Netz geben, ebenfalls mit Vorlauftemperaturerhöhung aus Photovoltaik (PV), aber eben Anschluss an das GKM-Fernwärmenetz. Der Begriff „Insellösung“ für Baufeld 1 fiel. Auf die Frage der LINKEN, ob denn nicht z.B. an ein Biomethan-Block-Heiz-Kraftwerk gedacht sei, das das „Nahwärmenetz“ versorgen könne, intervenierte der Oberbürgermeister, der zuvor das Ziel „Dekarbonisierung der Fernwärme“ formuliert hatte: Erstens gehe es hier nicht darum, in einer „virtuellen Stadt“ (sprich in Wolkenkuckucksheim) zu planen, sondern in einer Real-Stadt mit 70% Fernwärmeanschluss, und zweitens habe gerade letztes Jahr die niederländische Regierung „Gasversorgung“ für neue Wohngebiete untersagt. Diese Einlassung macht deutlich, dass mehrere Seelen in der OB-Brust wohnen (wohlwollend ausgelegt), und dass zweitens allzu schnell die Keule des Utopismus-Vorwurfs geschwungen wird. Der OB selbst wies darauf hin, dass die Quartiere Franklin und Spinelli auch 2050 noch aktiv seien und somit dem Klimaziel 2050 minus 2°C dienen müssten. Mit Denkblockaden wird dies allerdings nicht zu erreichen sein.

Spinelli Konversionsgelände | Bild: KIM

Immerhin: Der OB erkundigte sich auch nach den Möglichkeiten von Mieterstrom (dezentrale Stromversorgung unter Einschluss eigener PV), und ob eine Quote von 50% der Dachflächen für PV erreichbar seien. Dr. Kuhn beurteilte die Möglichkeit der Mieterenergie sehr skeptisch. Der stünden die Liberalisierung des Strommarktes ebenso entgegen wie die oft „tragischen“ gruppendynamischen Entwicklungen in genossenschaftlichen Zusammenschlüssen. Auch sei die Förderung von Genossenschaften nicht das Kerngeschäft der MVV Energie.

Baustelle auf Franklin | Bild: Drożdżewski (CC BY-SA 4.0)

Damit hat er zweifelsfrei Recht und macht aber gleichzeitig deutlich, dass für ein wirklich zukunftsweisendes Energiekonzept auf Spinelli (wo das Eisen derzeit noch schmiedbar ist) eine Emanzipation von der MVV Energie erforderlich ist. Ein kleiner Lichtblick war die Ankündigung des Konversionsbeauftragten der Stadtplanung, Ammer, man werde ein Symposion zu Energiefragen durchführen. Hier wäre dringend zu empfehlen, z.B. die Erfahrungen auf dem Sektor Bürger-Energie in Heidelberg auf die Tagesordnung zu setzen.

Wenn die Stadt Mannheim ein zukunftsweisendes und zukunftssicheres Energiekonzept auf Spinelli umsetzen möchte – und das ist ein Muss – dann muss sie auf Avantgardisten setzen und nicht auf Fachleute für Gemächlichkeit und Konzerninteressen.

A propos Dekarbonisierung: In diesem Zusammenhang sei auf die neue Broschüre „Klimawende von unten“ verwiesen, deren Abschnitt über das GKM bzw. die MVV Energie AG nachfolgend dokumentiert wird.

(Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE)

 

Das Großkraftwerk Mannheim

Großkraftwerk Mannheim | Bild: KIM

Das Fernwärmenetz der Metropolregion Rhein-Neckar ist eines der größten in Europa und hangt an einem der klimaschädlichsten deutschen Kraftwerke, dem Groskraftwerk Mannheim. Dessen Warme fliest in über 60 Prozent der Mannheimer Haushalte, aber auch bis nach Heidelberg, Schwetzingen und Edingen-Neckarhausen. Wenn diese städtischen KundInnen aufgrund von Bürgerbegehren abspringen, kommt das Großkraftwerk in Bedrängnis.

Beim überregionalen Versorger namens Fernwarme Rhein-Neckar GmbH haben die verschiedenen Kommunen kein direktes Mitspracherecht. Falls in den Gesellschaftsverträgen nichts anderes festgelegt ist, haben sie es aber auf der Ebene ihrer jeweiligen lokalen Wärmenetze. Im Folgenden werden die Ansatzpunkte für die einzelnen Kommunen skizziert. Die Stadt Mannheim hat über ihre Stellung als Alleingesellschafterin der MVV GmbH vollen Einfluss auf deren Tochtergesellschaft MVV Verkehr GmbH. Diese hat mit einer Beteiligung von 50,1 Prozent die Mehrheit in der Hauptversammlung des lokalen Netzbetreibers MVV Energie AG.

Ein Bürgerbegehren konnte daher darauf abzielen, dass die Stadt Mannheim ihren gesellschaftsrechtlichen Einfluss auf die MVV Energie AG dahingehend ausübt, dass diese so bald wie möglich keine Wärme aus dem Großkraftwerk Mannheim oder anderen Kohlekraftwerken mehr in das Fernwärmenetz Mannheim einspeist beziehungsweise durchleitet. Sie kann in einem Hauptversammlungsbeschluss klarstellen, dass sie eine solche Entscheidung wünscht und dies mit der Ankündigung verbinden, dass der Vorstand andernfalls nicht entlastet wird. Zugleich könnten wir die Stadt verpflichten, die Gesellschaftsverträge der MVV GmbH und der MVV Mannheimer Verkehr GmbH zu ändern, deren alleinige Gesellschafterin sie direkt und indirekt ist. Beide sollten sich danach nicht mehr an einer Gesellschaft beteiligen dürfen, die Kohle-Wärme einspeist, und sich aktiv für den Abschied von dieser Wärmeerzeugungsform einsetzen.

Die Stadt Heidelberg ist Eigentümerin der Stadtwerke Heidelberg GmbH und als solche zu 94,9 Prozent an der Netzgesellschaft beteiligt. Sie kann damit die Geschäftsführung anweisen, keine Wärme mehr aus dem überregionalen Fernwärmenetz zu beziehen, für den Fall, dass es weiter aus dem Kohlekraftwerk Mannheim beliefert wird. Dazu können wir sie per Bürgerbegehren auffordern.

Quelle: „Klimawende von unten. Wie wir durch direkte Demokratie Klimapolitik in die Hand nehmen“, S 63. Kooperationsprojekt herausgegeben von Umweltinstitut München e.V. | BürgerBegehren Klimaschutz e.V. | Mehr Demokratie e.V.




FRANKLIN – sozial und ökologisch? An beidem muss noch heftig gearbeitet werden!

In der Sitzung des Unterausschusses Konversion am 19. Juli stand ein Überblick über den Sachstand FRANKLIN auf der Tagesordnung, und zwar hinsichtlich der Investoren, der „Zertifikate“, und des Stadtteilmanagements. Wichtigste Botschaften: Es gibt 12 Wohnungsbau-Investoren auf FRANKLIN (gemeint ist hier grundsätzlich die „Mitte“, ohne Sullivan, Offizierssiedlung und Funari), darunter in der Mitte der „Mitte“ die stadteigene GBG. Einer der Investoren plant Studierenden-Wohnungsbau. Bei der Erfüllung von Anforderungskategorien des sog. FRANKLIN-Zertifikats sind 11 Investoren gelistet (mit dem Bauherrn der Studierendenwohnungen wird noch verhandelt).

Das Wohnraumportfolio für FRANKLIN Mitte weist jetzt 3.078 Wohneinheiten aus. Davon sollen 686 Mietwohnungen unter 7,50 EURO/m² Kaltmiete angeboten werden sowie 253 Eigentumswohnungen unter 2.800 EUR/m² Kaufpreis. Das sind 22% bzw. 8% aller Wohneinheiten in FRANKLIN-Mitte.

Das System „FRANKLIN-Zertifikat“
Zur Erinnerung: Das „FRANKLIN-Zertifikat“ basiert auf einem 5-Ddimensionen-Programm, von welchem jeder Investor mindestens in zwei Dimensionen „innovativ“ planen muss als Voraussetzung für den Abschluss eines Kaufvertrages für das Grundstück. Die Dimensionen umfassen Soziale Mischung, Inklusion, Freiraum und Urbanität, Städtebau & Architektur sowie Energie & Mobilität. Jede Dimension ist durch 10 Aspekte definiert. Die Zwischenbilanz in der Ampelform sieht nun so aus: von den 55 Bewertungsfeldern (11 Investoren mal 5 Dimensionen) stehen in den Augen der Verwaltung 31 auf „grün“, der Rest auf „Potenzial“ (gelb) und keines auf „Rot“. Die Firma evohaus hat in allen 5 Dimensionen „grün“. Ihr wurde das Zertifikat erteilt. Bei der GBG beispielsweise fehlt es gegenwärtig noch etwas an „Urbanität“ und Städtebau samt Architektur. Sie erhielt ein „Vorzertifikat“.

Erinnert sei ferner daran, dass die Orientierung an den Zertifikats-Dimensionen Grundlage für die Gespräche mit den bauwilligen Investoren ist. Seit über zwei Jahren führt die MWSP als Eigentümerin der Konversionsfläche im Auftrag der Stadt Gespräche mit den Investoren über deren jeweilige Vorstellungen und über die Anforderungen der Stadt (Zertifikate). Es findet laufende Rückkopplung mit Aufsichtsrat, Konversionsausschuss und Gemeinderat statt. Dieser „iterative Planungsprozess“ lange vor Vertragsunterzeichnung (und auch lange vor dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs von der BIMA an die MWSP) führte zu einer wesentlichen Beschleunigung der Nutzbarmachung von Franklin.

Die Methode ist Pragmatismus pur; die Planungsergebnisse sind teilweise sehr interessant. Was zu kurz kommt sind die übergreifenden Themen wie eine optimale Energie-Effizienz für diesen Zukunftsstadtteil, ein schlüssiges Gesamtangebot an sozialer Infrastruktur, und auch die Mobilitätsstruktur ist noch nicht definiert. Auch um ein Wohnungsbauprogramm, das genügend bezahlbaren Wohnraum sichert, muss permanent gekämpft werden. Nicht vergessen werden dürfen die schwierigen Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat, die in all den angesprochenen Interessenlagen ein Patt mit meist gegenteiligen Interessen vorweisen. Das sind keine guten Voraussetzungen für große Sprünge.

Der „Pragmatismus“ führt nicht zu rechtssicheren Ergebnissen. Die Planungsergebnisse basieren eher auf „Selbstverpflichtungserklärungen“ der Investoren. Der Bebauungsplan ist eher allgemein gehalten – er kann ohnehin keine Details jenseits der Kategorien des Baurechts festschreiben. Lediglich die Kaufverträge bzw. die Baugenehmigungen können ein Mindestmaß an Verbindlichkeit herstellen. Direkte Auflagen zu formulieren käme nach Auffassung der Verwaltung einer „Beauftragung“ durch die Stadt Mannheim gleich und würde zwangsläufig eine erneute Ausschreibung der Bauprojekte zur Folge haben – ein Verfahren, welches keinen Investor zu zweijährigen Planungsleistungen veranlasst hätte im „rechtsfreien“ Raum ohne verbindlichen Vertrag.
Es wird also höchste Zeit, die übergreifenden Strukturen für den neuen Stadtteil zu definieren: Energie, Sozialinfrastruktur, Mobilität – bevor die Einzelplanungen so weit fortgeschritten sind, dass es heißt: „nichts mehr zu machen geschweige zu ändern“.

Energiekonzept auf FRANKLIN – statt optimal: in den Fängen der Kohle-Politik

„Hierzu hatte die MWSP 2012/13 das Gutachten „blue village franklin“ mit dem Ziel der der Ermittlung einer CO2-Quartiersbilanz (vor US-Nutzung / nach US-Nutzung) in Auftrag gegeben, dessen Inhalte in den Rahmenplan eingeflossen sind. Erreicht wurde in dem Zusammenhang das Versprechen der MVV Energie AG zur grünen Fernwärme mit dem Primärenergiefaktor 0,55 (Franklin) statt 0,65 (Gesamtstadt).“ Diese Ankündigung findet sich in der Informationsvorlage V170/2016 „Energetischer Masterplan blue village FRANKLIN. Umsetzung der integrierten und energieeffizienten Quartiersentwicklung“.
Das Geheimnis der „Grünen Fernwärme“ wird folgendermaßen erklärt:
„Dezentrale Wärmeversorgung. Für die derzeit laufende Erschließung des Teilbereiches Mitte bietet die MVV Energie AG eine Fernwärmeversorgung mit einem gegenüber dem Mannheimer Standard günstigeren Primärenergiefaktor (0,55 anstatt 0,65) an. Die Zertifizierung dafür liegt vor. Erreicht wird dies über die Kombination der lokalen Fernwärmenetze mit durch Photovoltaik betriebene Luft-Wärmepumpen. Durch diese signifikante Verbesserung des Primärenergiefaktors ist es für die Investoren möglich, die im Rahmenplan gegenüber den gesetzlichen Vorgaben verschärften energetischen Ziele umzusetzen, ohne dass zusätzliche Dämm-Maßnahmen an der Gebäudehülle erforderlich sind.“ (S. 6)
Diese Ankündigung macht sehr stutzig. Zu erwarten wäre für den neuen Stadtteil eine optimierte Energieversorgungsstruktur gewesen, und das heißt nach heutigen Erkenntnissen: Wirklich dezentrale Energieversorgung aus regenerativen Primärenergien mit maximalem Wirkungsgrad. Das wären dann z.B. Kraft-Wärme-Kopplungs-Einheiten mit Biomasse-Gas betrieben.
Stattdessen taucht die zentrale Fernwärme aus dem Kohlekraftwerk GKM auf, „geschönt“ durch Photovoltaik-Luft-Wärmepumpen. Durch die Kombination von Kohle-Dampf und PV-Wärme wird vielleicht rechnerisch der Primärenergiefaktor im Zuge einer Mischkalkulation verbessert. Jedoch wird auf diese Weise PV-Strom im wahrsten Sinne des Wortes verheizt, anstatt beispielsweise in der Mobilität zum Ersatz fossilen Treibstoffs durch Sonnenenergie beizutragen.

DIE LINKE fragt die Verwaltung, ob sie dieses Konzept durch ein unabhängiges Institut überprüfen lässt (A 096/2016). In der Sitzung des Konversionsausschusses lässt der Oberbürgermeister erkennen, dass ein schlüssiges Energiekonzept noch ebenso offen ist wie die soziale Ausstattung und ein Mobilitätskonzept. Dr. Konrad Hummel ergänzt mit Bezug auf die Anfrage der Linken, die MVV solle im Herbst „Genaueres vortragen“. Die „Grüne Energie“ müsse durch das Zusammenspiel zwischen der Community und der MVV sichergestellt werden. OB Kurz sinniert: Manches Wünschbare in Sachen Energieinfrastruktur sei nicht refinanzierbar. Beispielsweise gebe es Probleme, wenn ein Teil der Investoren auf autarke KWK-Blöcke setze, und ein anderer Teil auf Fernwärme. Dadurch werde für den Rest die Fernwärme unerschwinglich, weil sie dann die gesamten Infrastrukturkosten tragen müssten, von denen sich die anderen verabschiedet haben. Auch wirft er die Frage auf, ob die Fernwärme für den Notfall nicht als redundante Energieversorgung bereitgehalten werden müsse (als überschüssige Reserve).

Dies ist nun freilich das Eingeständnis, dass FRANKLIN büßen muss für die Mannheimer Fixierung auf die kohlestämmige Fernwärme des GKM. War schon vor Block 9 die einst sehr fortschrittliche Fernwärme mit nur 60% Absatz überdimensioniert, so gilt dies erst recht mit Block 9. Um das ohnehin durch das Fortschreiten der Energiewende von Anfang an unwirtschaftliche GKM etwas zu entlasten, soll FRANKLIN wie zu Zeiten der Amerikaner mit Fernwärme versorgt werden. Ausreißer unter den Investoren, die mit einer dezentralen KWK-Einheit operieren wollen, gefährden somit die Kohle- und Fernwärme-Ökonomie. Alternativen wurden nur überflugartig erwähnt aber nicht ernsthaft geprüft. Die ist eine schwere Hypothek für die Mannheimer CO2-Bilanz. Im Sinne des angepriesenen „blue_village“ müssten dringend Alternativen ernsthaft geprüft werden, sowohl auf ihre ökologische wie auch auf die wirtschaftliche Machbarkeit. Mannheim muss hier auch gar nicht das Rad neu erfinden (worauf man ja in Mannheim dann wieder besonders stolz wäre), sondern man kann sich am Beispiel anderer Kommunen orientieren. Es kommt hierbei auf Tempo an; denn die Investoren haben bisher meist anders geplant. Sie werden schon jetzt Vertrauensschutz geltend machen.

Thomas Trüper