Protest gegen Merz-Besuch in Mannheim [mit Video und Bildergalerie]

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte sich zum Wahlkampfbesuch in Mannheim angekündigt und nach der Kooperation von CDU, FDP und AfD im Bundestag blieben Proteste dagegen nicht aus. Das Offene Antifaschistische Treffen, die Interventionistische Linke und aus den Reihen der Parteien Die Linke, Grüne und SPD wurde mobilisiert. Die Feudenheimer Kulturhalle war mit gut 500 Merz-Anhänger*innen brechend voll, zum Gegenprotest hatten sich ähnlich viele Leute auf dem Parkplatz davor versammelt.

Der Beitrag bei YouTube: https://youtu.be/Pkn-1HsLCyI 

Hunderte vor und in der Kulturhalle Feudenheim

Die Feudenheimer Kulturhalle war bereits lange vor dem Skandal um die CDU-AfD Kooperation im Bundestag ausgebucht. Mit kritischen Stimmen war in der Halle nicht zu rechnen. Doch davor demonstrierten hunderte lautstark gegen den migrationsfeindlichen Kurs der CDU und die vorsichtige Annäherung an die Faschist*innen.

Auf einem Schild war „Merz = von Papen“ zu lesen, in Anlehnung an historische Parallelen, als die Zentrumspartei Adolf Hitler zum Aufstieg verholfen hatte. Auch das Einreißen der „Brandmauer“ durch „Friedrich den Wüterich“ war ein beliebtes Plakatmotiv.

In einem Redebeitrag der Interventionistischen Linken wurde gesagt, nicht die Brandmauer der CDU gefallen, sondern deren Maske. Rassismus sei Programm und auch die Ampel-Parteien seien zu oft in den migrationsfeindlichen Kurs eingestiegen.

Zwei der drei Ampelparteien waren auch bei der Kundgebung gegen Merz vertreten. Die Jugendorganisationen Grüne Jugend und Jusos hatten sich ebenfalls auf dem Parkplatz vor der Kulturhalle versammelt und separierten sich jeweils in eigenen Grüppchen.

Im Zuge der Anreise der CDU Anhängerschaft kam es zu kleineren verbalen Scharmützeln und Buh-Rufen, ansonsten blieben die Veranstaltungen entspannt. Auch die Polizei war zufrieden.

Den Kanzlerkandidaten selbst hat niemand außer der eigenen Fanblase zu Gesicht bekommen. Er fuhr mit seiner Limousine bist direkt vor den Seiteneingang der Kulturhalle, den die Polizei und ein privater Sicherheitsdienst weiträumig abgesperrt hatte.

Verwirrung um Veranstaltungsort

Kurz vor den Veranstaltungen gab Chaos wegen einer angeblichen Verlegung der CDU Wahlkampfveranstaltung in die Maimarkthalle. Eine entsprechende E-Mail der CDU Kreisgeschäftsführerin entpuppte sich allerdings als Fake. Aus welcher Ecke die Falschmeldung kam, blieb aber unklar, da nicht nur Gegendemonstrant*innen, sondern auch CDU-Anhänger*innen verwirrt wurden.

Ebenfalls von Unbekannten angebracht waren Sprühereien auf der Fassade der Kulturhalle. Das Publikum von Friedrich Merz musste an „FCK CDU“ und „Brandmauer gegen rechts“ vorbei laufen. In ganz Feudenheim war außerdem „CDU schämt euch“ plakatiert. Weniger eskalativ, aber mindestens genauso auffällig waren Sprüche mit Straßenkreide auf den Wegen zwischen Kulturhalle, Grundschule und Kindergarten. „CDU schämt euch“, „Merz geh in Rente“ oder „Kinder gegen Merz“ mussten die Merz Fans auf ihrem Weg zum Veranstaltungsort lesen. (cki)

 

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Wir sind die Brandmauer!  „Alle zusammen gegen den Faschismus!“ [mit Bildergalerie]

Eine viertel Stunde vor Beginn ist der Platz fast voll, und viele sind noch im Anmarsch. | Bild: KIM

Nach eineinhalb Tagen Mobilisierungs-Vorlauf 15.000 Menschen auf dem Alten Messplatz! Merz macht’s nötig. Zum Abschluss der Protestveranstaltung „Wir sind die Brandmauer!“ rufen sie: „Alle zusammen gegen den Faschismus!“ Die Initiative zu dieser Veranstaltung hatten „als Privatleute“ Marko Andelic (BBR Innenstadt/Jungbusch, SPD) und Gerhard Fontagnier (Stadtrat Grüne) ergriffen.

Es war der Abschluss einer Woche, die die faktische Zusammenarbeit der CDU, FDP und dann auch noch des BSW mit der AfD im Bundestag gebracht hatte. Zehntausende hatten gleichzeitig in vielen Städten der Bundesrepublik und auch in der „Provinz“ spontan ihre Stimme gegen diesen parlamentarischen Rechtsruck und Tabubruch erhoben. In Mannheim war es fast genau ein Jahr nach der riesigen Kundgebung gegen die Geheimgespräche zwischen CDU- und AfD-Mitgliedern mit den Häuptern der völkisch-identitären Bewegung, bei denen es um die „Remigration“ von Zugewanderten und Asylsuchenden ging. Im Bundestag standen in dieser Woche eine Entschließung und ein Gesetzesentwurf über die faktische Abschaffung des Asylrechts und über die Beschleunigung und Brutalisierung der Abschiebung von Asylsuchenden auf der Tagesordnung – Kernpunkte der AfD-Forderungen, die sich die CDU unter Kanzlerkandidat Friedrich Merz zu eigen gemacht hatte. Im Gegensatz zu der Protestaktion vor einem Jahr waren jetzt – wen wundert’s – keine Vertreter:innen der Mannheimer CDU und FDP präsent.

Zu Beginn der Kundgebung schlüpfte die NTM-Schauspielerin Sarah Zastrau in die Rolle Angela Merkels und trug deren Kritik vom 30.01.25 am Wortbruch des Friedrich Merz vor. Der entscheidende Passus mit dem gebrochenen Merz-Versprechen sei hier zitiert:

„Für die wenigen verbleibenden Entscheidungen, die ohne Bundeshaushalt möglich sein könnten, will ich Ihnen hier einen Vorschlag machen: Wir sollten mit Ihnen, den Sozialdemokraten, und Ihnen, die Grünen, vereinbaren, dass wir nur die Entscheidungen auf die Tagesordnung des Plenums setzen, über die wir uns zuvor mit Ihnen von der SPD und den Grünen in der Sache geeinigt haben, sodass weder bei der Bestimmung der Tagesordnung noch bei den Abstimmungen in der Sache hier im Haus auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da von der AfD zustande kommt. Diese Verabredung möchte ich Ihnen ausdrücklich vorschlagen, meine Damen und Herren. Denn das hätten diese Damen und Herren von rechts außen doch gerne, dass sie plötzlich die Mehrheiten besorgen, und sei es mit Ihnen von den beiden Minderheitsfraktionen bei der Bestimmung der Tagesordnung. Wir wollen das nicht. Ich hoffe, Sie sehen das auch so, liebe Kolleginnen und Kollegen.“ (Rede im Bundestag vom 13.11.24 lt. stenografischem Protokoll)

Ralf Heller mit DGB- und Verdi-Kolleg*innen (Bild: Helmut Roos)

Ralf Heller, Kreisvorsitzender des DGB Mannheim und Personalratsvorsitzender des Uni-Klinikums Mannheim empörte sich zunächst, dass die Debatte über den AfD-kompatiblen CDU-Antrag unmittelbar auf die Gedenkstunde im Bundestag zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau folgte, bei der u.a. der jüdische Ukrainer Roman Schwarzmann (89), Überlebender des Ghettos Berschad, sprach.

Das jetzige Fehlen von CDU und FDP im Gegensatz zur Kundgebung 2024 zeuge auch von der künftigen Schwierigkeit, unter den demokratischen Parteien Konsense zu vielen wichtigen Zukunftsfragen zu finden. In diesem Zusammenhang sei viel zu wenig von der FDP die Rede.

In Bezug auf den propagandistischen Ausgangspunkt der aktuellen hochpopulistischen „Asyldebatte“ forderte Heller, traumatisierte und psychisch kranke Personen richtig zu betreuen, um solche schrecklichen Mordtaten wie in Aschaffenburg zu verhindern, anstatt die Verschärfung bereits bestehender Gesetze zu betreiben.

Heller stellte klar, dass ohne Zugewanderte die Belegschaft des Klinikums auf die Hälfte zusammenschrumpfen würde.

Unter großem Applaus warnte er auch davor, dass die extreme Rechte auf das Bürgergeld eindresche und somit auf die Ärmsten der Armen. Wenn immer das Abstandsgebot zu den Löhnen reklamiert werde, sei dies ein Problem zu geringer Löhne, nicht zu hohen Bürgergeldes.

Auf Heller folgend ergriffen Vertreter aus dem Bereich der katholischen und evangelischen Kirche das Wort – diesmal jedoch nicht  die Dekane: Prof. Oliver Wintzek, Pfarrer an der Jesuitenkirche und Andreas Weisbrod, Schuldekan der evang. Kirche. Außerdem von der alevitischen Gemeinde deren stv. Vorsitzender Ertan Kurt.

Oliver Wintzek verwahrte sich gegen die christliche Verbrämung einer menschenfeindlichen Politik: „Pfui!“. Es folgten noch mehrere empörte Pfuis über die Verachtung von Aufklärung und Universalilsmus, den „Grundlagen des Christentums“, über die völkische Wendung aller Probleme, über Zensur und über Gewalt gegen christliche Hilfseinrichtungen und Helfende für Menschen in Not.

Auch Pfr. Weisbrod stellte den Gegensatz zwischen AfD-Gedankengut und den Grundlagen des Christentums heraus. „Allen Menschen ist die gleiche Würde gegeben. Die Würde muss nicht erst verdient werden.“ Die Kirchen stünden genau wie die jüdische und die muslimischen Gemeinden auf Seite der Schwachen. „Es darf keine Diskussionen geben, wo man am Ende mit der AfD in einem Topf sitzt“. „Wer Würde hat, muss Abstand zum Rechtsextremismus halten.“ Würde und Demokratie gehörten zusammen. Für diese müsse man einstehen und notfalls für sie kämpfen und Widerstand leisten. „Wir sind die Brandmauer!“.

Ertan Kurt hob hervor, dass Demokratie auch auf der Straße hergestellt werden kann und muss, wie auf dieser Kundgebung. Dass dieser Widerstand wirkt, sehe man auch daran, dass bei der Abstimmung über den CDU-Gesetzesentwurf keine Mehrheit mehr zustande kam. „Das wäre ohne den Druck der Straße nicht möglich gewesen.“

Für Monnem Pride und das Queere Zentrum rief Susanne Hun zur Teilnahme auf an dem bundesweiten Aktionstag „Wähl Liebe! Es ist 5 vor 12“. In Mannheim: 15.2.2025, 11:55, Schlosshof.

Wie fühlen sich angesichts der Asyl- und generellen „Ausländer“-Debatte betroffene Zugewanderte? Dazu äußerte der seit 35 Jahren hier arbeitende iranische Oberarzt Dr. Iraj Feridoun-Far in einem spontanen Beitrag zwei Gedanken: Er zitierte den berühmten Spruch über zu späten Widerstand des ev. Theologen Martin Niemöller: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ Und er betonte: „Nie wieder ist Jetzt!“

Zum Abschluss der Protestkundgebung kamen noch die Bundestagskandidatinnen von Grünen, SPD und Linke zu Wort: Nina Wellenreuther (Grüne), Isabel Cademartori MdB (SPD) und (in Vertretung der erkrankten Gökay Akbulut MdB) Dennis Ulas (Die Linke).

Die Vertreter:innen der drei Brandmauer-Parteien Dennis Ulas (für Gökay Akbulut), Nina Wellenreuther (Grüne) und Isabel Cademartori (SPD). | Bild: Helmut Roos

Nina Wellenreuther erinnerte an das Erstarken der Nazis „damals“: Sie hatten keine Mehrheit, aber die Konservativen waren zur Zusammenarbeit bereit. „Wie geschichtsvergessen!“ Sie erinnerte auch daran, dass noch vor einem Jahr die demokratischen Parteien an gleicher Stelle zusammen gegen das Erstarken der Rechtsextremen und gegen konspirative Zusammenarbeit mit ihnen auf dem Platz und auf der Bühne waren – heute nicht mehr.

Isabel Cademartori berichtete aus dem Bundestag über die unerträgliche Situation, dass nach dem Auschwitzgedenken die Diskussion und Abstimmung über das „Zustrombegrenzungsgesetz erfolgte mit dem Ergebnis, dass nach dem gemeinschaftlichen Ja von CDU/CSU, FDP und BSW mit der AfD diesmal zwar einige Dissidenten die Mehrheit knapp verhinderten, aber die Zusammenarbeit bereits zur Routine geworden sei. Merz sei mit Ansage in des offene Messer der AfD gelaufen. „Merz muss weg!“ ertönte es darauf aus der Menge.

Cademartori schilderte, wie der Abstimmungsprozess lief: Sie habe zuvor ihre beiden Mannheimer MdB-Kolleg:innen von CDU und FDP angeschrieben und sie aufgefordert, einer Verschiebung des Gesetzentwurfs vor der zweiten Lesung in die Ausschüsse nicht zu widersprechen – vergeblich. Vormittags habe man dann vier Stunden über den Verweis in die zuständigen Ausschüsse heftig, aber ergebnislos diskutiert. Der Knackpunkt sei gewesen, dass die SPD von Merz verlangt habe, auch künftig nicht mit der AfD zusammen strittige Vorlagen durchzupushen, was Merz strikt ablehnte. Im Übrigen sei das Vertrauen in irgendwelche Zusagen von Merz ohnehin erloschen.

Sie rief auf, die Kräfte der Brandmauer, SPD, Grüne und Linke zu stärken. „Auf die Barrikaden! An die Wahlurnen!“ Die Kundgebungsteilnehmer:innen antworten mit dem Lied: „Wehrt euch, leistet Widerstand, | Gegen den Faschismus hier im Land | Auf die Barrikaden, auf die Barrikaden …“

Dennis Ulas  erinnert ebenfalls an die Kundgebung vom 27. Januar 2024: „Das Mäuerchen zwischen CDU und AfD hat nicht mal ein Jahr gehalten.“ Leider habe jetzt das BSW auch aktiv mit der AfD mitgestimmt. Er sei froh, dass das BSW nun eine eigene Partei ist.

Ulas erinnert auch an die vorletzte Landtagswahl in Thüringen vor fünf Jahren, als sich Thomas Kemmerich (FDP) mit Hilfe der Höcke-AfD zum Ministerpräsidenten küren ließ. Nur durch öffentlich Druck sei er zum alsbaldigen Rücktritt gezwungen worden. Inzwischen gebe es immer mehr klare Äußerungen aus verschiedenen Bundesländern und Kommunen v.a. im Osten  zu Gunsten einer Kooperation zwischen CDU und AfD. Man dürfe gespannt sein, wann es auch in Mannheim so weit ist.

Von links nach rechts: Gerhard Fontagnier, Nina Wellenreuther (Grüne), Isabel Cademartori (SPD), Dennis Ulas (Linke) und Marko Andelic | Bild: Helmut Roos

Merz habe bei seinem Amtsantritt als CDU-Vorsitzender die AfD halbieren wollen; jetzt sei sie doppelt so stark. Die CDU sage nichts zur Zunahme der rechtsextremen Gewalttaten und missbrauche stattdessen die grausamen Gewalttaten von psychisch Kranken, um das Grundgesetz anzugreifen.
Ulas versprach, niemals mit der AfD zusammenzuarbeiten. „Statt nach unten zu treten, muss man nach oben schauen und für die Umverteilung kämpfen.“ „Für Menschenrechte, soziale und Umwelt-Gerechtigkeit! Wir sind die Brandmauer!“

Die Versammlung schloss mit der Aufforderung, Friedrich Merz am 6. Februar ca. 13 Uhr vor der Kulturhalle Feudenheim gebührend zu empfangen.

(Text: Thomas Trüper | Fotos: Helmut Roos, KIM)

 

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Rückschau auf die OB-Wahl und Ausblick auf die Gemeinderatswahl 2024

Knapp daneben ist auch daneben

Die 860 Stimmen, die Riehle in der „Neuwahl“ hinter Specht lag, sind wirklich nicht viel, gerade mal 1,19 Prozentpunkte. Aber sie sind bitter für diejenigen, die lieber den Kandidaten von Mitte-Links als neuen OB gesehen hätten anstelle des Kandidaten der vereinten Rechten, Christian Specht.

Die Wahlbeteiligung lag nochmal 1,34 Prozentpunkte hinter dem ersten Wahlgang. Ob das nun am extrem heißen Wetter lag (für die zahlreichen Briefwählenden irrelevant), an Anhänger:innen der vier chancenlosen Zurückgetretenen oder an schlichtem Frust – das bleibt alles Spekulation. Fakt aber ist: Mehr als zwei Drittel der Wahlberechtigten blieben auch in diesem Jahr der OB-Wahl fern – was kein neuer Trend ist. 2015 betrug die Wahlbeteiligung bei der Neuwahl 28,7%. Sehr vielen Menschen scheint es gleichgültig zu sein, der Oberbürgermeister dieser Stadt ist, „so lange alles läuft“. Gleichzeitig wird ja viel geschimpft über das, was läuft – und oft auch mit Berechtigung.

Wie haben sich die Wählenden der zwei Blöcke verhalten?
Specht hat in keinem einzigen Stadtbezirk bei der Neuwahl weniger Stimmen als im 1. Wahlgang erhalten. Er konnte insgesamt 4,24 Prozentpunkte zulegen. Das sind 947 Stimmen mehr. Die Möglichkeit, einen rechten OB durchzubekommen, war so naheliegend, dass auch noch die letzten Reserven ihr Kreuzchen machten.
Die Anhänger:innen eines Mitte-Links-OB (die Stimmen von Belser, Fojkar und Riehle) haben gegenüber dem 1. Wahlgang 0,01 Prozentpunkte abgenommen, in absoluter Zahl aufgrund der geringeren Wahlbeteiligung waren das dann 1.748 weniger Stimmen weniger. Insgesamt haben sich bei der Neuwahl dann doch die Wählenden der drei Mitte-Links-Spitzenkandidat:innen rechnerisch ziemlich vollständig versammelt, aber eben nur ziemlich. Dass die fehlenden Stimmen schwerlich bei den Riehle-Anhänger:innen aus der SPD zu suchen sind, leuchtet wohl ein. Wo die fehlenden Stimmen dann zu verorten und in welchen Gewichtsanteilen, ist wiederum spekulativ. Die zögerliche und verschwommenen Wahlempfehlungen der Grünen und des Linken-Wahlbündnisses haben auf jeden Fall das Zusammenstehen der Riehle-Wählenden nicht sprengen können und auch nicht wollen.

Vergleich des 1. Wahlgangs und der Neuwahl. Die drei stimmstärksten Kandidierenden links vom rechten Block sind beim 1. Wahlgang rechnerisch zusammengefasst. (Grafik: KIM)

Die Aufholjagd des Riehle-Lagers war jedenfalls beeindruckend. Im Kernbereich Innenstadt / Jungbusch und Gesamt-Neckarstadt konnte Riehle sogar gegenüber den Stimmen der drei Kandidat:innen aus dem 1. Wahlgang 258 Stimmen zulegen. Hier hat mglw. die intensive Mobilisierungsanstrengung v.a. der SPD Früchte getragen. Das „Dreierbündnis“ konnte bei der Neuwahl wie im 1. Wahlgang in fünf Stadtbezirken über 50% der Stimmen holen; bei der Neuwahl ging lediglich Friedrichsfeld an Specht verloren.

Nicht unbeachtet soll indes bei dieser hauchdünnen Entscheidung der Stimmenanteil der vier „kleinen Kandidaturen“ von PARTEI, Krone, Frey und Cakir bleiben, die zusammen im 1. Wahlgang 3.980 Stimmen (5,26%) erreichten. Über deren Verbleib bei der Neuwahl kann außer bei Cakir, der erneut kandidierte (1,31%), nur sehr vage spekuliert werden. Man könnte auch behaupten: Sie haben die Wahl entschieden, was aber die Bewertung der großen Blöcke nicht überflüssig macht.

Einfluss der Bundespolitik: Ein Elefant im Raum

Die weißen Flecken der Fernwärmeversorgung decken sich verblüffend mit den hohen Werten der rechten OB-Kandidatur von Christian Specht. Das „Stimmenwunder“ in Waldhof, Schönau und Käfertal und z.B. Riehles Wohnbezirk Rheinau gehört weit überwiegend zu den weißen Flecken. Zu beachten ist, dass die Karte nicht den status quo zeigt, sondern gleich noch die Ausbaugebiete als versorgt kennzeichnet. (Bild: MVV)

Wenn man bedenkt, dass Wahlen auch auf kommunaler Ebene für einzelne Parteien Höhenflüge oder das Gegenteil bringen, die mit der politischen Tätigkeit vor Ort nichts zu tun haben (es sei an den Fukushima-Effekt zum Vorteil der Grünen erinnert), so muss man ganz banal feststellen, dass im Vorfeld und während der Wahl ein gewaltiger Elefant im Raum stand, der kommunal nicht diskutiert wurde und nicht (oder nur schwer) beeinflusst werden konnte: Das „Heizungsgesetz“. Wer auf demokratische Aushandlungsprozesse keinerlei Vertrauen (mehr) hat und sie nur als ewiges Parteiengezänk sieht, hat sich für den Rest der Auseinandersetzung am 1. Entwurf festgeklammert und apokalyptische Investitionsbelastungen auf sich zukommen sehen. Das betraf aber nicht die Menschen, die im Einzugsbereich der Fernheizung oder neuer Nahversorgungssysteme leben, sondern diejenigen, die bisher auf Gas oder sogar Öl angewiesen sind, und damit von der Energiepreisinflation zusätzlich hart betroffen sind.  Es sind z.B. viele Ein- und Zweifamilienhaus-Besitzende.

Man kann sich vorstellen, wie

Friedrich Specht? Nennt sich Merz jetzt Specht oder nimmt Specht die politische Gestalt von Merz an? Ein echtes Weiß-nicht-Wurstfrühstück. (Bild KIM)

die Diskussionen an den Küchen- und Stammtischen in den betroffenen Gebieten gelaufen sind.  Grüne und SPD werden nicht profitiert haben. Gefundenes Fressen auch für die AfD, die gegen den ganzen „Klima-Quatsch“ blökt. In den genannten Regionen ist sie auch ohne den „Elefanten“ schon bei der Gemeinderatswahl 2019 jeweils über 10% gelegen.Christian Specht lud einen weiteren Propheten der Bremse gegen eine zielführende und sozial verträglichen Klimapolitik nach Mannheim ein.

 

 

Was man heute schon über die Kommunalwahl 2024 sagen kann und muss

Die AfD muss ans Tageslicht befördert werden, die CDU muss sich erklären

Specht ist nicht ohne die AfD-Wähler:innen und nicht ohne die AfD selbst, die nicht kandidierte, Oberbürgermeister geworden. Das war ein gelungenes Stück faktischer Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene à la Merz. Kein Wort brauchte zu fallen über das Verhältnis der CDU und des rechten Bündnisblocks mit FDP und ML zu dieser Partei. Im Wahlkampf zur  Gemeinderatswahl muss die AfD gestellt werden und die CDU zu ihrem Verhältnis zur AfD ebenfalls. Über den Merz-Aufschlag hörte man in Mannheim seitens der CDU nur beflissenes Schweigen. Die CDU muss klar und deutlich sagen, wie sie zu dieser Partei auch im Gemeinderat steht, wenn z.B. eine Mehrheit unter Einbeziehung der AfD möglich wäre. Jetzt steht erst mal im Raum: Wer CDU wählt bekommt die AfD mitgeliefert.

Die AfD segelt im Gemeinderat unter dem Radarschirm der Öffentlichkeit. Sehr häufig stimmt sie mit CDU, ML und FDP. Ihr Profil, welches sich v.a. auch aus ihren Anträgen und Haushaltsreden ergibt, muss schon im Vorfeld der Gemeinderatswahl ausgeleuchtet werden. Sie ist keine Alternative für die „kleinen Leute“, wie sie immer vorgibt, und auch nicht für den Mittelstand, und sie kann ihren stupiden Rassismus einfach nicht lassen.

Gerhard Fontagnier forderet nach dem AfD-Europawahl-Parteitag für die Grünen die AfD-Mitglieder im Gemeinderat auf, aus der sich radikalisierenden Partei auszutreten: „Die Mitglieder der AfD-Gemeinderatsfraktion beteuern immer wieder ihre angeblich gemäßigten Positionen. Wenn sie es ernst meinen, dann müssten sie längst die AfD verlassen. In Wahrheit aber wird hinter den Kulissen mehr und mehr daran gearbeitet von anderen Fraktionen akzeptiert zu werden, um dann vielleicht nach der Kommunalwahl 2024 eine andere Rolle als die Nullnummer im Gemeinderat spielen zu können.“ (Pressemitteilung vom 1.8.23)

 

Im Wahlkampf Konturen entwickeln! Die Menschen wollen das Was und Wie und Wann wissen.

Der OB-Wahlkampf war ziemlich konturenlos. „Mehr Kitas, mehr Wohnungen, weniger Verkehr in der City“ hörte man von allen Seiten. Niemand hätte das als unwichtig oder falsch bezeichnet.

Aber wie kommen wir beispielsweise zu mehr bezahlbaren Kita-Plätzen? Der neue Oberbürgermeister äußerte – erst als er in einem MM-Interview gezielt danach gefragt wurde – wie er sich das etwas konkreter vorstelle: Wir müssen mehr auf Freie Träger setzen! Aha! Schon die ganze Zeit haben die „freien Träger“ einen „Marktanteil“ von 60%: die beiden großen Kirchen, ein zunehmender Teil der Wohlfahrtsverbände und gewerbliche Anbieter. Das Problem ist nur: Die Kirchengemeinden sind deutlich auf dem Rückzug, sie schließen immer wieder Kita-Gruppen – ein nennenswerter Ausfall. Für profitorientierte Gewerbliche ein gefundenes Fressen. Ein schwedischer börsennotierter Bildungskonzern wollte so z.B. die Kita am Steingarten von der katholischen St. Nikolaus-Gemeinde erwerben, das teils marode Gebäude der 70er Jahre abreißen und neu bauen. Ein anderer schwedischer Konzern wollte die Kita dann betreiben. Das sollte gleich mal zu 90 EUR höheren Kita-Gebühren für die Familien führen. Die Stadt sah darin offenbar – berechtigterweise – ein Problem und verhinderte als Grundstückseigentümerin den Deal. Die Kinder sind seither auf benachbarte Kitas verteilt. Ein Verlust von ca. 60 Kitaplätzen.
Das unbedingte und intensive Bemühen der Stadt, weitere Kitas zu ermöglichen, führt zu einer Zunahme gewerblich geführter Kitas. So wurde beispielsweise am 1. August die dritte Kita der Fa. Kinderland gGmbH in Mannheim mit 60-Ganztagsplätzen zwischen Vogelstang und Taylor eröffnet. Die Personalausstattung, das pädagogische Konzept, die Baulichkeit, die Öffnungszeiten vorbildlich. Kostenpunkt: 600 EUR pro Monat zuzüglich Verpflegung (nach Abzug von 105 EUR städtischer Unterstützung aus den Mitteln zur Herstellung der Gebührenfreiheit für das kurze „Regelangebot“). Hier braucht es eine grundsätzliche Strategie für bezahlbare und zunehmend gebührenfreie Kitas. Diese kann es nur bei der Stadt geben. Schon die kirchlichen Kitas (evangelisch) sind im Ganztagsangebot 82 EUR teurer als die städtischen mit 252 EUR plus Verpflegung. Hier muss die Stadt mehr eigenes Geld in die Hand nehmen. Darüber muss politisch diskutiert werden! Der bisherige Kämmerer und künftige OB hätte mit einer rechten Mehrheit ab 2024 freie Hand, derlei Begehrlichkeiten zu verhindern. Die Eltern hätten das Nachsehen.

Ähnliches steht für die Wohnungsversorgung an: Es reicht nicht, 10.000 neue Wohneinheiten in 10 Jahren zu bauen und auf den freien Markt zu werfen. Von der Zahl sind wir sowieso weit entfernt. Aber zu nachhaltig bezahlbaren Wohnungen kommen wir so nicht. Stadt und GBG müssen hier sehr viel deutlicher eingreifen. Auch das erfordert Investitionsmittel. Auch darüber muss diskutiert werden!

Und der Wärmeplan der MVV muss beschleunigt und bekannter gemacht werden (s.o. und s. Nachtrag).

Der City-Verkehr ist ebenfalls ein schwieriges Thema. Specht tönte im Wahlkampf: „Weniger Versuche – mehr Lösungen!“ Hat er die Lösungen? Ist das Löbels „neue City“, deren bei einem Stadtplanungsinstitut eingekauften Plan er mit viel Getöse und propagiert hatte, und der den Verkehrsversuchen nicht nicht widersprochen hätte? Nach Löbels Propaganda-Seifenblase ist von der CDU nichts mehr zu hören, was auch nur halbwegs konstruktiv wäre. Am besten „alles bleibt wie es ist!“ Verkehrsversuche sind im Übrigen ein Mittel der demokratischen Lösungsfindung: Können sich die Menschen darauf einrichten und wie tun sie das? Welche sichtbar werdenden Probleme müssen angepackt werden?

Es gibt also sehr viel zu diskutieren, sehr viel mehr als obige Beispiele. Dann wird Kommunalpolitik vielleicht auch für das „Wahlvolk“ transparenter, und man kann und muss sich dann bei den nächsten Wahlen bewusst entscheiden, statt mit geballter Faust zu Hause hocken zu bleiben.

Thomas Trüper

Nachtrag zum Wärmeplan der MVV:
Am 29. Juni fand die Vertreterversammlung 2023 der Gartenstadt-Genossenschaft Mannheim e.G. statt. Laut Bericht in der Zeitung für Mitglieder Juli | August 2023 meldete sich ein Delegierter. Er erklärte, „dass derzeit wohl eine gewisse Verunsicherung bei einzelnen Mitgliedern [der Genossenschaft] hinsichtlich des aktuell zur Debatte stehenden ‚Heizungsgesetzes‘ der Ampel-Koalition bestehen würde.“ Er fragte den Vorstand nach diesbezüglichen Erkenntnissen.

In dem Bericht heißt es weiter: „Vorstand Maesch erläuterte daraufhin, dass es Absicht und Ziel der Gartenstadt-Genossenschaft sei, den Anschluss möglichst vieler Objekte n die Fernwärme zu erreichen. In einigen Stadtteilen wären die dafür notwendigen Fernwärmeleitungen bereits vorhanden, so z.B. in der Gartenstadt und auf dem Almenhof. Auch im Stadtteil Rheinau wäre der Anschluss teilweise theoretisch möglich. Allerdings seien Kontaktaufnahme und Gespräche diesbezüglich mit der MVV extrem schwierig. Grundsätzlich wolle die MVV natürlich nur dann Fernwärmeanschlüsse legen, wenn sich dies auch wirtschaftlich rechnen würde. In diese Ansicht sei durch die aktuelle Diskussion anscheinend etwas Bewegung geraten, so dass die MVV nun zumindest eine formelle Planung des Themas vornehmen wolle, bevor sie sich zu einzelnen Maßnahmen äußere. Man müsse also leider Stand heute sagen, dass  man hier aktuell eher von Wünschen und Hoffnungen, denn von konkreten Zusagen sprechen könne. Die MVV habe die Zielsetzung, möglichst schnell die Klimaneutralität zu erreichen. Hierfür sei die kommunale Planung entscheidend.“ Der Vorstand weist dann noch darauf hin, dass der Betrieb von Gasheizungen jetzt wohl auch noch längerfristig möglich sei.




CDU Ludwigshafen: Dünne Distanzierungen von Merz-Attacke auf die Brandmauer

Ludwigshafener CDU-Führung laviert

Manchmal kann man erst nach dem Dementi sicher sein, dass das, was dementiert wird, tatsächlich so gemeint ist, wie es gesagt wurde. Falls Friedrich Merz jetzt eine “Die-(Brand)-Mauer-muss-weg”-Perspektive installieren möchte, weiß er: Der heuchlerische Wechsel zwischen provozierendem Vorstoß und sich unmittelbar anschließendem taktischen Rückzug ist hierfür die effizienteste Kriegstechnik. Genau so können Grenzpfosten verschoben und kann Gelände gewonnen werden. Dass dabei Erde – sprich demokratischer Konsens – verbrannt wird, muss in Kauf genommen werden. Diese Doppeltaktik kennt nicht nur der Große Vorsitzende, sondern auch die Ludwigshafener CDU-Lokalmatadoren. Zweckmäßigerweise verfolgen sie dieselbe Taktik spiegelbildlich: Zuerst distanzieren sie sich von Merz, um anschließend diese Distanzierung mehr oder weniger plump zu relativieren.

“Merz irritiert auch die CDU-Basis” titelt die RHEINPFALZ am 25.7. auf der Lokalseite,  beruhigt dann aber die Leserinnen und Leser im Vorspann: “Verantwortliche der Ludwigshafener Union bleiben hingegen bei ihrer Linie: keine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten.”

Zur Erinnerung: Im Sommerinterview des ZDF hatte Merz gesagt:

“Es ist jetzt in Thüringen ein Landrat gewählt worden, und natürlich ist das eine demokratische Wahl. Es ist in Sachsen-Anhalt in einer kleinen Gemeinde ein Bürgermeister gewählt worden, der der AfD angehört, das ist eine demokratische Wahl. Und natürlich haben wir das zu akzeptieren.” Dann kam der Satz, der einen auch in die CDU hinein reichenden Sturm der Entrüstung auslöste: “Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.”

Nach dem wohl unerwartet heftigen Proteststurm lautete seine “Klarstellung” auf Twitter:

“Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt: Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.”

Das Dementi ist – höflich formuliert – kontrafaktisch. Merz sprach nicht nur von Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene, sondern davon, dass man “gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet”. Peter Uebel, CDU-Stadtratsfraktionsvorsitzender und vermutlich kommender OB-Kandidat greift zur beschriebenen Doppeltaktik: “Eine etwas (!) stärkere Distanz und klarere Abgrenzung hätte ich mir von Merz schon gewünscht.” Die verharmlosende und kontrafaktische Relativierung von der eigenen Distanzierung lautet sodann, Merz habe doch nur gesagt, dass wenn ein Landrat oder Bürgermeister der AfD gewählt worden sei, dies nach demokratischen Spielregeln anerkannt werden müsse.

Christoph Heller, CDU-Stadtrat und Ortsvorsteher in Süd, macht die Tür nach rechts außen noch ein Stück weiter auf: “In der Kommunalpolitik geht es vor allem um Sachfragen. Eine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen und Antidemokraten ist absolut ausgeschlossen. Es wird in Ludwigshafen keine Koalition mit der AfD geben.” Mit anderen Worten: Wir koalieren zwar nicht mit der AfD, aber wer von denen nicht rechtsextrem und antidemokratisch ist, mit dem werden wir in Sachfragen zusammenarbeiten. Der Rheinpfalz-Redakteur Steffen Gierescher, der anscheinend den mühsam verborgenen Inhalt deutlich heraushörte, fügte dem eine Äußerung des AfD-Kreis- und Fraktionsvorsitzenden Johannes Thiedig an: “Björn Höcke ist für mich ein Parteifreund.”

Von der Schauspielerin Isabelle Adjani stammt der zu diesem abstoßenden Geschehen passende Ausspruch: “Halbherzige Distanzierung ist wie halbherziges Vertrauen. Es ist nutzlos.”

Michael Kohler