Heidelberg: Protest gegen Auftritt von AfD-Politikerin Christina Baum bei Querdenker-Demo

Antifaschistische Gegenkundgebung

Am 12. Januar 2023 sorgten Heidelberger Antifaschist*innen für zahlreiche Störungen im Ablauf einer Demonstration von Impfgegner*innen, welche AfD-Politikerin Christina Baum eingeladen hatten. Den zentralen Punkt des Gegenprotests bildete eine von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg ausgerichtete Kundgebung mit rund 200 Teilnehmer*innen auf dem Bismarckplatz, zu der auch zahlreiche antirassistische und queere Gruppen aufgerufen hatten.

Links am Banner Malte Kaufmann, rechts am Banner Christina Baum, beide AfD

Der Demonstrationszug der bis zu 130 Impfgegner*innen startete an der Schwanenteichanlage und wurde von den AfD-Politiker*innen Malte Kaufmann, Christina Baum und Dieter Krieger angeführt. Wie offen für rechtes Gedankengut die sogenannte „Initiative für Demokratie und Aufklärung“ ist, wurde schon hier sehr deutlich – dass der erst kürzlich wegen Volksverhetzung verurteilte Ralph Bühler zum Abschluss wieder einmal offiziell ins Mikro brüllen durfte, sei hier nur am Rande erwähnt. Die Demonstration wurde von antifaschistischen Fotograf*innen dokumentiert, die von den Teilnehmer*innen bedrängt und in einem Fall auch sexistisch belästigt wurden.

Als die Demonstration in die Nähe der antifaschistischen Kundgebung gelangte, wurde letztere beendet. Da die ursprüngliche Route der Demonstration von Antifaschist*innen blockiert wurde, leiteten die Bullen die Demonstration in eine Parallelstraße, mit dem Ziel, sie später zurück auf die ursprüngliche Route zu bringen. Eine Gruppe Antifaschist*innen blockierte jedoch den Zugang zur Straße und wurde kurz darauf von BFE-Einheiten brutal zurückgedrängt.

Demonstration der Querdenker-Szene

Wir vermuten, dass die von mehreren Zeitungen kolportierte Polizeimeldung von einem angeblich „verletzten Beamten“ aus einer Situation stammt, als ein Bulle beim Versuch, einen Genossen anzugreifen, über einen am Boden liegenden Genossen stolperte und unsanft stürzte. Trotz des aggressiven Auftretens der Polizei formierte sich die Blockade erneut und sorgte somit für die nächste Umleitung. Die AfD-Impfgegner*innen-Front reagierte zunehmend aggressiv.

In der Hauptstraße wartete die nächste Blockade, die durch die zahlreichen Angriffe der Cops zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr groß genug war, um lange gehalten zu werden. Die Antifaschist*innen brachen die Blockade selbstbestimmt ab und zerstreuten sich, um Festnahmen zu vermeiden.

Demonstration der Querdenker-Szene

Sie trafen sich mit vielen anderen am Rande der Abschlusskundgebung der rechten Demo auf dem Marktplatz. Dort waren bereits Hamburger Gitter aufgestellt, die die verbliebenen rund 70 AfD-Sympathisant*innen und Impfgegner*innen einzäunten. Auf jeder Seite der Gitter standen Gegendemonstrant*innen, welche die Kundgebung lautstark begleiteten. Hierbei kam es wieder zu Angriffen und Schubsereien durch die Cops. Bis zum Ende der Veranstaltung wurden die Rechten durchgehend mit antifaschistischem Protest konfrontiert. Es gab keine Festnahmen, die Bullen haben jedoch gefilmt; außerdem waren etliche Cops in Zivil unterwegs. Falls ihr vonseiten der Polizei Post erhalten solltet, meldet euch bitte direkt bei der Roten Hilfe.

Wir werten die Aktion(en) mit Blick auf die relativ kurze Mobilisierungszeit und die Komplikationen bei der Anmeldung als Erfolg, auch wenn wir den Demonstrationszug nicht vollständig aufhalten konnten. Wir konnten jedoch zeigen, dass rechte Aufmärsche in Heidelberg nach wie vor mit entschlossenem Widerstand rechnen müssen.

Wir danken allen Antifaschist*innen, die sich beteiligt haben, insbesondere allen, die sich den Faschist*innen der AfD in Blockaden direkt entgegengestellt haben!

Antifaschistische Initiative Heidelberg, AIHD/iL




Wegen Volksverhetzung verknackt: Verschwörungserzähler und Rassist Ralph Bühler

Ralph Bühler als Redner auf einer Kundgebung von „Querdenken 622“ | Archivbild: AIHD

Ralph Bühler, ex-AfDler und Verschwörungserzähler aus Nußloch, wurde am 4. Januar 2023 vom Amtsgericht Heidelberg wegen Volksverhetzung zu einer Strafe von 120 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt.

Bühler hatte im Mai 2021, während seiner Bürgermeisterkandidatur in Walldorf, ein antisemitisches Hetzvideo auf Facebook geteilt. In dem widerlichen Machwerk wurden unter anderem, die BRD als „jüdische Staatssimulation“, die Medien als „Judenpresse“, der Kommunismus als „jüdische Erfindung“ und Juden als „Todfeinde“ bezeichnet. Die Herstellerfirmen von Corona-Impfstoffen seien „jüdische Firmen“, und Impfungen gegen das Virus wurden im Video gleichgesetzt mit „Sterilisation & Völkermord“.

Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass Ralph Bühler den Clip wissentlich verbreitet habe. Die Verbreitung des antisemitischen Videos erfülle den Tatbestand der Volksverhetzung.

Wir wollen diesen Anlass nutzen, um auf einige Aspekte seines Aktivismus und seiner Gesinnung aufmerksam zu machen. Alle Zitate sind Bühlers Telegram-Kanal „Der Faktenkanal von Ralph“ entnommen.

Die Corona-Pandemie markierte den Neustart für Bühlers Online- und Straßenpräsenz. Er nutzt seinen „Faktenkanal“ und offene Mikrofone auf „maßnahmenkritischen“ Demonstrationen, um gegen Impfungen, die er als Giftspritze bezeichnet, Stimmung zu machen. Besonders online driftet er dabei oft von Thema zu Thema und gibt so Einblicke in sein wirres und gefährliches Weltbild.

Als entschiedener Gegner der Klimaschutzbewegung sagte er beispielsweise am 31. August 2022 in einer Telegram-Botschaft, er „glaube nicht, dass Fuskushima ein Zufall war und […] auch nicht, dass Tschernobyl ein Unfall war!“.

Bühler nutzt häufig Nazi-Jargon, wenn er von seinen politischen Feinden spricht: so bezeichnet er Linke und Nicht-Deutsche als „nutzlose Esser“, „Untermenschen“ oder „primitive Lebensformen“. Hierbei redet er sich besonders in Rage, wenn er über „kriminelle Ausländer“ spricht. In den Kommentaren wird dementsprechend gefordert, Deutschland nicht „den Grünen oder den Schwarzen zu überlassen“, sondern sich „das Land zurückzuholen“ (08.06.2022).

An anderer Stelle wird einen herbeihalluzinierte „geistige und moralische Zerstörung der Deutschen“ beklagt. In den Diskussionen unter seinen Videos wird sehr häufig unverhohlen Reichsbürgerideologie beworben. Diese wird von Bühler weder ablehnend kommentiert, noch gelöscht.
In einer Videobotschaft am 1. November spielte er darauf an, dass hinter dem rassistischen Hanau-Attentat, bei dem neun Menschen ermordet wurden, eine linke Verschwörung steckte: Der Attentäter „war nicht der, der uns gezeigt wurde“, und es sei bekannt „dass viel inszeniert wird, um den angeblichen Kampf gegen Rechts aufrechtzuerhalten“.

Er leugnete bei einer Veranstaltung der Covidiots-Partei „Die Basis“ am 9. November 2021 in Heidelberg die Shoah, als er einer Rednerin zurief: „Glaubst du das mit den 6 Millionen Juden etwa?“ Antisemitismus sei nach seiner kruden Weltsicht ein Problem, das erst durch den „importierten Islam“ entstehe (09.11.2022).

Ralph Bühler verteidigte auf Telegram auch Tötungen durch die Polizei. Unter anderem bezog er Stellung zum Mord an einem 16-Jährigen Geflüchteten in Dortmund, der von einem Polizisten mit sechs Schüssen aus einer Maschinenpistole getötet wurde. Mit einem „All Lives Matter“-Shirt (in reaktionärer Abgrenzung zu „Black Lives Matter“) bekleidet, erklärte Bühler, dass es „garantiert keinen Rassismus bei der Polizei gebe“. Zum Polizeimord in Mannheim erklärt er, „wer in Mannheim bei der Polizei arbeitet, kann gar kein Rassist sein, weil es da Multikulti ist“. Er bezweifelt sogar, dass der Polizist in Dortmund den jungen Mann töten wollte und beklagt die Berichterstattung zu Polizeigewalt. Sein Fazit ist, dass der 16-Jährige eigentlich älter gewesen sein müsse und die Polizei rechtmäßig gehandelt habe. In den Kommentaren wird gefordert, Geflüchtete generell direkt „wieder abzuschieben“.

Das Foto zeigt Ralph Bühler als Redner auf einer Kundgebung von „Querdenken 622“ im September 2020.

Antifaschistische Initiative Heidelberg / iL




BR-Mobbing: Dulger-Firma ProMinent unterliegt vor Gericht

Protestaktion des Solikomitees vor dem Arbeitsgericht in Heidelberg, 1. Dezember 2022 | Foto: Privat

Die fristlose Kündigung des früheren Betriebsratsvorsitzenden ist unwirksam.

Dies entschied das Arbeitsgericht in Heidelberg am 1. Dezember 2022. Der ortsansässige Dosieranlagenhersteller ProMinent muss den Kollegen weiter beschäftigen. Das Gericht sah die Vorwürfe der Geschäftsleitung (GL) als nicht ausreichend an, um das langjährige und unbelastete Arbeitsverhältnis des Betriebsrats (BR) fristlos kündigen zu können. Den Vorwurf der „Beleidigung“ hielt es aber für gerechtfertigt, obwohl offenbar das Management mit krimineller Energie die Privatkommunikation des Kollegen ausspionieren ließ.

Das Mannheimer Solidaritätskomitee „Solidarität gegen BR-Mobbing!“ hatte zur Gerichtsverhandlung eine Unterstützungsaktion für den Kollegen organisiert. Zahlreiche gewerkschaftlich engagierte Aktive aus der Region protestierten vor Ort gegen den endlosen Skandal in der Firma des Präsidenten der „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA) Rainer Dulger.

Vorläufiger Etappensieg

Solidarität im Arbeitsgericht, 1. Dezember 2022 | Foto: Avanti²

Die erfolgreiche Kündigungsschutzklage ist vor dem Hintergrund des von der Gegenseite angekündigten Berufungsverfahrens bisher nur ein vorläufiger Etappensieg. Die GL um Andreas Dulger und dessen Handlanger Benedikt Nagel will den ehemaligen BR-Vorsitzenden mit allen Mitteln aus dem Unternehmen drängen.

Der vom Gericht und den meisten Medien nicht aufgedeckte Grund des Konflikts ist, dass der Kollege jahrelang versucht hat, Beschäftigteninteressen gemäß Betriebsverfassungsgesetz zu vertreten. Dadurch sah sich das Management in dem von ihm beanspruchten „Recht des Stärkeren“ eingeschränkt.

Bereits seit längerem hatte die Geschäftsführung den aktiven, in der IG Metall organisierten Betriebsrat und vor allem dessen Vorsitzenden skrupellos bekämpft. Im Rahmen einer Betriebsversammlung startete Andreas Dulger schon vor Jahren in Anwesenheit des Heidelberger IGM-Geschäftsführers massive Angriffe gegen den Kollegen und versuchte so, einen Keil zwischen Belegschaft und Betriebsrat zu treiben.

Einen Höhepunkt erreichte das BR-Mobbing mit der illegalen Beeinflussung der Betriebsratswahl durch das Management im Frühjahr 2022. In einem Aushang forderte es die Beschäftigten faktisch auf, eine firmenhörige Gegenliste zu bilden und den amtierenden IGM-Betriebsrat abzuwählen.

Unter anderem setzte die Geschäftsleitung die Belegschaft mit der Drohung stark unter Druck, dass eine „falsche“ Wahlentscheidung Auswirkungen auf die Zukunft des Standorts in Heidelberg habe.

Willfährige Helfer

Entsprechend der Vorgaben der GL konnte durch die Bildung einer firmenhörigen Liste nicht nur die bei ProMinent übliche Persönlichkeitswahl verhindert werden, sondern auch ein hauchdünner Wahlerfolg der „Gelben“ ermöglicht werden.

Im Unternehmen selbst ist es übrigens ein offenes Geheimnis, warum der bisherige IGM-Betriebsrat zerschlagen wurde. Die Geschäftsleitung will die Gewinne ihres höchstprofitablen Unternehmens durch Verlagerung hunderter Arbeitsplätze ins Ausland noch weiter steigern. Ein Betriebsrat, der seinen gesetzlichen Pflichten nachkommen und die Interessen der Belegschaft verteidigen würde, wäre da natürlich ein Hindernis …

Falls jetzt doch noch jemand nach der Rolle des zuständigen Heidelberger Gewerkschaftsapparates fragen sollte: Es war immerhin eine hauptamtliche Kollegin beim Arbeitsgerichtstermin als „Beobachterin“ anwesend. Die gewerkschaftliche Beschlusslage zum Kampf gegen BR-Mobbing können wir den „Verantwortlichen“ in der beschaulichen Universitätsstadt gerne zur Verfügung stellen. (O. T.)

Dieser Beitrag erschien ebenfalls in Avanti² Rhein-Neckar, Nr. 101 von Januar 2023

 

 




Heidelberg: 3. Verhandlungstag im Normannia-Prozess

Am 5. Dezember wurden im Normannia-Prozess die letzten Zeugen gehört und die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gehalten. Während zu Beginn ein Zeuge die Angeklagten sowie drei weitere Täter*innen durch detaillierte Angaben schwer belastete, hatten die übrigen Zeugen – wie fast alle der befragten Korporierten – angeblich große Gedächtnislücken oder zogen sich auf ihr Aussageverweigerungsrecht zurück, um sich nicht selbst zu belasten. Der Zeuge Kilian Steinmann, der als Sprecher der AfD-Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“ (JA) Kurpfalz bekannt wurde, mauerte dermaßen umfassend und gleichzeitig widersprüchlich, dass der Staatsanwalt ein Verfahren wegen Falschaussage einleitete.

Das Haus der „Normannia“ in der Heidelberger Altstadt | Archivbild

Auch die Vernehmung des ehemaligen Altherrenvereinsvorsitzenden der Normannia, Mannheimer CDU-Politikers und Polizeihauptkommissars a. D. Egon Manz war wenig ergiebig: Offenbar interessierte er sich nicht für die Aufklärung des Sachverhalts, sondern gab sogar den Beschluss des Normannia-Konvents bekannt, keine Details erfahren zu wollen, um keine Zeugenaussagen machen zu müssen.

Die Staatsanwaltschaft forderte für die vier angeklagten Burschenschaftler Bewährungsstrafen zwischen zehn und zwölf Monaten sowie gemeinnützige Arbeit. Die Verteidiger forderten hingegen Freisprüche für ihre Mandanten. Im Zuschauer*innensaal saßen dieses Mal wieder einige Verbindungsstudenten und Unterstützer*innen aus dem Umfeld der Beschuldigten.

Am Donnerstag, 8. Dezember ab 9 Uhr wird die Richterin das Urteil verkünden. Wir halten es weiterhin für wichtig, den Abschluss des Prozesses zu beobachten. Egal, wie das Urteil lautet: Wir verlassen uns nach wie vor nicht darauf, dass sich Staat und Polizei ausführlich genug mit dem braunen Sumpf der Burschenschaften auseinandersetzen werden. Antifa bleibt deshalb weiterhin Handarbeit.

Wir rufen auf, die Urteilsverkündung vor Ort mitzuverfolgen: Seid schon um 8.30 Uhr am Amtsgericht und schnappt den Burschen die Plätze weg!

Antifaschistische Initiative Heidelberg / iL




Normannia-Prozess – Alkohol, Gedächtnislücken, Täterschutz

Am 23. November 2022 kam es zum zweiten Verhandlungstag im Normannia-Prozess, in dem vier Burschenschafter, darunter zwei der Normannia Heidelberg, wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung angeklagt sind.

Die vier Angeklagten sind die letzten, deren Tatbeteiligung beim antisemitischen Angriff vor zwei Jahren auf dem Haus der Burschenschaft geklärt werden soll – andere haben bereits Strafbefehle akzeptiert oder werden vom Gericht nicht mehr als Tatverdächtige betrachtet. Verteidigt wurden alle vier durch Anwälte, die sich durch ihr gerichtliches Eintreten für Nazis einen Namen in der rechten Szene gemacht haben. Wie die Angeklagten entstammen auch sie extrem rechten Burschenschafts-Netzwerken. Zwei der Anwälte arbeiten in derselben Kanzlei, in der mittlerweile auch einer der am Tatabend anwesenden Normannen arbeitet. Der gescheiterte Nazi-Rapper Patrick B. hatte in der Tatnacht im Haus der Normannia in seinen Geburtstag gefeiert und ist durch seine Aktivitäten in der „Identitären Bewegung“ (IB) bekannt.

Heidelberger Antifaschist*innen, die mit knapp 40 Personen fast den ganzen Zuschauer*innensaal ausfüllten, hatten also viele Gründe, den Prozess zu verfolgen. Die Angeklagten von der Burschenschaft Normannia, André R. und Luis S., die mit dem Geschädigten vor dem Angriff befreundet waren, sind ebenfalls bekannte Gesichter: auch außerhalb der Neonazi-Villa der Normannen sind beide durch Aktivitäten für die IB und die AfD in Erscheinung getreten.

Die meisten der geladenen Zeug*innen wollten wenig bis nichts zur Aufklärung der Tatbeteiligung beitragen, was die Vorsitzende Richterin sichtlich provozierte. Gedächtnislücken, zu viel Alkohol, lange her: Niemand hat etwas mitbekommen, alle waren zu betrunken, Pizza essen oder am Tatabend nicht zugegen. Wenn überhaupt versuchten die Zeug*innen, die Angeklagten zu entlasten und verstrickten sich dabei in Widersprüche und Falschaussagen, die möglichwerweise Folgeverfahren nach sich ziehen werden.
Besonders stach dabei der damalige Vorstand der „Alten Herren“, Gunnar H. hervor: Obwohl er erst gegen 22 Uhr zur Feier kam, erinnert sich der trinkfeste Normanne bereits ab 0 Uhr an nichts mehr. So ein Zufall, ereignete sich der antisemitische Angriff erst gegen 1 Uhr.

Ein anderer korporierter Zeuge, Lars B., gab erst auf Nachfrage der Nebenklage zu, den Geschädigten kurz nach dem Vorfall auf dem Haus einer anderen Verbindung zum „Kontrahieren“ (=Fechten) herausgefordert zu haben, da dieser seine Anzeige nicht zurückgezogen hatte.

Ein Moment, der im Zuschauerraum für Unruhe sorgte, war die Verlesung von Auszügen der Chatnachrichten, die sich die Zeugin Larissa G. und Luis S. hin- und hergeschickt hatten. Eines davon war ein Bild eines Wehrmachtssoldaten mit Maschinengewehr, das mit „Lehnt 1400 Asylanträge pro Sekunde ab“ betitelt war. Die 23-jährige Jura-Referendarin muss möglicherweise auch mit einem Folgeverfahren rechnen. Auch Rochelle L. verstrickte sich beim Versuch, ihren Freund André R. zu entlasten, so stark in widersprüchlichen Aussagen, dass sie wahrscheinlich mit einem juristischen Nachspiel rechnen muss.

Insgesamt gibt der Prozess weitere Einblicke in ein Weltbild, das geprägt ist von Männlichkeit, Gewalt und Korpsgeist. Nazi-Memes sind hierbei nur die Spitze eines braunen Haufens, der auch nach der Auflösung der Aktivitas seine Netzwerke aufrechterhält. Klar ist: die damaligen Aktiven der Normannia pflegen auch nach dem Vorfall ihre Kontakte zu anderen Verbindungen und Burschenschaften.

Die Mauer des Schweigens, auf die die Ermittler*innen geprallt sind, wird das Nachweisen einer Tatbeteiligung erschweren. Interessant werden in den nächsten Prozessen mehrere Zeug*innen, die ebenfalls mit lokalen Nazi-Strukturen verbunden sind. Darüber hinaus wird ein Zeuge zu hören sein, der am Tatabend anwesend war und den Versionen der Normannen eindeutig widerspricht.

Der nächste Verhandlungstermin ist Montag, der 5. Dezember, 9 Uhr, Amtsgericht Heidelberg.

Antifaschistische Initiative Heidelberg / iL




„Super Recogniser“ – Super Polizist*innen, die alles und jede*n erkennen?

In einer Presseerklärung verkündete das Polizeirevier Mannheim/Heidelberg am 21.04.2022, dass das Pilotprojekt „Super Recogniser“ erfolgreich abgeschlossen wurde, und attestierte 52 Cops „überdurchschnittliche Fähigkeiten im Bereich der Gesichtserkennung“. Die Beamt*innen hätten sich die Bezeichnung verdient, da sie in mehreren Tests eine höhere Begabung beim Einprägen und Wiedererkennen von Gesichtern bewiesen hätten. Fast alle Landespolizeien in Deutschland setzen diese ein und arbeiten an der medialen Darstellung der angeblichen Spezialkräfte. Nach Stand der Forschung ist die höhere Begabung zum (Wieder-)Erkennen eine angeborene und nicht erlernbare Fähigkeit, über die lediglich ein bis zwei Prozent der Gesamtbevölkerung verfügen sollen. Doch was verspricht sich die Polizei von diesem Projekt?

Der war’s, ganz sicher! … Oder der!

Das Revier Mannheim/Heidelberg berichtet, dass bei den Ermittlungen zu den angeblichen Krawallen auf der Neckarwiese in Heidelberg im Sommer 2021 bereits „Super Recogniser“ eingesetzt wurden; ähnliches wird aus Stuttgart berichtet. Aus Bayern werden schon seit 2018 Meldungen zu ihnen verbreitet, hier ist vor allem das Oktoberfest ein Anwendungs- und Testfeld. Viele Verdächtige und Gesuchte sollen deutschlandweit bereits mithilfe der angeblich talentierten Beamt*innen überführt oder verhaftet worden sein. Auf der Ausstellungsmesse „Maimarkt“ Anfang Mai 2022 war das Revier Mannheim/Heidelberg mit mehreren Ständen vertreten, von denen einer allein für die Bewerbung des Super-Recogniser-Programms reserviert war. Kürzlich legte das Revier nach und verkündete einen weiteren Fahndungserfolg durch einen Super-Cop [1], bei dem ein „geschulter“ Beamter eine gesuchte Person erkannte und deren Verhaftung herbeiführte. Die Polizei betonte bisher, dass Aussagen der Super-Cops nicht direkt zu Festnahmen führen könnten, sondern nur Ermittlungshinweise liefern [2]. Dass letztlich Hinweise zu Festnahmen führen, zeigt, wie schwammig diese Formulierung ist. Aussagen von Cops werden schon jetzt in politischen Prozessen, egal wie oft sie sich selbst und den Fakten widersprechen, dankend angenommen, um Aktivist*innen mit Repression zu überziehen. Erinnert sei hier an Ella, die, nachdem Videoaufnahmen sämtliche Lügen der Cops widerlegt hatten, trotzdem hinter Gittern landete [3], und auch an Jan, der für das angebliche „Anschreien“ von Polizist*innen in den Knast geschickt wurde, obwohl er an besagtem Tag laut Zeug*innen – die keine Cops waren – gar nicht vor Ort war [4]. Ein Ziel des Projektes ist daher langfristig die weitere Legitimation von Bullen-Aussagen vor Gericht. Damit einher geht eine weitere Möglichkeit, das vorübergehende Festsetzen von Menschen zu legitimieren. Wenn Cops mit Super-Recognising-Diagnose Leute erkannt haben wollen, ist das für eine*n Richter*in ein weiterer Grund, ihnen zu glauben. Basierend auf bisherigen und laufenden Prozessen ist auch zu erwarten, dass nicht zwangsläufig nachgefragt wird, von wo Uniformierte ihre messerscharfen Beobachtungen gemacht haben, geschweige denn, ob sie überhaupt vor Ort waren.

Wenn die Kamera nicht reicht

Die „Super Recogniser“ müssen als weiteres Ermittlungswerkzeug der Repressionsbehörden betrachtet werden. So wie das Pfefferspray nicht die Schusswaffe ersetzt, werden auch die „Super Recogniser“ keine Kameras ersetzen, sondern als zusätzliches Mittel dienen. Diesbezüglich sind Szenarios vorstellbar, bei denen die Staatsanwaltschaft mit großem Ermittlungsdrang nach einer kämpferischen Demonstration zwar keine „sachdienlichen“ Videoaufnahmen einer Person hat, dafür aber auf Aussagen von eingesetzten Super-Beamt*innen zurückgreifen kann. Diese Praxis wird zwar schon jetzt angewandt, sie würde Aussagen aber weitere Glaubwürdigkeit zusprechen: denn dann hat nicht nur irgendeine*r Beamte*r angeblich jemanden (etwas tun) gesehen, sondern ein „Super Recogniser“. Letztlich ist auch davon auszugehen, dass die von deutschen Behörden genutzten Gesichtserkennungssoftwares teuer und unzureichend sind und relativ einfach (beispielsweise durch Masken o. ä.) umgangen werden können. International gab es immer wieder Kritik an Gesichtserkennungssoftware, da sie fehleranfällig ist, in die Privatsphäre eingreift und Rassismus reproduziert [5]. Viele der Kritikpunkte treffen eigentlich auch bei „Super Recognisern“ zu. Im Erkennen von Gesichtern scheint die Technik menschlichen Fähigkeiten noch hinterherzuhinken; möglicherweise ist dies jedoch nicht immer zwangsläufig ein Nachteil, da ein Mensch eher dazu gebracht werden kann, ein bestimmtes Ergebnis zu produzieren, wenn dies z. B. vom Vorgesetzten erwünscht ist. Einen zunehmend wichtigen Teil spielen dabei die immer stärker vernetzten Datenbanken der Polizeien sowie die extrem ausgebaute Überwachung des öffentlichen Raumes durch Videokameras, auf die sich die Behörden Zugriff verschaffen können. Das Recht, nicht gefilmt zu werden, existiert im städtischen Raum praktisch nicht. Wichtig ist auch, die tatsächlichen und begrenzten wissenschaftlichen Kenntnisse hinter dem Projekt zu beachten und sie öffentlich zu diskutieren:

Empirie, Zahlen und was sie eigentlich aussagen

Während zu Gesichts(wieder)erkennung und Augenzeug*innengedächtnis schon länger geforscht wird, sind „Super Recogniser“ als Forschungsfeld noch relativ jung. Erste Erkenntnisse dazu kamen 2009 von der University of Greenwich in London, dessen psychologische Forschungsgruppe seither eng mit der Londoner Polizei zusammenarbeitet. Treibende Kraft ist dabei der Forscher Josh Davis, der mittlerweile fast ausschließlich zu „Super Recognisern“ forscht und publiziert. In England werden Super-Recogniser auch schon seit längerem eingesetzt: bei den Londoner Cops gibt es seit 2011 eine eigene Super-Recogniser-Einheit. Bisher nimmt man an, dass die Fähigkeit, Gesichter wiederzuerkennen, nicht trainierbar ist. Gerade hinsichtlich des Namens muss aber Folgendes beachtet werden: Super-Recogniser befinden sich mit ihren Fähigkeiten am oberen Ende eines Kontinuums – sie haben also keine übermenschlichen Kräfte, sondern genetisch bedingt ein stärker ausgeprägtes Gedächtnis für Gesichter als ein Großteil der Bevölkerung. Um Super-Recogniser zu finden, wurde an der Londoner Universität eine Testbatterie (eine Reihe an gekoppelten Tests) entwickelt, die verschiedene Aspekte der Gesichtswiedererkennung überprüft. Nur wer in allen Tests überdurchschnittlich gut abschneidet (besser als 98 % der Gesamtbevölkerung), gilt laut der universitären Definition als Super-Recogniser. Völlig intransparent bleibt dabei jedoch, wie die Repressionsbehörden vorgehen, um Super-Recogniser in den eigenen Reihen zu entdecken. Zwar gibt das Revier Mannheim/Heidelberg an, mit der University of Greenwich kooperiert zu haben, ob aber tatsächlich die gesamte Testbatterie durchgeführt wurde, bleibt offen. In der Praxis werden wohl tatsächlich teilweise lediglich Tests eingesetzt, bei denen zwischen „Sehen“ und „Wiedererkennen“ nur sehr kurze Zeitintervalle (ein paar Minuten) liegen. Das ist besonders problematisch, da sich empirisch zeigt, dass auch bei Super-Recognisern die Wiedererkennungsleistung mit längeren Zeitintervallen stark abnimmt. Doch auch bei diesen kurzen Zeitintervallen haben Super-Recogniser nicht das Über-Gedächtnis, das die Bullen gerne bewerben möchten. In einer Studie aus dem Jahr 2020 haben Super-Recogniser selbst beim kürzesten Zeitintervall lediglich 67 % der Personen korrekt wiedererkannt und von 44 % richtigerweise angegeben, dass sie sie nicht wiedererkennen [6]. Das ist zwar eine bessere Leistung als bei einem Großteil der Gesamtbevölkerung, aber wirklich verlässlich sind Aussagen von Super-Recognisern offensichtlich nicht.

Theorie und (rassistische) Praxis

Ein weiteres Problem: Das Bild-Material, das zur Diagnose von Super-Recognisern verwendet wird, zeigt zu einem Großteil Gesichter von weißen Männern; in der rassistisch geprägten polizeilichen Praxis werden aber verstärkt migrantisierte Menschen kontrolliert und von den Cops „überführt“. Bei der Gesichtserkennung spielt hierbei das psychologische Phänomen des „Own-Race-Bias“ [7] eine wichtige Rolle: es besagt, dass Gesichter mit einer ähnlichen Hautfarbe wie der eigenen besser wiedererkannt werden als solche mit deutlich unterschiedlicher Hautfarbe. Hinzu kommt, dass in der polizeilichen Praxis – also bei Einsätzen, Kontrollen etc. – davon auszugehen ist, dass es extrem viele Störvariablen gibt, die die Wiedererkennungsleistung verschlechtern, die in den Tests aber nicht kontrolliert werden können. Die verwendeten Super-Recogniser-Tests sind also für die praktische Arbeit der Bullen eigentlich ungeeignet.

Fazit

Wie bei den meisten „Projekten“ der Repressionsbehörden ist auch bei den „Super Recognisern“ davon auszugehen, dass das Programm, wenn es sich als tauglich (für den Staat) erwiesen hat, schrittweise flächendeckend ausgeweitet wird. In seiner Anwendung steht es in einer relativ frühen Phase, was auch an der medialen Strategie der Cops erkennbar ist. Zahlreiche Erfolgsmeldungen und Informationsangebote (wie der spielerisch gestaltete Stand auf dem Maimarkt-Gelände) sollen der Bevölkerung das Ermittlungswerkzeug näherbringen und gleichzeitig Akzeptanz schaffen. Bei unseren Recherchen sind wir auch auf Radio- und Fernsehbeiträge gestoßen, die inhaltlich übereinstimmen. Wir halten es für wichtig, den Bullen bei der Erprobung und Bewerbung neuer und noch nicht im Einsatz befindlicher Ermittlungs- und Repressionswerkzeuge auf die Finger zu schauen. Wir haben dargelegt, wie „Super Recogniser“ den Cops weitere Legitimation verschaffen sollen – ob bei Aussagen vor Gericht oder im täglichen Streifeneinsatz. Auch wenn wir in nächster Zeit nicht damit rechnen, ist es durchaus vorstellbar, dass bei einer Ausweitung des Programms irgendwann die ersten Super-Recogniser gezielt im politischen Kontext eingesetzt werden. Der Praxis, sich tolle Namen für schlechte Dinge einfallen zu lassen, bleiben die Bullen jedenfalls treu: wer vorher einfach nur dumm geglotzt hat, ist jetzt Super-Recogniser.

Antifaschistische Initiative Heidelberg/Interventionistische Linke (AIHD/IL) – dieser Beitrag erschien zuerst in der Ausgabe 4/2022 der Rote Hilfe Zeitung

[1] https://www.rnz.de/region/regionalticker/polizeiberichte_artikel,-heidelberg-erste-erfolge-der-super-recogniser-_arid,890704.html
[2] https://www.pressreader.com/germany/graenzbote/20210722/281487869371156
[3] https://wald-statt-asphalt.net/ella-up1-wird-zu-2-jahren-und-3-monaten-haft-verurteilt/
[4] https://fda-ifa.org/freiheit-fuer-jan-demo-16-10-2021-nuernberg/
[5] https://www.rnd.de/digital/rassismus-per-software-darum-ist-gesichtserkennung-in-der-praxis-problematisch-T7V2JXGEAZCNTDIGCLYO4IXX7E.html
[6] Davis, J. P., Bretfelean, L. D., Belanova, E., Thompson, T. (2020). Super-recognisers: Face Recognition Performance After Variable Delay Intervals. Applied Cognitive Psychology, 34, 1350-1368
[7] Wir lehnen das Konstrukt „Rasse“ strikt ab und sind uns bewusst, dass in psychologischer wie auch jeder anderen Forschung Rassismus reproduziert wird.




Widerstand ist mehr als Theater: „Lützi bleibt“-Aktion in Heidelberg

Während die Klimakrise wütet, die am meisten davon Betroffenen Menschen nicht auf der COP27 Gehör finden und der Kohlebagger in Lützerath immer näher kommt, lassen sich Heidelberger:innen vom Theaterstück „Das Licht der Welt“ unterhalten. Das wollen wir so nicht unkommentiert lassen und machen direkt nach dem Theaterstück mit einem Banner direkt vor den Türen des Theaters klar: „Widerstand ist mehr als nur Theater!“ Die von der Klimakrise am meisten betroffenen Menschen und Regionen (MAPA) leisten seit Jahrhunderten Widerstand gegen koloniale und neokoloniale Ausbeutung und Extraktivismus. Bei der COP27 werden ihre Forderungen nach konsequenter Klimagerechtigkeit ignoriert, währenddessen inszenieren sich heuchlerische Vertreter:innen des globalen Nordens als Klimaschutzvorreiter:innen.

Juan Pablo Gutierrez, ein indigener Aktivist der Yukpa, hält dazu auf Twitter fest „I will believe in events such as the COP27 when the official Photo shows the Indigenous Peoples, current holders of 80% of the worlds remaining biodiversity in the world, and not those responsible for the crisis in which we`re today.“

Die neokoloniale Praxis muss ein Ende haben! Deutschland und alle Nationen des Globalen Norden müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und konkret klimagerechte Politik umsetzen! In Deutschland bedeutet das beispielsweise, direkt aus den fossilen Energien auszusteigen, Reparationszahlungen zu leisten und im Rheinland das Dorf Lützerath vor der Zerstörung durch RWE zu bewahren! An diesem Ort wird seit Jahren alltäglich Widerstand gelebt. Ob in besetzen Häusern, Zelten oder hoch oben in den Wipfeln der Bäume. Die Menschen vor Ort sind bereit, sich der kapitalistischen Zerstörung RWEs in den Weg zustellen.

Sabine (18) eine Aktivist:in der autonomen Gruppe betont: „Ich werde nicht zulassen, dass Lützerath für Profitinteressen dem Erdboden gleichgemacht wird! Auch wenn das Theaterstück „Das Licht der Welt“ wichtige Einblicke in eine Besetzung liefert, darf diese Inszenierung nicht nur Inszenierung bleiben. Öffnen wir unsere Ohren, wenn MAPA ihr Stimme erheben, schauen wir nicht weg wenn Krisen und Konflikte gegenseitig ausgespielt werden, packen wir mit an wenn im Rheinland die Dörfer verteidigt werden und leisten wir dort Widerstand, wo Profite über Mensch und Natur gestellt werden!“

Der Tag X, an dem die staatlichen Repressionsorgane die Interessen des Konzerns RWE versuchen werden durchzusetzen, wird kommen. Sie werden mit schwerem Gerät, unzähligen Hundertschaften kommen und Unmengen an Geld in die Hand nehmen, um die Klima- und Umweltzerstörung durchzusetzen. Doch wir werden auch da sein! Wir werden vorbereitet, organisiert und willensstark Widerstand leisten. Ob in der Küche für alle, im Gesa Support oder in Aktion. Jede:r kann einen Beitrag dazu leisten, sodass Widerstand mehr bleibt als Theater! Wir werden diesen Ort verteidigen, denn Lützerath bleibt!

Autonome Gruppe „Lützi bleibt“




Heidelberg: Trotz Polizeischikane erfolgreiche Demonstration gegen Preiserhöhungen

Am Sonntag, 9. Oktober 2022 sind wir mit knapp über 130 Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Preiserhöhungen, Ausbeutung und Umverteilung von unten nach oben zu demonstrieren. Die Polizei, die mit einem unverhältnismäßigen Aufgebot am Kundgebungsort wartete, begann schon vor Beginn der Veranstaltung ihre Einschüchterungsversuche.

Nach zwei kämpferischen Auftaktreden setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung, wurde aber nach rund 50 Metern von einer Polizeikette gestoppt. Der Grund dafür: Menschen in der Demonstration sollen sich durch das Tragen eines Mundnasenschutzes in Kombination mit einer Mütze oder ähnlichem „vermummt“ haben. Nachdem die Situation durch die Versammlungsleitung geklärt wurde, konnte der Zug fortgesetzt werden, im Verlauf wurde er aber mehrmals aus ähnlich sinnlosen Gründen gestoppt.

Bei den Zwischenkundgebungen an den Stadtwerken und der Deutschen Bank wurde in mehreren antikapitalistischen Redebeiträgen klargemacht, dass die Preissteigerungen ein Symptom eines menschenverachtenden Systems sind, in dem Krisen und Kriege keine Fehler, sondern Normalität sind.

Nachdem die Demonstration selbstbestimmt und laut durch das Stadtzentrum gezogen war, gab es beim Marktplatz abschließende Reden, die patriarchale Unterdrückung und die Ausbeutung von behinderten Menschen in der Verwertungslogik des Kapitalismus thematisierten.

Leider konnten wir nicht verhindern, dass es im Nachgang der Demonstration mehrere Festnahmen gab. Die Cops traten hierbei aggressiv auf und versuchten, die Festgesetzten einzuschüchtern und zu demütigen. Als sich weitere Demoteilnehmer*innen solidarisierten und die Genoss*innen nicht allein ließen, verteilte die Polizei Platzverweise und versuchte vergeblich, die Gruppen zu trennen. Eine Person wurde daraufhin ohne Begründung in Handschellen unter Gewalteinwirkung abgeführt. Eine weitere Person wurde von den Cops mitgenommen, auch hier ging es um den Vorwurf, sich während der Demonstration mit einer Mütze und Maske vermummt zu haben. Auf der Wache wurden die beiden über zwei Stunden lang festgehalten, erkennungsdienstlich behandelt und gegen ihren Willen unter Gewaltanwendung ausgezogen. Es wurde ihnen mehrfach verweigert, eine*n Anwält*in anzurufen oder aufs Klo zu gehen. Eine Gruppe Antifaschist*innen, die vor der Wache gewartet hatte, konnte die Genoss*innen später empfangen.

Das Verhalten der Polizei macht uns wütend, es überrascht uns aber nicht. Die Cops schützen die bestehenden Eigentumsverhältnisse und werden niemals auf unserer Seite stehen. Sie verteidigen strukturelle Ungerechtigkeiten im Interesse der Herrschenden und werden nicht aufhören, emanzipatorische Bewegungen anzugreifen. Wir wiederum werden auch nicht aufhören uns aufzulehnen, gemeinsam unseren politischen Willen auszudrücken und das in einer Art und Weise zu tun, die wir für richtig halten. Es ist kein Zufall, dass die Polizei auch in Heidelberg gerade jetzt besonders autoritär auftritt und unsere Proteste kriminalisiert. Wir müssen uns auf diesen Umstand einstellen, werden uns davon aber sicher nicht einschüchtern lassen.

Wir haben gesehen, dass unsere Mobilisierung noch zu wenige Menschen ermutigt hat, auf die Straße zu gehen. Wir sind uns der Begrenztheit unserer Reichweite in der nicht-digitalen Welt bewusst. Wir wiederholen deshalb unsere Forderung an uns selbst und an andere: Wir müssen breite Bündnisse schaffen, um den Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlast auf die Bevölkerung zu führen.

Wir danken allen Redner*innen für ihre klaren und starken Beiträge aus verschiedenen Perspektiven und euch allen für die Teilnahme. Wir sehen uns auf der Straße!

(AIHD/iL)




Heidelberg: Deutsch-französisches Gedenken an den Widerstand zum Tag der Befreiung

Rund achtzig Menschen versammelten sich am 8. Mai 2022 auf Einladung der CGT Grand-Est, dem DGB Südhessen, dem DGB Nordbaden und der VVN-BdA Heidelberg auf der Gedenkstätte auf dem Bergfriedhof. Hier liegen – neben zehn AktivistInnen der „Vorbote“-Gruppe und anderen Widerstandskämpfern aus der Region – auch Antifaschisten aus anderen Ländern, darunter sieben Mitglieder des elsässischen Résistance-Netzwerks um Georges Wodli: René Birr, Eugène Boeglin, René Kern, Alphonse Kuntz, Adolphe Murbach, Auguste Sontag und Edouard Schwartz, die im Juni 1943 von Nazis in Stuttgart hingerichtet wurden. Eine Gedenktafel der Amicale G. Wodli erinnert an diese mutigen Antifaschisten, die seit 1950 hier ruhen.

Das war der Anlass für die vielköpfige elsässische Delegation der CGT Grand-Est, Heidelberg als Ort für ihre diesjährige Gedenkkundgebung am Tag der Befreiung zu wählen. Nach den Reden von Lars Treusch (DGB Nordbaden) und Pascal Debay (CGT Grand Est) folgte ein Beitrag von Silke Makowski für die VVN-BdA Heidelberg. Zum Abschluss sprach Horst Raupp vom DGB Südhessen. Die Redebeiträge wurden von zwei DolmetscherInnen direkt übersetzt, um allen Anwesenden das Verständnis zu ermöglichen. Der elsässische Liedermacher Daniel Muringer (CGT Grand Est) umrahmte die Veranstaltungen mit deutschen und französischen Liedern aus dem antifaschistischen Widerstand, die die Anwesenden tief beeindruckten. (VVN-BdA HD)

Die Rede der VVN-BdA Heidelberg:

Cher(e)s ami(e)s et camarades, liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Kolleginnen und Kollegen,

zuallererst möchte ich mich ganz herzlich beim DGB und der CGT bedanken, dass sie die heutige Veranstaltung organisiert haben, die wir als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der AntifaschistInnen Heidelberg sehr gern unterstützen.

Der 8. Mai, der Tag der Befreiung vom Faschismus, ist ein Tag der Freude. Doch er ist auch ein Tag des Gedenkens an all die Menschen, deren mutiger antifaschistischer Kampf diese Befreiung möglich gemacht hat.

Ihr selbstloses Eintreten für eine Welt ohne Faschismus und Ausbeutung sind uns ein wichtiges Vorbild; ihr Erbe in unsere gegenwärtigen Kämpfe gegen Faschismus, gegen Ausbeutung und Krieg aufzunehmen, ist unsere Pflicht.

Zusammen mit den sieben Aktivisten der Résistance-Gruppe um Georges Wodli liegen hier weitere 20 von den Nazis ermordete Widerstandskämpferinnen und -kämpfer. Auf sie will ich im Folgenden eingehen.

Von manchen der Menschen, die auf diesen Tafeln stehen, wissen wir vieles.

Zehn der hier Beigesetzten waren Mitglieder der kommunistischen Vorbote-Gruppe um den früheren KPD-Abgeordneten Georg Lechleiter. Die Gruppe hatte ihren Schwerpunkt in Mannheim und wurde vor allem durch die illegale Zeitung „Der Vorbote“ bekannt. Nachdem sie bereits in früheren Jahren gegen den Naziterror aufbegehrt hatten, beschlossen diese mutigen Männer und Frauen nach dem Überfall auf die Sowjetunion, gemeinsam eine Widerstandszeitung herauszugeben und ihr Netzwerk zu vergrößern.

Anfang 1942 setzten Massenverhaftungen gegen die Gruppe ein. Insgesamt 19 Menschen aus dieser Widerstandsorganisation wurden in zwei Großprozessen zum Tode verurteilt. Sie wurden am 15. September 1942 und am 24. Februar 1943 in Stuttgart enthauptet. Drei ihrer Genossen waren bereits in den brutalen Gestapo-Verhören ermordet worden.

Die drei Heidelberger Vorbote-Mitglieder Albert Fritz und das Ehepaar Käthe und Alfred Seitz ruhen hier ebenso wie sieben Mannheimer Aktivistinnen und Aktivisten: Jakob Faulhaber, Richard Jatzek, Georg Lechleiter, Ludwig Neischwander, Bruno Rüffer, Robert Schmoll und Henriette Wagner.

Ebenso liegt hier der Heidelberger Arbeitersportler und Kommunist Heinrich Fehrentz, der zusammen mit elsässischen und Heidelberger Antifaschistinnen und Antifaschisten ausländische Radiosender abhörte und politische Diskussionen führte. Als angeblicher Kopf der Gruppe wurde Heinrich Fehrentz zum Tode verurteilt und am 22. Dezember 1943 hingerichtet.

Ebenfalls hier bestattet ist der Kommunist Jakob Welter aus Dudweiler, der schon ab 1935 im schwedischen Exil gelebt hatte. 1941 kehrte er im Auftrag der KPD nach Deutschland zurück, um den antifaschistischen Widerstand zu stärken und die Gruppen zu vernetzen. Auf dem Weg nahm er Kontakt zu seinen Eltern im Saarland auf, wo er verhaftet wurde. Trotz fehlender Beweise wurde Jakob Welter vom Oberlandesgericht Stuttgart zum Tode verurteilt und am 19. April 1944 hingerichtet.

Am gleichen Tag wurden in Stuttgart acht Résistance-Kämpfer aus Dijon enthauptet, darunter Paul Meunier, der ebenfalls hier beigesetzt ist. Diese Antifaschisten – die meisten Eisenbahner – wurden Ende August 1943 von der Gestapo verhaftet. Während gegen die sieben anderen der Vorwurf der „Freischärlerei“ erhoben wurde, beschränkte sich die Anklage gegen Paul Meunier auf „illegalen Waffenbesitz“. Konkret ging es um drei Sabotageaktionen mit Sprengstoff gegen eine Schnelllokomotive, eine Transformatoren-Station und das zentrale Starkstromkabel des Güterbahnhofs Dijon-Perrigny. Am 27. November 1943 wurden alle acht von einem Feldgericht in Dijon zum Tode verurteilt und in Stuttgart hingerichtet.

Mit Jan Schreiber und Johann Tomann sind auch zwei tschechische Antifaschisten hier begraben. Über ihre Aktivitäten sind kaum Details bekannt. Ein knapper Karteikarteneintrag vermerkt nur, sie hätten „versucht, eine kommunistische Geheimorganisation aufzubauen, zu diesem Zwecke teilweise Mitglieder geworben oder kommunistische Hetzschriften verteilt u. sich damit hochverräterisch gegen das Reich u. die staatliche Ordnung in Böhmen und Mähren betätigt.“ Gemeinsam mit zwei Mitstreitern wurden sie am 15. Dezember 1942 vom Berliner Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 1. Juni 1943 enthauptet.

Max Karl Prinz von Hohenlohe-Langenburg ist der einzige der hier Beigesetzten, der aus dem Adel sowie aus dem literarischen Widerstand stammt. Als Kunstmaler und Schriftsteller verkehrte er bereits in den 1920er Jahren in linken Kreisen und emigrierte 1933 nach Paris, wo er für die Exilpresse tätig war. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht wurde er am 11. Juli 1941 in Paris verhaftet. Obwohl es keinerlei konkrete Anschuldigungen gegen Max von Hohenlohe-Langenburg gab, verhängte der berüchtigte Volksgerichtshof die Todesstrafe, die am 27. Juli 1943 vollstreckt wurde.

Über mehrere weitere auf der Tafel genannte Nazigegner – nämlich Martin Ganter, Philipp Ullrich, Jakob Bürger und Karl Schmitt – sind außer ihren Namen und Hinrichtungsdaten keinerlei Details bekannt.

Die Lebenswege und die konkreten Widerstandsformen der hier ruhenden Antifaschistinnen und Antifaschisten waren unterschiedlich, doch sie alle wurden wegen ihres aktiven Widerstands von den Nazi-Henkern in Stuttgart ermordet, und ihre Leichname wurden als zusätzliche Entwürdigung der Anatomie der Universität Heidelberg zur Verfügung gestellt, die an ihnen Sezierübungen durchführte.

Diese Unmenschlichkeit wird nur noch übertroffen von der Tatsache, dass auch nach der Befreiung vom Faschismus mehrere Jahre zähen Kampfes nötig waren, bis die Universität ihre sterblichen Überreste endlich freigab: Erst 1950 konnten die Angehörigen an dieser Stelle die Ermordeten beisetzen.

Die hier ruhenden Widerstandskämpfer und -kämpferinnen eint der gewaltige Mut, mit dem sie aufstanden gegen Faschismus und Krieg, mit dem Ziel, eine bessere Welt aufzubauen.

Dieses Vermächtnis wollen wir weiterführen.




Heidelberg: Demo gegen rechte Netzwerke in Polizei und Behörden

Am 30. April 2022 fand in Heidelberg eine Demonstration gegen Rassismus in staatlichen Behörden statt. „Laut und entschlossen“ wurde gegen rechte Netzwerke und gegen staatlichen Rassismus demonstriert. Aufgerufen hatte die Antifaschistische Initiative Heidelberg. Bei den Reden wurde aufgezeigt, dass speziell Polizei und Bundeswehr Strukturen sind, in denen waffentragende Nazis keine Seltenheit sind. Außerdem betonten die Redner*innen, wie wichtig Organisierung im Kampf gegen Unterdrückung, Ausbeutung und rechte Hetze ist.

Nach der Auftaktkundgebung in der Schwanenteichanlage zogen 250 Teilnehmer*innen über die Kurfürstenanlage und durch die Fußgänger*innenzone bis zum Karlsplatz. Die Veranstalter*innen zeigten sich zufrieden und freuten sich über die „sehr gelungene Abschlusskundgebung“, die den am Karlsplatz wohnenden Burschenschaftern nicht gefallen haben dürfte. (red)

Bilder der Veranstaltung

Wir dokumentieren den Redebeitrag der Antifaschistischen Initiative Heidelberg.

Liebe Genoss:innen,

der Staat versagt dabei, Faschist:innen zu entwaffnen. Während sich damit gerühmt wird, dass seit 2018 mehr als hundert von den Behörden als rechtsextrem eingestuften Personen ihre waffenrechtliche Erlaubnis entzogen wurde, wird kleinlaut zugegeben, dass Ende 2021 immer noch über 1500 „Rechtsextremist:innen“ legal Waffen besitzen. Nochmals: der Staat schätzt diese Leute als „rechtsextrem“ ein und lässt sie ihre Waffen behalten! Insgesamt gibt es seit 2019 einen Anstieg bewaffneter Rechter um knapp 30%. Wie hoch die Dunkelziffer waffentragender Faschos ist, will man sich kaum vorstellen. Auf eine Anfrage der Linken im Bundestag letzten Dezember gab das Innenministerium zu, dass außerdem gegen knapp 600 Neonazis Haftbefehle ausstehen, bei denen die Personen bisher nicht gefunden wurden. Neben Gewaltdelikten geht es bei nicht wenigen davon um den unerlaubten Besitz von Schusswaffen. Dass Nazis untertauchen und Waffen horten, ist keine linke Panikmache, sondern ein Fakt.

Aber was ist mit denen, die sich gar nicht für konspirative Schießübungen treffen müssen, die nach Waffen und Munition nicht lange suchen müssen, weil sie in ihrem Dienstschrank sind? Es ist ebenso ein Fakt, dass jeden Tag Faschist:innen die Fähigkeit zu überwältigen, zu verletzen und im Zweifelsfall zu töten, als Teil einer Ausbildung trainieren. Es ist ein Fakt, dass Menschen, die sich auf einen faschistischen Umsturz vorbereiten, nicht nur Zugang zu Munition und Waffen haben, sondern auch über Jahrzehnte an diesen ausgebildet werden. Dass sie ihre Netzwerke in ihren Ausbildungsstätten ausbauen und Gleichgesinnte dort und außerhalb davon schützen.

Rechter Terror in Deutschland kann historisch nicht von den so genannten Sicherheitsbehörden getrennt betrachtet werden.

Nur ein paar Beispiele aus den letzten 20 Jahren bekräftigen das:
Nazis werden wie im Falle des NSU durch den Verfassungsschutz geschützt. Wie viele ihrer verschossenen Patronen durch Staatsgeld bezahlt wurden, werden wir nie erfahren.
Faschist:innen planen wie im Falle des Hannibal-Netzwerkes in der Bundeswehr einen rechten Umsturz und beschaffen sich Waffen und Leichensäcke.

Die Adressen für die NSU 2.0-Drohschreiben sowie die Namen und Wohnorte von zahlreichen Antifas in Leipzig wandern direkt von Polizeicomputern in die Hände von Neonazis.

Rechte Politiker:innen wie der CDU-Mann Hans-Josef Bähner genießen den Schutz der Behörden, selbst wenn sie in ihrem Garten Waffen horten, selbst wenn sie einen Jugendlichen rassistisch beleidigen und selbst wenn sie auf ihn schießen, während medial eine unsägliche Täter-Opfer-Umkehr stattfindet.

Die sowieso schon skandalöse Ermittlungsarbeit in Hanau wurde für die Angehörigen noch schrecklicher, als herauskam, dass 13 der beim rassistischen Anschlag eingesetzten SEK-Beamten selbst Teil einer rechten Chatgruppe waren. Wenn die Verhinderung oder Aufklärung von rechten Gewalttaten anderen Rechten überlassen wird, dann sollte allen klar sein, dass daraus nur weiteres Übel entsteht.

All diese Vorfälle müssen unbedingt als Teile eines Bildes betrachtet werden. Die Täter:innen haben nicht allein gehandelt, und es wurden meistens nur Bruchteile von Strukturen offengelegt. Diese Vorkommnisse sind, egal wie oft und vehement es behauptet wird, keine Einzelfälle!
Eine Rednerin der diesjährigen Hanau-Kundgebung in Heidleberg hat es ziemlich gut auf den Punkt gebracht: Deutschland hat auf allen Ebenen ein beschissenes Nazi-Problem.

Wir dürfen dabei auch nicht aus dem Blick verlieren, dass ein Großteil der Enthüllungen von faschistischen Netzwerken und Chatgruppen nicht etwa durch den Verfassungsschutz oder den Militärischen Abschirmdienst bekannt wurde, sondern durch gemeinsame Recherchen von Journalist*innen und Antifaschist*innen.

Den meisten linken Strukturen ist klar, dass sie bei dieser Arbeit vom Staat weiterhin verfolgt werden, wenn sie gemeinsam und konsequent für eine solidarische Gesellschaft kämpfen. Für sie gibt es keinen Dank, sondern Schikane auf der nächsten Demo.

Das Ganze wird noch absurder, wenn man sich ansieht, wie antifaschistischer Selbstschutz kriminalisiert wird. Jedes Kampfsporttraining wird in Verfassungsschutzberichten als Teil einer unmittelbaren Umsturzstrategie bezeichnet und dementsprechend beobachtet, während sich Neonazis gemütlich zu Schießübungen treffen können.

So viele angebliche Einzelfälle haben gezeigt, womit wir bei Sicherheitsbehören rechnen müssen, wenn es darum geht, rechte Morde aufzuklären: von schleppenden oder verschleppten Ermittlungen über Vertuschung bis hin zur Beschuldigung der Angehörigen.
Diese Vorgänge geschehen in einem politischen Kontext von AfD und Pegida, nach den Morden des NSU, nach Hetzjagden in Chemnitz, nach Halle, Hanau, Celle, Dessau, Porz und so vielen anderen Taten und es ist alles andere als unwahrscheinlich, dass, während ich hier spreche, die nächste Tat vorbereitet wird. Während die Bullen täglich nach rassistischen Mustern Menschen schickanieren, wird die rassistische Mobilisierung in den so genannten Sicherheitsbehörden als Nährboden für neue Formen des Rechtsterrorismus immer noch nicht ernst genommen. Das ist die Handschrift einer Politik, in der migrantische Communities und Familien zum Sicherheitsproblem gemacht werden, statt sie vor rechtem Terror und Rassismus zu schützen. Nazis morden, der Staat schiebt ab, das ist das gleiche Rassist:innenpack!

Deshalb müssen wir nicht nur den Diskurs darüber verändern und dem Gerede von Einzelfällen Fakten entgegenhalten. Wir müssen auch solidarisch sein mit all denen, die unter der rechten Gewalt leiden, in der Stadt und in jedem Dorf. Wir müssen einander, wo wir können, unterstützen, damit es immer weniger Orte gibt, an denen sich Faschist:innen ausbreiten können. Durch Recherchen, Veröffentlichungen und Interventionen müssen wir den Rechten Stück für Stück ihren Schutz- und Handlungsspielraum nehmen.

Den Kampf gegen ihre menschenverachtende Weltanschauung müssen wir überall führen, wo wir auf sie treffen: auf der Arbeit, im Betrieb, im Gerichtssaal, in der Schule, in der Universität, im Verein, auf dem Sportplatz und nicht zuletzt gemeinsam auf der Straße. Kein Fußbreit dem Faschismus!

Antifaschistische Initiative Heidelberg