Corona – Erste Positionsbildungen für die Zeit danach. Der Kämmerer spricht vom Sparen

Erster Bürgermeister und Finanzdezernent Specht, hier bei der Eröffnung des Impfzentrums. (Bild David Brunner, KIM)

Alle reden von den Startproblemen der Impfkampagne oder der Frage, wie lange man noch Schüler*innen aus den Schulen fern halten kann, ohne massive Lernbeeinträchtigungen und psychologische Schäden zu verursachen. Der Mannheimer Morgen denkt aber schon an die Zeit „danach“ – wenn es denn überhaupt so schnell eine Zeit danach gibt. Er interviewt in der Morgen-Web-Ausgabe vom 6.1.21 den Dezernenten für Öffentliche Sicherheit, für das Rettungswesen und Katastrophenschutz und für die städtischen Finanzen, wie es denn in diesem und den nächsten Jahren genau um diese Finanzen seiner Meinung nach bestellt sein werde. Der Interview-Titel lautet: „Mannheim muss wegen Corona bei geplanten Investitionen sparen“.

Zunächst gibt es eine Erinnerung an die wesentlichen Zahlen des Haushaltsgeschehens: Die coronabedingten Mehrausgaben plus die entfallenden oder reduzierten Einnahmen der Stadt als Haushaltsverschlechterung sowie im Gegenzug die Finanzhilfen des Bundes und Landes aus verschiedenen Rettungsschirmprogrammen belaufen sich für Mannheim auf vorläufig 126 Mio. Euro Nettoverschlechterung. Das tatsächliche Ergebnis 2020 steht aber noch keineswegs fest. Im Sommer legte die Verwaltung dem Gemeinderat einen Nachtragshaushalt vor, der diese Verschlechterung auffing durch Verschiebung diverser Investitionsausgaben in das Folgejahr oder noch weiter in die Zukunft, sowie durch einen Griff in die nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 wieder gut aufgebaute Rücklage. Damit konnten die geplanten Ausgaben für die laufenden Aufgaben wie geplant getätigt werden. Die Investitionsverschiebungen fallen zunächst praktisch gar nicht ins Gewicht, weil erfahrungsgemäß oft bis zur Hälfte der geplanten investiven Ausgaben mit dem vorhandenen Personal gar nicht abgearbeitet werden können, sondern das Geld liegen bleiben und dann den nächsten Haushalt verstärken.

Die vom Gemeinderat bis 2023 beschlossenen Investitionen betragen jährlich fast 200 Mio. Euro – absolute Rekord-Summen. Hierbei sind die ebenfalls dreistelligen Millionenbeträge der GBG für Investitionen, die Investitionen der RNV auf Mannheimer Gemarkung und die Investitionen z.B. des Klinikums gar nicht mitgerechnet, weil die in selbstständigen GmbHs aufschlagen. Wenn nun z.B. die Gewerbesteuereinnahmen über mehrere Jahre geschrumpft bleiben ohne vom Bund ausgeglichen zu werden wie in 2020, dann wird es in der Tat eng, erst recht, wenn z.B. die Einnahmen des ÖPNV weiterhin sinken und ausgeglichen werden müssen.

Was dann? Der MM-Journalist zieht den Dezernenten Specht erheblich an der Nase, ob er denn nicht Beispiele für Einsparpotenziale nennen könne. Specht ist aber erfahren genug, artig zu sagen: „Das würde ich jetzt nur ungern tun. Hier entscheidet der Gemeinderat.“ Am Ende des Interviews philosophiert dann Specht aber doch über Großprojekte. Das Kombibad Herzogenried und die Erweiterung des Rosengarten CongressCenters seien schon zu weit fortgeschritten. Auch die laufende Planung der Sanierung des Nationaltheaters vertrage keine Eingriffe. Aber man müsse schon mal darüber nachdenken, ob künftig überhaupt noch so viele Menschen ins Theater gehen wollen.

Die Richtung stimmt nicht!

Eigentlich müssen ja die Überlegungen in eine ganz andere Richtung gehen: Das Investitionsprogramm ist zwar gewaltig, es berücksichtigt aber nur viel zu geringe Beiträge der Kommune zur Meisterung der Klimawende. Allein die thermische Sanierung städtischer Liegenschaften geht viel zu langsam voran, die Mobilitätswende bräuchte noch mehr Investitionskapazitäten und –mittel als vorgesehen. Und was die Verstärkung eines großen Non-profit-Sektors in der Wohnungswirtschaft betrifft, damit das Wohnen einigermaßen bezahlbar bleibt oder wieder wird – dafür sieht der Stadthaushalt im Grunde gar nichts vor. Die Mängel im Schulwesen, die durch das Corona-Desaster noch deutlicher hervorstechen, verlangen nach viel mehr Mitteln für Schulbau und –modernisierung (z.B. für flächendeckenden Ganztagsunterricht und Digitalisierung).

Die Frage, die sich aus all diesen Feststellungen ergibt, ist nicht, ob das Nationaltheater vielleicht doch nicht richtig saniert oder verkleinert wird, sondern: ob das zukunftsfeindliche Netto-Neuverschuldungsverbot nicht endlich zu Grabe getragen wird. Das Schreckgespenst, mit einer höheren Verschuldung werde der Jugend von heute eine ungeheure Hypothek für die Zukunft aufgebürdet muss dahin gehend aufgeklärt werden, dass die größte Hypothek für die Jugend ein unzureichend ausgestattetes Bildungswesen ist. Ebenso Versäumnisse bei der Abwendung der Klimaerwärmung. Die Fridays-for-Future-Bewegung kämpft genau gegen solche Zukunftshypotheken.

Und dann stellt sich ja die gesamtgesellschaftliche Frage, wer am Ende die finanziellen Lasten zu trage habe, ob nicht doch endlich die selbst in der Krise noch anwachsenden Milliardenvermögen kräftig herangezogen werden. Corona heißt somit auch: Die Auseinandersetzung um diese grundlegenden Fragen muss deutlich verschärft werden. Auf der Straße und mit Wahlzetteln im „Superwahljahr“.

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE, Fraktionsvorsitzender LI.PAR.Tie.




Covid-19: Nachtragshaushalt 2020 verabschiedet

Hier wurde der Nachtragshaushalt vorbereitet. (Bild: KIM)

 Am 28. Juli verabschiedete der Mannheimer Gemeinderat einen Nachtragshaushalt für 2020. Dieser wurde durch die schwerwiegenden Minderinnahmen bei gleichzeitigen Mehrausgaben durch die Pandemie erforderlich. Es galt ein Defizit von zunächst guten 200 Mio. Euro zu bewältigen. Von diesem Defizit wurden bereits vor den Haushaltsberatungen seitens der Rettungsschirme von Bund und Land 86 Mio. Euro ausgeglichen, die auch in den Nachtragshaushalt eingepreist waren. Am 28.7. selbst verabschiedete die Landesregierung zusammen mit dem Städtetag Baden-Württemberg, dessen Präsident OB Peter Kurz derzeit ist, ein weiteres Hilfsprogramm von 140 Mio. Euro. Der Mannheimer Anteil war zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht errechnet und ist auch nicht eingepreist. Der Nachtragshaushalt hat also Chancen, besser abzuschneiden, als berechnet. Aber das ist noch lang…

Die Verwaltungsstrategie beruht darauf, 68 Mio. Euro Auszahlungen für laufende Investitionsprojekte planmäßig auf das nächste Jahr zu verschieben – ein Vorgang, der am Ende jeden Jahres als überplanmäßige Verstärkung des Folgehaushalts ohnehin stattfindet. Denn 50% der geplanten Investitionsausgaben können i.d.R. gar nicht im Planjahr verarbeitet werden. Es werden also keine Investitionen gestoppt; man möchte antizyklisch weiter investieren. Der Rest des Defizits wird durch einen Griff in die Rücklagen gedeckt. Es werden also auch keine verabschiedeten „freiwilligen“ Leistungen gekürzt durch Haushaltssperren. Ebenso wenig werden Besetzungssperren im Personalbereich verfügt. Der Nachtragshaushalt stellt somit den Haushaltsvollzug wie in den letzten Etatberatungen beschlossen sicher.

Dieses Vorgehen wurde von FDP und AfD abgelehnt. „Wir müssen jetzt erste Sparmaßnahmen ergreifen, wenn doch klar ist, dass uns in den nächsten Jahren Mittel fehlen werden“ war deren Tenor. Die ML enthielt sich, weil ihr die Zukunft unklar erscheint. Grüne, SPD, CDU und LI.PAR.Tie stimmten dem Nachtragshaushaltsentwurf zu

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE, Fraktionsvorsitzender LI.PAR.Tie.

 

 

Nachtragshaushaltssatzung 2020: Statement von Thomas Trüper für die Fraktion  LI.PAR.Tie.

Die Fraktion LI.PAR.Tie. stimmt der vorgeschlagenen Nachtragshaushaltssatzung 2020 zu.

Die Vorgehensweise der Verwaltung, den Haushalt so umzuschichten, dass alle laufenden Ausgaben und Investitionen wie geplant getätigt werden können, ist vernünftig. Zurzeit kann nur auf Sicht gefahren werden, und das letztlich bei dickem Nebel. Wir ahnen viel und wissen wenig. Das fängt schon bei der letztendlichen Wirkung der Schutzschirme von Bund und Land an. Das zieht sich weiter zu den Covid-19-bedingten Einnahmeausfällen und Aufwandssteigerungen. Wir wissen auch nicht, welche Covid-19-bedingten langfristigen Änderungen des internationalen Wirtschaftslebens, der gesellschaftlichen Verhältnisse, des Verkehrsverhaltens etc. auf uns zukommen.

Z.B. die Automobilkrise, die schon vor der Pandemie im Gange war, weil den Konzernen der schnelle Profit wichtiger war als eine nachhaltige und innovative Entwicklung: Sie wird nicht plötzlich aufhören. Das wird unseren Haushalt nicht unberührt lassen. Welche Spuren hinterlässt-Covid 19 bei den Steuereinnahmen? Wie wird es mit dem Einbruch des ÖPNV weitergehen? Wie wird sich die Beschäftigungsentwicklung darstellen? Wir wissen es nicht und deshalb sind auch die aktionistischen Anträge sinnlos, schnell die Investitionen oder die Personalkosten runterzufahren. Wir werden diese Anträge nicht unterstützen.

Trotzdem aber gilt auch hier: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Grundlegende Reaktionen werden kommen müssen.

Die entscheidende Frage, die sich die LI.PAR.Tie.-Fraktion dabei stellt ist: Wer wird die Lasten der Krise am Ende tragen? Wir werden uns konsequent gegen die Ablastung auf den Schultern der Menschen mit geringeren Einkommen stellen. Die soziale Infrastruktur darf nicht leiden, sie wird im Gegenteil wahrscheinlich noch mehr leisten müssen.

Und wie sieht es mit den Investitionen aus? Die ½ Mrd. Euro, die im laufenden Planungszeitraum verausgabt werden sollen, stehen nicht für Projekte aus Saus und Braus, sondern für Bildung, Nachhaltigkeit, Infrastruktur, Kultur, Verkehrs- und Energiewende.

Nun kennen wir alle die Grafik des Kämmerers: Die Liquiditätsentwicklung sinkt schon jetzt laut Finanzplanung kontinuierlich bis auf den gesetzlichen Mindestbestand im Jahr 2023. Nach Covid-19 ist schwer vorstellbar, dass die fetten Jahre großer und überplanmäßiger Ergebnishaushaltsüberschüsse nach kurzer Pause gerade so weiter gehen. (Immerhin sei aber daran erinnert, dass nach der großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/9 die Erholung doch unerwartet schnell eintrat). Es ist müßig, hier herumzuspekulieren. Es ist aber keineswegs müßig, darüber nachzudenken, wie die riesigen Zukunftsinvestitionen künftig finanziert werden sollen: Durch Ausquetschen des Ergebnishaushaltes mit zutiefst ungerechter Lastenverteilung oder aber teilweise auch durch längerfristige Refinanzierung von Zukunftsinvestitionen – das nennt man dann über Darlehensaufnahme (so, wie das ja alle unsere städtischen Gesellschaften notwendigerweise sowieso schon immer tun).

Im Übrigen wird es natürlich auch zu sehr spannenden und hoffentlich für die Menschen in den Kommunen positiv verlaufenden Entwicklungen kommen auf den Sektoren der innerstaatlichen Finanzströme wie auch bei der Frage, wie denn die bisher allzu sehr geschonten Milliardenvermögen zur Finanzierung der gesellschaftlichen Bedürfnisse endlich einmal effektiv herangezogen werden können.

Kurz und gut und wie gesagt: Wir stimmen der vorgeschlagenen Nachtragshaushaltssatzung zu.