Die 100 reichsten Deutschen: Die Reimanns

Im September letzten Jahres startete Nicole Gohlke MdB (DIE LINKE) einen Blog, in dem sie die 100 reichsten Deutschen vorstellt. Der erste Beitrag widmet sich der aus Ludwigshafen stammenden Familie Reimann. Kaum jemandem ist dieser Name ein Begriff. Dabei handelt es sich um die reichste (oder inzwischen zweitreichste) deutsche Familie, und das hier aus der Metropolregion. Es gibt noch weitere Milliardärsfamilien aus der Metropolregion – sicherlich für weitere Betrachtungen geeignet.

Es macht durchaus Sinn, sich in einer Zeit der Milliardärsfamilien zu erinnern, in der durch die Corona-Pandemie und nun auch durch die Folgen des Ukrainekriegs die öffentlichen Haushalte extrem geschwächt sind. Wer wird die ganzen Rechnungen bezahlen? Und damit tut sich das Problem auf, wie der deutsche Fiskus (den politischen Willen durch öffentlichen Druck vorausgesetzt) an diese Vermögen herankommt, wie die Steuerparadiese endlich stillgelegt werden können. Denn eine besonderes „Flüchtlingsproblem“ sind nach wie vor die Steuerflüchtlinge. (tht)

Die Reimanns: Geschätztes Vermögen: 30 Milliarden Euro

Die Familie Reimann ist mit einem auf gegenwärtig rund 30 Milliarden Euro geschätzten Vermögen einer der reichsten Clans Deutschlands.[i] Dabei dürften die Erb:innen des Konzernimperiums den meisten unbekannt sein. Es gibt so gut wie keine Fotos oder Interviews, sie sollen in der Schweiz, in Italien und Österreich leben.[ii] Damit lassen sich durchaus Steuern vermeiden.[iii] Ihr Geld parkt größtenteils im Steuerparadies Luxemburg. Dort hat die »JAB Holding« ihren Sitz, welche die Vermögenswerte von vier der Reimann-Erb:innen verwaltet.[iv] Aber woher kommt das gewaltige Vermögen der öffentlichkeitsscheuen Milliardärsfamilie?

Der Ursprung ihres Reichtums liegt bereits mehr als 170 Jahre zurück. 1851 gründete Karl Ludwig Reimann zusammen mit dem Salmiakhüttenbesitzer Johann Adam Benckiser in Ludwigshafen eine Chemiefabrik. Ihre Nachkommen trieben das Geschäft im Laufe der Jahre voran. Der große Aufstieg begann jedoch erst in den 1930er Jahren unter der Geschäftsführung von Karls Enkel Albert Reimann senior. Der war ein glühender Nationalsozialist und bereits 1921 Mitglied des Vorstands der Ortsgruppe des »Alldeutschen Verbands« – einer radikal völkisch-nationalistischen Organisation, die in ihrem Antisemitismus der NSDAP in nichts nachstand.[v] Auch schon vor 1933 galt das Unternehmen als »NS-Musterbetrieb«. Nach der Machtübergabe machte Albert Reimann rasch Karriere in der NSDAP und wurde Stadtrat in Ludwigshafen sowie Präsident der Industrie- und Handelskammer für die Pfalz.[vi] Im Jahr 1937 schrieb er an Heinrich Himmler: »Wir sind ein über hundertjähriges, rein arisches Familienunternehmen. Die Inhaber sind unbedingte Anhänger der Rassenlehre.«[vii]

Hunderte Zwangsarbeiter:innen mussten für die Reimanns schuften. Belegt ist, dass es in den Werken und in der Privatvilla der Reimanns in Ludwigshafen immer wieder zu Gewalt und Missbrauch an Zwangsarbeiter:innen kam.[viii] Dank billiger Arbeitskraft und großer Nachfrage durch den Weltkrieg gelang der Firma ein schneller wirtschaftlicher Aufstieg.

Auch Albert Reimann junior, den der Vater früh in die Konzernleitung holte, war prominenter Unterstützer der NSDAP und Verbandsfunktionär.[ix] Nach Ende der NS-Zeit stilisierte er sich dann als Opfer.[x] Er rettete nicht nur das Vermögen der Familie in die Bundesrepublik, sondern erhielt 1973 sogar das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern. Mit Marken wie Calgon, Clearasil und Sagrotan feierte der Konzern in der Nachkriegszeit Erfolge.

Nach Albert Reimanns Tod im Jahr 1984 ging die Joh. A. Benckiser GmbH an dessen Kinder über. Ein Teil der Erb:innen verkaufte in den 1990er Jahren ihre Anteile und gründete eigene Privatbanken und Stiftungen. Die im Unternehmen verbliebenen vier Reimann-Kinder überführten den Konzern in eine Finanzholding, die heute an zahlreichen Unternehmen beteiligt ist. Unter anderem halten sie Mehrheitsbeteiligungen am Parfümhaus »Coty« und an einem der größten Kaffeekonzerne »Jacobs Douwe Egberts« sowie noch wenige Anteile am Hersteller von Reinigungsprodukten und Haushaltswaren »Reckitt Benckiser«.[xi] Marken aus dem Besitz der Familie Reimann stehen heute in allen Supermarkt- und Drogerieregalen.

Zehntausende Beschäftigte sorgen in vielen Ländern für die Gewinne. Das operative Geschäft führt Peter Harf, ein enger Vertrauter der Familie und Star in der Manager-Szene. Er ist im Auftrag der Reimanns weltweit aktiv und konsolidiert angeschlagene Konzerne.[xii] [xiii] Was ein solches Management für die Beschäftigten bedeuten kann, erfahren aktuell etwa die 300 Mitarbeiter:innen im Kölner Werk von »Coty«. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, soll der Standort im Sommer 2022 dichtgemacht und die Produktion an kostengünstigere Standorte verlagert werden.[xiv]

Die Gewinne der JAB-Holding im Kaffeegeschäft sollen dem »Spiegel« zufolge auch auf schlechten Vertragskonditionen gegenüber den Zulieferern basieren.[xv] Aber damit wollen die Reimanns nichts zu tun haben, ebenso wenig wie mit Kinderarbeit. Dabei sind die niedrigen Preise auf dem globalen Kaffeemarkt ohne Hungerlöhne und Kinderarbeit kaum denkbar. In Guatemala etwa sollen laut der Kampagne »Aktiv gegen Kinderarbeit« zufolge fast ein Drittel der Kaffeearbeiter:innen Minderjährige sein, in Kenia sogar 60 Prozent.[xvi]

 

[i] https://www.manager-magazin.de/unternehmen/die-500-reichsten-deut-schen-2021-trotz-corona-legen-die-vermoegen-der-reichsten-massiv-zu-a-e6aa167e-d083-4b90-b415-9ba70e480596

[ii] https://www.rnz.de/wirtschaft/wirtschaft-regional_artikel,-firmen-imperi-um-die-reimanns-eine-familie-voller-geheimnisse-_arid,552312.html

[iii] https://www.handelsblatt.com/downloads/27597072/2/2021-09-10-steuer-tricks-der-reichen.pdf

[iv] https://www.manager-magazin.de/unternehmen/joachim-creus-reimann-clan-ernennt-nachfolger-von-peter-harf-a-c8e6fd1a-fc61-4473-b2eb-0c74c340102a

[v] Strobel, Karen / Zwerger, Brigitte (2020): Betrachtungen und Quellenstudien zur frühen völkischen Bewegung in Mannheim bis 1922; Hrsg.: Marchivum, September 2020.

[vi] https://www.diepresse.com/5601745/die-ns-vergangenheit-der-zweitreichs-ten-deutschen-familie

[vii] Hertlein, Bernhard (2019): Anhänger der Rassenlehre; in: Westfalen-Blatt, 25.03.2019.

[viii] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ns-zeit-reimann-gruender-waren-nazis-1.4380908

[ix] Siehe Fußnote 2.

[x] Freytag, Bernd (2020): Die Reimanns stiften 250 Millionen Euro gegen Hass; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.01.2020

[xi] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/jacobs-kaffee-boerse-101.html

[xii] Clausen, Sven / Schwarzer, Ursula (2020): JAB Holding der Familie Reimann. Milliardärsmacher Peter Harf – Ende einer Legende; in: Manager Magazin, 10/2020.

[xiii] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/innovationweek/designierter-nachfolger-von-peter-harf-im-interview-neuer-jab-vize-das-erfolgsgeheimnis-der-reimanns-ist-einigkeit/27149890.html

[xiv] https://de.finance.yahoo.com/nachrichten/coty-schlie%C3%9Ft-einziges-parf%C3%BCmwerk-deutschland-155344890.html

[xv] https://www.spiegel.de/spiegel/kaffee-die-bittere-wahrheit-ueber-unser-lieblingsgetraenk-a-1168626.html

[xvi] https://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/produkt/kaffee

 

Nachtrag

Aktuell erinnert man sich in Ladenburg der Nazi-Vergangenheit des einst hoch geehrten Albert Reimann jun. und seines gleichnamigen Vaters – mit Konsequenz. Der Mannheimer Morgen berichtet am 25.2.22, dass auf Antrag der Grünen im dortigen Gemeinderat am 23.3. der Beschluss gefasst werden soll, die Dr.-Albert-Reimann-Straße umzubenennen. Im Jahr 1978 war die Straße Am Hafen nach dem Nazi-Unternehmer mit nur einer Gegenstimme benannt worden. Dieser Akt geht damit wesentlich schneller und mit mehr Unterstützung aus der Bewohnerschaft über die Bühne als die in Mannheim Rheinau anstehenden Umbenennungen (wir berichteten).

Ladenburg war lange Zeit ein wesentlicher Standort von ReckittBenckieser und von Benckiser-Knappsack. Beide Betriebe existieren inzwischen nicht mehr. Zuletzt wurde 2016 ReckittBenkiser mit 450 Beschäftigten in Ladenburg geschlossen und zwecks Kosteneinsparung nach Polen verlegt.

Die neun Erb:innen von Albert Reimann jun. hatten bereits 2006 allesamt ihre Wohnsitze aus der Rhein-Neckar-Region „aus Kostengründen“ nach Österreich, in die Schweiz und nach Italien verlegt. Wie es sich für die Eigentümer:innen eines international aufgestellten Unternehmens (JAB Holding) gehört, muss die Nazivergangenheit – wenn sie denn dann aufgeflogen ist – aufgearbeitet werden und eine Stiftung muss mit einem kleinen Teil des Erbes Buße tun. So auch im Fall der vier Reimann-Erb:innen, die ihre Anteile an JAB nicht verkauft haben. Sie gründeten 2019 die Alfred Landecker Foundation. Sie ist benannt nach dem jüdischen Großvater dreier Erb:innen, Kindern Albert Reimanns jun. und seiner Geliebten Emilie Landecker. Alfred Landecker fiel der Shoah zum Opfer. Zweck der Stiftung: „Förderung des Andenkens an die Verfolgten und Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland, Förderung der Hilfe für politisch, rassisch oder religiös Verfolgte, Förderung von Wissenschaft und Forschung“. Dotiert wird die Stiftung mit 10 Jahresraten à 25 Mio. Euro. Sitz ist Ludwigshafen.

Eine lokale Verbindung zum Reich der Riemanns gibt es noch in Mannheim: Der SV Waldhof-Mäzen Bernd Beez verdiente sein Vermögen u.a. 11 Jahre lang als CEO der Coty Inc. New York, einer wesentlichen Tochter der JAB-Holding. Er ist dem JAB-Management immer noch treu verbunden. In Mannheim aufgewachsen wohnt er jetzt nahe Lausanne. (tht)




„Wir schaffen was“ – Freiwilligentag in der Metropolregion Rhein-Neckar (mit Bildergalerien)

Am 15.09.18 fand zum zweiten Mal der Freiwilligentag in der Metropolregion statt. 2016 beteiligten sich 7.300 Freiwillige in 73 Städten und Gemeinden am Aktionstag. 2018 waren beim Veranstalter, der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, knapp 300 Projekte und Aktionen angemeldet worden. Beim Freiwilligentag geht es darum zusammen anzupacken, Spaß zu haben und dabei Gutes zu tun. KIM-Reporter haben zwei Aktionen begleitet.

 

 

 

Frankenthal (Pfalz) – Förderverein reinigt Stolpersteine

Der 1992 in Frankenthal gegründete Förderverein für jüdisches Gedenken hatte eine Stolperstein-Reinigungsaktion für diesen Tag angemeldet. Seit 2005 wurden in der Stadt zum Gedenken an deportierte, ermordete und vertriebene jüdische Einwohner durch den Künstler Gunter Demnig 79 Stolpersteine verlegt. Ein solcher Stolperstein kostet € 120,- und wird durch Einzelspenden aus der Bürgerschaft finanziert. Bis in die 1930er Jahre lebten mehrere hundert Menschen jüdischen Glaubens in Frankenthal. Diese wurden im Rahmen verbrecherischer Säuberungsaktionen durch die Nationalsozialisten (NSDAP) deportiert und größtenteils ermordet. Nur Wenigen gelang die Flucht in Sicherheit. Seit den 1990er Jahren leben wieder etwa 80 jüdische BürgerInnen in der Stadt. Diese migrierten vornehmlich aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland.

 

 

 

Etwa 20 Freiwillige trafen sich im Dathenushaus, dem Gemeindezentrum der evangelischen Kirche, um sich an der Aktion zu beteiligen. Begrüßt und mit „Wir schaffen was“-T-Shirts ausgestattet wurden die Leute durch Herbert Baum, dem Vereinsvorsitzenden. Mit Reinigungsmitteln, Spülwasser und Putzutensilien versehen zogen die Freiwilligen in Gruppen aufgeteilt los, um im Innenstadtbereich verlegte Stolpersteine zu reinigen. Ein Aktionsteam wurde durch Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde gebildet. Wir begleiteten ein Team beim Einsatz, mit dabei ein Gründungsmitglied des Fördervereins und die Kreisvorsitzende der Linken (Frankenthal) Sylvia Schaich.

Am frühen Nachmittag hatten die Teams die Reinigungsaktionen abgeschlossen. Der Förderverein lud im Anschluss die Freiwilligen, bei Kaffee und Eis, zu Gesprächen ein.

Link zur Internetpräsenz des Fördervereins: http://juden-in-frankenthal.de/

Weitere Bilder des Tages:

 

Heidelberg: Auch dort fand eine Stolperstein-Putzaktion am 15.9.18 statt. Daran beteiligt hat sich die SPD in Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Stolperstein-Initiative.

 

 

 

 

Von neun Teams wurden fast alle der 184 verlegten Stolpersteine in Heidelberg gereinigt. Dabei begleitet wurden die Freiwilligen von Experten der Stolperstein-Initiative, welche den Helfenden etwas über die Biografien und Schicksale der Menschen „hinter“ den Steinen berichten konnten.

Zum Gedenken an die Opfer nationalsozialistischer Herrschaft werden seit acht Jahren auch in Heidelberg Stolpersteine verlegt. Inzwischen liegen in nahezu allen Stadtteilen insgesamt 184 Steine und zeigen durch ihre dezentrale Verteilung, wie sehr die Verfolgten Teil der Gesellschaft waren.

Die Initiative „Stolpersteine-Heidelberg“, die sich monatlich in der Volkshochschule trifft, betreut seit 2008 die Steine: Sie übernimmt Recherche, Bearbeitung und Druck der Biografien meist in Zusammenarbeit mit Schulen, Studierenden und anderen gesellschaftlichen Gruppen, sie organisiert die Verlegung der Steine gemeinsam mit dem Künstler Gunter Demnig und den Patinnen und Paten der Steine.

Susanne Himmelheber von der Initiative sagt: „Wir versuchen, die Steine selbst zu pflegen, wobei wir manchmal an unsere Grenzen stoßen. Deshalb haben wir uns sehr über das Projekt der SPD am Freiwilligentag und das große Interesse gefreut. Es ist jedes Mal schön, mit Bürgerinnen und Bürgern die Steine zu reinigen. Für uns war das Projekt eine große Hilfe und wir hoffen, durch die vielen Gespräche am Freiwilligentag noch mehr Interessierte für unsere Arbeit zu gewinnen.“

 

Weitere Bilder des Tages:

 

Link zur Internetpräsenz „Wir schaffen was“: https://www.wir-schaffen-was.de/

 

(Bericht und Fotos: Christian Ratz und John Brambach)