Kundgebung zum Antikriegstag in Mannheim – Aufruf von DGB Kreisverband Mannheim, KDA Mannheim, KAB Rhein-Neckar

Mit unserer Kundgebung am diesjährigen Antikriegstag warnen wir vor einer weiteren Militarisierung der aktuell geführten Debatten. Der Krieg in der Ukraine darf uns nicht zu dem Irrglauben verleiten, Frieden ließe sich mit Waffen schaffen. Hinzu kommt, dass jeder Euro, der zusätzlich für Aufrüstung ausgegeben wird, an anderer Stelle zu fehlen droht. Die Finanzierung militärischer Friedenssicherung darf weder auf Kosten der Leistungsfähigkeit unseres Sozialstaates gehen, noch die soziale Ungleichheit in unserem Lande verschärfen. Und sie darf auch nicht dazu führen, dass die dringenden Zukunftsinvestitionen in die sozial-ökologische Transformation ausbleiben.

Deshalb wollen wir ein Zeichen setzen:

  • für eine europäische und internationale Friedensordnung, die auf den Menschenrechten und den Prinzipien von Freiheit und Gleichheit, der Selbstbestimmung und der sozialen Gerechtigkeit beruht. Die Bundesregierung fordern wir auf, ihren im Koalitionsvertrag formulierten Anspruch einer wertebasierten deutschen Außenpolitik konsequent umzusetzen.
  • für eine kooperativ ausgerichtete Sicherheitspolitik, die weit über militärische Friedenssicherung hinausgeht. Auch der nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung muss ein breites Sicherheitsverständnis zugrunde liegen, das zentrale Aspekte, wie die Bewältigung der Folgen des Klimawandels, die Bekämpfung von Pandemien, die Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung und den Aufbau widerstandsfähiger internationaler Liefer- und Wertschöpfungsketten, umfasst. Gleichzeitig fordern wir, zivile Instrumente der Diplomatie, der Entwicklungszusammenarbeit und einer fairen Handelspolitik, der humanitären Hilfe und der Konfliktprävention, im Rahmen der neuen Strategie deutlich aufzuwerten.
  • gegen einen neuen weltweiten Rüstungswettlauf. Gerade der Krieg in der Ukraine zeigt, wie wichtig es ist, am Ziel einer weltweit kontrollierten Abrüstung festzuhalten. Die Festlegung der Bundesregierung, den deutschen Rüstungshaushalt dauerhaft auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO oder darüber hinaus aufzustocken, lehnen wir auch deshalb entschieden ab. Außerdem fordern wir die Bundesregierung auf, mit dem angekündigten Rüstungsexportkontrollgesetz umgehend für eine deutliche Beschränkung von Waffenexporten zu sorgen.
  • für eine weltweite Ächtung von Atomwaffen. Alle Nuklearmächte modernisieren derzeit ihre Atomwaffenarsenale. Dieser Wahnsinn muss beendet werden! Dabei sehen wir auch die Bundesregierung in der Pflicht: Wir fordern sie auf, an dem im Koalitionsvertrag formulierten Ziel eines atomwaffenfreien Deutschlands festzuhalten, aus der nuklearen Teilhabe auszusteigen und die Lagerung von Atomwaffen in unserem Land zu beenden. Das bedeutet für uns auch, dass Deutschland dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten muss.

Als Gewerkschaften und kirchliche Dienste im Bereich der Arbeitnehmerbewegung treten wir ein für den Wert und die Würde eines jeden menschlichen Lebens. Beides ist nur in innerem und äußeren Frieden erreichbar. Deswegen müssen die Waffen schweigen und unsere Gesellschaften so gestaltet werden, dass alle Menschen geachtet und sicher sind.

https://nordbaden.dgb.de/termine/++co++6846c1ec-18a5-11ed-a1f3-001a4a160123




Straßenbahnen der RNV machen Reklame für die Bundeswehr

Keine Straßenbahn in Tarnfarben mit irreführenden Parolen!

Öffentlichen Personennahverkehr nicht für Rekrutierungsversuche der Bundeswehr missbrauchen!

Seit Februar 2019 rollt eine Straßenbahn durch Mannheim in den Tarnfarben der Bundeswehr (gesehen auf der Strecke der Linie 3 – Fotos: Otto Reger). Das ist offensichtlich ein weiterer Versuch im verzweifelten Bemühen der Bundeswehr, ihre mangelnde Attraktivität zu überwinden und Soldatinnen und Soldaten zu rekrutieren.

Die Werbeslogans auf der Straßenbahn sind längst bekannt, denn sie werden auf riesigen Flächen an viel frequentierten Stellen platziert. Neu ist hingegen, dass die StraßenbahnnutzerInnen notgedrungen für die Bundeswehrwerbung instrumentalisiert werden. Man hat keine Möglichkeit, sich gegen die einseitigen Behauptungen der Bundeswehr zu wehren.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich die Mannheimer Verkehrsbetriebe auf einen derart fragwürdigen Werbevertrag eingelassen haben. Der Rüstungshaushalt ist der zweithöchste Etatposten und ein Großteil davon, wird für die Waffenbeschaffung und Personalaufstockung verwendet. Stattdessen wollen wir die zivile Konfliktbearbeitung stärken und den Ausbau des ÖPNV.

Wer sich über die für das Militär werbende Straßenbahn ärgert, sollte den Ärger nicht runter schlucken. Besser wäre es, der RNV telefonisch oder schriftlich mitzuteilen, dass sie den Vertrag mit der Bundeswehr kündigen soll. 

Die Bundeswehr genießt eine Vorzugsbehandlung. Wenn wir als pazifistische und antimilitaristische Organisation ürunser Positionen und für Kriegsdienstverweigerung werben wollten, würde die RNV das ablehnen. In den „Fragen und Antworten für die Fahrzeugwerbung“ lehnt die RNV „politische Werbung und/oder religiöse Inhalte“ nämlich ab.

Schon seit langem wirbt die Bundeswehr auf Jobmessen und in Karriereveranstaltungen an Hochschulen und konfrontiert jede und jeden zusätzlich auf Plakatwänden und an Bus- und Bahnhaltestellen mit ihren irreführenden Behauptungen. Sie agiert gemäß der bewährten Strategie: Wenn Behauptungen nur lange genug wiederholt werden, sind sie irgendwann im Gedächtnis verankert und werden nicht mehr hinterfragt. Beispielsweise fand es eine Dame von der RNV-Hotline nicht ungewöhnlich, dass die Bundeswehr mit Straßenbahnen für Personal wirbt. Sie sei ein Arbeitgeber wie jeder andere. Genau das gaukelt uns die Bundeswehr schon seit Jahren vor und hat damit insbesondere bei Menschen unter 18 Jahren Erfolg. 
Die UN-Kinderrechtskonvention verbietet es aber, Menschen unter 18 Jahren zu rekrutieren, was die Bundeswehr allerdings missachtet.

Was bei den Kriegseinsätze der Bundeswehr (euphemistisch Auslandseinsätze genannt) tatsächlich passieren kann, belegt die beklemmende Schilderung eines Oberstabsgefreiten. Er war in Afghanistan in Kampfeinsätzen und beschreibt seine Todesängste ehrlich.

Zu den Gefahren, denen die SoldatInnen in den Kriegseinsätzen ausgesetzt sind, gehört die besonders fatale Verletzung in Form der posttraumatischen Belastungsstörung (PTB). Sie äußert sich u. a. in Angstzuständen und Panikattacken. 1600 Bundeswehrsoldaten sind wegen einer solchen Störung in Behandlung, wobei man nicht weiß, wie hoch die Dunkelziffer ist. Wer sich bei der Bundeswehr getraut Angst zuzugeben, ist als Weichei schnell abgestempelt. SoldatInnen, die bei der Bundeswehr einen Antrag auf Entlassung und Unterstützung wegen einer PTB stellen, geraten oft in Beweisnot und müssen lange „abwarten und Tee trinken“, bis ihr Antrag auf Entschädigung (eventuell) genehmigt wird.

Angesicht solcher Fakten muss man die Bundeswehr-Behauptung „Grünzeug ist auch gesund für deine Karriere“ als eine Lüge bewerten.

„Krisenherde löschst du nicht mit Abwarten und Teetrinken“, behauptet die Bundeswehr. Tatsächlich verbringen die SoldatInnen etwa in Afghanistan einen großen Teil ihrer Einsatzzeit im Feldlager und gehen nur unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen auf Patrouillenfahrten. Den früher behaupteten offenen und intensiven Kontakt zur afghanischen Bevölkerung gibt es schon lange nicht mehr. Die Bundeswehr wird heute als Besatzer und nicht als „Brunnenbauer in oliv“ wahrgenommen.

Die Aussage, „Mach was wirklich zählt“, ist anmaßend und steht im Gegensatz zur Kriegsrealität in Afghanistan und dem gescheiterten und teuren Versuch Frieden und Sicherheit durch Waffeneinsatz und SoldatInnen zu garantieren. Heute konzentriert sich die Bundeswehr nach ihrem seit 18 Jahren andauernden Einsatz in Afghanistan darauf, das afghanische Militär auszubilden. Dass das gelingt, ist mehr als fraglich, denn die UNO hat unlängst Zahlen über die zivilen Toten in Afghanistan veröffentlicht. Leider nicht überraschend ist die steigende Zahl von Toten, die zu einem großen Teil Opfer von Taliban oder IS sind. Erstaunlich und erschreckend ist auch, dass die Zahl derjenigen steigt, die bei Luftangriffen der USA oder afghanischen Luftwaffe getötet wurden.

Wir fordern die RNV auf, den Werbevertrag mit der Bundeswehr zu beenden.

(Presseerklärung der DFG-VK Mannheim-Ludwigshafen zur Bundeswehr-Werbung auf einer RNV-Straßenbahn vom 12.03.2019 / Otto Reger)

 




Krieg als Familienfest: Der „Tag der Bundeswehr“ in Mannheim

Tag der Bundeswehr in Mannheim-Neuostheim

Am 9. Juni 2018 fand zum ersten Mal ein Tag der Bundeswehr in Mannheim statt. Die Werbeveranstaltung des Heeres gibt es seit 2015 einmal jährlich und ist mehr als nur ein „Tag der offenen Tür“. Es ist eine Charmeoffensive des Militärs zur Präsentation in der Öffentlichkeit – selbstverständlich nicht uneigennützig. Es geht um Nachwuchsgewinnung auf einem umkämpften Arbeitsmarkt, um die finanzielle Ausstattung des Militärs und um die Zustimmung der Bevölkerung zu „ihrer“ Truppe.

Mannheim bot als einziger Standort im Südwesten eine Großveranstaltung. Auf dem Bildungscampus der Bundeswehr in Neuostheim präsentierten sich verschiedene Bereiche der Bundeswehr, von der Zivilverwaltung bis zu kämpfenden Einheiten. Die im Stil eines Familienfestes organsierte Veranstaltung zog erwartungsgemäß zahlreiche Besucher*innen an.

In eigener Sache: Akkreditierung und Pressebetreuung

Im Vorfeld meldeten wir uns für das Kommunalinfo mit drei Personen beim Presseverantwortlichen der Bundeswehr am Standort Mannheim an. Das Kommunalinfo war vorab per Pressemitteilung über die Anmeldemodalitäten informiert worden. Von den drei Personen wurden zwei jedoch abgelehnt, darunter auch der redaktionell Verantwortliche. Kriterium für eine Akkreditierung, d.h. Anmeldebestätigung war laut Bundeswehr ein „amtlich anerkannter Presseausweis“, der nur von einer Person vorgezeigt wurde. Letztlich führte es zu der absurden Situation, das ein Vertreter des Kommunalinfo akkreditiert war, die beiden anderen als Begleitung aber mitkommen konnten – die Veranstaltung war ja öffentlich.

Wir bekamen einen persönlichen Ansprechpartner an die Seite (man könnte auch spöttisch sagen: einen Aufpasser). Dieser führte uns über das Gelände und wählte Gesprächspartner*innen für die jeweiligen Themen aus.

Begrüßung

Begrüßung mit Bürgermeister Christian Specht (links)

So ging es zu viert auf Tour über den Bildungscampus. Erste Station: Begrüßung auf der Hauptbühne. Der große Platz war um kurz nach zehn noch leer, auf den Banken saß kaum einer in der prallen Sonne. Neben einigen bekannten Offiziellen, die auf solchen Veranstaltungen Stammgäste sind, konnten wir an politischen Vertretern Mandatsträger der CDU, u.a. die MdBs Löbel und Lamers, der AfD und der Mannheimer Liste erkennen. Bert Siegelmann vom Rhein-Neckar-Fernsehen moderierte das Bühnenprogramm. Begrüßt wurden wir vom Präsidenten des Bildungszentrums, Herrn Reifferscheid und der Präsidentin der Verwaltungshochschule Frau Jahnz.

Für die CDU eine Pflichtveranstaltung, hier im Bild Nikolas Löbel (links), Karl A. Lamers (rechts), im Hintergrund mit grünem Hemd Claudius Kranz

Für die Stadt Mannheim begrüßte der erste Bürgermeister Christian Specht. Mannheim könne „stolz sein, die größte Bildungseinrichtung der Bundeswehr in Deutschland“ zu beherbergen. Geradezu enthusiastisch sprach Specht davon, „so viele Panzer schon lange nicht mehr in Mannheim gesehen zu haben.“ Der Dank ging an alle Soldat*innen und an diejenigen, die hinter der Bundeswehr stünden. Die Bundeswehr würde die Meinungsfreiheit schützen, auch von denjenigen, die vor dem Eingang draußen gegen die Bundeswehr demonstrieren würden. Das Prinzip der Bundeswehr „Führung und Auftrag“ könne auch ein Vorbild für die Politik sein. Für später kündigte Specht ein „einzigartiges musikalisches Crossover“ an: Ein gemeinsames Konzert der Musikcorps von Bundeswehr und Polizei und der Mannheimer Popakademie.

Verteidigungsministerin Ursula van der Leyen sprach am Nachmittag mittels einer Videogrußbotschaft über eine Großleinwand. Auch sie lobte den „selbstlosen“ Einsatz der Soldat*innen für das Land . Politik und Gesellschaft müssten ihrerseits alles dafür tun, damit die Soldat*innen bei der Umsetzung ihres Auftrags mit bestem Material unterstützt werden.

Der Bundeswehrbildungsstandort Mannheim

Das Gebäude der Bildungseinrichtung BiZBw

Um uns ein umfassendes Bild machen zu können, informierten wir uns über die Einrichtungen der Bundeswehr am Standort Mannheim. Auf dem Bildungscampus befinden sich zwei getrennte Einrichtungen. Zunächst das Bildungszentrum der Bundeswehr (BiZBw), das eine breite Palette an Bildungslaufgängen in den Bereichen Wirtschaft, Jura, Soziales und Technik für zivile und militärische Angehörige der Bundeswehr bietet. 800 Menschen sollen dort studieren, allerdings im Blockunterricht, das heißt Mannheim ist nur eine von mehreren Stationen. Die jüngsten seien 15 Jahre alt, die beispielsweise Ausbildungen im mittleren technischen Dienst beginnen, es gäbe aber auch ältere, z.B. ehemalige Soldaten, die einen zweiten Bildungsweg einschlagen, erklärte uns eine Vertreterin am Infostand. Die meisten seien Zivilbeschäftigte der Bundeswehr.

Die zweite Einrichtung ist die Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, die ein Duales Studium im Bereich Bundeswehrverwaltung anbietet. Dort sollen sich aktuell rund 550 angehende Beamt*innen im gehobenen (nichttechnischen) Dienst auf ihren Abschluss vorbereiten, erklärte uns eine Professorin. Das Duale Studium sieht neben den Theorieblöcken an der Hochschule Praxisphasen in Einrichtungen der Bundeswehr vor.

Viele Plätze in der prallen Sonne vor der Bühne blieben leer

Weiter ist zu erwähnen, dass es in Mannheim zwei zivile Hochschulen gibt, die Studiengänge in Kooperation mit der Bundeswehr anbieten. Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) bietet hier Maschinenbau und Mechatronik an, der dritte Studiengang Informatik mit Studienrichtung „Cyber Security“ ist aktuell in Vorbereitung und beginnt 2019. Die Hochschule Mannheim soll gemeinsam mit der Bundeswehr die Studiengänge Energietechnik und erneuerbare Energien, Informatik, Nachrichtentechnik/Elektronik und Technische Informatik anbieten.

Nach Einschätzung der Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) ist der Bildungscampus Mannheim keineswegs ein harmloser Bildungsstandort, an denen vorwiegend zivile Tätigkeiten erlernt würden. Vor allem die Öffentlichkeitsarbeit, die von der Führungsabteilung um den Präsidenten Christoph Reifferscheid organisiert wird, fördert nach Einschätzung des DFG-VK die Militarisierung der Gesellschaft. Die wehrtechnischen Symposien und der „Sicherheitspolitische Dialog in der Metropolregion Rhein-Neckar“ seien solche Veranstaltungen, bei denen das nach eigener Aussage „sehr gut vernetzte“ BiZBw gesellschaftliche Diskussionen mitbestimmt.

Sylvia Jahnz, Dekanin an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung und Christoph Reifferscheid, Präsident des BiZBw

Bei den Symposien tauschen sich Teilnehmer*innen aus Forschung, Industrie, Wirtschaft und Öffentlichem Dienst aus und pflegen Kontakte. Bei den Veranstaltungen „Sicherheitspolitischer Dialog“ geht es um Diskussionen über außen- und sicherheitspolitische Themen, beispielsweise Auslandseinsätze der Bundeswehr, mit der zivilen Bevölkerung. Pressebeauftragter Oberstleutnant Thilo Koch beschreibt die Bedeutung solcher Veranstaltungen in einer Publikation des BiZBw mit den Worten: „(…) nur so kann die eigene Bevölkerung für die Veränderungen sensibilisiert und für die einzuleitenden Maßnahmen gewonnen werden.“ Das BiZBw muss also auch als Lobbyorganisation der Bundeswehr für die Metropolregion Rhein-Neckar angesehen werden.

Neutrale Information oder Kriegspropaganda an den Schulen?

Lobbyarbeit machen auch die sogenannten Jugendoffiziere der Bundeswehr. Diese sind ausgebildete Öffentlichkeitsarbeiter für Projekttage und Informationsveranstaltungen an Schulen. Es geht um sicherheitspolitische Themen, die vom Bundeswehrvertreter nach Richtlinie des Beutelsbacher Konsens (Überwältigungsverbot, Kontroversität, Schülerorientierung, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Beutelsbacher_Konsens) in Schulklassen vermittelt werden. Eingeladen werden sie in der Regel vom Gemeinschaftskundelehrer – wenn dieser das Angebot gut findet. Die Jugendoffiziere machen keine direkte Nachwuchsrekrutierung, dem Mannheimer Jugendoffizier ist aber auch klar, dass er persönlich entscheidend dafür verantwortlich ist, welches Image von der Bundeswehr in der Klasse hängen bleibt. Er ist für die Region Mannheim, Rhein-Neckar-Kreis und Neckar-Odenwald-Kreis zuständig und führt dort regelmäßig Schulveranstaltungen durch, teils in Kooperation mit dem Lions Club oder Reservistenverbänden. Mit seinen Kollegen hat der Jugendoffizier beim Tag der Bundeswehr einen Escape Room im Luftschutzkeller der Einrichtung aufgebaut. Nur wer Fragen zu sicherheitspolitischen Themen richtig beantwortet, kann die Türen zum Ausgang öffnen.

Mobiler Karrieretruck der Bundeswehr

Für die konkrete Nachwuchsgewinnung sind die Karriereberater der Bundeswehr zuständig. Am entsprechenden Stand wurde uns ein erfahrener Haudegen als Gesprächspartner an die Seite gestellt – eine Persönlichkeit, wie man sich einen Bundeswehrausbilder der alten Schule vorstellt. Er berichtete ohne Punkt und Komma von Einsatztätigkeiten auf Berufsinformationsveranstaltungen, Messen und an Schulen. Zudem biete man bei konkretem Interesse Einzelner persönliche Beratungsgespräche an, bei Minderjährigen unter Anwesenheit der Erziehungsberechtigten. Bedauerlich sei, dass die Bundeswehr kaum an Gymnasien heran komme, da die Werbeveranstaltungen nur auf freiwilliger Basis, sprich mit Einverständnis der Schulleitung stattfinden könnten. Er vermutete dort weit verbreitetes pazifistisches Gedankengut.

Schlange stehen am Leo: Viele wollten sich auf dem Panzer fotografieren lassen

15 Karriereberater gebe es in Baden-Württemberg. In Mannheim gibt es ein eigenes Büro. Auf die konkrete Nachfrage unsererseits, an welchen Schulen in Mannheim regelmäßig Informationsveranstaltungen zur Karriere bei der Bundeswehr stattfänden, könne er nichts sagen und verwies auf seine für Mannheim zuständige Kollegin. Diese wurde uns, nachdem sie von unserem Pressebegleiter im Vier-Augen-Gespräch vorbereitet wurde, als lokale Ansprechpartnerin vorgestellt. Neues erzählte sie uns jedoch nicht. Auf die konkrete Frage, an welchen Mannheimer Schulen Veranstaltungen stattfänden, reagierte sie ausweichend. Das wüsste sie nicht auswendig, da müsste sie in ihrem Büro nachschauen.

Von ehemaligen Schüler*innen wurde dem KIM berichtet, dass in der Vergangenheit z.B. am Feudenheim Gymnasium Werbeveranstaltungen der Bundeswehr stattfanden. Das hatte zu hitzigen Diskussionen und Protesten aus den Reihen der Schüler*innen gesorgt.

Kooperation mit zivilen Organisationen

Kriegsspiele mit ferngesteuerten Panzern

Auf dem Gelände des Bildungszentrums der Bundeswehr präsentierten sich einige Organisationen mit Infoständen. Das waren der Bundeswehr nahestehende und berufsständische Vereinigungen wie „Deutscher Bundeswehrverband“, der „Verband der Arbeitnehmer der Bundeswehr“ im dbb aber auch ver.di, die die Zivilbeschäftigten der Bundeswehr tarifvertraglich über den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienst vertreten. Des weiteren gab es einen Infostand des „Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge“ VDK und des „Soldatenhilfswerks“, das u.a. Familienangehörige beim Todesfall eines Soldaten unterstützt. Kurios mutet „Lachen helfen e.V.“ an, eine „Initiative deutscher Soldaten und Polizisten für Kinder in Kriegs- und Krisengebieten“.

Bemerkenswert ist das musikalische Engagement der Popakademie, einer Einrichtung des Landes Baden-Württemberg in Kooperation mit der Stadt Mannheim. Hier klappte die von der Bundeswehr angestrebte militärisch-zivile Zusammenarbeit offensichtlich vorzüglich.

Proteste gegen den Tag der Bundeswehr

Friedenskundgebung gegenüber des Eingangsbereichs, immer im Blick von Polizei und Soldaten

Es gab aber auch Widerspruch gegen den „Tag der Bundeswehr“. Das Mannheimer Friedensplenum und die DFG-VK, unterstützt von VVN-BdA, Die Linke, Die Partei und Friedensbündnis Heidelberg riefen zum Widerstand gegen die Werbeshow des Heeres auf. Es gab eine Mahnwache am Hauptbahnhof, es wurden Flugblätter verteilt auf dem Parkplatz für die Besucher*innen, es gab einen Infostand vor dem Eingang des Bildungszentrums – allerdings hinter der Absperrung an der Seckenheimer-Landstraße, die aus „Sicherheitsgründen“ für die Bundeswehrveranstaltung abgesperrt wurde. Die Friedensbotschaften über Lautsprecher waren aber trotzdem bis in das Veranstaltungsgelände hinein zu hören. Außerdem gab es subversive Papierschnitzel-Aktionen („Werben für´s Sterben“) an der Vorführstation für den Leopard Panzer und eine Transparent-Aktion im Gelände.

Kommentar

Eine kleine Runde vor dem Panzer war möglich, bevor die Friedensaktivistinnen von Feldjägern raus geworfen wurden

Die Bundeswehr berichtet in ihrer Abschlussmitteilung zum Tag der Bundeswehr statt der erwarteten 15.000 von 10 000 Besucher*innen in Mannheim. Die teils leeren Bänke auf den Bildern täuschen aber. Tatsächlich kamen viele Menschen trotz unangenehm schwüler Hitze zur Veranstaltung, darunter viele Familien und junge Menschen, die sich über Berufsmöglichkeiten informierten. Das Gelände war weitläufig, das Angebot umfangreich. Ganz klar, das Konzept der Bundeswehr ging zumindest zum Teil auf. Sie konnte sich freundlich, attraktiv, modern und offen präsentieren.

Auffällig war der Aufwand und die Personalausstattung, mit der die Bundeswehr ihre Gäste betreuen konnte. Nicht nur für die Presse gab es persönliche Begleitung. Alle Infostände und Stationen waren üppig mit Personal ausgestattet. Wer eine Frage hatte, bekam sofort ein ausführliches, persönliches Gespräch. Auch sonst glänzte die Veranstaltung an allen Ecken und Enden mit Professionalität, Service und außergewöhnlichem Programm. Die Veranstaltung muss Unsummen verschlungen haben.

Papierschnipsel mit kleinen Botschaften lagen auf dem Veranstaltungsgelände

Viele Menschen kamen sicherlich aus voyeuristischen Gründen, um Fallschirmspringer und den Airbus-Überflug zu sehen oder sich am Steuer eines echten Armeefahrzeugs fotografieren zu lassen. Sinnbild brutaler Realität wurde der Leopard Panzer, gleich am Eingang. Hier in Mannheim, in Deutschland, klettern die Kinder am Samstagnachmittag auf der Kanone herum, lassen sich von ihren Eltern fotografieren und gehen danach ein Eis essen. In Nordsyrien flohen die Kindern vor dem gleichen Panzer, versteckten sich vor dem Artillerie-Beschuss im Keller und verloren Eltern, Geschwister und Freunde.

Nein, Krieg sollte kein Familienfest sein. Krieg, Rüstung und Militär gehören auf den Müllhaufen der Geschichte.

(rs, cr, cki)

 

Weitere Bilder vom „Tag der Bundeswehr“ und den Gegenprotesten




Werben für’s Sterben? Der „Tag der Bundeswehr“ wirbt am Samstag in Mannheim für den Dienst an der Waffe

Flyer des Friedensplenum Mannheim zu Protesten gegen den „Tag der Bundeswehr“

Eine Panzerhaubitze und der berüchtigte Leopard 2 Panzer werden bereit stehen, Fallschirmjäger sollen abspringen und das Transportflugzeug A400M wird über staunende Gesichter hinweg fliegen. Dazu gibt es kühle Drinks und kulinarische Leckereien, fette Beats und live Musik auf der Bühne und natürlich viel Spaß für die Kleinsten, die mit einem „abwechslungsreichen Kinderprogramm“ unterhalten werden. „Infotainment“ nennt die Bundeswehr ihre Werbeveranstaltung im Stil eines Familienfestes, die am Samstag den ganzen Tag über auf dem Gelände des Bildungszentrums der Bundeswehr in Neuostheim stattfinden wird. Mit mehr als 10 000 Besucher*innen wird offenbar gerechnet. Leben und Tod scheinen hier ganz nah beieinander, wenn die Veranstaltung mit den Motto „Bildung trifft auf Action“ beginnt.

Weitere Programmpunkte werden von der Bundeswehr wie folgt angekündigt: „Ein facettenreiches Infotainment erwartet die Besucher auf der Großbühne. Gespräche mit Eurofighterpiloten, Diensthundeführern, international erfolgreichen Sportsoldaten und sicherheitspolitischen Experten sowie Live-Schalten in ein Einsatzgebiet der Bundeswehr und mehrere musikalische Darbietungen werden die Besucher von morgens bis abends unterhalten.“ Für die Dauer der Großveranstaltung wird ein Teil der Seckenheimer Landstraße gesperrt, teilte die Stadt Mannheim mit.

Aus dem Pressekit zur Veranstaltung: Fallschirmjäger in Aktion | © Bundeswehr

Auffällig ist, wie viele zivile Organisationen die Kriegspropaganda unterstützen. Die Stadt ist offiziell mit Bürgermeister vertreten, viele Organisationen werden Infoständen aufbauen. Die Popakademie kooperiert eng mit der Veranstaltung und schickt ihre Nachwuchskünstler*innen an die Front. Berührungsängste scheint es kaum zu geben, wenn die zum töten ausgebildeten Soldaten freundlich in ihre Vorzeigeakademie einladen. Ein entspannter, frühsommerlicher Samstag für die ganze Familie?

Besonders bitter ist die Tatsache, dass solche Werbeveranstaltungen in Form eines Familienfestes gezielt Kinder für den Dienst an der Waffe begeistern. Die mühselige Erziehungsarbeit pädagogischer Fachkräfte zur gewaltfreien Konfliktlösung wird hier an einem Nachmittag ad absurdum geführt. Was bleibt bei den Kleinen nach einer solchen Militärschau hängen? „Schaut her Kinder, die wirklich schwierigen Konflikte löst man immer noch am besten mit einer großen Kanone.“

Doch es gibt auch Widerspruch gegen den „Tag der Bundeswehr“. Das Mannheimer Friedensplenum und die DFG-VK, unterstützt von VVN-BdA, Die Linke, Die Partei und Friedensbündnis Heidelberg rufen zum Widerstand gegen die Werbeshow des Heeres auf. Neben einer Mahnwache am Hauptbahnhof sind auch Infostände, Musik, Flugblatt- und Transparentaktionen am Gelände geplant. Gut, dass nicht alle in dieser Stadt dem „Werben für’s Sterben“ kritiklos gegenüber stehen.

(cki)

Weitere Infos beim Friedensplenum Mannheim: http://www.frieden-mannheim.de