Gedenkfeier für die Lechleitergruppe

VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten,  Kreisvereinigung Mannheim
und OAT Mannheim (Offenes Antifa Treffen):
Gemeinsam laden wir ein zur diesjährigen Gedenkfeier für die Mitglieder der Widerstandsgruppe um Georg Lechleiter.

Wir gedenken dem antifaschistischen Widerstand gegen das NS-Terror-Regime. Von Beginn der Naziherrschaft 1933 wurden Menschen Opfer des Terrors und der Verfolgung, weil sie sich gegen die faschistische Diktatur stellten, weil sie die völkisch-rassistische Ideologie der Nazis ablehnten oder weil sie nicht deren Ideologie entsprachen. Der NS-Staat verfolgte alle Nazigegner sperrte sie in die KZs nach Dachau, Buchenwald oder Sachsenhausen. Menschen mit Behinderung wurden in Grafeneck auf der Schwäbischen Alb umgebracht. Jüdische Menschen aus Mannheim und Baden wurden 1940 nach Gurs deportiert und 1942 aus Frankreich nach Auschwitz ins Vernichtungslager transportiert und vergast.

Mitglieder der Lechleitergruppe organisierten sich in Mannheimer Großbetrieben, die nach dem Überfall der deutschen Armee auf die Sowjetunion 1941 ihren Widerstand neu organisierten. Sie gaben die Zeitung „Der Vorbote“ heraus, die aus ihrer Sicht über die tatsächliche Lage an der Ostfront und im eigenen Land zu informieren.

1942 kam es zu etwa 60 Festnahmen. 19 Mitglieder wurden vom 2. Senat des Volksgerichtshofes, der 1942 in Mannheim tagte, zum Tode verurteilt. 14 Mitglieder der Gruppe wurden am 15. September 1942 in Stuttgart in der Urbanstraße mit dem Fallbeil hingerichtet, 5 weitere Mitglieder am 22.Februar 1943 ebenfalls in Stuttgart hingerichtet.  3 Mitglieder der Gruppe wurden zu Tode gefoltert. Weitere Mitglieder der Widerstandsgruppe wurden zu teilweise hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Heute erinnern wir an die mutigen Widerstandskämpfer*innen gegen den Faschismus.
Heute werden Antifaschist*innen als ANTIFA diffamiert, weil sie Nazis blockieren. Wir verurteilen dieses Vorgehen der Staatsorgane. Wir betrachten Angriffe auf Antifaschist*innen und die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA durch das Berliner Finanzamt I als skandalös. Antifaschismus ist gemeinnützig.

Wir gedenken heute den mutigen Widerstandskämpfern, die für uns Vorbilder sind, im Kampf gegen rechte Hetze, gegen Hass und Gewalt. Rassisten und rechte Hetzer dürfen in der Polizei und der Bundeswehr keinen Platz haben. Der Hetze gegen alles Fremde und der Abwertung anders Denkender, anders Lebender, anders Liebender, wie es die AFD betreibt, setzen wir unseren offenen und von Vielfalt geprägten Alltag entgegen.

Zur Gedenkfeier treffen wir uns am:

Dienstag, dem 15. September 2020, 18.00 Uhr,

am Georg-Lechleiter-Platz, Mannheim, Schwetzinger Straße.

Begrüßung: Fritz Reidenbach
Redebeitrag: Dirk Grunert(Bündnis90/Die GRÜNEN), Bürgermeister der Stadt Mannheim für Bildung, Jugend und Gesundheit.

Grußworte: Thomas Hahl, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Mannheim und ein/e Vertreter/In vom Offenen AntifaTreff(OAT) Mannheim.

Auf eure Teilnahme freuen sich: Klaus Dollmann, Mareike Zelt, Joachim Kraus, Helmut Ciesla und Fritz Reidenbach.
Infos auf unserer Webseite: www.mannheim.vvn-bda.de und über das  OAT Mannheim. www.facebook.com/oatmannheim




Gelbwesten-Kundgebung in Mannheim: Nazi-Hetze bleibt nicht unwidersprochen [mit Bildergalerie]

Eine Gegenkundgebung des Offenen Antifa Treffens fand auf der anderen Straßenseite statt

Erneut veranstalteten rechte Aktivist*innen eine Kundgebung in Anlehnung an die französische Gelbwesten-Bewegung, diesmal am Neckartor. Inhaltlich blieb es jedoch sehr deutsch: übelste Hetze gegen Geflüchtete, Muslime, Gewerkschaften, SPD, Grüne und Antifaschist*innen. Die Veranstaltung blieb nicht unkommentiert. Das Offene Antifaschistische Treffen Mannheim hatte zur Gegenkundgebung mobilisiert. Auf der anderen Straßenseite und direkt neben der rechten Kundgebung widersprachen Antifaschist*innen den menschenverachtenden Parolen.

Mit neongelben Westen und französischen Nationalflaggen verkleideten sich die Rechten erneut im Stil der französischen Bewegung der „Gilet jaune“, die seit Monaten gegen die Politik von Macron auf die Straßen geht. Vor einigen Wochen hatte bereits eine ähnliche Veranstaltung am Nationaltheater stattgefunden. Doch inhaltlich wurde sich weniger an Frankreich, sondern vielmehr an der Politik von AfD und NPD orientiert. Flüchtlinge seien an den sozialen Problemen Schuld, die Bevölkerung würde „ausgetauscht“ und die etablierten Parteien und Gewerkschaften wären die Feinde des Volkes und der Freiheit, was beispielsweise an den Dieselfahrverboten zu sehen sei.

Das Motto der gut zweistündigen Veranstaltung lautete „Spaltung der Gesellschaft“. Es nahmen rund 40 Personen teil. Die komplette Veranstaltung wurde von den Rechten auf Video aufgenommen und anschließend über Facebook auf verschiedenen Kanälen publiziert.

Erneut Seite an Seite: Redner von AfD und NPD

Die Veranstaltung kann als rechte Bündnisaktion gesehen werden. Viele der Redner sind von Auftritten in Kandel bekannt, wo sich Anfang 2018 eine rassistische Bewegung formierte. Als Redner traten sowohl Mitglieder der NPD (Jonathan Stumpf aus Mannheim) und der AfD (Ralph Bühler aus Nußloch), wie auch parteiunabhängige Personen auf. Einer stellte sich als Arif Rudolf Ultler aus Heidelberg vor, der aus einer knapp 20 seitigen „Anklageschrift“ vorlas, was wie eine Mischung aus Verschwörungstheorie und kruder Gesellschaftsvorstellung daher kam. Sie standen hinter einem gebastelten Rednerpult mit der Aufschrift „Mahnmal gegen die Politik“ aus dem blutverschmierte Hände empor ragten.

Kurzfristig war die Kundgebung vom Vorplatz der Abendakademie auf die andere Seite der Fußgängerzone verlagert worden. Laut Polizeieinsatzleiter sei die Absprache erfolgt, da in der Abendakademie Prüfungen stattfänden. Dies hatte zur Folge, dass die Gegenveranstaltung des Offenen Antifaschistischen Treffens in größerer Entfernung stattfand. Mit Bannern, Fahnen und Musik wurde auf die rechte Veranstaltung aufmerksam gemacht. An einem Infostand konnten sich Passant*innen informieren.

Widerspruch gegen die rechten Parolen

Protest direkt neben der rechten Kundgebung

Eine Gruppe Antifaschist*innen versammelte sich direkt neben der Gelbwesten-Kundgebung, verteilte Flugblätter und demonstrierte später auch mit Transparenten und Parolen gegen die Rassist*innen an. Die Polizei verstärkte ihr Aufgebot und ließ den Protest in nächster Nähe zu. Das Verteilen von Flugblättern wurde allerdings untersagt.

Im Verlauf der Veranstaltung orientierten sich die rechten Redner immer mehr an den Gegendemonstrant*innen. Die ersten Redner Arif Rudolf Ultler und Kevin Kießling hielten sich noch zurück, ein als Robert vorgestellter Redner schimpfte dann aber lauthals in schwäbisch Richtung Gegendemo und Polizei, dann über die Regierung und drohte „Bald wird es richtig blutig hier!“. Bei diesem Redner handelt es sich vermutlich um einen Robert Vogelmann, der als „Robert Einzelfall“ bundesweit bei Anti-Flüchtlingsprotesten mit einer „Leine des Grauens“ agitiert. Diese „Leine“ ist eine Aneinanderreihung grausamer Bilder, die Gewaltverbrechen darstellen, für die allesamt Flüchtlinge verantwortlich gemacht werden.

Ralph Bühler (AfD) provozierte in seiner Rede dermaßen, dass ihn ein Veranstalter zur Seite nahm und nach dem Beitrag die anderen ermahnte, bitte nicht so „extreme“ Reden zu halten, da man ja noch öfter in Mannheim demonstrieren wolle.

NPD mit populistischen Parolen für die Querfront

Rainer Berberich, ein NPD-Anhänger aus Mannheim, stellte sich als ehemaliger Linker vor. „Ich war auch mal Kommunist“, die Linken hätten aber die Revolution vergessen. Er hetzte namentlich gegen einige Privatpersonen. Jonathan Stumpf (NPD) schlug bei seiner „Stehgreif-Rede“ ruhigere Töne an. Er sprach von Angriffen auf die Arbeiterklassen. Er behauptete, er wolle mit allen Reden und schlug vor, dass Linke und Rechte „gemeinsam gegen die Globalisierung und den Neoliberalismus“ auf die Straße gehen sollten. Seiner Meinung nach sei das so in Frankreich geschehen. Dafür bekam er von den anwesenden Gegendemonstrant*innen Widerspruch: „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!“ Durch den Gegenprotest und die Zwischenrufe bei seiner Rede, wurde Stumpf immer wieder aus dem Konzept gebracht.

Die menschenfeindliche, rassistische Ideologie musste man bei Stumpf zwischen den Querfront-Parolen suchen. Als er die französische Gelbwesten-Bewegung lobte, sprach er davon, dass diese aus „autochthonen“ Franzosen bestehe und die Randalierer aus den Banlieues davon ausgegrenzt seien. Dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit. Die „Gilet jaune“ sind eine sehr heterogene Bewegung und in Frankreich auch regional sehr unterschiedlich aufgestellt. In manchen Ortsgruppen geben Rechte der „Front National“ den Ton an, in anderen sind Linke und Migrant*innen aktiv. Dieser Konflikt wird innerhalb der Bewegung durchaus ausgetragen, es ist keinesfalls so, dass eine „Volksgemeinschaft“ gegen das Establishment entstanden sei.

Gelbwesten in Mannheim: Problem für die AfD, Chance für die NPD

Die französische Bewegung der „Gilet jaune“ bietet für Rechte in Deutschland durchaus Identifikations- und Anknüpfungspunkte. Zudem besteht ganz offensichtlich der Vorteil, dass eine politische Einschätzung für außenstehende schwieriger wird. Wäre die Kundgebung unter AfD- oder NPD-Flagge gelaufen, hätten ihr viele Passent*innen viel schneller den Rücken gekehrt. Die gelben Westen zogen aber durchaus Aufmerksamkeit auf sich und Passant*innen brauchten sichtlich länger, bis sie die Reden inhaltlich zuordnen konnten.

Für die Mannheimer AfD sind Veranstaltungen, wie diese Gelbwesten-Kundgebung oder die Aktion der Jungen Alternative gegen eine Grünen Veranstaltung nicht unproblematisch. Zwar versammelt sich dort das Wählerklientel der AfD, es wird aber offener Rassismus ungeniert ausgelebt. Krude Verschwörungstheorien und Gewaltphantasien sind genauso Teil der Reden, wie wüste Drohungen und Beschimpfungen gegen politische Gegner. Der Mannheimer AfD Kreisverband bemüht sich dagegen sehr um ein seriöses Image und die Vermeidung von Skandalen in der Öffentlichkeit. Daher war von den Spitzenkandidaten der Mannheimer AfD wohl auch niemand auf dieser Nazi-Kundgebung zu sehen. Die NPD witterte dagegen ihre Chance und konnte sich gleich mit ihrem Spitzenkandidaten präsentieren. Auch bei den Rechten ist der Wahlkampf in vollem Gange.

(red)

 

Bildergalerie




Lechleiter-Gedenken: „Widerstand und die Bedeutung für heute“

Karla Spagerer

Das diesjährige Gedenken an die Frauen und Männer des antifaschistischen Widerstandes der Lechleiter-Gruppe stand unter dem Eindruck des Erstarkens der politischen Rechten in Deutschland. Vor knapp 100 Teilnehmer*innen hielt der Mannheimer Landtagsabgeordnete der SPD, Stefan Fulst-Blei, die Hauptrede. Jan Aguntius von der IG Metall-Jugend sprach im Namen der Gewerkschaften ein Grußwort, ebenso Axel vom Offenen Antifaschistischen Treffen (OAT) Mannheim. Beide Redner hielten vor allem das Vermächtnis der Lechleiter-Gruppe des gemeinsamen Widerstandes, jenseits ideologischer und parteiischer Grenzen, hervor.

„Wir sollten uns die Lechleiter-Gruppe zum Vorbild und Auftrag zugleich nehmen. Unsere Unterschiede beiseite legen um als Antifaschistinnen und Antifaschisten zusammen zu arbeiten. Wenn uns das gelingt, und das wird es, dann können wir alles schaffen!“ (Aguntius)

„Die Lehren aus der Geschichte zu ziehen heißt also für uns als Antifaschist*innen verschiedener politischer Spektren gemeinsam aktiv zu werden. Das Offene Antifaschistische Treffen möchte dafür in Mannheim eine Plattform bieten, begrüßt darüber hinaus natürlich jede produktive Zusammenarbeit!“ (Axel)

Michael Csaszkóczy sang zur Gitarre antifaschistische und Freiheitslieder. Eine kurze, aber sehr beeindruckenden Rede hielt die 89-jährige Karla Spagerer, deren Eltern und Großeltern mit der Familie Lechleiter, befreundet waren. Für die damals 13-Jährige waren es unvergessene und schreckliche Momente, als sie auf einer Litfaßsäule auf dem Waldhof von der Hinrichtung von Georg Lechleiter und seinen GenossInnen durch das Fallbeil erfuhr.

(Text: scr | Bilder: cki)

 

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede von Stefan Fulst-Blei, die einige bemerkenswerte Überlegungen zum Widerstand gegen Rechts beinhaltet

Am 26. Februar 1942 wurden Georg Lechleiter, Jakob Faulhaber, Max Winterhalter, die Familie, Philipp Brunnemers, Daniel Seizinger, Rudolf Maus, Eugen Sigrist, Alfred und Käthe Seitz verhaftet und am 15. Mai 1942 durch den 2. Senat des Volksgerichtshofs in Mannheim zum Tode verurteilt. Am Morgen des 15. September 1942 wurden sie in Stuttgart durch das Fallbeil enthauptet. Drei der Hauptangeklagten (Hans Heck, Fritz Grund und Willi Probst) wurden bereits während der Haft zu Tode gefoltert, 19 der 32 verhafteten Mitglieder der Lechleiter-Gruppe wurden hingerichtet; die Übrigen wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Stefan Fulst-Blei, SPD

In seinem Abschiedsbrief an seine Frau und seinen Sohn schrieb Georg Lechleiter u.a.:

„Nun heißt es Abschied nehmen für immer….der Gedanke an den nahen Tod schreckt mich nicht….Das höchste Ziel eines Menschen besteht darin, wirklich für andere zu leben, sich aufzuopfern. Dir, liebe Anny, und Dir, lieber Bub, ein letzter Gruß und Händedruck.“

 „Widerstand und die Bedeutung für heute“ – diesen Auftrag hat mir Fritz Reidenbach für die Rede für heute mitgegeben.

Der Zufall wollte es, dass ich mir die Vorbereitung für die heutige Gedenkrede auf Ende August und damit unmittelbar nach den rechtsextremen Aufmärschen in Chemnitz gelegt hatte. Der Blick auf den Kalender an diesen Morgen wollte es, dass mir bewusst wurde, dass es sich noch dazu um den Todestag meines Vaters handelte. Er war ein Opfer der Nazidiktatur: der Krieg der Nazis hatte ihn seine Heimat Schlesien und seinen Vater gekostet, das undemokratische System in der DDR hatten ihn zur Flucht und Aufgabe seiner Familie bewogen.

 Was würde er sagen zu den Bildern aus Chemnitz: Hetzjagd, Hitlergruß, Gewalt? Was habe ich als sein Sohn, der heute lebt und Verantwortung für die Geschehnisse in dieser Zeit trägt zu tun? So wie jede Frau und jeder Mann der heute in unserer demokratischen Gesellschaft lebt. So wie jede/r Ältere, der oder die seine Eltern kritisch gefragt hat, warum sie die Diktaturen nicht verhindern konnten. So wie jede/r Junge, die oder der kritische Fragen aufwirft, wenn er oder sie Ungerechtigkeiten wahrnimmt.  Wo liegt die Verantwortung? Bei uns liegt die Verantwortung!

 Chemnitz hat einmal mehr gezeigt, dass die von der AfD propagierte Verrohung der Sprache zu einer Verrohung der Straße geführt hat. Die AfD ist die Manifestierung des inneren, asozialen Schweinehundes unserer Gesellschaft in Wählerstimmen und Parlamentssitzen. Die Menschen erwarten von ihr keine Konzepte. Das macht es so schwer, sie inhaltlich zu bekämpfen. Die blaubraune Seite der Macht ist nicht stärker, aber sie ist schneller und verführerischer. Hierzu nutzt sie  auch soziale Medien, die schnell und verführerisch sind. Das Denken erleichtert sie durch einfache Botschaften. Triumphiert das banale Böse über das Reflektierte, Differenzierte? Die Vibrationen der Diktatur haben die sozialen Netzwerke bereits lange erreicht. Diejenigen, die behaupten, für die Meinungsfreiheit einzustehen, sind oft auch diejenigen, die menschenfreundliche Meinungen in ihren digitalen Blasen mit einem Bann belegen.

Was tun? Was tun in Mannheim? Wie muss Widerstand heute aussehen?

 Die politische Linke und andere demokratische Kräfte  in Mannheim sind lange aufgestanden gegen Versammlungen von Nazis, NPD und AfD.

 Wir machen dies mit Blick auf Rechtspopulisten aus verschiedenen Gründen nicht mehr. Damit ist es in der Presse ruhiger geworden, der Saal im Schützenhaus ist aber weiterhin voll besetzt mit bis zu 400 Leuten. Unerträgliche menschenfeindliche Aussagen werden dort getätigt. Die Straße schweigt, die Straße ist hilflos.

 Und trotzdem: in Mannheim gehört die Straße nicht den Rechten. Dies wollen wir am 3. Oktober auch machtvoll unter Beweis stellen. Dieser Tag muss ein deutliches Signal werden. Aber danach muss es weiter gehen!

 Was wäre denkbar?

 Vielleicht brauchen wir andere reale und digitale Formate, die nicht auf ihre menschenfeindliche spießbürgerliche Selbst-und Opferinszenierung einzahlen.

 Wie könnten diese anderen Formate aussehen?

 Kann eine Antwort in Form einer Mahnwache gelingen? Brauchen wir den Protest der stillen Bilder? Bilder, die die Brüder im Geiste darstellen: Trump, Putin, Orban, Kuczynski, Weidel, Gauland, Meuthen?

 Bilder, die Folgen ihrer Politik darstellen: ignorieren des Klimawandels und Dürreschäden, Kriege, Unterdrückung der Pressefreiheit, Eingriffe in die Gewaltenteilung und Schwächen der Justiz, Verrohung der Sprache, die zu Gewalt führt?

 Brauchen wir eine Lichterkette mit Kerzen und Handys als Mahnwache um die nächste AfD-Groß-Veranstaltung? Diesen Montag zu kurzfristig, aber sie kommen wieder.

 Wenn die Rechten in der Lage sind innerhalb, kürzester Zeit bundesweit für Chemnitz zu mobilisieren, warum sind die politische Linke und andere demokratischen Kräfte noch nicht einmal in Mannheim in der Lage, sich digital wirksam zu vernetzen und zu mobilisieren?

 Und warum kommen wir wenn überhaupt dann, wenn die Rechten vorlegen? Warum reagieren wir immer nur? Warum gestalten wir nicht unabhängig von ihnen kommunikativen Widerstand? Wie wäre es z.B. mit einem „Markt gegen Rechts“ oder „Faktenmarkt“ mit dem wir Aufklärung betreiben und Fake-News bekämpfen?

Wie wäre es mit einer gemeinsamen Aktion in den sozialen Netzwerken, ohne dass wir der Versuchung erliegen, bevorzugt dann doch uns gegenseitig anzugreifen?

 Ich selbst bin seit zwei Jahren zusammen mit der SPD-Stadträtin Heidrun Kämper mit einer Reihe mit dem Titel „Wölfe im Schafspelz – Rechtspopulismus in Baden-Württemberg“ unterwegs durch die Stadtteile Mannheims. Warum ein solches Format nicht einmal in der Öffentlichkeit, etwa auf dem Marktplatz veranstalten?

Ich weiß nicht, ob meine Überlegungen schlüssig sind und ob die Vorschläge gut sind. Ich weiß nur, dass ich es unerträglich finde, dass rechtspopuläre Hetze in Mannheim und anderswo unwidersprochen einen menschenfeindlichen Hexensabbat nach dem nächsten feiert. Mit Hass, Intoleranz und permanentem Raubbau an menschlicher Solidarität.

Das ist nicht das Bild eines Deutschlands oder von Mannheim, das viele von uns akzeptieren werden. Das ist nicht unsere Heimat, in der wir leben wollen. Und es ist unsere Heimat, die wir nicht aufgeben werden. Wir haben ein anderes Bild im Kopf und als Auftrag im Herzen. Diese Heimat ist demokratisch, menschenfreundlich und global ethisch engagiert. Für dieses Ziel lohnt es sich zu kämpfen. Für dieses Ziel müssen wir den Rechten Widerstand leisten.

Mit Georg Lechleiter verbindet mich, dass er Landtagsabgeordneter war und dass er im Kampf gegen die Nazis die politische Linke vereinigen wollte: Sozialdemokraten, Kommunisten, Parteilose. Er hatte einen Mut, den ich bewundere, weil ich nicht weiß, ob ich ihn damals gehabt hätte. Ihm und den anderen Mitgliedern der Widerstandsgruppe gebührt meine Achtung und Erinnerung. Eine Erinnerung, die wir wachhalten müssen. Eine Erinnerung, die brandaktuell ist.

Wir haben die Verantwortung, die Erinnerung an die Lechleiter-Widerstandsgruppe sowie die anderen Antifaschistinnen und Antifaschisten wach zu halten und wir haben die Aufgabe, gegen Holocaust-Leugner und Antisemiten, gegen Nazi-Aufmärsche, gegen Rassisten, gegen Gewalt und die politischen Wegbereiter durch die Rechtspopulisten aufzutreten. Das erfordert heute nicht mehr das Leben, aber Zivilcourage und die Bereitschaft hin- und nicht wegzuschauen.

 

Weitere Bilder der Veranstaltung




Kundgebung und Gegenkundgebung: Türkische Nationalisten für „Solidarität mit der Türkei und mit Erdogan“

 

Kundgebung der türkischen Nationalisten am Alten Messplatz

Am Sonntag, 29. Oktober gab es zwei Kundgebungen. Die eine Kundgebung fand auf dem Alten Messplatz statt und war eine Versammlung türkischer Nationalisten. Die andere Kundgebung fand am Schloss statt und war eine Gegenveranstaltung von HDK-A (Demokratischer Kongress der Völker – Deutschland), dem Bund der demokratischen Föderation MA und OAT (Offenes Antifaschistisches Treffen Mannheim). Die Polizei gab die Zahl der TeilnehmerInnen für die erstere Veranstaltung mit 150 an, für die zweitere mit 120 an und dürfte mit diesen Zahlen in etwa richtig liegen.

Die Gegenkundgebung durfte nach den Auflagen der Stadt Mannheim nicht in der näheren Umgebung des Veranstaltungsortes der türkischen Nationalisten stattfinden, da sonst Auseinandersetzungen zu befürchten seien. Die Polizei war mit wohl mehreren hundert Polizisten einsatzbereit. Die Polizei war nicht nur an den Veranstaltungsorten sondern auch in der Mannheimer Innenstadt mit Einsatzwägen präsent. Die Polizeistärke erscheint ob der Zahl der Demonstranten weit überzogen. Offensichtlich hat die Polizei mit wesentlich mehr gerechnet und wollte für alles gewappnet sein.

Mit zu dieser Fehleinschätzung haben letztlich auch die großmäuligen Ankündigungen der türkischen Nationalisten beigetragen, die in Facebook-Ankündigungen von mindestens 1.000 TeilnehmerInnen ausgingen.

Gekommen sind aber höchstens 150, die meisten davon kamen gar nicht von Mannheim, sondern von außerhalb. Aber was soll´s, die Veranstalter haben die Zahlen danach nach oben „korrigiert“.

In Sichtweite gab es eine antifaschistische Banneraktion in türkischer und deutscher Sprache

„Rund 1.000 Türken waren einem Aufruf einer türkischstämmigen Frau gefolgt, die im sozialen Netzwerk Facebook eine Solidaritätskundgebung für die Türkei in Mannheim angemeldet hatte. Kurzfristig hatte auch das Social-Media Phänomen, Bilgili Üretmen, die Teilnahme angekündigt. Die Kundgebung fand am türkischen Nationalfeiertag statt.

Unter dem Motto „Solidarität mit der Türkei“ kamen Türken und Türkischstämmige zusammen, um am türkischen Nationalfeiertag, dem Tag an dem die türkische Republik ausgerufen wurde, den Märtyrern zu gedenken und der Türkei in „diesen schweren Zeiten“ beizustehen. Im Aufruf dazu hieß es: „Wir möchten unseren Märtyrer gedenken und der Türkei in dieser schweren Zeit beistehen. Wenn auch Du ihr beistehen möchtest, nimm Deine Flagge und sei am Sonntag dabei!“ Türkish Press 29.10.2017

Der besagte Üretmen hat beste Beziehungen zu Erdogan und ist sowas wie der Öffentlichkeitssprecher der AKP in Deutschland.

Der Norddeutsche Rundfunk schreibt über ihn: „Er wünscht sich, dass der „Welt“-Journalist Deniz Yücel „im Knast verrecken“ möge, beleidigt Politiker wie Cem Özdemir und Sevim Dagdelen auf das Übelste, nennt die deutschen Medien „Hetzpresse“, bemüht immer Nazi-Vergleiche: Der deutsch-türkische Video-Blogger Bilgili Üretmen.“

So ähnlich hat er sich auch auf dem Alten Messplatz geäußert. „Den Terroristen der PKK“ wünschte er zusätzlich eine Kugel in den Kopf, das sei die einzige Sprache, die sie verstünden.

Die Gegenkundgebung musste im Schlosshof stattfinden.

Außer Üretmen hat noch ein Funktionär der Grauen Wölfe gesprochen. Auf dem Bild sind neben diesen beiden noch zwei martialische Gestalten der „Osmanen Germania“ zu sehen, das ist eine rechte nationalistische türkische Schlägertruppe. Die Zahl der TeilnehmerInnen blieb zwar mit 150 erheblich unter den Erwartungen der Veranstalter. Dafür war das Meer von Fahnen, der türkischen Flagge und der Fahne der Grauen Wölfe umso größer und unübersehbar.

Im Vergleich hierzu war die Kundgebung der Gegendemonstranten auf dem Vorplatz des Mannheimer Schlosses bescheiden und keinesfalls so aggressiv aufgeladen wie die Kundgebung auf dem Alten Messplatz. Die meisten Menschen waren kurdischer und türkischer Herkunft. Es wurden Reden auf türkisch und deutsch gehalten. Von deutscher Seite sprachen ein Aktivist der Antifa, Roland Schuster von den Mannheimer Linken und Gökay Akbulut, Mannheimer Bundestagsabgeordnete der LINKEN.

Zu den inhaltlichen Zielen der Veranstaltung heißt es im Aufruf: „Kommenden Sonntag (29.10.) planen türkische Nationalisten eine Kundgebung auf dem alten Messplatz in Mannheim. Unter dem Motto „Solidarität mit der Türkei“ wollen sie sich mit Erdogan und seiner AKP solidarisieren. Nicht erst seit dem Putschversuch im Juli 2016 folgt in der Türkei eine Verhaftungswelle auf die nächste, mittlerweile sitzen zehntausende Oppositionielle und Regierungsgegner in den türkischen Knästen. Gleichzeitig zerschlägt die AKP jegliche parlamentarische und außerparlamentarische Opposition und führt Krieg gegen die kurdische Selbstverwaltung im Osten der Türkei. Doch für die deutsche Regierung ist die Türkei traditionell ein enger Verbündeter auf den sie auch im Kampf gegen Flüchtlingsbewegungen nicht mehr verzichten möchte. Wir sagen : Schluss mit dem türkischen Staatsterrorismus, Schluss mit dem Krieg gegen die kurdische Bevölkerung und vor allem Schluss mit den schmutzigen Deals zwischen Deutschland und der Türkei.“

(Text: Roland Schuster, Bilder: Christian Ratz, Emrah Durkal und iL)

 

Bildergalerie

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