Lupinenstraße, Neckarstadt-West: Wohnraum für alle statt Bordelle und Prostitution

Die Lupinenstraße (ganz unten) liegt am Rand der Neckarstadt-West | KIM-Archivbild

Stellungnahme des Offenen Stadtteiltreffen Neckarstadt.

In den vergangenen Wochen wurde intensiv über das Thema Schließung der Bordelle in der Lupinenstraße und der damit einhergehenden Schaffung von bis zu 400 Sozialwohnungen diskutiert. Spätestens seitdem OB Christian Specht eingewilligt hat, sich unter Beteiligung verschiedener Akteure mit diesem Thema auseinanderzusetzen, ist klar, dass es sich bei den Plänen nicht um ein Gerücht handelt. Konkret steht im Raum, dass die Bordellwohnungen in der Lupinenstraße vom entsprechenden Privatinvestor abgekauft und diese dann in GBG-Wohnungen umgewandelt werden sollen. Die Bordelle sollen laut diesem Plan in die wenige hundert Meter entfernte Bonadiesstraße verlegt werden.

Prostitution im Stadtteil

Bereits seit mehreren Jahrzehnten ist mit der Lupinenstraße ein kompletter Straßenzug für das Prostitutionsgewerbe gesperrt. Mindestens genauso lange wird über die Existenzberechtigung der Prostitution im Stadtteil diskutiert. Die Lupinenstraße liegt in unserem dicht besiedelten Stadtviertel, umgeben von Wohnhäusern, Spielplätzen, Kitas und Schulen. Anwohner:innen der parallel verlaufenden Ackerstraße haben teilweise ungehinderten Einblick in die Arbeitsräume der Prostituierten. In der näheren Umgebung der Lupinenstraße gibt es zahlreiche zwielichtige Kneipen, in denen es in den vergangenen Jahren wiederholt zu Schießereien oder Messerattacken gekommen ist.

Wohnraum im Stadtteil

Wer sich in unserem Stadtteil auf die Wohnungssuche begibt, wird schonungslos mit der Realität des überteuerten Wohnungsmarktes konfrontiert. Bezahlbarer Wohnraum im zentrumsnahen und traditionellen Arbeiter:innenstadtteil wurde in den vergangenen Jahren systematisch durch Privatinvestoren und Immoblienunternehmen wie Hildebrandt & Hees aufgekauft, saniert und für das vielfache weitervemietet.

Laut Schätzungen sind bereits über 50 Häuser in der Hand dieses Immobilienunternehmens – Tendenz steigend. Die Gentrifizierung im Stadtteil kennt weiterhin keinen Halt und bietet jungen Familien oder Studierenden mit geringem Einkommen keine Gelegenheit, sich eine Wohnung leisten zu können.

Wohnraum für alle statt Bordelle!

Wer sich mit den Menschen in unserem Stadtteil über die Lupinenstraße unterhält, bekommt mehrheitlich eine ablehnende Haltung ihr gegenüber zu hören. Viele möchten nicht länger in einem von Kriminalität geprägten Umfeld leben, geschweige denn ihre Kinder darin aufwachsen sehen. Das große Problem im Stadtteil sind vor allem die hohen Mieten und der Mangel an bezahlbaren Wohnraum. Da es im Stadtteil keinen Platz mehr für neuen Wohnraum gibt, sehen wir in der Verlegung der Bordelle eine einmalige Chance für deutlich mehr bezahlbaren Wohnraum im Stadtteil. Das grundsätzliche Problem der (illegalen) Prostitution und der Umstände unter denen diese stattfindet wird durch die Verlegung nicht bekämpft, da es sich um ein strukturelles Problem handelt, welchem in erster Linie auch auf einer höheren politischen
Ebene begegnet werden muss. Das Problem des fehlenden bezahlbaren Wohnraums wird durch eine Verlegung jedoch spürbar und effektiv im Sinne der Bevölkerung angegangen.

Deshalb fordern wir:

  1. Bezahlbarer Wohnraum für die Bevölkerung statt für Prostitution und kriminelle Strukturen im
    Stadtteil!
  2. Verlegung des Prostitutionsgewerbes an einen anderen Ort und Gewährleistung des Schutzes
    der Prostituierten!
  3. Umwandlung der Bordellhäuser in bezahlbaren Wohnraum durch gemeinnützige Träger und
    Projekte!

Offenes Stadtteiltreffen Neckarstadt, April 2024




Stolpersteine in der Lupinenstraße: Gedenken an zwei hingerichtete Prostituierte [Videobeitrag]

Die beiden Prostituierten Rosa Eckel und Margarethe Stögbauer wurden vor 80 Jahren wegen Plünderung verurteilt und mit dem Fallbeil hingerichtet. Ein Nachbar hatte sie denunziert. Als sogenannte „Asoziale“ wurde ihnen im Rahmen der „Volksschädlingsverordnung“ der Prozess am Mannheimer NS Sondergericht gemacht. Das Verbrechen: Sie hatten Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände aus einem zerbombten Haus geholt.

Der Mannheimer Arbeitskreis Justiz erinnerte zusammen mit der Beratungsstelle Amalie an das Schicksal der beiden jungen Frauen, die zwei kleine Kinder hinterließen.

Im Film erzählen zwei Mitglieder des AK Justiz die Geschichte der beiden Prostituierte und wie nach 1945 mit Opfern und Tätern umgegangen wurde. (cki)

Videobeitrag bei Youtube: https://youtu.be/Aucj3hPY7tM (Dauer: 7:41 min.)

Weitere Infos: AK Justiz Mannheim

 




Starke Stimme(n) für eine moderne Prostitutions-Politik in Deutschland

Über 30 menschenrechtliche Vereine und Initiativen starten bundesweites „Bündnis Nordisches Modell“ für einen Perspektivwechsel in Gesellschaft und Politik

„Prostitution ist ein perfides System aus sexueller Ausbeutung und brutaler Gewalt.  Das macht die Corona-Pandemie jetzt endgültig sichtbar. Mädchen und Frauen in der Prostitution sind noch schutzloser der Willkür von Zuhältern und Freiern ausgeliefert, als sie es zuvor schon waren. Wir brauchen endlich eine moderne Prostitutions-Politik in Deutschland!“ Das fordert das neu gegründete Bündnis Nordisches Modell, ein bundesweiter Zusammenschluss aus derzeit über 30 menschenrechtlichen Vereinen, Initiativen und Netzwerken – darunter auch Betroffene- und Aussteigerinnen-Organisationen – sowie zahlreichen aktiven Menschen aus der Zivilbevölkerung und der Politik.  

Die ExpertInnen des Bündnisses schließen sich somit der Empfehlung des Europäischen Parlaments von 2014 an alle EU-Mitgliedsstaaten an, das Nordische Modell zu übernehmen: es sieht

Konferenz Bündnis Nordisches Modell, Gustav Stresemann Institut, Bonn, 28.9.2020

insbesondere die Entkriminalisierung von Frauen in der Prostitution und effektive Ausstiegshilfen vor – und bekämpft gleichzeitig die Nachfrage, was sexuelle Ausbeutung unprofitabel macht und somit auch den Menschenhandel. Im Jahr 1999 hatte Schweden als erstes Land das Nordische Modell eingeführt, um Gewalt gegen Frauen zu beseitigen und die Gleichberechtigung der Geschlechter voranzutreiben. Es folgten sieben weitere Länder, darunter Norwegen, Irland, Frankreich und Israel.

„Deutschland muss endlich wegkommen von den gescheiterten Regulierungsversuchen des nicht regulierbaren Gewaltsystems Prostitution – hin zu einem zeitgemäßen und bereits in acht Ländern erprobten gesetzlichen Ansatz, dem Nordischen Modell. Weg vom Bordell Europas – hin zu echter Hilfe für Mädchen und Frauen in der Prostitution, echten Strafen für Täter, echter Aufklärung der Gesellschaft. Die Politik muss hier genau hinsehen, zeitgemäß handeln und von den Vorreiter-Staaten lernen!“ – so die Sprecherinnen des Bündnisses.

Der offizielle Startschuss für das bundesweite Bündnis Nordisches Modell fiel bereits am 21. Februar 2021. Ende März fand die erste Versammlung aller Delegierten der BündnispartnerInnen und die Wahl des Lenkungskreises statt. Der Bündnis-Gründung vorausgegangen war eine große und erfolgreiche Vernetzungs-Tagung im September 2020 in Bonn. Hier hatten sich unterschiedliche AkteurInnen aus ganz Deutschland dazu entschlossen, sich gemeinsam stark zu machen, ihre Kräfte zu bündeln und mit einer starken Stimme zu sprechen: für einen Wechsel in der Prostitutions-Politik nach dem Nordischen Modell.

Zu den BündnispartnerInnen zählen unter anderem das Netzwerk Ella – ein Zusammenschluss von Frauen, die in der Prostitution waren oder sind sowie weitere Aussteigerinnen, die sich dafür einsetzen, dass Prostitution als das anerkannt wird, was sie ist: sexuelle Gewalt – und auch vier große, bundesweit frauenrechtlich und humanitär arbeitende Institutionen: KDFB – Katholischer Deutscher Frauenbund e.V., SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution! e.V., SOLWODI – Solidarität mit Frauen in Not – und TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e.V..

Das neu gegründete Bündnis Nordisches Modell wächst stetig und steht mit seiner gesamten Expertise Politik und Gesellschaft für Beratung und Aufklärung kompetent zur Seite.

PM des Bündnis Nordisches Modell 06.04.2021

(dem Bündnis gehören aktuell 35 lokale und bundesweite Organisationen an – u.a. die Mannheimer Gruppe „Mannheim gegen Sexkauf“)