Prozessauftakt mit Erklärung zur Sache

Am 31.10. um 09:15 wurde der Prozess gegen Alexander S. am Landgericht Mannheim eröffnet. Die Staatsanwaltschaft Mannheim wirft ihm vor am 03. März 2025 mit seinem PKW in die Fußgängerzone gefahren zu sein, um mehrere Menschen zu verletzen oder zu töten. Nachdem seine Fahrt durch einen Taxifahrer gestoppt wurde, habe er ihn mit einer Schreckschusswaffe bedroht. An diesem Tag wurden zwei Personen getötet und viele zum Teil schwer verletzt. Bundesweit hat man sich mit der „Todesfahrt“ beschäftigt.

Neben der Anklage wegen der Tötung zweier Menschen und der Verletzung weiterer, werden Alexander S. Verstöße gegen das Waffengesetz sowie Delikte wie Unfallflucht und gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorgeworfen. Bei der Verlesung der Anklage blickt Alexander S. stoisch auf die Staatsanwältin. Im Anschluss daran verliest der Verteidiger von Alexander S. eine Erklärung  zur Sache. Darin bestreitet er den Tatablauf nicht und gibt an bereits am Samstag zuvor die Idee einer Amokfahrt gehabt zu haben, den er anschließend nicht mehr habe unterdrücken können. Eigentlich sei die Tat in Offenbach, dem Wohnort seines Vaters geplant gewesen, da eine bereits lang gehegte Wut auf sich und seinen Vater eine Rolle für die Idee gespielt haben soll. Suizidale Gedanken würden ihn bereits sehr lange begleiten, weshalb sein Plan gewesen sei durch die Tat ebenfalls zu sterben. Nachdem er am 03. März erst beim Friseur gewesen sei und sich eigentlich auf den Weg zum geplanten Ort machen wollte, sei ihm der Gedanke seinen Plan in Mannheim umzusetzen spontan gekommen, als er mit seinem Auto an der Zufahrt zu den Planken stand. Als Startsignal habe er das Lied „Feuer frei“ der Band Rammstein in seinen WhattsApp-Status eingefügt und sei dann in die Planken eingebogen. An die Fahrt selber könne er sich kaum mehr erinnern. Lediglich an Gefühle von Wut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die ihn in der Absicht zur Selbsttötung bestärkt haben. Die Erklärung endet damit, dass er von nun an keine weiteren Angaben mehr machen wolle. Auf die Nachfrage des vorsitzenden Richters bestätigt der Angeklagte, dass das Verlesene in seinem Sinne sei und als seine Aussage gewertet werden kann.

 

Im Anschluss daran erfolgte die Beweisaufnahme mit einem Zusammenschnitt mehrerer Aufnahmen von Überwachungskameras, angefangen am Hauptbahnhof Mannheim, bis hin zur Überwachung am Paradeplatz und aus einzelnen Geschäften heraus, deren Kameras auch Teile des Außenbereiches erfassen. Dadurch konnte der Verlauf der Fahrt minutiös nachverfolgt werden. Auf einigen Sequenzen ist zu sehen, wie Personen vor dem Fahrzeug ausweichen, aber auch wie Personen angefahren werden. Während der Vorführung herrschte Stille im Verhandlungssaal, der bis auf wenige Plätze in den Zuschauerreihen zu diesem Zeitpunkt voll besetzt war. Nach dieser Ansicht erfolgte eine erste Pause, welche die Presse für Interviews und Statements der Beteiligten im Vorraum des Landgerichtes nutzte. Auf die Nachfrage, ob politische Motive eine Rolle für die Tat gespielt haben könnten – Alexander S. war eine Zeit lang in rechten/neonazistischen Gruppen unterwegs – gab der Verteidiger des Angeklagten an, dass sich sein Mandant damals aus eigenem Interesse damit beschäftigt habe, dies für die Tat aber keine Rolle gespielt habe. Zum psychischen Zustand seines Mandanten äußerte er, dass Alexander S. schon öfter in psychologischer Behandlung gewesen sei und unterschiedliche Diagnosen vorliegen. Für die Einschätzung inwiefern seine Schuldfähigkeit dadurch vermindert oder gar ausgeschlossen sei, müsse das Gutachten des Sachverständigen abgewartet werden. Nachdem der Angeklagte die Tat bereits zugegeben habe, dürften sich die wesentlichen Fragen in den kommenden Prozesstagen vermutlich genau darum drehen. Ob sich auch die Motivlage von Alexander S. weiter aufklären lässt, hängt stark vom Interesse des Gerichtes ab, inwieweit die Beweisaufnahme über das objektive Tatgeschehen hinaus Hinweise geben kann.

Text: DeBe




Normannia-Prozess – Alkohol, Gedächtnislücken, Täterschutz

Am 23. November 2022 kam es zum zweiten Verhandlungstag im Normannia-Prozess, in dem vier Burschenschafter, darunter zwei der Normannia Heidelberg, wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung angeklagt sind.

Die vier Angeklagten sind die letzten, deren Tatbeteiligung beim antisemitischen Angriff vor zwei Jahren auf dem Haus der Burschenschaft geklärt werden soll – andere haben bereits Strafbefehle akzeptiert oder werden vom Gericht nicht mehr als Tatverdächtige betrachtet. Verteidigt wurden alle vier durch Anwälte, die sich durch ihr gerichtliches Eintreten für Nazis einen Namen in der rechten Szene gemacht haben. Wie die Angeklagten entstammen auch sie extrem rechten Burschenschafts-Netzwerken. Zwei der Anwälte arbeiten in derselben Kanzlei, in der mittlerweile auch einer der am Tatabend anwesenden Normannen arbeitet. Der gescheiterte Nazi-Rapper Patrick B. hatte in der Tatnacht im Haus der Normannia in seinen Geburtstag gefeiert und ist durch seine Aktivitäten in der „Identitären Bewegung“ (IB) bekannt.

Heidelberger Antifaschist*innen, die mit knapp 40 Personen fast den ganzen Zuschauer*innensaal ausfüllten, hatten also viele Gründe, den Prozess zu verfolgen. Die Angeklagten von der Burschenschaft Normannia, André R. und Luis S., die mit dem Geschädigten vor dem Angriff befreundet waren, sind ebenfalls bekannte Gesichter: auch außerhalb der Neonazi-Villa der Normannen sind beide durch Aktivitäten für die IB und die AfD in Erscheinung getreten.

Die meisten der geladenen Zeug*innen wollten wenig bis nichts zur Aufklärung der Tatbeteiligung beitragen, was die Vorsitzende Richterin sichtlich provozierte. Gedächtnislücken, zu viel Alkohol, lange her: Niemand hat etwas mitbekommen, alle waren zu betrunken, Pizza essen oder am Tatabend nicht zugegen. Wenn überhaupt versuchten die Zeug*innen, die Angeklagten zu entlasten und verstrickten sich dabei in Widersprüche und Falschaussagen, die möglichwerweise Folgeverfahren nach sich ziehen werden.
Besonders stach dabei der damalige Vorstand der „Alten Herren“, Gunnar H. hervor: Obwohl er erst gegen 22 Uhr zur Feier kam, erinnert sich der trinkfeste Normanne bereits ab 0 Uhr an nichts mehr. So ein Zufall, ereignete sich der antisemitische Angriff erst gegen 1 Uhr.

Ein anderer korporierter Zeuge, Lars B., gab erst auf Nachfrage der Nebenklage zu, den Geschädigten kurz nach dem Vorfall auf dem Haus einer anderen Verbindung zum „Kontrahieren“ (=Fechten) herausgefordert zu haben, da dieser seine Anzeige nicht zurückgezogen hatte.

Ein Moment, der im Zuschauerraum für Unruhe sorgte, war die Verlesung von Auszügen der Chatnachrichten, die sich die Zeugin Larissa G. und Luis S. hin- und hergeschickt hatten. Eines davon war ein Bild eines Wehrmachtssoldaten mit Maschinengewehr, das mit „Lehnt 1400 Asylanträge pro Sekunde ab“ betitelt war. Die 23-jährige Jura-Referendarin muss möglicherweise auch mit einem Folgeverfahren rechnen. Auch Rochelle L. verstrickte sich beim Versuch, ihren Freund André R. zu entlasten, so stark in widersprüchlichen Aussagen, dass sie wahrscheinlich mit einem juristischen Nachspiel rechnen muss.

Insgesamt gibt der Prozess weitere Einblicke in ein Weltbild, das geprägt ist von Männlichkeit, Gewalt und Korpsgeist. Nazi-Memes sind hierbei nur die Spitze eines braunen Haufens, der auch nach der Auflösung der Aktivitas seine Netzwerke aufrechterhält. Klar ist: die damaligen Aktiven der Normannia pflegen auch nach dem Vorfall ihre Kontakte zu anderen Verbindungen und Burschenschaften.

Die Mauer des Schweigens, auf die die Ermittler*innen geprallt sind, wird das Nachweisen einer Tatbeteiligung erschweren. Interessant werden in den nächsten Prozessen mehrere Zeug*innen, die ebenfalls mit lokalen Nazi-Strukturen verbunden sind. Darüber hinaus wird ein Zeuge zu hören sein, der am Tatabend anwesend war und den Versionen der Normannen eindeutig widerspricht.

Der nächste Verhandlungstermin ist Montag, der 5. Dezember, 9 Uhr, Amtsgericht Heidelberg.

Antifaschistische Initiative Heidelberg / iL




Prozess gegen GKM-Besetzer – Hausfriedensbruch für Klimagerechtigkeit

3. August 2019: Aktivist*innen besetzten erstmals ein Kohleförderband des GKM. (Bild: Ende-Gelände)

Im Sommer 2019 und 2020 besetzten Aktivist*innen das Mannheimer Großkraftwerk (KIM berichtete), um gegen Kohleverstromung und für eine sofortige Wende in der Klimapolitik zu demonstrieren. Dabei verschafften sich einige Zutritt zum Betriebsgelände und kletterten auf die Förderbänder. Nun soll einem Besetzer der Prozess gemacht werden.

Laut Unterstützergruppe „GKM Abschaffen“ soll der Aktivist Locke als einziger Beschuldigter der zweiten Besetzung vom 08. August 2020 vor dem Amtsgericht Mannheim erscheinen. Der Vorwurf gegen ihn laute nicht nur Hausfriedensbruch. Auch Verstoß gegen das Vermummungsverbot und versuchte gefährliche Körperverletzung werde ihm vorgeworfen. Der Vorwurf der Störung öffentlicher Betriebe sei jedoch „haltlos“ und bereits wieder eingestellt worden.

Fünf Aktivist*innen seien damals festgenommen und für 38 Stunden im Polizeigewahrsam festgehalten und „körperlich und psychisch drangsaliert“ worden. Den Aktivist Locke habe die Polizei als einzigen identifizieren können. Die Besetzer*innen hatten für sechs Stunden ein Kohleförderband in 20 Meter Höhe blockiert. Ihr Ziel sei es gewesen, „auf soziale und ökologische Probleme, die mit der Steinkohleverstromung verbunden sind“ aufmerksam zu machen.

Prozess vor dem Amtsgericht am 12. April

Der Vorwurf der versuchten Körperverletzung gegen Locke leite sich aus dem Fund einer Nadel in seinem Hosenbund her. Laut Polizei sei dadurch eine mutwillige Verletzung eine*r Polizist*in in Kauf genommen worden. Die Aktion sei jedoch „explizit gewaltfrei“ gewesen, schreibt die Unterstützergruppe. Daher sei der Vorwurf der Körperverletzung „weit hergeholt“.

Einen Strafbefehl über 485 Euro habe Locke nicht akzeptiert, so dass es nun am 12. April 2021 zum Prozess kommt. Die Unterstützergruppe ruft dazu auf, den Prozess kritisch zu beobachten. „Wir werden diesen Prozess nutzen, um zu zeigen, wer eigentlich zur Verantwortung gezogen werden müsste. Wir wollen am Beispiel von Baden-Württembergs größter Dreckschleuder erneut auf die Anliegen der Menschen im globalen Süden aufmerksam machen, welche unter dem zerstörerischen Handeln der Steinkohleindustrie und des menschengemachten Klimawandels leiden.“ Am Prozesstag soll eine Kundgebung mit Demonstration stattfinden. Näheres wird noch bekannt gegeben.

Über die Zukunft des GKM wird weiterhin kontrovers diskutiert. Nicht nur Fragen des Klimawandels spielen eine Rolle, auch die Zukunft der Beschäftigten ist ungeklärt. Unter anderem wird kritisiert, dass andere, noch schmutzigere Braunkohlekraftwerke Jahre länger laufen sollen. In anderen Städten gab es in den letzten Jahren ebenfalls Besetzungen von Klimaaktivist*innen. (cki)

Weitere Informationen: gkm-abschaffen.org

 

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels wurden die Besetzungen 2019 und 2020 miteinander verwechselt.