Lage der Geflüchteten auf dem Sullivan-Gelände in Mannheim

Bündnis gegen Abschiebung Mannheim – Auf dem Gelände der früheren Sullivan-Kaserne in Ma-Käfertal-Wald sollen etwa 1900 Asylsuchende untergebracht sein. Es handelt sich hier um eine BEA (Bedarfsorientierte Erstaufnahmestelle), die vom Regierungspräsidium Karlsruhe verwaltet wird.
Hier ist im Auftrag des RP die bundesweit tätige Sicherheitsfirma Ciborius mit Firmensitz in Frankfurt aktiv.
Es gibt keine anderen Organisationen auf dem Gelände, keine Hilfsorganisationen und keine kirchlichen oder sonstigen Organisationen.

Wir haben vor kurzem mit zwanzig dort untergebrachten Flüchtlingen gesprochen.
Sie sind großenteils aus Syrien und haben uns auf gravierende Missstände hinsichtlich der Unterbringung aufmerksam gemacht und uns gebeten diese zusammen mit ihnen auch öffentlich zu machen mit dem Ziel, sie schnellstmöglich abzuschaffen.

Die Flüchtlinge haben uns gegenüber folgende Missstände hervorgehoben:

Unterbringung auf engstem Raum

Bis zu drei Familien sind in einem Zimmer untergebracht. Manchmal werden auch Einzelpersonen zusammen mit einer Familie in einem Zimmer untergebracht.

Essen

Das Essen ist schlecht, oft ungenießbar. Es wird zweimal am Tage abgepacktes Essen ausgegeben: zum Frühstück und mittags, wobei das Abendessen gleich mit ausgegeben wird. Es besteht Mangel an Babynahrung.

Trinkwasser

Ein Asylsuchender hat selbst gesehen, dass ein Behälter mit Wasser als Trinkwasserbehälter deklariert wurde. Diese Kennzeichnung wurde später vom Gesundheitsamt wieder entfernt, weil das Wasser zum Trinken ungeeignet gewesen sei.

Mangelhafte ärztliche Versorgung

Für die Flüchtlinge gibt es nur einen einzigen Allgemeinmediziner, der täglich lediglich 4 Stunden dort Sprechstunde abhält. Es gibt dort keine Fachärzte. Einer Frau, die im neunten Monat schwanger ist und einen Frauenarzt aufsuchen wollte, wurde dies verwehrt. Begründet wurde dies damit, dass sie noch nicht registriert sei.
Einer anderen Frau, die starke Unterleibsschmerzen hatte, wurde ebenfalls der Besuch eines Frauenarztes verweigert.
Einer dritten Frau, wurde, obwohl sie nachgewiesen herzkrank ist, ebenfalls der Facharztbesuch verweigert. Die Frau fällt oft um und braucht dringend Medikamente.
Diese Frauen sind inzwischen in das Patrik-Henry-Village in Heidelberg verlegt worden.

Einem Mann mit offener Wunde, der direkt aus dem Krankenhaus kam und Nachsorge-Termine verordnet bekommen hatte, wurde ein Arztbesuch verweigert.

Registrierung und Bargeld

Die meisten Bewohner*innen waren zum Zeitpunkt, als sie zu uns kamen und um Rat fragten, noch nicht registriert, obwohl sie schon einen Monat auf dem Gelände lebten. Einige kamen vorher bereits aus einem anderen Lager und sind nun seit 80 Tagen nicht registriert.
Wer nicht registriert ist, erhält überhaupt kein Bargeld, auch kein Taschengeld. Bargeld gibt es nur einmal im Monat.

Mangel an Hygieneartikeln

Es gibt nicht genügend Hygieneartikel, auch zu wenig Windeln für Säuglinge.

Verweigerung des Zutritts von Besucher*innen

Besucher*innenn wird rigoros der Zutritt zum Lager verwehrt, auch wenn sie ihren Ausweis zeigen und sie von Bewohner*innen begleitet werden!

Respektloser Umgang mit den Geflüchteten

Die Asylsuchenden haben oft keine Ansprechpartner außer den Security-Mitarbeitern. Bei Beschwerden kriegen sie manchmal zur Antwort. „Dann sucht euch ein Hotel“ (!) Am 23.11.2015 beschuldigte ein Wachmann während eines Protests gegen die Zustände auf dem Gelände Flüchtlinge, ihn gekickt zu haben, wobei die Polizei ihm keinen Glauben schenkte.

Kleiderausgabe

Kleidung wird willkürlich, ungerecht und oft nicht nach dem jeweiligen Bedarf verteilt.

Unser Besuch im Lager (ehemalige Sullivan-Kaserne) am 24.11.2015

Wir konnten heute mit zwei Stadträten der Partei Die Grünen, zwei Angestellten des Sozialamts und dem für alle Lager in Mannheim zuständigen Vertreter des Regierungspräsidiums Karlsruhe das Lager betreten. Wir haben auch die angeführten Mängel zur Sprache gebracht. Die Kritik der Geflüchteten an ihrer Unterbringung konnte dabei nicht entkräftet werden.

So haben wir zum Beispiel uns selbst davon überzeugen können, dass in einem Raum von ungefähr 25 qm 12 Stockbetten- also je zwei Betten übereinander – standen! Das ergibt zwei Quadratmeter pro Bewohner.

Die Registrierungen der Geflüchteten sollen inzwischen innerhalb von 10 Tagen durchgeführt werden. Ob dies zutrifft, wissen wir nicht. Uns fiel auf, dass die Menschen im Freien in einer langen Schlange warten mussten, was bei den heute herrschenden Temperatur unter Null Grad eine Zumutung für die Wartenden war!

Die sanitäre Versorgung mit einigen Dixie-Klos und wenigen Behelfs-Duschen war unzureichend. Die Erschwerung von Besuchen – diese müssen im Regelfall Tage vorher schriftlich angemeldet werden – beschränkt in unnötiger Weise den Alltag der dort Untergebrachten.

Fazit:

Die Unterbringung in Lagern ist generell unzumutbar. Dies könnte schnell geändert werden, wenn die zuständigen Behörden nur wollten. Leerer Wohnraum ist ausreichend vorhanden. Die enge Unterbringung ist absolut inakzeptabel. Die Versorgung im Krankheitsfall ist mangelhaft und diskriminierend.
Wir fordern den Zugang der Geflüchteten zu Fachärzten und Kliniken von Anfang an, sobald sie in Deutschland angekommen sind.
Wir haben erfahren, dass das Mannheimer Klinikum das Lager auf Sullivan für die Unterbringung von Familien mit Kindern für ungeeignet hält und dies bereits dem RP mitgeteilt hat.

Die betroffenen Geflüchteten sollten in die Organisation ihres Alltags einbezogen werden. Sie sind Menschen und keine Sachen. Übertriebene Kontrolle und Erschwerung von Kontakten nach draußen mit der Mehrheitsbevölkerung entmündigt die Geflüchteten, verstärkt ihre Isolation und stigmatisiert sie.

Diese Art von Unterbringung ermuntert Rassisten und Faschisten aller Couleur zu Übergriffen, wenn nicht dort, dann anderswo. Die Sicherheit der Betroffenen Geflüchteten wird durch die Unterbringung in einem Lager keineswegs gefördert, eher wird das Gegenteil bewirkt.




150 Freiwillige sind der gute Geist auf Spinelli

5 Wochen ehrenamtliches Engagement für fast 3000 Flüchtlinge – Eine beeindruckende Bilanz

PM – Kleider für ein neues Leben und den kalten Winter. Außerordentlich viele Mannheimer und Mannheimerinnen helfen in der ASB-Kleiderkammer auf Spinelli, damit die 3000 Flüchtlinge nicht frieren müssen. Rund 300 von ihnen nahmen oder nehmen noch an den 30 Deutschkursen pro Woche teil, die von mehr als 40 ehrenamtlichen Lehrern geleitet werden.

Angefangen hat das ehrenamtliche Engagement vor fünf Wochen, als 300 Interessierte zur Auftaktveranstaltung des Feudenheimer Flüchtlingsforum kamen. Seither sind mit großem Krafteinsatz viele Ideen des Abends in die Tat umgesetzt worden. Nach fünf Wochen ehrenamtlichem, selbst organsiertem Engagement und ohne öffentliche Gelder zieht das Forum selbstbewusst eine mehr als beeindruckende Bilanz :

Die von ASB und den „Helfenden Händen“ der Bundeswehr betriebene Kleiderkammer versorgt zusammen mit zig Ehrenamtlichen zumeist aus Feudenheim, aber auch aus anderen Teilen Mannheims die Flüchtlinge mit dem Lebensnotwendigsten. Das Flüchtlingsforum bietet außerdem mit über 70 ehrenamtlichen Kräften ein Freizeitangebot mit Sinnvollem gegen die Langeweile im Lager. Begonnen wurde mit den Deutschkursen, von Montag bis Freitag, vormittags wie nachmittags jeweils 3 Kurse parallel. Seit mit den Erwachsenen immer mehr Kinder zum Sprachunterricht kamen, die lautstark ihren Lernwillen und Wissensdurst anmeldeten, gibt es täglich auch 2 Kinderkurse.

Sonntags ist Kindertag, zu dem bis zu 150 Knirpse in die Kinderhalle kommen: zur Filmvorführung auf Großleinwand, zum Rad- und Rollerfahren, zum Hüpfen auf Trampolin oder Seil, zum Balancieren auf der Slakline, zum Tischtennisspiel oder zu den Modellierluftballons. Kinder und Eltern sind für ein paar Stunden glücklich , weil es gerade in der beengten Flüchtlingsunterkunft für Kinder wichtig ist, sich auszutoben. Die vielen, vielen Freiwilligen sind wirklich der gute Geist im Flüchtlingslager auf Spinelli. Und die Gruppe hat weitere Ideen, die startklar sind: Musik für Vorschulkinder, ein Singkreis, in dem sich Flüchtlinge und Einheimische treffen, ein Gesprächskreis in englischer Sprache, ein Näh- und Strickcafe, ein Repair-Café.

Nur dank der überwältigenden Spendenbereitschaft vieler Einzelpersonen, Initiativen, Firmen und öffentlichen Stellen konnten die verschiedenen Angebote so schnell realisiert werden – Kursräume , Spielzimmer und Kinderhalle wurden komplett aus Spenden eingerichtet und mit allen notwendigen Materialien ausgestattet.

Alles klappte in so kurzer Zeit, weil die Kooperation des Feudenheimer Flüchtlingsforums mit dem Regierungspräsidium, der Stadt Mannheim, der Betreiberfirma Ciborius und der Bundeswehr ausgesprochen zielorientiert war. „Das ist der Geist, der auch auf Spinelli herrscht“, sagen die vier Initiatorinnen aus Feudenheim. Und: Spinelli braucht weitere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die das Leben in der Flüchtlingsunterkunft etwas leichter machen.

Presserklärung des Feudenheimer Flüchtlingsforums zur öffentlichen Informationsveranstaltung im Gemeindehaus der Epiphaniaskirche am 27.11.2015




Flucht, Vertreibung, Deportation und Völkermord

Die Opfer mahnen zu aktiver Friedenspolitik und gerechter Weltwirtschaft

Rede von Stadtrat Thomas Trüper beim entmilitarisierten Volkstrauertag am 15.11.15 in Mannheim

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
meine Damen und Herren,

Wir stehen heute an diesem Volkstrauertag unter dem Schock der Anschlagsserie von vorgestern Abend in Paris. Mindestens 129 Menschen wurden umgebracht, 253 verletzt und 99 davon schwer. Die Täter haben mit Erfolg versucht, möglichst viele Menschen – völlig ahnungslose Entspannung suchende – wahllos zu verletzen und zu töten. Wir gedenken der Opfer, fühlen mit den Angehörigen, und wünschen den Verletzten, dass sie das Grauen körperlich-seelisch überstehen.

Den Tätern bescheinigen die Beobachter Professionalität. Fast alle unmittelbaren Täter haben sich selbst ausgelöscht, was auf ihre hochgradige Motivation und Verblendung hinweist.

Allgemeiner Tenor der Kommentierungen aus Politik und Journalismus, aber auch von den Menschen auf der Straße und in den sozialen Netzwerken ist: Die europäische, besonders in Paris lockere und freiheitliche Lebensauffassung sollte getroffen werden und wurde getroffen. Die europäischen Werte von Freiheit und Demokratie wurden zentral angegriffen. Europa wurde getroffen.

Wenn ich so von Europa spreche, dann wissen wir alle: Europa ist damit nicht umfassend beschrieben. Europa ist auch eine der reichsten Weltregionen mit starker sozialer Spreizung, besonders zu den Rändern hin. Europa ist eines der vier Machtzentren dieser Welt. Und Europa ist fast überall auf der Welt aktiv unterwegs.

In den sozialen Medien – aber nicht nur dort – wurden sogleich Bezüge hergestellt zu dem Thema, das heute bei unserer Feierstunde im Mittelpunkt stehen soll: Die große Fluchtbewegung aus Afrika und vor allem aus Asien nach Europa. Einer der Täter soll über eine griechische Insel eingereist sein. Und überhaupt: „Gäbe es nicht so viele Menschen aus muslimisch geprägten Ländern in Europa, und kämen jetzt nicht noch mehr, dann hätten wir die Probleme nicht“ – so tönt es teilweise. Immerhin hat aber selbst Innenminister Thomas de Maizière diese Gedankengänge sofort zurückgewiesen. Die Flüchtlinge seien gerade vor solchen Tätern geflohen. Die Terroristen und die Flüchtlinge dürften nicht in einen Topf geworfen werden. Flucht und Terrorismus müsse man auseinanderhalten. Aber trotzdem werden schon überall die Rufe nach Schließung der Grenzen bzw. restriktiven Grenzkontrollen laut.

Bevor wir diese Gedanken weiterverfolgen, wollen wir nun der Opfer gedenken, die als Teil der genannten Fluchtbewegung ums Leben gekommen sind. Es sind Menschen, die nach Europa aufgebrochen aber nie dort angekommen sind. Oft sind sie im Atlantik vor Afrika, meist aber im Mittelmeer jämmerlich ertrunken. Das ist kein spektakulärer Tod wie nach der Havarie der Titanic, als im Jahr 1912 1.514 Menschen im eisigen Meer versanken – ein Ereignis, das im öffentlichen Bewusstsein noch nach über 100 Jahren präsent ist. Das Massensterben im Mittelmeer wird eher verdrängt, obwohl es vor unseren Fernsehaugen fast täglich stattfindet.

Die Internationale Organisation für Migration IOM zählte im Jahr 2014 2.279 im Mittelmeer ums Leben Gekommene, und in diesem Jahr Stand 9. November 3.423 Tote und Vermisste im Mittelmeer von weltweit insgesamt 4.756 ums Leben gekommenen Flüchtlingen. Es sind wohlgemerkt die Verluste an Menschenleben, die die IOM registriert hat. Niemand kennt die Dunkelziffer. Alle, die sich auf diesen Weg gemacht haben, kannten und kennen das enorme Risiko. Man ist gut informiert. Aber die Gefahren durch die Kriege, aus denen sie aufbrechen, der Hunger in vielen der Herkunftsstaaten oder in den Flüchtlingslagern, terroristische oder staatsterroristische Verfolgung lassen ihnen keine andere Wahl.

Weltweit sind in diesem Jahr 2015 lt. UNHCR 60 Millionen Menschen auf der Flucht, 2014 waren es noch 45 Millionen. Zwei Drittel sind Binnenflüchtlinge, die in ihrem Land Zuflucht suchen. In Nachbarländern versucht fast der gesamte Rest zu überleben. Nur 2,5% der Fliehenden und Geflohenen ist nach und innerhalb Europas unterwegs. An der Spitze der Herkunftsländer der 330.000 Menschen, die von Januar bis Ende Oktober Erstanträge auf Asyl in der Bundesrepublik gestellt haben, finden sich Syrien, Albanien und Kosovo. 1993 hatten 440.000 Menschen Asylantrag in der Bundesrepublik gestellt. Neu an der jetzigen Situation ist, dass sehr viele Menschen noch gar nicht registriert sind, dass sie sehr mobil und gut vernetzt sind und sich den Behörden nicht unbedingt anvertrauen.

Die Ankunft so vieler Flüchtlinge in so kurzer Zeit ist neu und objektiv eine Herausforderung. Sie polarisiert die Gesellschaft. Auf der einen Seite die große und unmittelbare Hilfsbereitschaft so vieler Menschen, ehrenamtlicher wie auch professioneller. Motto: „Wo Menschen in Not sind, muss man einfach helfen“.

Auf der anderen Seite diejenigen, die keinerlei Empathie aufbringen außer für sich selbst, die sich gestört und am Ende auch noch bedroht fühlen. Sie finden allerhand Bezeichnungen aus dem Bereich der Naturkatastrophen für die massenhafte Flucht und Migration. Sie erwarten von der Regierung sozusagen, die Katastrophe abzuschalten. Schluss, aus, Grenzen dicht! Natürlich nicht für den famosen Warenexport. Und auch die Rohstoffe sollen weiter ungehindert den Weg zu uns finden. Die in Not geratenen Menschen aber nicht.

Es gibt besonders Sendungsbewusste, die schon mal zur Tat schreiten und Unterkünfte anzünden oder – wie im Fall Henriette Rekers, der neu gewählten Kölner Oberbürgermeisterin – versuchen, missliebige PolitikerInnen umzubringen. Inspiriert und getragen und werden sie von Pegida und AfD mit ihrem abstrusen, rassistisch-völkischen Staatsvolkbegriff. Beheimatet sind sie eher bei Nazis und „Kameradschaften“. Aber machen wir uns nichts vor: Das Bild einer ethnisch aufgeräumten Gesellschaft, in der es keine sozialen Konflikte gibt, weil sie „rein deutsch“ ist – dieses Trugbild wird 70 Jahre nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Reiches wieder mehr Anhängerinnen und Anhänger finden, 70 Jahre nach dem Zusammenbruch des letzten Versuchs, Europa „deutsch“ aufzuräumen, sich des Eigentums jüdischer Menschen zu bemächtigen und fremde Länder zu erobern und auszubeuten, das ganze gestützt auf eine ebenso abenteuerliche wie tödliche Rassenideologie.

Diejenigen, die in der sog. „Flüchtlingsfrage“ nach den einfachen Lösungen schreien, sind nicht weit weg von der Logik des Nationalsozialismus. Das gilt für das Maß an Unmenschlichkeit, welches ganz ungeniert zur Schau gestellt wird. Die Idee von einer „Festung Europa“ erfordert hochgezogene Zugbrücken, Mauern, Nato-Draht und den Schießbefehl. Sie ist konsequent zu Ende gedacht auch die Aufforderung zum Bürgerkrieg. Das Ganze wird mit dem Brustton der Überzeugung vorgetragen, es handle sich um schlichten Realismus, während alle, die das Recht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention und schlicht die Menschenrechte achten, gutmenschige Traumtänzer seien.

Charakteristisch für derartige Auffassungen ist auch eine vollkommene Geschichtsvergessenheit, ja Geschichtsverweigerung. Man stelle sich vor: Die selbsternannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ berufen sich allen Ernstes auf das sog. „Abendland“ und wollen dessen Integrität schützen und bewahren. Wofür steht dieses ihr „Abendland“? Sicher nicht für eine geografische Regionen-Bezeichnung. Politisch ist das „Abendland“ ein Kampfbegriff. Gerne wird das Abendland als das „Christliche“ bezeichnet. Das Reich der Nächstenliebe? Oder die Wiege der Idee der Menschenrechte und der Demokratie und Zivilgesellschaft (von der Pegida ja nun gerade nichts wissen möchte)? Das sind eher die Werte, für die Europa stehen will – jenes Europa, welches am Freitag so brutal angegriffen wurde.

Das Abendland steht für Vieles, aber es steht auch für furchtbare Religionskriege, die dort tobten oder von dort ihren Ausgang nahmen. Es steht auch für das Zeitalter des Kolonialismus, der zwar im engeren Sinn überwunden ist, der aber faktisch in der nach wie vor existierenden Rohstoffausbeutung und in der Stützung korrupter postkolonialer Regimes fortwirkt wie auch durch die quer zu allen ethnischen Gegebenheiten gezogenen Staatsgrenzen mit permanentem Konfliktpotenzial. Das christliche Abendland war auch die Wiege des Imperialismus und des Ersten Weltkrieges, dem der Nationalsozialismus den zweiten folgen ließ. Das Abendland steht für eine vollkommen asymmetrische Welt: Rohstoffe werden in den Metropolen zusammengezogen und dort verbraucht, eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung der armen, der arm gemachten und arm gehaltenen Länder wird immer noch unterbunden. Der Welthandel ist immer noch und vielleicht mehr denn je asymmetrisch und ungerecht. Und von diesem „Abendland“ hat „Europa“ als politische Größe doch allzu viel.

Das Mittel der Aufrechterhaltung dieses instabilen und ungerechten Systems sind Kriege und Stellvertreterkriege. 42 militärische Konflikte und Kriege werden aktuell von den einschlägigen Forschungsinstituten gezählt.90% der Opfer sind Zivilisten. Diese Kriege fanden allerdings in den letzten 70 Jahren nicht in Nord-, Mittel- und Westeuropa statt. Sie wurden ferngehalten. Wenn gestern Präsident Hollande von einem kriegerischen Akt spricht und Ministerpräsident Valls feststellt: „Frankreich steht im Krieg“ – dann ist es ausgesprochen: Der Krieg kehrt nach Mitteleuropa zurück. Moderne Kriege sind oft asymmetrisch. Es gibt nichtstaatliche, terroristisch agierenden Beteiligte. Der unweigerliche Begleiter von Kriegen sind Fluchtbewegungen der Zivilbevölkerung. Ein immer wieder angewandtes Mittel der Kriegführung sind Vertreibungen und Deportationen bis hin zum Völkermord.

Wenn wir in Deutschland gelernt haben, uns mit dem von diesem Land betriebenen größten systematischen Völkermord der Geschichte, der Vernichtung der europäischen Juden und der Sinti und Roma auseinanderzusetzen und eine entsprechende Gedenkkultur entwickelt haben, so dürfen wir die anderen Genozide nicht vergessen und müssen uns auch ihrer erinnern. Der erste Genozid des 20. Jahrhunderts war der an den OvaHerero und Nama im Namen des deutschen Kaiserreichs vor 110 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Namibia. Eine Initiative namhafter Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft scheiterte in diesem Jahr mit dem Vorschlag, der Bundestag möge sich am 9. Juli, dem 100. Jahrestag des Endes der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, offiziell für dieses Massaker entschuldigen und sich zu diesem Völkermord bekennen. Der Bundestag hatte zuvor den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren durch das Osmanische Reich thematisiert. Das osmanische Militär war vom deutschen Kaiserreich ausgebildet worden und das Osmanische war Bündnispartner des Deutschen Reichs.

Es liegt auf der Hand, dass nun schon die ganze Zeit von weltweiten vergangenen und aktuellen Fluchtursachen die Rede ist. In der gegenwärtigen Diskussion wird ja immer wieder zu Recht betont, man dürfe nicht die Flüchtlinge, sondern man müsse die Fluchtursachen bekämpfen. Dies ist allerdings eine Aufgabe, die weit über die Tagespolitik hinausgeht. Sicherlich ist es notwendig, dass der UNHCR endlich die zugesagten Mittel zur Betreuung der Menschen in den großen Flüchtlingslagern in der Türkei, in Jordanien und im Libanon bekommt. Die faktische Verweigerung dieser Mittel durch die Geberländer und das dadurch erzwungene Hungerregime war der unmittelbare Auslöser der Zuspitzung der Flüchtlingsbewegung. Aber die Fluchtursachen gehen – wie wir gesehen haben – sehr viel weiter und tiefer. Sie haben mit der Struktur der asymmetrischen Weltwirtschaft zu tun und mit den geopolitisch angelegten Rohstoffkriegen. Dem Ruf „Schluss mit der Flüchtlingsaufnahme!“ ist die einzig realistische Position entgegenzusetzen: „Schluss mit der ungerechten Weltwirtschaft!“, „Schluss mit den Kriegen!“ Beide sind keine Naturkatastrophen, sondern von Menschenhand, von der Hand sehr reicher und mächtiger Menschen gemacht. Ganz praktisch heißt das zuallererst: „Schluss mit den Waffenexporten!“ Das gilt insbesondere auch für den wieder ansteigenden deutschen Waffenexport.

Ich zitiere jetzt einen Text – und Sie dürfen raten, von wem er stammt und von wann er ist:

„Europa und Deutschland besitzen nach wie vor eine hohe Anziehungskraft für Menschen, die ihre Heimat aufgrund von Krieg und Bürgerkrieg, Vertreibung, Verfolgung, Umweltzerstörung, Armut, Hunger oder anderen Notlagen verlassen haben, um nach besseren Lebensbedingungen zu suchen. Die innenpolitischen Folgen unkontrollierter Migration als Folge von Flüchtlingsbewegungen sind ein wachsendes Problem der europäischen Gesellschaften, deren Integrationsfähigkeit durch Ströme von Bürgerkriegsflüchtlingen, Umweltflüchtlingen, Armuts- und Wirtschaftsmigranten überfordert werden könnte. Ein wirksamer Umgang mit den Ursachen der Migration erfordert ein politikfeldübergreifendes Instrumentarium, das insbesondere bei den Migrationsgründen ansetzen und die betroffenen Staaten und Gesellschaften so stärken muss, dass sie selbst die Sicherheit, die Achtung grundlegender Menschenrechte und Entwicklungschancen für ihre Menschen gewährleisten können.“

Diese prägnanten Worte entstammen dem letzten Bundeswehr-Weißbuch von 2006. Er klingt eigentlich ganz vernünftig. Allerdings fällt auf, dass nicht von nun anstehenden gewaltigen wirtschaftlichen und politischen Umstrukturierungen die Rede ist, sondern von einem zum Einsatz zu bringenden „Instrumentarium“, dessen schärfstes eben zweifellos die Bundeswehr ist. Der Text entstammt nicht einem auch gar nicht existenten „Weißbuch Entwicklungshilfe“ oder einem ebenfalls nicht existenten „Weißbuch des Bundeswirtschaftsministeriums“.

Im 60. Jahr ihres Bestehens ist die Bundeswehr weltweite in 16 Militäreinsätzen unterwegs. Ferner ist Deutschland an der europäischen Flüchtlingsabwehrorganisation FRONTEX beteiligt. Und es gibt immer noch Waffenexporte nach Saudi-Arabien. Was es nicht gibt ist die Erreichung des Ziels, welches die Vereinten Nationen 1970 formuliert haben: Dass die Industrieländer 0,7 % ihres Bruttosozialprodukts für öffentliche Entwicklungshilfe aufwenden sollen. Die Bundesrepublik hält sich bis heute nicht daran.

Damit dieses Nachdenken über die aktuelle Flüchtlings- und Migrationsbewegung und das Gedenken an deren Todesopfer nicht allzu abstrakt endet, sei auf zwei ganz konkrete Dinge hingewiesen, die die politische Öffentlichkeit in der Bundesrepublik ganz aktuell dringend einfordern kann und muss:

  1. Dass nach 5 Jahren Stellvertreterkrieg in Syrien die beteiligten Mächte nun wirklich zusammentreten und eine politische Lösung unter Einschluss der syrischen Regierung ermöglichen bzw. erzwingen. Die Ansätze dazu gibt es. Das darf nicht scheitern.
  2. Die türkische Regierung darf nach den zweifelhaften Neuwahlen nicht neue Fluchtbewegungen auslösen, indem sie den Kurdistankonflikt erneut militarisiert, statt den jährigen Friedensverhandlungsprozess fortzusetzen. Da haben die europäischen und insbesondere die deutsche Regierung eine klare Aufgabe.

Und ganz konkret ist natürlich die Notwendigkeit, die Situation der Flüchtlinge in der Bundesrepublik, selbstverständlich auch in Mannheim Schritt für Schritt zu verbessern, professionelles Personal aufzustocken und die freiwilligen Helfer zu entlasten.

Und außerdem sind Abschiebungen keine Lösung. Das ist besonders im kommenden Winter wichtig. Sonst gibt es noch mehr Tote.




Entmilitarisierter Volkstrauertag 2015

ttr – Der Arbeitskreis Volkstrauertag, in dem u.a. DGB, VVN, DFG-VK und die Freireligiöse Gemeinde vertreten sind, widmete in diesem Jahr die Feierstunde dem Gedenken an die zu Tode gekommenen Flüchtlinge. Die TeilnehmerInnen begrüßte Lars Treusch vom DGB Region Nordbaden. Ein Grußwort der Stadt sprach in Vertretung des Oberbürgermeisters, der die Schirmherrschaft übernommen hatte, Stadtrat Wolfgang Raufelder MdL (Grüne). Die Ansprache hielt Stadtrat Thomas Trüper (LINKE) vom AK entmilitarisierter Volkstrauertag. Die musikalische Umrahmung gestalteten Gizem Gözüacik, eine junge Musikerin aus dem Umfeld der DIDF, sowie die zwei Migranten Ali Jabor und Gayo.

Der traditionelle Schweigeweg führte in diesem Jahr zum „Polenfeld“ auf dem Hauptfriedhof mit über 200 Grabstätten von im Nationalsozialismus aus Polen deportierten Menschen, die nach dem Krieg in Mannheim blieben. Dr. Stanislaus Stepien berichtete von Schicksal dieser Menschen. „Jedes 10. Grab birgt einen Menschen, der sich selbst zu Tode brachte.“ „Der Krieg ist mit dem Kriegsende für diese Menschen keineswegs zu Ende gewesen“. Viele von ihnen fanden Arbeit bei den US-Streitkräften. Die Erhaltung der Gräber ist – im Gegensatz zu Soldatengräbern – nicht gesichert.

An der KZ-Gedenkstätte erinnerte Dr. Peter Koppenhöfer an die größte Abschiebeaktion der deutschen Geschichte: Betroffen waren 1938 polnische und staatenlose JüdInnen. Wir dokumentieren den Redebeitrag.

Zum Abschluss wurde an der Soldatengedenkstätte ein blaues „Wassergrab“ symbolisiert für die Menschen, die kein Grab jemals haben werden, weil sie auf der Flucht im Meer ertrunken sind. Ein solches Schicksal wurde aus dem Roman „Gehen – ging – gegangen“ von Jenny Erpenbeck zitiert.




Flüchtlingskrise? So schaffen wir das!

DIE LINKE. Baden-Württemberg stellt Konzept vor Einleitung

PM – Man stelle sich einen Kreis aus 82 Personen vor – dann kommen zwei Personen dazu; Das wird den Kreis nicht wesentlich verändern. Genauso wenig wird der Zuzug von zwei Mio. Flüchtlingen das gesellschaftliche Gefüge hierzulande wesentlich verändern. Mit dem hier vorgestellten Konzept greift DIE LINKE den Optimismus von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf: Die Flüchtlingskrise ist von einem reichen Land wie Deutschland und erst recht von einem der reichsten Bundesländer bewältigbar. Die Verzweiflung, die vom Rest der CDU, von der FDP bis hin zu Teilen der Grünen ausgeht, zeigt, dass dieses Land eine positive, zuversichtliche und gestaltende Kraft im Landtag dringend benötigt. Mit dem folgenden Konzept zeigt DIE LINKE: So schaffen wir das in Baden-Württemberg!

Kurzfristig wirksame landespolitische Maßnahmen

Problemlage: In den Landeserstaufnahmestellen (LEA) beträgt die Verweildauer mehrere Monate bis zu 1½ Jahren. Aufgrund der lagerartigen Zuständen und der langen Verweildauer kommt es unter den Flüchtlingen zu Spannungen und Auseinandersetzungen. In dieser Zeit ist die notwendige Integration unmöglich, zumal Flüchtlinge in dieser Zeit nicht arbeiten dürfen und somit nicht für sich selbst sorgen dürfen: Bis zu ihrer Registrierung werden Flüchtlinge zu Almosenempfängern degradiert – zu Lasten des Landes, der Kreise und der Kommunen. Sie sind auf staatliche Unterstützung angewiesen und können sich kein eigenes Leben und keine eigene Zukunft in Baden-Württemberg aufbauen.

Ziel: Registrierungs- und Asylverfahren erheblich beschleunigen, Flüchtlinge rasch in den Alltag integrieren, gute Arbeits- und Lebensbedingungen ermöglichen. Forderungen und Maßnahmen:

  • Das Land Baden-Württemberg setzt sich beim Bund dafür ein, die finanzielle Unterstützung der UN-Flüchtlingslager aufzustocken, damit die Flüchtlinge wenigstens in ihrer Region bleiben können.
  • Das Land stellt so viele Mitarbeiter in den Landeserstaufnahmestellen ein, dass die Verweildauer der Flüchtlinge max. drei Wochen beträgt. Dies reduziert die Verweildauer und beschleunigt die Integration jenseits der LEA.
  • Für Flüchtlinge aus bekannten Kriegsgebieten (unsichere Herkunftsstaaten, unter anderem Syrien, Afghanistan, Irak, Eritrea machen 75% der Asylanträge in September beziehungsweise Oktober in Baden-Württemberg aus) übernimmt das Land die Anerkennung als Asylberechtigte direkt mit der Registrierung. (Muss auf Bundesebene vereinbart werden, siehe unten.)
  • Registrierte Flüchtlinge werden dezentrale untergebracht in Wohnungen, die an die örtliche Infrastruktur (z.B. ÖPNV, Schulen) angebunden sind.
  • Das Land unterstützt die vielen ehrenamtlichen Helfer, Unterstützerkreise und Flüchtlingsinitiativen personell, finanziell und sozialpädagogisch.
  • Mehr Sozialarbeiter in den Landkreisen erweitern die fachliche soziale Betreuung der Flüchtlinge: Ein Sozialarbeiter für 80 erwachsene bzw. 40 minderjährige Flüchtlinge.
  • Um Zelt- und Hallenunterbringung im Winter zu vermeiden, werden leerstehende bzw. nur teilweise genutzte Liegenschaften oder Wohnungen des Landes und der Kommunen zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt.
  • Landkreise und Kommunen bekommen die tatsächlichen Versorgungskosten für Flüchtlinge erstattet. Dies entlastet Kommunen und Kreise finanziell.
  • Hier registrierte Flüchtlinge können ihre Familie schnell und unbürokratisch nachkommen lassen. Ganze Familien integrieren sich leichter in die Gesellschaft als einsame Familienväter, die Angst um Frau und Kinder haben.
  • Alle registrierten Flüchtlinge bekommen eine Gesundheitskarte für direkte Arztbesuche. Der Umweg über das Sozialamt fällt weg, die Ämter werden entlastet.

Mittelfristig wirksame landespolitische Maßnahmen

Problemlage: Mit oder ohne Flüchtlinge gibt es in vielen Ballungsräumen viel zu wenig preiswerten Wohnraum; der Wohnungsmarkt ist schon lange extrem angespannt. Viele sozial Schwache konkurrieren um die wenigen verfügbaren Wohnungen: Das provoziert Ängste vor dem Zuzug von Flüchtlingen als weitere Wohnungskonkurrenten.

Ziel: Alle Wohnungssuchenden im Land (Einheimische und Flüchtlinge) finden eine preiswerte Wohnung, da der Wohnungsmarkt entspannt ist und Leerstand sich nicht rechnet. Es kommt nicht zu Konkurrenz um Wohnraum zwischen Flüchtlingen und anderen Wohnungssuchenden, weil kein Mangel besteht.

Forderungen und Maßnahmen:

  • Ein Wohnbauprogramm über mindestens 250 Mio. Euro.
  • Ein Drittel der neu zu bauenden Wohnungen werden als Sozialwohnungen ausgewiesen.
  • Die Landesregierung fördert den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau, z.B. durch Landesförderprogramme für kommunale Wohnungsbaugesellschaften.
  • Um den öffentlich geförderten Wohnbau besser gestalten zu können, wird eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft gegründet.

Langfristig wirksame landespolitische Maßnahmen

Problemlage: Die Bundesrepublik ist als weltweit drittgrößter Waffenexporteur maßgeblich für mehr Waffen in den Krisenregionen der Welt verantwortlich. In der Bodensee-Region sind besonders viele Rüstungsunternehmen ansässig. Von Baden-Württemberg geht Kriegsunterstützung aus.

Ziel: Die Kriegs- und Krisenregionen dieser Welt werden nicht mehr durch deutsche Waffen aufgerüstet. Weniger Waffen bedeuten weniger Fluchtursachen.

Forderungen und Maßnahmen:

  • Baden-Württemberg setzt sich bei der Bundesregierung für ein Verbot von Waffenexporten ein (siehe bundespolitische Forderungen)
  • Das Land unterstützt die lokale Rüstungsindustrie bei der Umwandlung in eine Friedensindustrie. Die Beschäftigten sollen nicht arbeitslos werden, sie sollen nur keine Waffen mehr produzieren.

Forderungen an die Bundesregierung

  • Flüchtlinge aus bekannten Kriegsgebieten (unsichere Herkunftsstaaten, wie Syrien, Afghanistan, Irak, Eritrea) werden direkt bei der Registrierung anerkannt, ohne weiteres Asylverfahren. Die notwendige Kompetenz wird vom BAMF an die Registrierungsstellen der Länder übertragen.
  • Für alle anderen Flüchtlinge dauert das Asylverfahren höchstens drei Monate (aktuell je nach Bundesland 3,3 bis 7,9 Monate, in Baden-Württemberg: 6,7 Monate).
  • Flüchtlinge haben einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt zu Tarif- und Mindestlöhnen, also ohne Lohndumping. Die Vorrangprüfung wird abgeschafft.
  • Fluchtursache Krieg wirksam verringern: Waffenexporte werden verboten. Konversionshilfen für die Rüstungsindustrie sind in der Folge nötig.
  • Fluchtursache Klimakollaps wirksam verringern: Die Bundesregierung nimmt eine Vorreiterstellung beim Klimaschutz ein.



Investitionsstau jetzt abbauen

msc – Immer mehr Menschen sind gezwungen, vor Krieg und Verfolgung nach Deutschland zu fliehen. Die Koalition streitet darüber, ob man das schaffen werde oder ob man das Asylrecht durch Obergrenzen deckeln müsse. In Tübingen hat nun der grüne Bürgermeister Palmer verlauten lassen: Nein, das schaffen wir nicht. Ist das so? Deutschland hat von den EU-Ländern die stärkste Wirtschaft, eine der organisatorisch leistungsfähigsten Verwaltungen und die Staatskassen sind, vermeintlich wegen der „schwarzen Null“, gut gefüllt.

Vergessen wird dabei aber gerne, dass die Politik der „schwarzen Null“ zu Lasten der Investitionen geht. Sei es in der Verkehrsinfrastruktur, bei der Bildung oder in den Krankenhäusern – in Deutschland verzeichnen wir inzwischen einen Investitionsstau in Milliardenhöhe. Gerade im Bereich bezahlbaren Wohnraums haben wir enormen Nachholbedarf. In Ballungszentren wie Stuttgart, München oder Berlin steigen die Mieten rasant an. Selbst für Durchschnittsverdienende werden die Mieten immer mehr zu einer Herausforderung. Menschen mit geringem Einkommen hingegen haben oft keine andere Möglichkeit, als an die Stadtränder zu ziehen. Segregation ist also längst Realität. Wenn der Bund den Ländern nun zusätzliche 500 Millionen Euro für den Wohnungsbau in Aussicht stellt, ist das angesichts des derzeitigen Rückstands eher ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Prekäre Beschäftigung stoppen

Auch auf dem Arbeitsmarkt sieht die Situation nicht besser aus. Inzwischen arbeitet nahezu ein Viertel aller Arbeitnehmer in Deutschland im Niedriglohnbereich, Tendenz steigend. Dieser ausufernde Niedriglohnsektor führt zu einem stetigem Lohndruck nach unten für alle Beschäftigten. Doch gerade über Arbeit funktioniert Integration am besten. Umso wichtiger ist es, dass Flüchtlinge nicht zur Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse, zum Beispiel durch Sperrklauseln für den Mindestlohn, missbraucht werden. Auch an Krankenhäuser, Schulen, Kinderbetreuung – überall wird gespart. Die Folge sind Personalmangel, zerfallende Infrastruktur und steigende Kosten für öffentliche Dienstleistungen.

Seit Jahren gehen die Investitionen in Deutschlands Infrastruktur kontinuierlich zurück. Ebenso wie Menschen mit geringen oder keinem Einkommen sind auch Flüchtlinge auf eine gute Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen angewiesen. Ohne eine sofortige Kehrtwende in der Politik und die Auflösung des Investitionsstaus sind Versorgungsprobleme vorprogrammiert. Nun entscheidet sich, ob wir die Integration als Chance, auch für einen Wachstumsschub, nutzen. Oder ob wir durch das Fortführen der Versäumnisse der letzten Jahre den bereits jetzt vorhandenen Druck auf Wohnungen, Arbeitsplätze und der Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen weiter verstärken.

Reiche und Superreiche zur Finanzierung des Gemeinwohls heranziehen

Dabei wäre es in der jetzigen Niedrigzinsphase ein Leichtes, diesen Investitionsstau so günstig wie nie abzubauen. Außerdem wird es höchste Zeit, dass auch die Reichen und Superreichen endlich zur Finanzierung des Gemeinwohls herangezogen werden. Es kann doch nicht sein, dass Kommunen sich überlegen müssen, ob sie das kommunale Schwimmbad oder dringend notwendige Integrationsangebote finanzieren, weil beides halt einfach nicht geht. Deswegen streitet DIE LINKE für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer in Form einer Millionärssteuer, die Vermögen über einer Million Euro mit fünf Prozent besteuert. Auch eine Reform der Erbschaftssteuer ist dringend angesagt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum große Erbschaften, also leistungsloses Vermögen, nicht auch entsprechend besteuert werden soll. Zudem würde die Erbschaftssteuer direkt den Ländern zugutekommen.

Pegida, AfD und Co. ziehen nach wie vor durch die Straßen und befeuern Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, indem sie versuchen, Menschen mit geringem Einkommen gegen die Flüchtlinge aufzubringen. Dieser „Neiddebatte“ können wir wirksam entgegengehen, wenn jetzt gehandelt wird. Bezahlbarer Wohnraum und gute Arbeitsplätze, von denen man leben kann. Ein gutes und nachhaltig finanziertes Angebot öffentlicher Dienstleistungen. Nur wenn wir bessere Perspektiven schaffen, für Flüchtlinge, aber auch für Menschen mit geringem Einkommen, können wir den rassistischen Hetztiraden entgegen treten. Die Alternative besteht darin, gute Arbeits- und Lebensbedingungen für alle Menschen zu schaffen.