Proteste gegen den Neujahrsempfang der AfD im Bürgersaal Rheinau [mit Video]

Erneut hatte der Mannheimer Kreisverband der AfD in den Bürgersaal Rheinau eingeladen und erneut gab es Proteste in Mannheims südlichsten Stadtteil. Das Offene Antifaschistische Treffen hatte zur Kundgebung gegen den Neujahrsempfang der faschistischen Partei mobilisiert. Zahlreiche Antifaschist*innen aus der ganzen Region, das Bündnis Mannheim gegen Rechts und viele Rheinauer Bürger*innen schlossen sich dem Protest an. Davor gab es zudem ein Treffen von Menschen im Stadtteil mit dem Motto „Sag ja zu einer bunten Rheinau“, das von Quartiersmanagement, Kirchen und Vereinen unterstützt wurde. Im folgenden dokumentieren wir den Bericht des Offenen Antifaschistischen Treffen Mannheim. (red)

Videobeitrag bei Youtube https://youtu.be/q4Gwb4NPPMI

600 Personen bei Protest gegen AfD Empfang

Vergangenen Samstag, den 18.01., sind wir als Offenes Antifaschistisches Treffen Mannheim auf die Rheinau gefahren, da der AfD Kreisverband Mannheim zum Neujahrsempfang geladen hatte – natürlich nicht ohne unseren Gegenprotest.

Die Veranstaltung der Partei fand erneut im Rheinauer Bürgersaal statt. Obwohl wir schon im letzten Jahr lautstark bei den zahlreichen AfD Veranstaltung protestierten, darf diese weiter die Räumlichkeiten nutzen. Einer gemeinsamen Anreise des OAT Mannheim schlossen sich auch Heidelberger, Landauer, Ludwigshafener und Wieslocher Antifaschist:innen an, sodass bereits 200 Personen mit einer kämpferischen Spontandemonstration vom Rheinauer Bahnhof zum Versammlungsort zogen und dort Stellung an den Gittern bezogen. Das dazugehörige Polizeiaufgebot war wieder unverhältnismäßig hoch.

Eine kleine Gruppe rechtsradikaler Protestler:innen, welche eine Gegenveranstaltung unserer Gegenveranstaltung angemeldet hatten, brachten gerade einmal sechs Personen mit zwei Plakaten auf die Straße.

Unter ihnen: Die Mannheimer AfDler Edgar Baumeister und Rainer Kopp, die kurz vor Beginn des Empfangs mit ihren Unterstützer:innen im Gebäude verschwanden.

Sie erreichten damit dennoch ihr Ziel: das noch weiträumigere abgittern des Veranstaltungsortes. Das Verhindern, Hinauszögern und Blockieren des Neujahresauftakts der AfD war damit zu einer Unmöglichkeit geworden – eine bekannte Taktik.

Ihnen gegenüber standen mehr als 600 Personen. Die zahlreichen Antifaschist:innen, unterstützt von vielen weiteren Gruppen, Initiativen und Rheinauer Bürger:innen quittierten jede Ankunft der AfDler:innen ununterbrochen mit Lärm und lautstarken Parolen. Gemeinsam haben wir erneut klargemacht, dass die AfD nirgendwo in Mannheim willkommen ist!

Untermauert wurde unser Gegenprotest von verschiedenen Redebeiträgen, unter anderem von OAT und ISK, in denen neben einer Betrachtung der aktuellen Verhältnisse sowie eines Aufrufs zu antifaschistischer Organisierung, auch Bezug auf die aktuelle OAT-Kampagne „Tu was!“ genommen wurde.

Diese adressiert neben AfD und rechter Politik auch die zugrundeliegenden Ursachen und will die Notwendigkeit einer linken Gegenmacht aufzeigen. Informationen gibt auf den Social-Media-Kanälen des OATs sowie unter oatma.de/bundestagswahl-2025. Unsere Inhalte erhielten vor Ort viel Zuspruch.

Der Protest endete nach einer Demonstration, welcher sich knapp 300 Leute anschlossen, am Bahnhof Rheinau.

Der Gegenprotest war erneut ein Erfolg, auch wenn er durch die massive Polizeipräsenz erneut eingeschränkt wurde. Dass sich dennoch – und auch trotz der niedrigen Temperaturen – viele Menschen unserer Veranstaltung anschlossen, zeigt: Wir und viele weitere sind auch weiterhin entschlossen, die Rechtsentwicklung nicht hinzunehmen – weder in Mannheim noch sonst wo!

Offenes Antifaschistisches Treffen Mannheim

 

Bildergalerie zu den Protesten in Rheinau




Kommentar: „Halbherzige Umbenennung der Rheinauer Straßennamen“

Straßenumbenennung Rheinau Süd | Bild: Stadt Mannheim

Leserbrief zum Thema Straßenumbenennung in Mannheim-Rheinau

Laut Mannheimer Morgen wurde der Vorstoß des AFD-Stadtrates Finkler, die Umbenennung von Straßen in Rheinau Süd, die in der Nazizeit nach sog. Kolonialpionieren benannt worden waren, laut beklatscht. Dies sei eine „Riesensauerei“, von „ideologisch gesteuerten Menschen“ in Gang gesetzt.

Die AFD lehnt in ihren Programmen Straßenumbenennungen und „Entkolonialisierung“ als „„antiweißen“ Affekt“ ab. Sie wehrt sich gegen „Schuld- und Schamkultur“ bzgl. der Kolonialverbrechen. Die Ermordung von zehntausenden Menschen in bspw. Namibia und Ostafrika, Zwangsarbeit und Prügelstrafen, Landraub, Raub von Bodenschätzen und Kulturgütern in der Deutschen Kolonialzeit sieht sie in ihrer Tradition von völkischer Politik „differenziert“.

Der Widerstand dieser Geschichtsrevisionisten gegen die Umbenennung der Straßennamen ist also Programm.

Erstaunlicher erscheint, dass im Rheinauer Bezirksbeirat auch von anderer Seite dem Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim vorgeworfen wird, er sei „ideologisch“ – wie immer das gemeint ist. Ist es nicht ‚ideologisch‘ eine Straße lieber wieder nach einem Kolonialisten oder nach Isabelle Eberhardt einer mehr als zweifelhaften Persönlichkeit zu benennen, als nach der weltweit geehrten Umweltaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Maathai, nur damit partout keine Straßen nach afrikanischen Menschen geehrt werden? Der AK Kolonialgeschichte Mannheim und andere haben die Verstrickung von Mannheimer Persönlichkeiten und Institutionen in Kolonialverbrechen nachgewiesen. Mit den Folgen leben die Nachkommen in den ehemaligen Kolonien bis heute, nicht wenige sind immer noch landlos.

Andere Städte, die durch koloniale Ausbeutung reich geworden sind wie Hamburg, Bremen, Köln oder Hannover, arbeiten ihre Kolonialgeschichte auf. Sie gründen bspw. Beiräte und entwickeln Konzepte zur Aufarbeitung der Kolonialverbrechen, die auf Rassismus gegründet waren.

Die Aufarbeitung der Kolonialen Verantwortung der Stadt Mannheim ist mit der halbherzigen Umbenennung der Rheinauer Straßennamen noch lange nicht abgeschlossen. Im Gegenteil. Der Ausgang der Wahlen zeigt: Übernahme von Positionen der Rechten wird nicht honoriert. Höhnisch zitierte die AFD auf der Kundgebung am Paradeplatz Kanzler Scholz zur Abschiebung von Geflüchteten. Solidarisches Handeln und klare Positionen gegen Rassisten sind so dringlich wie lange nicht. Auch, aber nicht nur bei der Umbenennung von Straßennamen.

Margarete Würstlin


Zum Kontext: Pressemitteilung der Stadt Mannheim, Politik & Verwaltung – 11.07.2024

Beschluss für Straßenumbenennung Rheinau

Mit großer Mehrheit hat der Gemeinderat die Umbenennung von vier Straßen im Stadtteil Rheinau beschlossen. Damit geht ein breit angelegter Prozess zu Ende, der mehr als zwei Jahre andauerte und an dem alle Mannheimerinnen und Mannheimer beteiligt wurden.

Die Gustav-Nachtigal-Straße wird in Marco-Polo-Straße umbenannt.

Die Leutweinstraße wird in Ida-Pfeiffer-Straße umbenannt.

Die Lüderitzstraße wird in Neumayerstraße umbenannt.

Der Sven-Hedin-Weg wird in Isabelle-Eberhardt-Straße umbenannt.

Die neuen Benennungen haben ihre Gültigkeit zum nächsten Quartalsbeginn, welches drei Monate nach Bestandskraft des Beschlusses folgt. Dies ist der 01.01.2025, soweit kein Widerspruch eingelegt wird. Die aufgrund der Umbenennung notwendigen Adressenänderungen werden für die Betroffenen kostenfrei sein. Der Hauptausschuss hat sich zudem positiv darüber ausgesprochen, dass Gewerbeleute und freiberuflich Tätige eine Unterstützungsleistung in Höhe von 500 Euro erhalten. Die Entscheidung trifft der neue Gemeinderat in seiner ersten Sitzung am 23. Juli.

Den Grundsatzbeschluss der Umbenennung hatte der Gemeinderat im Februar 2022 gefasst. Die neue Namensgebung wurde in einem mehrstufigen Bürgerbeteiligungsprozess vorbereitet. Im März dieses Jahres konnten alle Mannheimerinnen und Mannheimer zwei Wochen lang aus 18 geprüften Vorschlägen ihre Favoriten für die neuen Straßennamen bestimmen. Insgesamt 3.377 gültige Stimmen gingen ein, davon kamen 27,5 Prozent aus dem betroffenen Stadtteil Rheinau-Süd.  Die vier Namen mit den meisten Stimmen deckten sich mit den favorisierten Vorschlägen der Siedlergemeinschaft: Marco Polo, Ida Pfeiffer, Georg Balthasar Neumayer und Isabelle Eberhardt. Das Ergebnis wurde dem Bezirksbeirat Rheinau am 12. Juni vorgestellt und dort einstimmig befürwortet. Der vollständige Prozess ist unter www.mannheim-gemeinsam-gestalten.de/dialoge/strassennamen-rheinau-sued abgebildet.

Stadt Mannheim




Aktionsvielfalt gegen Rechts: Infostände, Demo und Protest gegen AfD Veranstaltung

Bündnisdemonstration am 16. März

Zu einem vielfältigen Aktionstag hatte das Bündnis Mannheim gegen Rechts am Samstag, 16. März aufgerufen. Vormittags gab es Infostände, am Nachmittag eine Demo und abends wurde gegen eine AfD Veranstaltung auf der Rheinau protestiert. Mehr als 30 Organisationen hatten sich beteiligt, an der Demo nahmen 1500 Menschen teil. Am Rande kam es wieder einmal zu einer Störaktion der Gruppe „Free Palestine“. Der Aktionstag war Auftakt einer Kampagne zu den Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni.

 

„Markt der Vielfalt“: Infostände von mehr als 30 Organisationen

Übersichtskarte der Infostände

Am Vormittag hatte das Bündnis eine große Zahl von Infoständen koordiniert, die über die Innenstadt und den Jungbusch an verschiedenen Orten aufgebaut waren. Am Paradeplatz hatten beispielsweise DGB, Mannheim sagt Ja, Die Falken, Stadtjugendring, DIG und die SPD ihre Stände aufgebaut. Am Ende der Planken gab es eine Kooperation von Migrationsbeirat, Deutsch-Türkisches-Institut, weact und Fridays for Future, am Neckartor standen NaturFreunde und Klimaliste, rund um den Marktplatz AK Kolonialgeschichte, Grüne, VVN und Aufstehen gegen Rassismus und im Jungbusch informierten ASV, OAT und Rote Hilfe. Auch Organisationen, die (noch) nicht Teil des Bündnisses sind, hatten den Aktionstag unterstützt.

Die Infostände waren nicht zu übersehen und neben vielen interessierten Menschen, gab es auch den einen oder anderen AfD-Anhänger, der sich lautstark über den „Markt der Vielfalt“ ärgerte.

Einige Infostände vom „Markt der Vielfalt“ | Bilder: MGR

 

Bündnisdemonstration zum Alten Messplatz

Gegen 14 Uhr machten sich die im Jungbusch versammelten Menschen mit einer kleinen Demonstration und ihrem Lautsprecherwagen auf den Weg zum Paradeplatz. Dort war Treffpunkt aller am Aktionstag beteiligten zur gemeinsamen Kundgebung.

In der Rede von Mannheim gegen Rechts wurde der Aktionstag eingeordnet in die Internationalen Wochen gegen Rassismus mit dem Motto „Menschenrechte für alle“. Mannheim als Einwanderungsstadt („Wir kommen seit 1607 von überall her!“) müsse seine Vielfalt und das friedliche Zusammenleben der Menschen verteidigen. „Das Weltbild der extrem Rechten und der AfD ist menschenfeindlich und verlogen. Die AfD ist keine Alternative, sondern die Zerstörung unserer Demokratie.“ Daher rufe man nicht nur zur Demo in der Innenstadt auf, sondern auch zur abendlichen Protestkundgebung gegen eine AfD Veranstaltung auf der Rheinau.

Ein weiterer Redebeitrag des Queeren Zentrums Mannheim kündigte an, in diesem Jahr aufgrund der politischen Lage den CSD unter einem Motto gegen rechts zu veranstalten: „Zusammen eins – intersektional. antifaschistisch. Queer.“

Die Demonstration setzte sich nach den Redebeiträgen in Bewegung und zog durch die Breite Straße in Richtung Neckarstadt. Die „Politiker-Reihe“ ganz vorne trug das Banner „Nie wieder ist jetzt“ vom 27. Januar. Der vordere Teil der Demo zog sehr ruhig durch die Stadt. Weiter hinten, wo auch viele jüngere Menschen liefen, wurde es lauter und die Performance des Deutsch-Türkischen-Instituts und der Lautsprecherwagen des ASV sorgten dafür, dass es kein Schweigemarsch wurde.

Etwas mehr organisatorische Diversität hätte der ersten Reihe sicher gut getan

 

 

Und wieder Störung mit Ansage durch „Free Palestine“

Nach den Erfahrungen vom 27. Januar und entsprechenden Aufrufen im Internet war erneut mit einem Störungsversuch durch die Gruppe „Free Palestine“ gerechnet worden. Damals hatte sie versucht, die Kundgebung gegen rechts für den Protest gegen den Gaza Krieg zu instrumentalisieren. Es gab Beschimpfungen und Provokationen von verschiedenen Seiten, was Störungen und unschönen Szenen zur Folge hatte. Vor dem 16. März hatte „Free Palestine“ über social media dazu aufgerufen, gegen die „pseudo Antirassismus Demo“ (gemeint war die Demo von Mannheim gegen Rechts) Flagge zu zeigen.

Das Bündnis Mannheim gegen Rechts hatte sich vorab mit einer Stellungnahme positioniert, die vor Ort noch einmal von der Bühne verlesen wurde:

„Wir wenden uns zu aller erst gegen die empörenden Deportationspläne, die extrem rechte Kreise – darunter die AfD – im Schilde führen. Wir verurteilen auch die antimuslimische Hetze, die antisemitische Hetze oder die Hetze gegen Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe. Diese Vielschichtigkeit zeigt, dass keine nationalistischen Lösungen zum Ziel führen. Und aus dieser Grundüberzeugung rufen wir auch im Bewusstsein der aktuellen Kriegssituationen dazu auf, in der Demonstration auf nationale Flaggen, Symbole oder nationalistische Parolen zu verzichten. Denn nur Solidarität eint uns!“

„Free Palestine“ mit ihren Fahnen am Paradeplatz

Diesem Aufruf verweigerte sich die Gruppe „Free Palestine“ und lief mit palästinensischen Nationalfahnen ein. Sie wurden von Ordner*innen angesprochen, die ihnen die Lage noch einmal erläuterten: Ja, natürlich dürfen Palästinenser*innen teilnehmen, aber ohne Nationalfahnen – wie alle anderen auch. Es kam zu den erwartbaren Diskussionen, Geschrei und Provokationen. Die Polizei war dieses mal schnell vor Ort und verwies die Gruppe um „Free Palestine“ von der Veranstaltung, um weitere Eskalationen zu vermeiden. Die Polizei genehmigte ihnen eine Art „Gegenveranstaltung“ auf der anderen Straßenseite. Diese zogen sie auch beharrlich mit Beschimpfungen über Megafon durch und liefen sogar bis zum Alten Messplatz in die Neckarstadt mit. Die meisten Teilnehmer*innen der Demo schüttelten über diesen Auftritt nur den Kopf.

Über die Parteinahme in einem militärischen Konflikt – für die eine oder andere Seite – wird es keinen Aktionskonsens im Bündnis gegen Rechts geben, schon gar nicht, wenn er von außen aufgezwungen werden soll. So wichtig die Diskussionen über Krieg und Frieden auch sind, müssen sie an anderer Stelle geführt werden.

Demonstration auf dem Weg zum Alten Messplatz

 

 

 

Protest zieht weiter nach Rheinau zur AfD Veranstaltung

Nach dem Ende der Bündnisdemonstration auf dem Alten Messplatz rief das Offene Antifaschistische Treffen Mannheim (OAT) zum Protest gegen eine AfD Veranstaltung im Bürgerhaus Rheinau auf. Dorthin hatte die AfD Landtagsfraktion mit ihren Abgeordneten Anton Baron, Daniel Lindenschmid und Carola Wolle eingeladen.

Das Bürgerhaus Rheinau ist zum „Stammlokal“ der AfD geworden, seit es mit Frau Winterkorn einen neuen Vorstand im verantwortlichen Bürgerverein gibt. Bei einer Veranstaltung im Januar gab es bereits Proteste, die für AfD Mitglieder und Besucher*innen ihrer Veranstaltung ziemlich unangenehm waren.

Demo vom Bahnhof Rheinau zum Bürgerhaus

Diesmal hatte die Polizei das Bürgerhaus weiträumiger abgesperrt. AfD Stadtrat Rüdiger Ernst bedankte sich bei der Polizei, dass sie die Kundgebung weiter weg verlegt hatte. Sein Stadtratskollege Jörg Finkler habe sich erfolgreich bei Polizei und Oberbürgermeister beschwert, die nun für eine störungsfreie Veranstaltung gesorgt hätten.

Mit einer Kundgebung auf der anderen Straßenseite protestierte das OAT mit Unterstützung von Rheinauer Bürger*innen eine Stunde lang vor Beginn des AfD „Bürgerdialogs“. Es kamen weniger Menschen, als zur Kundgebung im Januar. Nach der Rede des OAT stellte eine Vertreterin der Initiative Soziale Kämpfe in ihrem Beitrag klar, dass die AfD keine Partei für die „kleinen Leute“ ist, sondern Interessenvertretung des Kapitals und ihre Propaganda darauf aufbaut, Sündenböcke für Probleme zu erfinden, die kapitalistische Ausbeutungsverhältnisse mit sich bringen.

Die Kundgebung endete um kurz nach 19 Uhr und damit für viele ein langer Aktionstag gegen rechts.

 

Kampagne bis zu den Wahlen

Webseite „Aktionen für Demokratie“ – AfD Rhein-Neckar

Knapp drei Monate vor den Kommunal- und Europawahlen war der Aktionstag Auftakt zu einer vielschichtigen Kampagne gegen rechts. Am Wochenende ging eine neue Webseite online „Aktionen für Demokratie“, die zu weiteren Aktionen in den kommenden Wochen aufruft. Viele zivilgesellschaftliche Vereine und Initiativen haben ihr Bewusstsein geschärft und den Kampf gegen rechts zum Teil ihres Engagements gemacht – aus eigenem Interesse. Migrant*innenorganisationen rufen beispielsweise zur Teilnahme an den Kommunalwahlen auf, Arbeitnehmerverbände und Gewerkschaften informieren über die neoliberale Arbeits- und Wirtschaftspolitik der AfD, Umwelt- und Klimainitiativen sind sich bewusst, dass die AfD Probleme verleugnet und Krisen massiv verschärfen würde. Parteien vom bürgerlichen bis zum linken Lager verhandeln darüber, wie die AfD von politischer Macht ausgeschlossen werden kann. Vielen ist klar geworden: ein neues 1933 darf es nicht geben. Wenn die Faschisten erst an der Macht sind, werden die demokratischen Errungenschaften zerstört. Dann ist es zu spät. (cki)

 

 




Straßenumbenennung in Rheinau-Süd: Empörung über „entdemokratisierendes Verfahren“

Vorauswahl alleine durch Bewohner:innen aus Rheinau-Süd?

Nach dem Willen der BASF-Siedlergmeinschaft Rheinau-Süd soll es keine Straßennamen mit Bezug zu den deutschen Kolonien in Afrika geben. Dem kommt die Mannheimer Stadtverwaltung mit einem aktuellen Beschlussantrag entgegen. Er sieht vor, dass im ersten Schritt die Einwohnerschaft von Rheinau-Süd aus der Vorschlagliste von 18 Personen eine „Shortlist“ mit 8 Personen erstellt. Darin sollen die beiden Frauen mit den meisten Stimmen „gesetzt“ sein. In Rheinau-Süd rührt die Siedlergemeinschaft die Werbetrommel und kann erreichen, dass die Vorschläge des AK Kolonialgeschichte entfallen. Alle anderen Mannheimer:innen sollen nur noch aus dieser „Shortlist“ auswählen können.

Der größte Teil der Bewohnerschaft von Rheinau-Süd wohnt nicht in den betroffenen Straßen, hat also keinen größeren Bezug zu der Straßenumbenennung als andere MannheimerInnen. Trotzdem wird ihnen ein Sonderrecht zugestanden. Das stößt die bisher 17 Mannheimer Vereine, Gewerkschaften und Initiativen und 239 Einzelpersonen, die den Aufruf des AK Kolonialgeschichte unterzeichnet haben, ebenso vor den Kopf wie alle Mannheimer:innen, die im Beteiligungsverfahren Vorschläge eingereicht haben.

Der Hauptausschuss des Mannheimer Gemeinderats berät den Beschlussantrag am Dienstag, 30. Januar 2024 in der Zeit von 16:30 bis 19 Uhr im Ratssaal, Stadthaus N1. Der AK Kolonialgeschichte wird die Stadträt:innen zu Beginn mit Plakaten begrüßen – Unterstützende sind willkommen.

Stellungnahme des AK Kolonialgeschichte Mannheim

Der Arbeitskreis Kolonialgeschichte ist empört über den Versuch, das Verfahren zur Namensfindung zu entdemokratisieren. Die Bewohner*innen des Stadtteils Rheinau-Süd sollen das Recht bekommen, aus der Liste der Namensvorschläge mehr als die Hälfte zu streichen bevor andere Mannheimer:innen darüber abstimmen können. Eine sogenannte Shortlist soll dazu führen, dass 10 von den 18 geprüften Vorschlägen auf der Liste nicht berücksichtigt werden. Die Vorschlagsliste ist aus den eingereichten Vorschlägen aus der gesamten Mannheimer Bevölkerung entstanden.

Der Gemeinderat hat im Feb 2022 das Verfahren klar geregelt. Nur die AfD hat damals dagegen gestimmt. Nach diesem Beschluss wird das Meinungsbild im gesamten Stadtgebiet erhoben,
wobei das Meinungsbild von Rheinau-Süd separat ausgewiesen wird. Die Verwaltung bezeichnet die „Shortlist“ und das Sonderrecht von Rheinau-Süd als Anpassung des bestehenden Gemeinderatsbeschlusses „infolge von Diskussionen in der Stadtgesellschaft“ und als Kompromissvorschlag, der „allen Seiten weitgehend gerecht“ werde und die besondere
Betroffenheit der Anwohnenden der Straßen berücksichtige.

Tatsächlich ist der Beschlussantrag, der die Idee von drei gleichlautenden Anträgen von FDP, ML und CDU aufnimmt, vor allem dazu geeignet, der Stadtgesellschaft als Ganzes die Möglichkeit
demokratischer Einflussnahme zu entziehen und Diskussionen über die rassistischen und kolonialistischen Verflechtungen Mannheims zu unterdrücken.

Der Stadtteil Rheinau-Süd besteht nicht nur aus den Anwohnenden der betroffenen Straßen. Der größte Teil der Bewohnerschaft von Rheinau-Süd wohnt nicht in den betroffenen Straßen, hat also keinen größeren Bezug zu der Straßenumbenennung als andere MannheimerInnen. Trotzdem wird ihnen ein Sonderrecht zugestanden.

Wem kommt der Vorschlag entgegen, dass zehn Namensvorschläge in Rheinau-Süd aussortiert werden können?

Im MM vom 20.4.23 wird der Vorsitzende der im Stadtteil gut vernetzten BASF-Siedlergemeinschaft („fast 300 Mitglieder“) zitiert: „Wenn es keine Seen sein können, dann können es aber auch
keine Widerstandskämpfer sein“ Auf ihrer Homepage erklärt die BASF-Siedlergemeinschaft in ihrer Stellungnahme vom Mai 2023, dass sie von den Vorschlägen des AK Kolonialgeschichte mit „Protagonisten des antikolonialen Widerstands in Kamerun, Sänger, Dichter und andere Widerstandskämpfer… die Nase voll“ habe.

Damit drückt die Siedlergemeinschaft deutlich aus, dass sie eine Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte aus politischen Gründen ablehnt. Sie hat im Stadtteil Einfluss genug, um durch
die Propagierung bestimmter Namen zu erreichen, dass die vier Vorschläge des AK Kolonialgeschichte aus der „Shortlist“ entfallen.

Die vom AK Kolonialgeschichte vorgeschlagenen Namen kommen aus einem international geführten Diskussionsprozess und wurden in Mannheim mit vielen Menschen diskutiert. Für die Vorschläge haben sich bisher 17 Mannheimer Vereine, Gewerkschaften und Initiativen und 239 Einzelpersonen ausgesprochen. Das ist ebenso ein relevanter Teil der Mannheimer Stadtgesellschaft. Ihn stößt der Beschlussentwurf vor den Kopf.

Worum geht es dem AK-Kolonialgeschichte Mannheim?

Er will „klare Signale gegen Rassismus und für ein Zusammenleben in Vielfalt“ setzen. Anstelle der Kolonialisten sollen Personen geehrt werden, die sich gegen Rassismus, für Frauenrechte, für
Umwelt- und Klimaschutz sowie für globale Gerechtigkeit eingesetzt haben, und deswegen Vorbilder sind. Mannheim ist eine Zuwanderungsstadt, in der Menschen aus der ganzen Welt
leben. Straßennamen sollen diese Vielfalt abbilden und auch Zugewanderten öffentliche Bezugspunkte bieten.

Der Arbeitskreis bezieht sich auf die Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt und folgt den Empfehlungen des von der Stadt beauftragten historischen Gutachtens. Der AK Kolonialgeschichte spricht sich dafür aus, dass der Gemeinderat zu seinem Beschluss vom Februar 2023 steht und dass das gesamtstädtische Beteiligungsverfahren in der angekündigten Zeit und in seiner vorgesehenen Form zu Ende geführt wird.

AK Kolonialgeschichte Mannheim | https://kolonialgeschichtema.com

 




Mannheim: Breiter Protest gegen AfD Veranstaltung im Nachbarschaftshaus Rheinau [mit Bildergalerie und Video]

Am 12. Januar hatte die AfD zum ersten mal das Nachbarschaftshaus Rheinau für eine Veranstaltung angemietet. Martin Hess (MdB) referierte auf Einladung des AfD Kreisverband Mannheim zum Thema „Innere Sicherheit“.

Gegen die Veranstaltung organisierte sich Protest aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Rheinauer*innen protestierten gegen die Nutzung ihres Bürgerhauses durch die faschistische Partei, antifaschistische Initiativen organisierten eine Gegenkundgebung und die Stadt distanzierte sich deutlich von der AfD Veranstaltung in ihren Räumen.

Videobeitrag bei Youtube: https://youtu.be/ptULX8Vs5cw

Im Spießrutenlauf zur AfD

300 bis 400 Menschen dürften es gewesen sein, die sich vor Beginn der Veranstaltung am Rheinauer Ring versammelt hatten. Einige kamen als Demonstrationszug bei der Kundgebung an und brachten gute Stimmung mit. Eine Stunde lang, vor dem offiziellen Beginn der AfD Veranstaltung, wurde der Eingangsbereich vor dem Nachbarschaftshaus belagert – sehr zum Ärger der Rechten.

Die große Menge der Gegendemonstrant*innen, die sich mit ihren Bannern vor dem Eingang zum Nachbarschaftshaus aufstellten, hatte zur Folge, dass die einzeln ankommenden AfD-Anhänger*innen durch ein Spalier laufen mussten und ausgebuht wurden. „Nazis raus“ und „Alle zusammen gegen den Faschismus“ mussten sich die meist älteren Herren anhören. Manche versuchten stattdessen unauffällig durch die Büsche zu kommen, einer stolperte unter großen Gelächter über seine eigenen Füße.

Über die Straßenkreuzung hallten die Redebeiträge der teilnehmenden Organisationen, darunter das Offene Antifaschistische Treffen (OAT), die VVN-BdA, die Initiative Soziale Kämpfe, die Interventionistische Linke und der Aktivist Richard Brox.

„Man kann sich leicht vorstellen, was heute Abend unter dem Stichwort „Innere Sicherheit“ verhandelt wird. Rassismus gegenüber „Fremden“ und vor allem migrantischen Jugendlichen, Abscheu gegenüber Armen und Obdachlosen, Wegsperrbestrebungen gegenüber psychisch kranken Personen“ kommentierte das OAT die Veranstaltung mit dem Referenten Martin Hess, den die AfD als ehemaligen Polizeihauptkommisar präsentierte.

Nachbarschaftshaus Rheinau – Verwechslungen um den Veranstaltungsort

Verwirrung hab es um den Veranstaltungsort. Das Nachbarschaftshaus Rheinau ist ein städtisches Gebäude, in dem ein Jugendhaus und ein Elternkindzentrum untergebracht ist. Mitarbeiter*innen der Einrichtung und städtische Verantwortliche waren entsetzt über die Veranstaltung, richtet sich die AfD doch gegen die Bemühungen, die dort angestellt werden: die Integration der im Stadtteil lebenden Menschen, die Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Menschen aller Nationen und Kulturen und das Hochhalten gesellschaftlicher Diversität.

Der Versammlungssaal des Bürgerhauses ist unter dem selben Dach, hat formal aber nichts mit Jugendhaus und Elternkindzentrum zu tun. Die Vermietung des Versammlungssaals ist Aufgabe des Freien Trägers Verein Mannheim-Rheinau e.V.

So kam es, dass sich die Stadt mit einer Erklärung von der AfD Veranstaltung distanzierte und Kinder und Jugendliche aus dem Jugendhaus Bilder und Statements gegen Rassismus in die Fenster hängten. Direkt neben dem Eingang zur AfD Veranstaltung projizierten städtische Mitarbeiter*innen Botschaften an die Wand, die dem rassistischen Programm der AfD widersprachen: Die Erklärung des Mannheimer Bündnis für ein Zusammenleben in Vielfalt, die UN Kinderrechtskonvention und Statements aus dem Jugendhaus, zum Beispiel „Diversität ist eine Bereicherung. Wir alle profitieren von unseren Unterschiedlichkeiten.“

Offenbar gute Zusammenarbeit zwischen AfD und neuem Trägervereinsvorstand

Rüdiger Ernst (AfD Stadtrat) bedankte sich zu Beginn der Veranstaltung ausdrücklich bei Elvira Winterkorn, die zusammen mit Heike Carlucci den Vorstand des Trägervereins des Bürgerhauses bildet, für deren Engagement und Unterstützung. Die beiden Frauen sind seit einiger Zeit die Vorsitzenden und damit verantwortlich für die Überlassung des Veranstaltungssaals.

Die Vermietung der städtischen Bürgerhäuser an die AfD ist nicht unumstritten. Die Stadt hat ihre Bürgerhäuser zur Verwaltung an Freie Träger abgegeben und ist damit aus der direkten Verantwortung heraus. Dennoch hat die Stadt bereits vor einigen Jahren die Trägervereine dazu aufgefordert, an „alle“ Parteien zu vermieten, die nicht verboten sind. Das ist bei den Trägervereinen umstritten. Einige weigern sich weiterhin, an die faschistische Partei zu vermieten.

Drinnen im Saal: Populismus und Rassismus

Die AfD Mannheim nutzte die Veranstaltung, um für die Kommunalwahl 2024 zu werben. Rüdiger Ernst, Kandidat auf Listenplatz 1, eröffnete die Veranstaltung und stellte sich und die weiteren Kandidat*innen bis Platz 10 vor, von denen bis auf zwei alle anwesend waren.

Mit vielen Zahlen, Statistiken und den bekannten populistischen Argumentationsmustern stellte Hauptreferent Martin Hess seine Sicht der politischen Lage dar. Migration wird als Ursache gesellschaftlicher Probleme angesehen. Politisch verantwortlich seien die „Altparteien“, aktuell die Ampel-Regierung. Sie wolle dem Volk mit Hilfe der von ihnen kontrollierten Medien ihre Ideologie verkaufen. Aber bei den „mündigen Bürgern“ (soll heißen den AfD Anhänger*innen) funktioniere das nicht mehr. Als Beleg bringt Hess die Bauernproteste und die Diskussion um die Personalie Aiwanger.

Zur aktuellen Diskussion um ein Treffen von hohen AfD Funktionären mit Vertreter*innen von „Identitären“, Werte Union und vermögenden rechtsextremen Unternehmern, bei dem es um die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland aufgrund von rassistischen Kriterien ging, folgte Hess seiner Parteilinie. Es sei ein rein privates Treffen gewesen. Er ergänzte: Das Medium Correctiv berichte so, wie es die Bundesregierung erwarte, deshalb sei es eine „Lügengeschichte“.

Auch in Zukunft soll es weiter Proteste geben

Man weiß nie was passieren wird – und diesmal war der antifaschistische Protest gegen die AfD Veranstaltung wieder ein voller Erfolg. Viele der Rechten dürften das Nachbarschaftshaus nicht gerade in guter Erinnerung behalten und werden sich wahrscheinlich freuen, wenn die Sanierungen im Schützenhaus Feudenheim abgeschlossen sind.

Das OAT und weitere beteiligte Organisationen kündigten an, auch in Zukunft der rechten Partei keine ruhigen Rückzugsorte zu überlassen und immer wieder mit öffentlichem Protest auf die faschistisches Gefahr aufmerksam zu machen. Die Kommunalwahl im Juni wird dazu viele Gelegenheiten bieten. (am)

 

Bildergalerie




Bürgerbeteiligung: Vorschläge für neue Straßennamen in Rheinau-Süd gesucht!

Nachdem der Gemeinderat beschlossen hat, die Umbenennung der historisch belasteten Straßennamen im Stadtteil Rheinau-Süd zu veranlassen, geht es nun in eine aktive Phase der Bürgerbeteiligung. Es werden Vorschläge für die Neubenennung der vier Straßen gesucht. Bis zum 15. Mai kann man sich noch beteiligen.

Rückblick: Seit vielen Jahren gibt es Kritik an den Namen von Straßen im Taufbezirk „Forschungsreisende und Personen des transkulturellen Austauschs“ in Rheinau-Süd. Als besonders kritisch werden die Personen Theodor Leutwein, Adolf Lüderitz und Gustav Nachtigal gesehen. Sie gelten als Vertreter deutscher Kolonialverbrechen und fanden ihre Würdigung in den Zeiten der NS-Herrschaft. Sven Hedin hat nochmals eine Sonderrolle. Der schwedische Forscher gilt als Hitler-Verehrer und Verharmloser des NS-Regimes. Die Stadtverwaltung erläutert zum Taufbezirk:

Bei seiner Gründung wurde er durch die Nationalsozialisten als Taufbezirk der Kolonialpioniere definiert und entwickelte sich ab ca. 1950 zum Taufbezirk für Forschungsreisende. Beide Personengruppen haben (im damaligen Verständnis) neue unbekannte entfernte Gebiete/Kulturen erobert oder erforscht. Der dadurch entstandene Austausch zwischen den eroberten/erforschten Gebieten sowie ihren Kulturen und den Kulturen der „Entdecker“ war von Abgrenzung, Konfrontation und insbesondere bei den Kolonialpionieren von Gewalttätigkeit und rassistischen Vorstellungen geprägt.

Es geht nun um die Namesfindung für die Neubenennung der vier belasteten Straßen. Die Stadtverwaltung hat im Rahmen ihrer Bürgerbeteiligung ein mehrstufiges Verfahren gestartet. Am 30. April 2022 begann Stufe 1, bei der Bürger*innen dazu aufgerufen sind, Vorschläge zu machen.

AK Kolonialgeschichte ruft zur Teilnahme auf

Der AK Kolonialgeschichte Mannheim beteiligte sich von Beginn an der Diskussion und ruft zum Mitmachen bei Stufe 1 der Bürgerbeteiligung auf.

Folgende Personen werden vom AK für die Neubenennung der Straßen vorgeschlagen:

May Ayim (1960-1996)
May Ayim war eine deutsche Dichterin, Pädagogin, Wissenschaftlerin und Aktivistin der afrodeutschen Bewegung. Sie wuchs streng erzogen bei Adoptiveltern auf und erfuhr seit ihrer Kindheit Rassismus. Als Poetin und Logopädin erkannte May Ayim die Gewalt, die sich in und über Sprache ausdrückt. Als Pädagogin und politische Aktivistin setzte sie sich mit dieser Dimension von Gewalt aktiv auseinander. 1986 war Ayim Gründungsmitglied der Initiative Schwarze Deutsche und Schwarze in Deutschland (ISD). Sie entwickelte im Austausch mit anderen schwarzen deutschen Frauen die Selbstbenennung „Afrodeutsch“.

Jacobus Morenga (ca. 1875 – 1907)
Jacobus Morenga war ab Oktober 1904 eine zentrale Gestalt des Aufstands der Nama unter Hendrik Witbooi gegen die Unterdrückung durch die Deutschen Kolonialherren in Südwestafrika (heute Namibia). 1905 gelang es ihm und seinen Truppen im Gefecht von Hartebeestmund, die ‘Deutschen Schutztruppen’ in die Flucht zu schlagen. Bis zu seiner Ermordung 1907 kämpfte er mit strategischer Weitsicht, Mut und moralischer Integrität gegen die entmenschlichte deutsche Kolonialpolitik um die Rechte der indigenen Bevölkerung. Jacobus Morenga genießt bis heute im Süden Afrikas hohes Ansehen als erfolgreicher Guerillakämpfer.

Anna Mungunda (ca.1932 – 1959)
Anna Mungunda ist eine Nationalheldin in Namibia. Heute wird an ihrem Todestag in ganz Namibia an sie erinnert. Ende der 1950er Jahre wurden die Anwohner*innen der Old Location in Windhoek gezwungen, in neue nach rassistischen Kriterien getrennte Vororten zu ziehen. Vor allem die Frauen gingen dagegen auf die Straße. Am 10. Dezember 1959 nahm auch Anna Mungunda an einer Demonstration teil. Bei dem später als Old Location Massacre bezeichneten brutalen Vorgehen des südafrikanischen Apartheidregimes wurden zahlreiche Menschen verletzt oder getötet. Als Anna Mungunda über das Auto eines hochrangigen Beamten Benzin goss, wurde sie erschossen.

Rudolf Manga Bell (1873-1914)
Das Oberhaupt der Duala in Kamerun wurde von der deutschen Kolonialmacht hingerichtet. Rudolf Manga Bell wird im heutigen Kamerun als Märtyrer des Widerstands gegen die deutsche Gewaltherrschaft verehrt. Das Volk der Duala hatte in der Mündungslagune der Kamerunflüsse seit langem Handel mit Europäern betrieben. Während der deutschen Kolonialherrschaft wurden die Duala gewaltsam aus dem Handel gedrängt und in den Ruin getrieben. Rudolf Manga Bell, der fünf Jahre lang in Deutschland zur Schule gegangen und grundsätzlich zur Zusammenarbeit mit den Deutschen bereit war, setzte sich gegen eine Zwangsumsiedlung und den Entzug der Existenzgrundlagen zur Wehr.

Miriam Makeba (1932 – 2008)
Miriam Makeba, südafrikanische Sängerin und Komponistin, wurde in einem Township bei Johannesburg geboren. In vielsprachigen Songs prangerte sie die Apartheid Südafrikas an, die sie am eigenen Leib erfuhr und wurde als Stimme Afrikas gefeiert. Vor den Vereinten Nationen forderte sie den Boykott Südafrikas, woraufhin sie die Staatsbürgerschaft verlor und in die USA emigrierte. Nach der Heirat mit dem Black-Power-Aktivisten Carmichael wurde sie vom FBI überwacht, verließ die USA und lebte fortan in Guinea. Nach 30 Jahren Exil kehrte sie auf Einladung von Nelson Mandela in ihre Heimat zurück. Makeba wurden viele Ehrungen wie der Grammy Award zuteil.

Theodor Wonja Michael (1925 – 2019)
Theodor Wonja Michael wurde in Berlin als Sohn eines Kameruners und einer Deutschen geboren. Als Kind musste er in Menschenzoos im Baströckchen den „typischer Afrikaner“ spielen. Während der NS-Diktatur schlug er sich u.a. als Komparse in rassistischen Kolonialfilmen durch.1943 wurde er in einem Arbeitslager interniert. Nach 1945 gelang es ihm, ein eigenes Leben aufzubauen. Er studierte und entwickelte sich zum Spezialisten für Afrika. Theodor Michael war der erste schwarze Bundesbeamte im höheren Dienst. Er engagierte sich in der Schwarzen Community in Deutschland. 2018 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Wangari Muta Maathai (1940 – 2011)
Die kenianische Biologin erhielt 2004 als erste Afrikanerin den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz für nachhaltige Entwicklung, Frieden und Demokratie. Mit dem Preis wurde sie für ihren couragierten Widerstand gegen das frühere kenianische Regime und als Gründerin des seit 1977 aktiven Green Belt Movement geehrt. Die Idee der Grüngürtel – Bewegung resultiert einerseits aus ihrer Erfahrung mit den Folgen der Bodenerosion aufgrund radikaler Abholzung der üppigen kenianischen Wälder seit der Zeit des Kolonialismus und andrerseits aus der Rückbesinnung auf alte kenianische Methoden der Waldnutzung.

Auf der Webseite der Stadt Mannheim zur Bürgerbeteiligung kann man seine Vorschläge abgeben, andere Vorschläge bewerten und kommentieren. Stand 10. Mai sind schon mehr als 100 Vorschläge abgegeben worden, die sich jedoch vielfach überschneiden. Die Kriterien für umsetzbare Vorschläge sind dort ausführlich aufgelistet. Der AK Kolonialgeschichte weist darauf hin, dass besonders wichtig ist, dass die Person zum Taufbezirk passt („Forschungsreisende und Personen des transkulturellen Austauschs“) und dass es mindestens 50% Frauen sein sollen.

Der nächste Schritt im Bürgerbeteiligungsprozess wird die Abstimmung über die geprüften und umsetzbarer Namensvorschläge sein. Ein Termin ist dazu noch nicht bekannt. Der Gemeinderat wird am Ende das letzte Wort haben und aus der Vorauswahl eine Entscheidung treffen.

Zu den Seiten der Bürgerbeteiligung

Seite der Stadt Mannheim zum Bürgerbeteiligngsprozess: https://www.mannheim-gemeinsam-gestalten.de/dialoge/strassennamen-rheinau-sued

Direkt zur Seite der Namensvorschläge: https://www.mannheim-gemeinsam-gestalten.de/namensvorschlaege-rheinau-sued

Seite des AK Kolonialgeschichte Mannheim: https://kolonialgeschichtema.com

(cki)

Der Beitrag wurde am 10.05.2022 aktualisiert.




Straßenumbenennung in Mannheim Rheinau-Süd: Wer waren die Kolonialisten?

Straßenschilder in Rheinau-Süd | Bild: B. Reinbold

Über Straßennamen denken wir selten nach. Sie haben für uns meist nur praktische Bedeutung. Aber seit dem 19. Jahrhundert werden Straßennahmen vergeben, um damit Personen zu ehren oder bestimmte Orte bzw. Ereignisse besonders zu würdigen. 1935 wurden im Sinne der NS – Propaganda Straßen nach den Kolonialpionieren Leutwein, Lüderitz, Peters und Nachtigal benannt. Ihre menschenverachtende rassistische Eroberung Südwestafrikas passte in die NS – Zeit. Von den Bewohnern der Siedlungshäuser wurde damals niemand gefragt, wie die Straßen heißen sollten – Bürgerbeteiligung gibt es in einer Diktatur nicht.

In der Nachkriegszeit wurden weitere Straßen nach Forschern und Entdeckern benannt. Darunter war auch Sven Hedin, dessen rassistische Weltanschauung bei der Benennung nicht beachtet wurde. Die Stadt Mannheim hat das renommierte Leibniz-Institut für Europäische Geschichte um ein Gutachten zu den Straßennamen in Rheinau-Süd gebeten. Die Historiker empfehlen eine Umbenennung der Kolonialisten – Straßen und des Sven-Hedin-Wegs, weil eine Ehrung der vier Personen dem heutigen Leitbild der Stadt nicht mehr entspricht.

In der „Mannheimer Erklärung für ein „Zusammenleben in Vielfalt“ wird als Leitbild Mannheims beschrieben:„Kultur der Vielfalt, der Gleichstellung der Geschlechter und der Anerkennung vielfältiger menschlicher Identitäten und Lebensentwürfe.“

Wer möchte, dass alle Menschen der Welt in Würde und Selbstbestimmung leben können, dass Vielfalt, gegenseitiger Respekt und Demokratie gelten, sollte die Umbenennung von Straßen befürworten, deren Namen mit rassistischer Unterdrückung, Gewalt und Ausbeutung verknüpft sind. Straßen können zum Beispiel nach Personen benannt werden, die für globale Menschenrechte, Demokratie oder den Schutz der Natur stehen.

Arbeitskreis Kolonialgeschichte

Der Arbeitskreis Kolonialgeschichte ist ein Zusammenschluss von Mannheimer Bürgerinnen und Bürgern, die sich für die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Mannheims einsetzen. Dazu gehört auch die Umbenennung der in Mannheim nach Kolonialisten vergebenen Straßennamen, denn auch Straßennamen drücken das Selbstverständnis einer Stadt aus.

Bürgerbeteiligung und die Einbeziehung der Anwohnerinnen und Anwohner sind für uns selbstverständlich. Ob Straßennamen beibehalten oder verändert werden, betrifft jedoch die ganze Stadtgesellschaft. Der Arbeitskreis Kolonialgeschichte unterstützt das Anliegen der Parteien im Mannheimer Gemeinderat und im Bezirksbeirat, die für die Umbenennung stimmen. Er setzt sich auch dafür ein, dass die Anwohnerinnen und Anwohner der betroffenen Straßen im Falle einer Umbenennung von Kosten befreit werden.

  • Wir wollen darüber informieren, dass Lüderitz, Nachtigal und Leutwein Vertreter der deutschen Kolonialherrschaft und damit eines rassistischen Unrechtssystems waren, und dass auch Sven Hedin rassistische Unterdrückung gut geheißen hat.
  • Wir wollen deutlich machen, dass die Betreffenden verantwortlich für Verbrechen waren bzw. Verbrechen aktiv unterstützt haben. Dass sie wie alle Menschen auch „ganz normale“ Seiten hatten, entlastet sie nicht.
  • Ihre aktive Beteiligung an bzw. Unterstützung von Verbrechen unterscheidet sie von anderen historischen Personen, von denen rassistische Äußerungen bekannt sind.
  • Wir verstehen die Benennung von Straßen als Ehrung der betreffenden Personen und halten daher eine Umbenennung für die einzig richtige Entscheidung.
  • Eine Erhaltung der Straßennamen, ergänzt durch Informationen über die Verbrechen, lehnen wir ab. Ergänzungstafeln geben zwar die Möglichkeit, Verbrechen dieser Personen zu benennen, erhalten ihre Namen aber als etwas Herausragendes. Niemand wäre auf die Idee gekommen, Adolf-Hitler-Straßen beizubehalten und nur durch eine Information wie z.B. „verantwortlich für die Ermordung von 50 Mio. Menschen“ zu ergänzen.
  • Darüber hinaus ist nach unserer Meinung eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem kolonialistischen Unrecht nur möglich, wenn wir auch die Perspektive der Opfer und ihren Widerstand einbeziehen.
  • Wir erarbeiten derzeit Informationen über herausragende Vertreter*innen des antikolonialistischen Widerstands insbesondere in Kamerun und Namibia.
  • Der „Taufbezirk“ (die von der Stadt vorgenommene Einordnung örtlicher Straßennamen in einen Bedeutungszusammenhang) lautete in Rheinau-Süd in der ersten Zeit: „Kolonialisten“. Mit der Erweiterung der Bebauung wurde er in „Forscher und Entdecker“ umbenannt. Wir schlagen vor, ihn künftig in einen neuen Taufbezirk „Forscher, Entdecker und antikolonialistische Widerstandskämpfer“ zu überführen. Die bisher nach Kolonialisten benannten Straßen sollten die Namen afrikanischer Widerstandskämpfer*innen erhalten.

 

Adolf Lüderitz

Adolf Lüderitz | Bild: Wikipedia (CC)

(1834 – 1886)

Kaufmann und Kolonialpionier

  • trieb die Umsetzung der deutschen Kolonialinteressen aktiv voran.
  • wählte Südwestafrika für eine zu errichtende Kolonie aus.
  • begann den Landraub.
  • schloß einen Vertrag mit einem lokalen Vertreter ab, den er betrügerisch auslegte („Meilenschwindel“).
  • blendete bei seinen Plänen für die wirtschaftliche Erschließung die Bedürfnisse und Interessen der Bewohner des Landes völlig aus.
  • forderte staatliche Unterstützung durch Landerforschung, Kriegsschiffe, Richter und Polizeitruppen.
  • schlug Prügelstrafen und Zwangsarbeit für die einheimische Bevölkerung vor.

Adolf Lüderitz war ein Sohn des wohlhabenden Bremer Tabakhändlers und übernahm nach dem Tod des Vaters 1878 dessen Tabakgeschäft. Allerdings hatte er mit seinen Auslandsunternehmungen weiterhin wenig Glück. Eine 1881 in Lagos, im damaligen Britisch-Westafrika, gegründete Niederlassung konnte sich gegen die ausländische Konkurrenz nicht durchsetzen. Trotz dieses Misserfolges hielt Lüderitz an seinen Afrikaplänen fest und fand dabei Unterstützung durch den jungen Bremer Kaufmann Heinrich Vogelsang. Beide fassten den Entschluss, in Südwestafrika eine deutsche Kolonie zu gründen, da dieses Gebiet bisher von keiner anderen Kolonialmacht besetzt worden war. Vogelsang hatte auch erfahren, dass in Südwestafrika mit Bodenschätzen, z. B. Kupfer, zu rechnen sei.

Nachdem Vogelsang im April 1883 in der Bucht von Angra Pequena die ersten Unterkünfte für seine Expedition hatte errichten lassen, schloss er am 1. Mai mit dem Nama-Kaptein Josef Frederiks II einen Vertrag ab, in dem die Bucht von Angra Pequena und das Land im Umkreis von fünf geographischen Meilen für 100 Pfund in Gold und 200 Gewehre an die Firma Lüderitz verkauft wurde. Frederiks ging von englischen Meilen zu ca. 1,6 km aus, Lüderitz beharrte später auf der deutschen Meile, die 7,5 Km lang war. Er war sich des Schwindels durchaus bewusst, denn er schrieb an Vogelsang: „Lassen Sie Joseph Fredericks aber vorläufig in dem Glauben, daß es 20 englische Meilen sind.“ Die Nama sahen sich getäuscht, konnten aber trotz heftiger Proteste ihren Standpunkt nicht durchsetzen. Die fragwürdigen Vertragsgrundlagen der Erwerbungen, landläufig auch „Meilenschwindel“ genannt, brachten Lüderitz schon früh den Spottnamen Lügenfritz ein.

Daraufhin wandte sich Lüderitz an das deutsche Auswärtige Amt mit der Bitte um Schutz für seine Besitzungen. Durch Verweise auf das Vordringen der Briten in das Gebiet fand Lüderitz bei der deutschen Regierung Gehör. Nach einem erneuten Gespräch mit Bismarck, an dem auch Adolph Woermann, der Besitzungen in Kamerun und Togo erworben hatte, teilnahm, stimmte der Reichskanzler schließlich zu, einen Reichskommissar für Westafrika zu ernennen, der deutsche Hoheitsrechte für die deutschen Niederlassungen in Westafrika ausüben sollte. Er wurde noch im selben Jahr in der Person des Gustav Nachtigal ernannt. Die deutsche Admiralität entsandte die Kriegsschiffe Elisabeth[3] und Leipzig. Landungstruppen hissten unter Beteiligung von Vertretern der Firma Lüderitz und des Nama-Kaptein Josef Frederiks mit seinen Ratsleuten am 7. August 1884 die deutsche Fahne und stellten das Gebiet unter deutschen Schutz. Deutsch-Südwestafrika war von 1884 bis 1915 eine deutsche Kolonie.

Nach diesem Erfolg schloss Lüderitz 1885 weitere zweifelhafte Verträge über Territorien und Minenkonzessionen und sandte er Expeditionen mit Bergbauexperten aus. Für die Finanzierung fand Lüderitz beim Deutschen Kolonialverein Unterstützung– daraus wurde später die Deutsche Kolonialgesellschaft. Am 3. April 1885 übernahm die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika das von Adolf Lüderitz erworbene Lüderitzland sowie die damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten und Rechte. Die Gesellschaft war auf Betreiben von Wirtschaftsführern und der deutschen Regierung gegründet worden, um zu verhindern, dass die deutschen Niederlassungen in Südwestafrika in englische Hände fallen würden. Mit finanzieller Unterstützung der Kolonialgesellschaft stellte Lüderitz 1886 eine neue Expedition zusammen, die die Möglichkeiten einer neuen Ansiedlung an der Mündung des Oranje-Flusses erkunden sollte. Er verunglückte 1886 bei einer Erkundungsfahrt, von der er nicht zurückkehrte.

Die Ehrung von Adolf Lüderitz durch die Benennung von Orten und Straßen wird in Namibia und in Deutschland kritisch diskutiert.

Gustav Nachtigal

Gustav Nachtigal | Bild: Wikipedia (CC)

1834–1885

Afrikaforscher, Generalkonsul in Tunis und Reichskommissar für Westafrika

  • trat als kaiserlicher Reichskommissar mit der Drohkulisse von Kanonenbooten auf.
  • zwang mit Gewaltandrohung und Geiselnahme zu Vertragsunterzeichnungen.
  • stellte die privaten Besitzungen und Handelsstützpunkte unter den Schutz des Deutschen Reiches.
  • akzeptierte den „Meilenschwindel“ der Firma Lüderitz und sicherte Landraub, Betrug und Erpressung staatlich ab.
  • stimmte der Erschließung weiterer Gebiete zu und garantierte dafür militärische Unterstützung.

Theodor Leutwein

Theodor Leutwein | Bild: Wikipedia (CC)

1849 in Strümpfelbrunn geboren – 1921 in Freiburg gestorben

  • übernahm den Auftrag, die deutsche “Machtstellung den Eingeborenen gegenüber unter allen Umständen aufrechtzuerhalten und zu befestigen“.
  • setzte die Kolonialherrschaft bis zum großen Aufstand 1904 militärisch durch, mit Artillerieangriffen, der Zerstörung von Dörfern, Geiselnahmen und Erpressungen.
  • führte bewaffnete Feldzüge gegen die einheimische Bevölkerung, die er zu bedingungsloser Unterwerfung zwang;
  • integrierte Unterworfene als Soldaten in die „Schutztruppe“.
  • bekämpfte kontinuierlich und mit brutalen Mitteln Aufstände.
  • Etablierte ein rassistisches Herrschaftssystem, in welchem Kinder eines weißen Vaters und einer schwarzen Mutter nicht als Deutsche anerkannt wurden.

Leutwein machte Karriere in der Reichsarmee und schaffte es 1885 bis zum Hauptmann.Nach Tätigkeiten an diversen preußischen Kriegsakademien wurde er 1893 in den Dienst des Auswärtigen Amtes in die sogenannte Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika überstellt und 1898 zum Gouverneur des Schutzgebietes ernannt. Beauftragt, die deutsche “Machtstellung den Eingeborenen gegenüber unter allen Umständen” aufrechtzuerhalten und zu befestigen, führte er eine Vielzahl von bewaffneten Feldzügen gegen die einheimische Bevölkerung, u. a. gegen die Nama unter der Führung von Hendrik Witbooi. Er zwang diese zum Abschluss eines Schutz- und Beistandsvertrags, den die Witbooi auch fast 10 Jahre lang erfüllten. Ebenso gelang Leutwein der Abschluss eines Schutzvertrages mit einem Herero- Oberhaupt, der ihm bei der Erkundung des Nordens und bei bei der Niederwerfung eines Aufstands der Mbanderu / Ost-Herero 1896 behilflich war. In seinen Memoiren erwähnt Leutwein, dass er Artillerie gegen kaum Bewaffnete einsetzte, Dörfer vernichtete und lokale „Chiefs“ hinrichtete, die eine bedingungslose Unterwerfung verweigerten. Bis Ende 1894 hatte er Süd- und Zentralnamibia formell der deutschen Herrschaft unterworfen. Mit Leutwein begann die systematische Etablierung und Ausdehnung kolonialer Herrschaft in Südwestafrika. Um die eigene „Schutztruppe“ zu stärken, beließ er einzelne afrikanische Chiefs, welche die deutscher Oberhoheit formal anerkannten, in ihren Positionen und band ihre Soldaten in seine Truppe ein. Als Gouverneur führte Leutwein Verordnungen ein, mit denen er die nach dem Krieg etablierte rassischen Privilegienherrschaft vorbereitete. Leutwein setzte sich dafür ein, dass Eheschließungen von weißen Männern mit schwarzen Frauen nicht offiziell vollzogen wurden, damit die Kinder nicht als Deutsche anerkannt werden konnten. In seinen Memoiren (Elf Jahre…) reflektierte Leutwein: „Das Endziel jeder Kolonisation ist, von allem idealen und humanen Beiwerk entkleidet, schließlich doch nur ein Geschäft. Die kolonisierende Rasse will der Urbevölkerung des zu kolonisierenden Landes nicht das von dieser vielleicht erwartete Glück bringen, sie sucht vielmehr in erster Linie ihren eigenen Vorteil“. Als sich die Herero Anfang 1904 gegen die deutsche Herrschaft erhoben, wurde Leutwein, der sich aus wirtschaftlichen Nützlichkeitserwägungen für eine Schonung der Herero aussprach, im Juni 1904 durch Generalleutnant Lothar von Trotha als Oberbefehlshaber der Schutztruppe ersetzt, der zu einem rassistischen Vernichtungskrieg und Völkermord bereit war. Im November 1904 musste Leutwein auch das Amt des Gouverneurs abtreten. Auf eigenes Ersuchen wurde er beurlaubt und im August 1905 in den Ruhestand versetzt.

Als Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika ‚unterstützte‘ er das im Aufbau befindliche Völkerkundemuseum der Stadt Freiburg. Er veranlasste Ende 1899 und Anfang 1900 die Verschickung von zwei Sammlungen mit 22 bzw. 50 Gegenständen der Herero und Damara nach Freiburg.

Sven Hedin

Sven Hedin | Bild: Wikipedia (CC)

(1865-1952)

schwedischer Forschungsreisender

  • interpretierte den ersten Weltkrieg als Kampf der nordisch-germanischen Rasse gegen das asiatische Russland und würdigte den zurückgetretenen deutschen Kaiser.
  • erkundete in Zentralasien u.a.die Möglichkeiten, wirtschaftsimperiale Ambitionen des deutschen Reichs zu verwirklichen.
  • unterstützte das NS-Regime und seine Expansionsinteressen.
  • unterstützte die judenfeindliche NS-Politik, propagierte die „Germanische Rasse“ und vertrat die irrwitzige Idee der „jüdischen Weltverschwörung“.

Der Schwede Sven Hedin (1865-1952) war ein international bekannter Forschungsreisender, der mehrere große Expeditionen nach Zentralasien durchführte. Obwohl deren wissenschaftlicher Wert gering war, konnte er diese Reisen durch Vorträge und Publikationen gut vermarkten und so vor dem zweiten Weltkrieg eine gewisse Popularität erlangen.

Sven Hedin hat sich politisch eindeutig für deutsche Expansionsinteressen und das nationalsozialistische Regime stark gemacht. Er propagierte ganz im Sinne der NS-Ideologie die „Germanische Rasse“ und stand auch sonst nationalsozialistischen Haltungen und Überzeugungen sowie der Führungsriege des NS-Regimes durchweg sehr nahe.
Als Antisemit unterstützte er die NS-Politik gegen Juden und vertrat die irrwitzige Idee der „jüdischen Weltverschwörung.
Einen Tag nach Hitlers Tod im Mai 1945 würdigt er ihn in der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyeter mit folgenden Sätzen: „Heute bewahre ich eine tiefe und unauslöschliche Erinnerung an Adolf Hitler und betrachte ihn als einen der größten Menschen, den die Weltgeschichte besessen hat. Nun ist er tot. Aber sein Werk wird weiterleben. Er verwandelte Deutschland in eine Weltmacht. Jetzt steht dieses Deutschland am Rande eines Abgrunds, da seine Widersacher seine anwachsende Stärke und Macht nicht ertragen konnten. Aber ein Volk von achtzig Millionen, das sechs Jahre lang gegen die ganze Welt mit Ausnahme Japans Stand gehalten hat, kann nie vernichtet werden. Die Erinnerung an den großen Führer wird im deutschen Volk Jahrtausende von Jahren weiterleben.“ (Siehe auch „Wissenschaftliches Gutachten des Leibnitz-Instituts für Europäische Geschichte“ Mainz 2020)

(Text:  Arbeitskreis Kolonialgeschichte | Kontakt: makolonialgeschichte@posteo.de)




Symbolische Straßenumbenennung in Rheinau-Süd: „An Widerstand der Nama und Herero erinnern“

Im Mannheimer Stadtteil Rheinau-Süd gibt es Straßen, die nach deutschen Kolonialherren und Rassisten benannt sind. Seit Jahren gibt es politische Diskussionen, wie damit umzugehen sei. Bereits 2009 hatten die Grünen Umbenennungen im „Kolonialviertel“ gefordert, was damals breite Zustimmung fand. Geschehen ist seitdem einiges, doch offiziell umbenannt wurde bisher noch nicht.

Die Stadt gab ein Gutachten in Auftrag, das die Umbenennung der Straßen eindeutig empfiehlt. In den nächsten zwei Jahren solle diese erfolgen. Bis dahin versucht eine Initiative Verständnis im Stadtteil zu schaffen, denn einige Anwohner*innen wehren sich. Im Bezirksbeirat fand das Vorhaben nur eine knappe Mehrheit. Streit gibt es auch darum, wer die Kosten trägt, die durch eine Umbenennung für die Anwohner*innen entstehen.

Dennoch sind fast alle Parteien grundsätzlich dafür. Lediglich die AfD spricht sich grundsätzlich dagegen aus. AfD-Stadtrat Jörg Finkler bezeichnet die Umbenennung als „Bücherverbrennung des 21. Jahrhunderts“.

Bis zur Umsetzung sollen die Straßennamen einen Zusatz erhalten, der auf die Rolle der Namensgeber im kolonialen Zeitalter hinweisen soll. Auch ein Bürgerbeteiligungsprozess wird vorbereitet, um zumindest den großen Teil der Anwohner*innen für das Vorhaben zu gewinnen.

Um die Diskussion zu beleben, haben am Wochenende unbekannte Aktivist*innen die Straßen in Rheinau-Süd symbolisch umbenannt. Zu ihrer Aktion sendeten sie dem Kommunalinfo eine Erklärung und Fotos zu, die wir weiter unten dokumentieren.

(cki)

 

Worum es geht: Straßen in Rheinau-Süd benannt nach Kolonialherren
Gustav Nachtigal (1834-1885)
Deutscher Reichskommissar ab 1884 für „Deusch-Westafrika“, beglaubigte betrügerisch erworbene Landerwerbungen der Firma Lüderitz, wurde als „Kolonialheld“ gefeiert
Straßenbenennung: 1933

Theodor Leutwein (1849-1921)
1895 bis 1905 Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe und Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika, damit verantwortlich für militärische Aktionen und Gewalttaten gegen die Herero. Laut einem historischen Gutachten „herausragender Repräsentant des kolonialen Unrechtssystems“.
Straßenbenennung: 1933

Adolf Lüderitz (1834-1886)
Kaufmann und „Landbesitzer“ im damaligen „Deusch-Westafrika“, erwarb Ländereien von den Nama auf betrügerische Weise, was als „Meilenschwindel“ in die Geschichte einging.
Straßenbenennung: 1933

Sven Hedin (1865-1952)
Schwedischer Entdeckungsreisender und Hitler-Verehrer: „(…) betrachte ihn [Adolf Hitler] als einen der größten Menschen, den die Weltgeschichte besessen hat.“ (Zitat aus der Zeitung Dagens Nyheter 1945)
Straßenbenennung: 1985

 

 

 

 

 

Erklärung zur Aktion:

Rassismus bekämpfen. Geschichte anerkennen.

Im Mannheimer Stadtteil Rheinau- Süd wurden mehrere Straßennamen mit kolonialer Vergangenheit umgewidmet. Die Täter dürfen nicht mehr im Vordergrund stehen.

Das Jahr 2020 droht im allgemeinen Gedächtnis vom Corona-Virus überschattet zu werden. Und natürlich muss auf eine Pandemie diesen Ausmaßes umfänglich, aber angemessen reagiert werden. Vielleicht kommt manchen der verengte Fokus auf ein überragendes Thema ganz recht, wenn dieser nämlich von anderen Brennpunkten ablenkt und Verantwortliche dem Handlungsdruck zu entziehen droht.

Zum Beispiel die Häufung brutaler Anschläge und Morde durch rechtsradikale Attentäter, erstarkender und offener auftretender Antisemitismus, oder das menschenverachtende und gefährdende Verhalten von Angehörigen sämtlicher Sicherheitsbehörden.

Auch die Aufarbeitung der kolonialen Geschichte und der Kampf gegen den unsere Gesellschaft durchziehenden Rassismus, konnte zwar als intensives, aber kurzes Blitzlicht, ausgelöst durch die weltweiten Proteste um die Black Lives Matter Bewegung, recht schnell wieder aus der Öffentlichkeit verschwinden. Was allerdings auch naheliegt, wenn anerkannt wird, dass unsere Gesellschaft und vor allem die Wirtschaft auch heute noch vom Raub von Rohstoffen, der Aneignung fremder Kulturen und letztlich der Ausbeutung des globalen Südens, weiterhin profitiert. Und wie zum Hohn für die Vorfahren der betroffenen Völker und Kulturen und zum Schmerz der Betroffenen und Bevölkerung ehemaliger deutscher Kolonien, die zum Teil immer noch um die Anerkennung und Entschädigung der verübten Verbrechen streiten müssen, gibt es in Deutschland noch viele Orte, welche die Täter ehren und dabei deren Opfer oft in den Hintergrund drängen und anonym werden lassen.

In Mannheim gibt es noch mehrere Straßen mit den Namen von Kolonisatoren, welchen Ausbeutung, Verschleppung und grausame Verbrechen bis hin zum Völkermord anhängen. Während es der Verwaltung der Stadt Mannheim nun schon lange Zeit schwer fällt dies zu ändern, wurden vergangene Nacht mehrere Straßen von Aktivist*innen umbenannt. Statt der Täter, sollen dadurch die Betroffenen in den Blick geraten.

Über Jahrhunderte haben sich die Erfahrungen der Maafa (Wort aus dem Swahili für die Geschichte der Gräueltaten von Nicht-Afrikaner*innen an Afrikaner*innen) tief in die Identität vieler Menschen eingebrannt und wirken bis heute nach. Die Widerstände und Befreiungskämpfe dagegen, sind für viele weiterhin identitätsstiftend und sollten deshalb nicht weniger Aufmerksamkeit bekommen, als die Ausbeuter, Unterdrücker und Mörder des Kolonialismus.

Der Maji- Maji-Krieg hat eine große Bedeutung für die Völker auf dem Gebiet des damaligen Deutsch- Ostafrika und gilt als der erste große Kolonialkrieg gegen die europäischen Unterdrücker. Dabei war es gelungen mehrere Stämme und Kulturen über ethnische und spirituelle Grenzen hinaus zu solidarisieren und gemeinsam Widerstand zu leisten. Das Deutsche Reich schreckte nicht davor zurück mit brutalster Härte dagegen vorzugehen und selbst Zivilist*innen zu ermorden, was nach Schätzungen bis zu 300.000 Menschenleben forderte.

Auch die Herero und Nama haben versucht sich gegen die Kolonisatoren zu behaupten und Widerstand geleistet. Ein Großteil derjenigen, die nicht bei Kämpfen ums Leben gekommen sind, egal ob Männer Frauen oder Kinder, wurden ermordet oder nach ihrem Rückzug in die Wüste bewusst von der Wasserversorgung abgeschnitten was den sicheren Tod bedeutete. Beim ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts wurden etwa 80% der Herero und Nama getötet. Ihre Nachkommen leben überwiegend im heutigen Namibia und kämpfen weiterhin dafür, dass der Völkermord an ihren Vorfahren durch das deutsche Reich von der BRD anerkannt wird, sowie dass geraubte Kulturgüter (z.B.: Schädel, Kronschmuck, Masken) zurückgegeben werden, welche immer noch in vielen Museen Europas gelagert oder sogar ausgestellt sind.

Mit der Umwidmung der Straßennamen soll an die Kämpfe und den Widerstand gegen das immer noch wirksame Unrecht erinnert und ein Zeichen gesetzt werden, welches die Dringlichkeit der Umbenennung solcher Straßen und Orte verdeutlicht. Dabei dürfen Befindlichkeiten rechter und bürgerlicher Vertreter*innen einer Vergessens- und Überwindungskultur, überhaupt keine Rolle spielen! Wenn völlig zu Recht auch immer wieder gefordert wird, Menschen an Entscheidungen bezüglich der Gestaltung des öffentlichen Raumes zu beteiligen, so sind in Bezug auf rassistische Symbole dabei jedoch nur selten die von Rassismus betroffenen gemeint, sondern lediglich Anwohner*innen oder vermeintliche Expert*innen. Beteiligung kann, und muss dann manchmal auch über die erwünschten Plattformen hinausgehen und sich den Regeln entziehen, welche überwiegend von den Herrschenden bestimmt werden und den status quo mit all seinem Unrecht festigen.

Selbstverständlich verschwindet Rassismus nicht durch das bloße Entfernen seiner Symbole in der Öffentlichkeit. Aber die Betroffenen ins kollektive Bewusstsein zu bringen und ihnen dadurch Präsenz zu verschaffen, trägt mit Sicherheit wesentlich mehr dazu bei Rassismus zu bekämpfen, als die Repräsentation und Ehrung der Täter durch Straßen oder Denkmäler. Der Schmerz derjenigen Menschen, die täglich Rassismus erleben, ob körperlich, verbal, psychisch oder strukturell, und die im öffentlichen Raum auch immer wieder mit rassistischen Symbolen konfrontiert werden, muss endlich ernst genommen werden!

(Anonyme Zusendung)