OB Wahl 2023: Wäre das Ergebnis zu verhindern gewesen?

Kommentar zum Ausgang der OB Wahl 2023

Knappes Ergebnis, knapper als zu erwarten war

Am Ende war es im zweiten Wahlgang der OB-Wahl dann doch knapp. Specht 49,9 % zu Riehle 48,7 %, also nur ein Unterschied von 1,2% Prozentpunkte oder in Stimmen ausgedrückt von 860 Stimmen. Nach dem ersten Wahlgang drei Wochen zuvor schien der Vorsprung von Specht noch uneinholbar. Im ersten Wahlgang hatte Specht 45,6 % vorgelegt, vor Riehle mit 30,2%, Fojkar mit 13,8 % und Isabell Belser mit 5%. (Die anderen Kandidatinnen und Kandidaten mit niedrigeren Prozentwerten bleiben bei meiner Betrachtung unberücksichtigt). Obwohl Fojkar und Belser auf eine Kandidatur im zweiten Wahlgang verzichteten, war nicht damit zu rechnen, dass die Stimmen von Fojkar und Belser 1zu1 Riehle zu Gute kämen. Auch wenn es für Riehle nicht gereicht hat, so war es dann erstaunlich, dass der Vorsprung von Specht zu Riehle von 15,4% auf 1,2% zusammengeschmolzen ist.

Ursachenforschung – warum hat es aus Sicht von Riehle nicht ganz gereicht?

Bei diesem dann doch sehr knappen Ergebnis, müssen sich die Kontrahenten von Specht dann doch kritisch hinterfragen lassen, warum es denn nicht gereicht hat. Welche vielleicht doch entscheidenden Fehler sind gemacht worden?

Es gilt natürlich auch hier: Hinterher ist man immer schlauer. Und es ist ungewiss, dass das Wahlergebnis anders aussähe, wenn Dieses und Jenes anders gemacht worden wäre.

Inhaltsloser Wahlkampf

Zunächst ist ganz allgemein die Inhaltsleere des gesamten Wahlkampfes auffällig. Dies gilt für alle Kandidatinnen und Kandidaten und die sie unterstützenden Parteien. Insbesondere gilt dies für Specht und Riehle. Sie traten „für Mannheim“ und buhlten um die Stimmen der politischen Mitte. Man vermied klare politische Aussagen, man wollte sich in kein politisches Lager einordnen lassen. Bei Riehle drückte sich das z.B. auch in seinen Wahlplakaten mit seinen Botschaften („Innovation“, „Bildung“, etc. aus), Sie sollten ein Bild der Kompetenz vermitteln ohne eine konkrete Aussage über ein Wofür und Wogegen zu machen.

Unterschiede in der Kommunalpolitik, obwohl durchaus vorhanden, wurden kaum thematisiert. Da der Wahlkampf vor allem im ersten Wahlgang kaum einen wirklich bewegte, ist dies sicherlich einer der Gründe für die allgemein niedrige Wahlbeteiligung. Und es ist allgemein bekannt: Niedrige Wahlbeteiligungen nützen vor allem bürgerlichen konservativen Parteien. So lag z. B. die Wahlbeteiligung in Feudenheim fast dreimal so hoch wie in der Neckarstadt-West. Ausnahmen bestätigen aber die Regel. Im neuen Stadtteil Franklin mit einer doch betuchteren neuen Mittelschicht lag die Wahlbeteiligung auch nicht viel höher als in der Neckarstadt-West. Anscheinend ist die Bindung bei diesen neuen Angekommenen an Mannheim und die Mannheimer Stadtgesellschaft sehr gering. Aber allgemein ist zu vermuten, dass eine höhere Wahlbeteiligung zu einem besseren Ergebnis für Riehle geführt hätte.

Mehr Inhalte – erst im zweiten Wahlgang

Erst im zweiten Wahlgang wurde etwas mehr um Inhalte gestritten. Vor allem Initiativen wie der Wahlaufruf der Kulturinitiative „Bunte Vielfalt“ haben hierzu ihren Beitrag geleistet. Auch der Artikel im Kommunalinfo „OB Wahl Mannheim aus linker Sicht – Die Vereinte Rechte ist noch nicht am Ziel“ möge hierfür einen Beitrag geleistet haben. Aber die notwendige Polarisierung und Diskussion kam halt reichlich spät.

Aufkleber – gesehen in der Neckarstadt-West

Verlust des roten Mannheimer Nordens

Der bisherige rote Mannheimer Norden, die klassischen Arbeiterstadtteile, fiel auch im zweiten Wahlgang mehrheitlich an Specht. Hier kommen Specht noch andere Trends entgegen. Da ist zum einen der bundesweite Trend (Stichwort Heizungsgesetz, Energiepreise, allgemeine Teuerungsrate, soziale Verunsicherung), der gerade in traditionellen Arbeitervierteln gegen die SPD gerichtet ist.

Diesem Trend des Verlusts von Stimmen in Arbeiterstadtteilen bei gleichzeitiger steigender Wahlenthaltung ist die SPD ja schon länger ausgesetzt. Dieser Trend betrifft allerdings nicht nur die SPD. Die LINKE hat die meisten Wählerinnen in diesen Stadtteilen schon lange verloren. Ja, es gab Zeiten vor 10, 12 Jahren, da war die LINKE in Stadteilen wie Schönau oder Hochstätt besonders stimmenstark. Ja, lang ist`s her.

„To woke to win?“

Stefan Reinecke von der taz stellte in einem Kommentar zu den letzten Parlamentswahlen in Spanien fest: „To woke to win“ und meinte einen allgemeinen Trend in den westlichen Ländern. Sozialdemokratische, grüne und linke Parteien verlieren immer mehr bei Wahlen während, konservative und rechte Parteien gewinnen. Er fragte sich, ob nicht die Übertreibungen einer linken Symbol- und Identitätspolitik für diese Entwicklung mitverantwortlich seien. Der Autor dieser Zeilen unterstützt ausdrücklich diese These. Auch in Mannheim stoßen woke Zurechtweisungen und Anmaßungen zunehmend auf Kritik einer breiten Bevölkerungsschicht. Auseinandersetzungen wie die um das AWO-Ballett bei der BUGA sind schädlich. Mag man über dieses Beispiel noch streiten können, denn Kunst ist ja Geschmackssache. So gibt es mittlerweile viele andere und immer mehr solche Geschichten auch bei uns in Mannheim. Beispiel gefällig? Vor kurzem sprach der baden-württembergische Sozialminister Lucha vor einem versammelten Fachpublikum in Mannheim. Sein einleitendes „Sehr verehrte Damen und Herren“ rief bei einigen Personen heftigen Widerspruch hervor. Diese Anrede beziehe die nicht-binären Personen nicht ein und diskriminiere deshalb diese Personengruppe. Solche eher akademischen Diskussionen sind ursprünglich aus dem universitären Bereich mit Fachrichtung Sozial- und Politikwissenschaft oder Soziologie entsprungen und werden mit einer Vehemenz in den öffentlichen Diskurs hineingetragen, so dass breite Gesellschaftsschichten hiervon mehr wie irritiert sind. (Diese Diskussion finde ich notwendig, muss aber an anderer Stelle geführt werden. RS).

Vermischung von Bundes-, Landes und Kommunalpolitik

Vielen Wählerinnen und Wähler sind diese Unterschiede zunehmend unbekannt. Aber auch Akteuren und Aktivisten in den jeweiligen Parteien machen diese Unterschiede immer weniger. Dieser Umstand ist mir in meiner eigenen Partei der LINKEN aufgestoßen. Man ist für Riehle, weil man für die SPD sei, oder man ist gegen Riehle, weil man gegen die SPD sei.

Eine solche Art der Politik ist nicht sehr dran an den konkreten Aufgaben und Problemen, mit der sich Gesellschaften und Menschen, rumschlagen müssen. Andersherum. Bei konkreter Analyse der gesellschaftlichen Zustände und der politischen Möglichkeiten, kann auf Bundesebene zur weitgehenden Ablehnung der Ampelkoalition führen, aber in der Mannheimer Kommunalpolitik zu einer Zusammenarbeit von Grün/Rot/Rot.

Das Rumgeeiere um eine Wahlempfehlung

Das meines Erachtens unwürdige Rumgeeiere für eine Wahlempfehlung von Torsten Riehle im zweiten Wahlgang seitens GRÜNE und LINKE/LI.PAR.Tie hat sicherlich den Ausgang der OB-Wahl mitbeeinflusst. Dass OB Kandidat Fojkar und Teile der GRÜNEN sogar mit einer Wahlempfehlung pro Specht liebäugelten, sagt schon vieles aus. Jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der CDU im Ländle hinterlässt offensichtlich seine Spuren. Mit der dann kurzfristigen Wahlempfehlung pro Riehle ist den Grünen die größte Peinlichkeit erspart geblieben.

Nicht besser ist die das Verhalten von LINKE/LI.PAR.Tie. Nur für eingeweihte Kreisen möge der Wahlaufruf, Specht nicht zu wählen ohne eine explizite Wahlempfehlung pro Riehle nachvollziehbar sein. Zur Klarheit und Glaubwürdigkeit trägt dieses Verhalten auf jeden Fall nicht bei.

Wie weiter?

Viele können es nun erahnen. Mit einem OB Specht wird es für eine soziale und fortschrittliche Politik in Mannheim noch schwerer. Zur Haushaltsberatung der Stadt Mannheim hat Dennis Ulas festgehalten: „Die Zustimmung hierzu war von keiner breiten Mehrheit getragen, sondern lediglich der grün-rot-roten Mehrheit. Die anderen vier Fraktionen stimmten dagegen (`grün-rot-rote Klientelpolitik´, `Haushalt voller grün-rot-roter Ideologie´, `grün-rot-rotes Wunschkonzert ´usw.“). (KIM 22.12.2022).

Die Aufgaben kommunaler Politik in Mannheim sind geblieben. Eine Mehrheit für soziale und linke Politik dürfte mit dem neuen OB nicht leichter geworden sein.

Roland Schuster




Endspurt gegen Rechts bei der OB-Wahl

In den OB-Wahlkampf ist vor der Stichwahl lebhafte Bewegung gekommen. Das Mitte-Links-Lager ist mehrheitlich über seinen jeweiligen Partei-Schatten gesprungen und versammelt sich hinter dem erfolgreichsten Kandidaten links von der CDU, Thorsten Riehle (SPD). Bis auf den weit abgeschlagenen Ugur Cakir haben alle weiteren Kandidatinnen und  Kandidaten ihre Kandidatur zurückgezogen. Nun geht es also um die Abstimmung mit klarer Alternative: Specht oder Riehle.

Die Grünen haben nach einigem Zaudern ihre Unterstützung für Riehle bekannt gegeben. Sie hatten zuvor nach eigenen Angaben „vertrauensvolle“ Gespräche mit Specht und Riehle geführt. Mit Riehle stellten sie mehr gemeinsame politische Zielsetzungen fest als mit Specht. Sie gaben bekannt:

 „Wir haben uns letzte Woche dazu entschieden als grüner Kreisverband Thorsten Riehle im zweiten Wahlgang der OB Wahl zu unterstützen, weil es uns in Gesprächen mit ihm und der SPD gelungen ist uns auf gemeinsame konkrete inhaltliche Punkte für ein zukunftsfestes Mannheim zu einigen. Vor kurzem hat Thorsten Riehle zusammen mit uns in einer Pressekonferenz diese gemeinsame Vereinbarung vorgestellt. Gemeinsam stehen Thorsten Riehle, wir GRÜNE und die SPD Mannheim für deutlich höhere Investitionen in Klimaschutz und Klimafolgenanpassung, eine Innenstadt ohne Durchgangsverkehre und mit verkehrsberuhigten Bereichen im gesamten Innenstadtgebiet und für Investitionen in Bildung (bspw. Stadtbibliothek) und Soziales (bspw. Erweiterung des Angebotes der Jugendtreffs). Wir glauben, dass diese inhaltlichen Punkte Mannheim ökologisch und sozial weiterbringen und bitten euch deshalb in den letzten Tagen des Wahlkampfes nochmal alles für diese gemeinsamen Ziele zu geben. Solltet ihr Fragen zum Inhalt des Papiers haben, könnt ihr euch gerne jederzeit bei uns melden.“   (Unter dem obigen Link ist die gesamte Vereinbarung nachzulesen.)

 

Schwieriger stellte sich die Situation offenbar für DIE LINKE dar, deren Kandidatin Isabell Belser als Erste ihre Kandidatur zurückgezogen hatte. Die Partei äußerte sich gemeinsam mit den beiden anderen Parteien des bisherigen Wahlbündnisses Isabell Belser, Klimaliste und Tierschutzpartei. Man ruft auf, Christian Specht keinesfalls zu wählen, über den Mannheimer Morgen ergänzte man, dass Ugur Cakir keine Option sei, womit nur noch Thorsten Riehles Wahl als Alternative bleibt, weil man auch dringend und berechtigterweise zur Wahrnehmung des Wahlrechts aufruft. Da aber Thorsten Riehle und seine SPD-Fraktion nicht immer einer Meinung mit der LINKEN seien, wolle man nicht positiv für Riehle werben. Man überlässt es quasi dem / der Wähler:in, die einzig denkbare Konsequenz zu ziehen: Riehle wählen. Im Folgenden der Wortlaut der Erklärung des bis dato Wahlbündnisses Isabell Belser:

 

Bündnis für Isabell Belser gegen Wahl von Christian Specht

Die ehemalige OB-Kandidatin Isabell Belser, die im ersten Wahlgang am 18. Juni 5 Prozent der Stimmen erhielt, und ihr Unterstützer-Bündnis aus DIE LINKE Mannheim, Klimaliste Mannheim und Tierschutzpartei rufen dazu auf, bei der Stichwahl für das Amt des Oberbürgermeisters am 9. Juli unbedingt wählen zu gehen. Dieses demokratische Recht ist auch eine Verpflichtung, die Demokratie mit der Wahrnehmung dieses Rechts zu stärken und über die Geschicke unserer Stadt Mannheim für die nächsten acht Jahre mitzuentscheiden. Es ist nicht egal, wer Oberbürgermeister wird!

Isabell Belser, die selbst nicht zur Stichwahl antritt, und ihr Bündnis empfehlen, am 9. Juli nicht Christian Specht, CDU, zu wählen. Herr Specht hat in seiner langjährigen Amtszeit als Erster Bürgermeister und Dezernent keine Akzente gesetzt, die für fortschrittliche Politik stehen. Er und seine Partei stehen für eine verhängnisvolle Verzögerung der Klimaschutzmaßnahmen, einen Stopp in der Verkehrswende und eine unsoziale Politik, die in der Teilhabe und Bildungspolitik die ohnehin Bessergestellten bevorzugt und die von finanziellen Sorgen und Existenzängsten Betroffenen weiter benachteiligt.  Für Belser und Bündnis gibt es grundlegende Forderungen an die verbleibenden OB-Kandidaten:

– Wohnen: Systematisch mehr preiswerter und geförderter Wohnungsbau, überwiegend in gemeinnütziger Hand, durch höhere Sozialquote und verstärkten Ankauf von Grundstücken und Immobilien durch die Stadt

– Klima: Zügiges und striktes Hinarbeiten auf Klimaneutralität bis 2030, u.a. mehr Geld für den Klimaschutz, Infragestellung des Flughafens und der MVV-Strategie mit Altholzkraftwerk etc.

– Verkehr: Zügige Verkehrswende, u.a. Aufenthaltsqualität durch nahezu autofreie Innenstadt, weniger Privilegien für den Autoverkehr, massiver Ausbau des ÖPNV und Radverkehrs

– Bildung: Eine „zweite IGMH“ oder mindestens eine Gemeinschaftsschule mit Oberstufe im Mannheimer Süden und Kita-Bauten nicht in der Hand profitorientierter Investoren, sondern städtisch oder gemeinnützig

– Arbeit: „Ein Haus, ein Tarif“ für Beschäftigte städtischer Gesellschaften und Anwendung Tariftreuegesetz bei Auftragsvergaben

– Gesellschaft: Mehr Engagement der Stadt als „Sicherer Hafen“ für Geflüchtete

– Tierschutz: Kastrationspflicht in der Katzenschutzverordnung

Isabell Belser und ihr Bündnis rufen die Wähler*innen auf zu vergleichen, welche Forderungen sie bei den verbleibenden OB-Kandidaten am besten erfüllt sehen, und sich daran bei ihrer Wahl zu orientieren. Ihre Fraktion LI.PAR.Tie. (u.a. DIE LINKE, Tierschutzpartei) in dieser Wahlperiode und ihre Nachfolge-Fraktion in der nächsten werden die Erfüllung dieser Ziele aktiv im Gemeinderat einfordern.

DIE LINKE Mannheim, die Klimaliste Mannheim, die Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) und Isabell Belser hoffen auf eine hohe Wahlbeteiligung, auf die Verhinderung eines CDU-Oberbürgermeisters sowie auf eine fortschrittliche und soziale Politik in den kommenden Jahren.

Unterstützer-Bündnis OB-Kandidatin Isabell Belser, Mannheim, 24.06.2023

Das Wahlbündnis macht seine Position mit ein einer kleinen Serie von Sharepics deutlich, welche sie nach eigenen Angaben der Presseerklärung beigefügt habe. Zwei Beispiele:

       

Das Mitte-Links-Lager ist unterdessen in lebhafter Bewegung, um der Stadt Stillstand und Rückschritt unter Christian Specht zu ersparen.

Am 1. Juli versammelten sich ca. 100 Mitglieder der Grünen, der SPD und vereinzelte auch der LINKEN unterhalb des „ALTER“ am Neckar zu einer Unterstützungsaktion für Thorsten Riehle. Viele machten sich danach auf in den Haustürwahlkampf.

(Bild: René van der Voorden)

Eine abschließende Aktion wird am Samstag, 8. Juli in der Max-Josef-Straße stattfinden:

JETZT GILT‘S- Kundgebung zur OB Wahl Das Aktionsbündnis „Jetzt gilt’s“ lädt am Samstag, 8.7.2023, zu Livemusik und Reden zur OB-Wahl ein. Die Kundgebung findet in der Max-Joseph-Straße in der Neckarstadt-Ost statt. Musik: Gero Fei (Drums/Voc), Blacky P. Schwarz (Keys/Voc), Markus Sprengler (Voc) und Gäste, ab 19 Uhr.

Bernd Köhler schreibt:

Nach dem unsäglichen Geziere und Gezerre in Folge der Ergebnisse des ersten Wahlgangs hat das politische Mannheim links von der CDU gerade mal noch so die Kurve gekriegt und könnte jetzt mit einer Mobilisierung ihrer Klientels doch noch dafür sorgen, dass es auch in den kommenden acht Jahren wieder einen OB gibt, der die demokratischen Werte vertritt für die Mannheim in der Vergangenheit stand:
Konsequente antifaschistische und antirassistische Positionen, Priorität für nachhaltige und spürbare Klimapolitik, Unterstützung gesellschaftskritischer Kultur-Initiativen und -Einrichtungen wie der freien kulturellen Szene oder dem selbstverwalteten JUZ. Außerdem, grundlegende Solidarität mit den gewerkschaftlichen Kämpfen um Arbeitsplätze, höhere Löhne und gegen die Verarmung breiter gesellschaftlicher Schichten.
Alles Mannheimer Markenzeichen die weit über die Stadt hinaus eine Ausstrahlung haben. Mannheim, die lebendige demokratische Stadt in der 12.000 Menschen gegen den Hass von Rechts auf die Straße gingen.
Bei all dem wurde ein Herr Specht eher nicht gesehen, zu all dem hat er nichts oder nur heiße Luft zu sagen. Specht vertritt das Mannheim der Mittelschicht und der Reichen und ist im MM-Interview vom 30. Juni noch nicht mal willens oder fähig sich mit einer eigenen Meinung von der möglichen Unterstützung seiner Kandidatur durch die AfD konsequent abzugrenzen.
Der nächste OB wird 8 Jahre Mannheimer Politik wesentlich beeinflussen und vertreten. 8 JAHRE DIE ENTSCHEIDEND SEIN WERDEN für wichtige Weichenstellungen in Sachen Klima, Kultur, Bildung und Soziales.
Ein Wahlaufruf der Kultur-Initative „BUNTE VIELFALT” (Schillerplatz-Ini) in der ich zusammen mit Bettina Franke, Einhart Klucke und Monika-Margret Steger beteiligt bin, bringt es so auf den Punkt:

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Thomas Trüper




OB-Wahl Mannheim aus einer linken Sicht: Die vereinte Rechte ist noch nicht am Ziel – mit einiger Vernunft kann das Blatt noch gewendet werden.

Unklare Lage nach dem 1. Wahlgang der OB-Wahl. Mehr Licht! (Bild: Georg Buzin, Wikipedia, gemeinfrei)

Es ist immer das alte Lied: Das Bürgertum geht brav zur Wahl und wählt seinen Kandidaten. Die Menschen, die viel mehr auf kommunale Leistungen angewiesen sind, als das Bürgertum, sehen offensichtlich wenig Sinn darin, von ihrem Wahlrecht Gebrach zu machen. So stehen die gesellschaftlichen Mehrheitsverhältnisse politisch auf dem Kopf. Für Oberbürgermeisterwahlen gilt das ganz besonders, obwohl es die einzigen Direktwahlen von Akteuren der Exekutive durch das Volk sind. Es sind sehr persönlichkeitsbezogene Wahlen; politische Programmatik und Kontroverse spielte auch in der jetzigen OB-Wahl bei den großen Parteien eine untergeordnete Rolle. Und so kommt es, dass im Stadtdurchschnitt nur 32,22% der Wahlberechtigten zur Wahl gehen, obwohl einige tausend Über-16-Jährige erstmals Wahlrecht hatten. Von den Nicht-Wählenden wiederum wären sicher viele zur Wahl gegangen, wenn sie nur gedurft, also das Wahlrecht gehabt hätten: Tausende Nicht-EU-Bürger:innen, die teilweise schon seit Jahrzehnten ihren Lebensmittelpunkt in Mannheim haben, sind ohne deutsche Staatsangehörigkeit von der Wahl ausgeschlossen.

Specht vorn – ein Blick auf die Ergebnisse

So ist das Wahlergebnis eigentlich nicht überraschend. Christian Specht, der Kandidat der vereinten Rechten, der CDU, FDP und ML und – als stiller Gesellschafterin – der AfD, hat die Erringung der absoluten Mehrheit um knapp 5 Prozentpunkte verpasst.
Auf der „nicht-rechten“ Seite hat Isabell Belser von der LINKEN fast genau 5% erreicht. Dies aber auch mit Hilfe der sie unterstützenden Tierschutzpartei und der Klimaliste Baden-Württemberg.
Raymond Fojkar von den Grünen erreichte zwar das beste Ergebnis eines OB-Kandidaten seiner Partei, aber es waren eben nur 13,8%. Dafür sind mittlerweile schon genügend mögliche Gründe genannt worden: Die Gespaltenheit seiner Partei in wichtigen kommunalpolitischen Fragen wie der BUGA, personelle Querelen, die Fluktuation in der Gemeinderatsfraktion, die inzwischen zur Hälfte aus Nachgerückten besteht, die fast vergebliche OB-Kandidat:innensuche der größten Fraktion im Gemeinderat, der geringe Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit. Auch die politische Großwetterlage brachte für Fojkar keinen Rückenwind.
Thorsten Riehle als einstimmig nominierter Kandidat der SPD hat noch keine allzu lange Erfahrung in der Kommunalpolitik und verfügt über keinen sehr großen Bekanntheitsgrad. Als mittelständischer Kulturunternehmer stellt er auch nicht gerade den typischen SPD-Vertreter in der „Arbeiterstadt Mannheim“ dar. Er präsentierte sich ausdrücklich als „nicht typisch linker“ Kandidat. Bemerkenswert an seinem Ergebnis von 30,24% ist denn auch über die ganze Stadt hinweg eine Konstanz um diesen Wert herum zwischen 26,8 und 32,2%, mit den beiden „Ausreißern“ in seinem Wohn-Stadtbezirk Rheinau von 38,5 und in dem kleinen Stadtbezirk Friedrichsfeld mit 39,1%. Alle anderen Kandidat:innen weisen eine wesentlich größere Schwankungsbreite auf.

Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass Linke und Grüne in den drei großen, sehr urbanen Stadtbezirken Neckarstad-West, Innenstadt/Jungbusch und Neckarstadt-Ost ihre größten Stärken haben und Riehle auch hier seine 30%-Konstante aufweis, bei Wahlbeteiligungen zwischen 16,5 und 28,5%. Es sind genau die Bezirke, in denen Specht zwischen 21,1 und 31,5% weit unter seinem Niveau bleibt, während er in seinen sieben besten Bezirken zwischen 50,6 und 59,8% erreicht, wo Linke und Grüne ihre größten Schwächen aufweisen.

  1. Juli: Faktisch eine Blockwahl – die Rechte vereint. Und die andere Hälfte?

Diese strukturelle Gegenläufigkeit ist ein empirischer Anhaltspunkt dafür, dass es sich bei der OB-Wahl eben doch um eine „Lager-Wahl“ handelt, die ja am 9. Juli bei der „Neuwahl“, landläufig „Stichwahl“ genannt, ihren Abschluss mit einfacher Mehrheitsentscheidung finden wird. Und hier muss das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

An dieser Stelle sei begründet, warum in diesem Beitrag von der „Vereinten Rechten“ die Rede ist. In der Presse wird rätselnd darauf hingewiesen, dass Specht nicht nur in den eher bürgerlichen Stadtteilen, sondern ausgerechnet auch in den „alten Arbeiterhochburgen“ Schönau und Waldhof 53% ergattert hat. Nun gut: Er präsentiert sich gern als „Bub vom Waldhof“, wo sein Vadder noch eine richtige Bedien-Drogerie (anti-monopolistisch!) betreibt. Aber reicht das für über 50%? Da mag es noch einen anderen triftigen Grund geben. Man frage sich nur mal: Wo ist eigentlich die AfD in diesem Wahlkampf geblieben? Man sollte sich nicht nur dann um diese Partei kümmern, wenn sie sich mal wieder im Schützenhaus in der Au um Alice Weidel versammelt. Die AfD-Wählenden gibt es auch jenseits der Großkampftage dieser Partei. Die AfD hat auf einen eigenen OB-Kandidaten verzichtet. Möglicherweise aufgrund permanenten internen Gezänks oder aus finanzieller Flaute. Für die Aussicht, das Projekt „Schluss mit dem grün-roten Siff!“ durch eine „Wende“, von der Specht ja spricht, herbeiführen zu können, war die Nicht-Kandidatur der klügste Schritt. Sie brauchte sich nicht zu äußern – ihre Wähler:innen erfassen die Situation auch so. Und sie ersparten es Specht, irgendwie auch nur im Entferntesten sich zur AfD äußern zu müssen. Waldhof und Schönau sind auch Hochburgen der AfD. Zuletzt messbar bei der Gemeinderatswahl 2019: Schönau 15,31% und Waldhof 20,58%. Außer in dem kleinen Friedrichsfeld damals die Spitzenwerte der AfD für Mannheim. Es gehört keine spekulative Begabung sondern nur ein bisschen faktenbasierter Verstand dazu, um zu verstehen, dass die AfD-Wählenden ihre Chance verstanden haben. Dieser Teil der rechten Blockwahl hat funktioniert.

Kampf gegen rechts!

Nun gibt es auch seitens Riehle und Fojkar Äußerungen, dass man nichts von „Lager-Wahlkampf“ halte, man wolle nicht polarisieren. Specht umgibt sich im Wahlkampf mit dem CDU-Bundesvorsitzendem Friedrich Merz und Landesinnenminister Thomas Strobl. Aufs Plakat nimmt er den Löbel-Intimus Thomas Hornung. Die Mannheimer Lindner-Parteileute und der Honoratioren-Club Mannheimer Liste, ein trauriger „Einsparungs-Verein“, schieben den rechten Wagen von hinten mit an. Was glaubt man denn, welche „Wende“ Specht im Fokus hat? Die Bildungswende für umfassende Bildungsgerechtigkeit und Inklusion? Die Verkehrswende mit weniger motorisiertem Individualverkehr und durchgreifendem Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur? Ausbau eines bezahlbaren ÖPNV? Die sozial abgefederte Energiewende? Die Wohnungswirtschaftswende mit einer drastischen Steigerung des gemeinwohlorientierten Wohnungswesens? Ein vielfältiges Kulturleben? Ermöglichung liberaler und respektvoller urbaner Lebensweisen? Die Bewältigung der Anforderungen aus der Flucht- und Arbeitsmigration? Den Kampf gegen Rechts?
Das sind gewiss nicht die Wenden, die die Rechte anstrebt. Bei aller Unterschiedlichkeit innerhalb der nicht-rechten Seite der Stadtgesellschaft und ihrer politischen Repräsentation: Die Spitze der Verwaltung und der Vorsitzende des Gemeinderats einschließlich seiner 49. Stimme bei Patt-Abstimmungen im Gemeinderat sollte nicht der Vertrauensmann des rechten Blocks werden. Darauf muss man sich verständigen.

Es gibt noch Luft nach oben

Gibt es Chancen, die rechte Wende in Mannheim zu verhindern? Davon ausgehend, dass die Begeisterung der Rechten für die Möglichkeit einer „Wende“ die meisten schon an die Wahlurnen getrieben hat, ist eine zusätzliche rechte Mobilisierung wahrscheinlich schwierig.

Die nicht-Rechten und Progressiven müssen sich und andere für den zweiten Wahlgang mobilisieren. Da ist noch viel Luft nach oben. Es gilt, in dieser Situation den aussichtsreichsten Kandidaten des Mitte-Links-Lagers zu unterstützen, und das ist in der vorhandenen Konstellation Thorsten Riehle. Auch wenn man kein:e Parteigänger:in von Riehle ist – zum Steigbügelhalter von Specht sollte man sich nicht degradieren. Das Ringen um die richtigen Wege und Maßnahmen in der Kommunalpolitik muss danach weitergehen – aber unter besseren Ausgangsbedingungen.

Die großen Stadtteile Neckarstadt, Innenstadt/Jungbusch, Käfertal, Waldhof und Schönau mit ihren bisherigen Wahlbeteiligungen von 30% und wesentlich darunter bieten noch viel Luft nach oben für diesen Kampf gegen Rechts.

Thomas Trüper

Auch wenn einem beim ersten Anblick die Augen flimmern mögen: Es lohnt sich, die Situation in den einzelnen Stadtbezirken anzuschauen: Ihre Größe und Relevanz, die Wahlbeteiligung und das Abschneiden der Kandidat:innen im 1. Wahlgang. (Grafik: KIM. Quellen: Stadt Mannheim, Ergebnisse der OB-Wahl am 18. Juni 23 und der Gemeinderatswahl 2019; eigene Berechnungen)