Reiss-Engelhorn-Museen: Stadt hält am Namensteil Engelhorn um jeden Preis fest

 

Der Antrag der Fraktion LI.PAR.Tie., den Namensteil Engelhorn aus den Reiss-Engelhorn-Museen zu streichen oder zu ersetzen, wurde zwar in der Gemeinderats-Sitzung am 25. Juli nichtöffentlich behandelt, aber so viel sei verraten: Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, Engelhorn beziehe sich nicht nur auf Curt, sondern auf die ganze verdiente Stifter-Familie. Auf dem Internetauftritt der Museen stand aber ganz eindeutig: „Das Reiss-Museum wird zu Ehren des Stifters Curt Engelhorn in die Reiss-Engelhorn-Museen umbenannt.“

REM-Selbstdarstellung plötzlich ohne Namensgeber Curt Engelhorn

Dieser Satz ist wie von Zauberhand über Nacht verschwunden. Ein Schelm, wer einen Zusammenhang zum Antrag der LI.PAR.Tie. sieht. Das ist also die Art, wie Stadt und REM mit der Historie der Einrichtung umgehen: Was nicht passt, wird gelöscht. Wie gut, dass es Programme gibt, mit denen die alten Fassungen aufgerufen werden können. Außerdem steht im Wikipedia-Eintrag die alte Darstellung – noch! (Stand 27.07.2023).

Der Fraktion stellt sich die Frage, warum die Stadt unbedingt am Namensteil Engelhorn festhalten will, selbst zum Preis der „Geschichtsbereinigung“. Die Antwort der Verwaltung ist erwartbar: Der Satz wurde entfernt, weil er nicht korrekt gewesen sei und nur ausversehen auf die Seite geraten war. Aber so einfach ist es nicht. Ob durch das Archiv des Mannheimer Morgen oder durch Zeitzeugen lässt sich belegen, dass es sehr wohl einen Zusammenhang zwischen der Spende von Curt Engelhorn in Höhe von 25 Millionen Mark für das Reiß-Museum und der Umbenennung 2001 in Reiss-Engelhorn-Museen gibt.

Machtstellung der privaten Geldgeber

Übrigens hieß der damalige Kultur-Bürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) – der selbe Kurz, der nun in der letzten von ihm als Oberbürgermeister geleiteten Sitzung des Gemeinderats das leidige Thema vom Tisch zu wischen versuchte, nachdem er den Antrag lange verschleppt hatte. So hatte der Antrag erst durch Nachbohren der Fraktion überhaupt eine für die Behandlung im Gemeinderat notwendige Antragsnummer erhalten, sollte im Ältestenrat ohne offiziellen Beschluss kassiert werden und wurde von der Tagesordnung einer Gemeinderats-Sitzung ohne Begründung abgesetzt, bis er endlich nichtöffentlich am 25.07.2023 doch noch beraten und abgelehnt wurde. Ganz offenbar ist es der scheidende OB Kurz selbst, der nicht auf den Namensteil Engelhorn verzichten will. Der Grund dafür lässt sich nur vermuten, dürfte aber auf die Befürchtung hinauslaufen, die Familie Engelhorn würde sich mit ihren Stiftungen aus der Förderung für die Reiss-Engelhorn-Museen, zuletzt das erst in diesem Jahr eröffnete sogenannte Stiftungsmuseum „Peter & Traudl Engelhornhaus“, zurückziehen, wenn ihr Name aus dem Museumskomplex verschwinden würde. Denn damit würde sie den Museen eine wesentliche finanzielle Grundlage entziehen bzw. das entstehende Defizit dem Stadtsäckel aufbürden. Es geht also um die Machtstellung der privaten Geldgeber.

Nochmal zur Erinnerung: Curt Engelhorn hat die 25 Millionen DM gespendet, nachdem er sich mit der Abwicklung des Verkaufs von Böhringer Mannheim über ein Steuerparadies in der Öffentlichkeit äußerst unbeliebt gemacht hatte. Aus dem Verkaufserlös von 19 Milliarden DM, die der Schweizer Pharma-Riese Hoffmann-La Roche (heute Roche) hinblätterte, entgingen dem deutschen Finanzamt mehrere Milliarden DM an Steuereinnahmen. Da waren die 25 Millionen lediglich der berühmte Griff in die Portokasse. Das alles ist im als nichtöffentlich klassifizierten LI.PAR.Tie.-Antrag A011/2023 ausführlich aufgeführt, wiegt aber nach Ansicht der Stadt nicht den vermeintlichen Nutzen auf, den sie durch die Engelhorn-Stiftungsgelder erfährt. Für die Brosamen der Superreichen lässt sich die Kommune vorführen und greift dafür sogar zu fragwürdigen Tricks wie die Löschung von kompromittierenden Aussagen in der Selbstdarstellung einer Kultureinrichtung.

LI.PAR.Tie. fordert Konsequenzen

Die Mitglieder der Fraktion LI.PAR.Tie. denken gar nicht daran, nach der Niederlage bei der Abstimmung im Gemeinderat aufzugeben. Die Löschung auf der Internet-Seite hat nochmal neuen Schwung in den Fall gebracht. Der Fraktionsvorsitzende Dennis Ulas stellt klar: „Es kann nicht angehen, dass Tatsachen auf äußerst fragwürdige Weise verschleiert werden, nur um einen Spender zu schützen, der an anderer Stelle dem Gemeinwesen großen Schaden zugefügt hat. Ich frage mich, warum die Verwaltung nicht den Mut hat, einer Untersuchung der Hintergründe für die Namensgebung der Reiss-Engelhorn-Museen zuzustimmen, wenn sie sich so sicher ist, dass es sich dabei um die Würdigung einer verdienstvollen Stifter-Familie handelt.“

Die Fraktion wird verstärkt die Öffentlichkeit für ihr Anliegen suchen, da es offenbar momentan weder in der Verwaltung noch im Gemeinderat ausreichend Interesse gibt, den „Fall Engelhorn“ aufzuklären.

Statement der LI.PAR.Tie-Fraktion

 




Die 100 reichsten Deutschen: Die Reimanns

Im September letzten Jahres startete Nicole Gohlke MdB (DIE LINKE) einen Blog, in dem sie die 100 reichsten Deutschen vorstellt. Der erste Beitrag widmet sich der aus Ludwigshafen stammenden Familie Reimann. Kaum jemandem ist dieser Name ein Begriff. Dabei handelt es sich um die reichste (oder inzwischen zweitreichste) deutsche Familie, und das hier aus der Metropolregion. Es gibt noch weitere Milliardärsfamilien aus der Metropolregion – sicherlich für weitere Betrachtungen geeignet.

Es macht durchaus Sinn, sich in einer Zeit der Milliardärsfamilien zu erinnern, in der durch die Corona-Pandemie und nun auch durch die Folgen des Ukrainekriegs die öffentlichen Haushalte extrem geschwächt sind. Wer wird die ganzen Rechnungen bezahlen? Und damit tut sich das Problem auf, wie der deutsche Fiskus (den politischen Willen durch öffentlichen Druck vorausgesetzt) an diese Vermögen herankommt, wie die Steuerparadiese endlich stillgelegt werden können. Denn eine besonderes „Flüchtlingsproblem“ sind nach wie vor die Steuerflüchtlinge. (tht)

Die Reimanns: Geschätztes Vermögen: 30 Milliarden Euro

Die Familie Reimann ist mit einem auf gegenwärtig rund 30 Milliarden Euro geschätzten Vermögen einer der reichsten Clans Deutschlands.[i] Dabei dürften die Erb:innen des Konzernimperiums den meisten unbekannt sein. Es gibt so gut wie keine Fotos oder Interviews, sie sollen in der Schweiz, in Italien und Österreich leben.[ii] Damit lassen sich durchaus Steuern vermeiden.[iii] Ihr Geld parkt größtenteils im Steuerparadies Luxemburg. Dort hat die »JAB Holding« ihren Sitz, welche die Vermögenswerte von vier der Reimann-Erb:innen verwaltet.[iv] Aber woher kommt das gewaltige Vermögen der öffentlichkeitsscheuen Milliardärsfamilie?

Der Ursprung ihres Reichtums liegt bereits mehr als 170 Jahre zurück. 1851 gründete Karl Ludwig Reimann zusammen mit dem Salmiakhüttenbesitzer Johann Adam Benckiser in Ludwigshafen eine Chemiefabrik. Ihre Nachkommen trieben das Geschäft im Laufe der Jahre voran. Der große Aufstieg begann jedoch erst in den 1930er Jahren unter der Geschäftsführung von Karls Enkel Albert Reimann senior. Der war ein glühender Nationalsozialist und bereits 1921 Mitglied des Vorstands der Ortsgruppe des »Alldeutschen Verbands« – einer radikal völkisch-nationalistischen Organisation, die in ihrem Antisemitismus der NSDAP in nichts nachstand.[v] Auch schon vor 1933 galt das Unternehmen als »NS-Musterbetrieb«. Nach der Machtübergabe machte Albert Reimann rasch Karriere in der NSDAP und wurde Stadtrat in Ludwigshafen sowie Präsident der Industrie- und Handelskammer für die Pfalz.[vi] Im Jahr 1937 schrieb er an Heinrich Himmler: »Wir sind ein über hundertjähriges, rein arisches Familienunternehmen. Die Inhaber sind unbedingte Anhänger der Rassenlehre.«[vii]

Hunderte Zwangsarbeiter:innen mussten für die Reimanns schuften. Belegt ist, dass es in den Werken und in der Privatvilla der Reimanns in Ludwigshafen immer wieder zu Gewalt und Missbrauch an Zwangsarbeiter:innen kam.[viii] Dank billiger Arbeitskraft und großer Nachfrage durch den Weltkrieg gelang der Firma ein schneller wirtschaftlicher Aufstieg.

Auch Albert Reimann junior, den der Vater früh in die Konzernleitung holte, war prominenter Unterstützer der NSDAP und Verbandsfunktionär.[ix] Nach Ende der NS-Zeit stilisierte er sich dann als Opfer.[x] Er rettete nicht nur das Vermögen der Familie in die Bundesrepublik, sondern erhielt 1973 sogar das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern. Mit Marken wie Calgon, Clearasil und Sagrotan feierte der Konzern in der Nachkriegszeit Erfolge.

Nach Albert Reimanns Tod im Jahr 1984 ging die Joh. A. Benckiser GmbH an dessen Kinder über. Ein Teil der Erb:innen verkaufte in den 1990er Jahren ihre Anteile und gründete eigene Privatbanken und Stiftungen. Die im Unternehmen verbliebenen vier Reimann-Kinder überführten den Konzern in eine Finanzholding, die heute an zahlreichen Unternehmen beteiligt ist. Unter anderem halten sie Mehrheitsbeteiligungen am Parfümhaus »Coty« und an einem der größten Kaffeekonzerne »Jacobs Douwe Egberts« sowie noch wenige Anteile am Hersteller von Reinigungsprodukten und Haushaltswaren »Reckitt Benckiser«.[xi] Marken aus dem Besitz der Familie Reimann stehen heute in allen Supermarkt- und Drogerieregalen.

Zehntausende Beschäftigte sorgen in vielen Ländern für die Gewinne. Das operative Geschäft führt Peter Harf, ein enger Vertrauter der Familie und Star in der Manager-Szene. Er ist im Auftrag der Reimanns weltweit aktiv und konsolidiert angeschlagene Konzerne.[xii] [xiii] Was ein solches Management für die Beschäftigten bedeuten kann, erfahren aktuell etwa die 300 Mitarbeiter:innen im Kölner Werk von »Coty«. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, soll der Standort im Sommer 2022 dichtgemacht und die Produktion an kostengünstigere Standorte verlagert werden.[xiv]

Die Gewinne der JAB-Holding im Kaffeegeschäft sollen dem »Spiegel« zufolge auch auf schlechten Vertragskonditionen gegenüber den Zulieferern basieren.[xv] Aber damit wollen die Reimanns nichts zu tun haben, ebenso wenig wie mit Kinderarbeit. Dabei sind die niedrigen Preise auf dem globalen Kaffeemarkt ohne Hungerlöhne und Kinderarbeit kaum denkbar. In Guatemala etwa sollen laut der Kampagne »Aktiv gegen Kinderarbeit« zufolge fast ein Drittel der Kaffeearbeiter:innen Minderjährige sein, in Kenia sogar 60 Prozent.[xvi]

 

[i] https://www.manager-magazin.de/unternehmen/die-500-reichsten-deut-schen-2021-trotz-corona-legen-die-vermoegen-der-reichsten-massiv-zu-a-e6aa167e-d083-4b90-b415-9ba70e480596

[ii] https://www.rnz.de/wirtschaft/wirtschaft-regional_artikel,-firmen-imperi-um-die-reimanns-eine-familie-voller-geheimnisse-_arid,552312.html

[iii] https://www.handelsblatt.com/downloads/27597072/2/2021-09-10-steuer-tricks-der-reichen.pdf

[iv] https://www.manager-magazin.de/unternehmen/joachim-creus-reimann-clan-ernennt-nachfolger-von-peter-harf-a-c8e6fd1a-fc61-4473-b2eb-0c74c340102a

[v] Strobel, Karen / Zwerger, Brigitte (2020): Betrachtungen und Quellenstudien zur frühen völkischen Bewegung in Mannheim bis 1922; Hrsg.: Marchivum, September 2020.

[vi] https://www.diepresse.com/5601745/die-ns-vergangenheit-der-zweitreichs-ten-deutschen-familie

[vii] Hertlein, Bernhard (2019): Anhänger der Rassenlehre; in: Westfalen-Blatt, 25.03.2019.

[viii] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ns-zeit-reimann-gruender-waren-nazis-1.4380908

[ix] Siehe Fußnote 2.

[x] Freytag, Bernd (2020): Die Reimanns stiften 250 Millionen Euro gegen Hass; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.01.2020

[xi] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/jacobs-kaffee-boerse-101.html

[xii] Clausen, Sven / Schwarzer, Ursula (2020): JAB Holding der Familie Reimann. Milliardärsmacher Peter Harf – Ende einer Legende; in: Manager Magazin, 10/2020.

[xiii] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/innovationweek/designierter-nachfolger-von-peter-harf-im-interview-neuer-jab-vize-das-erfolgsgeheimnis-der-reimanns-ist-einigkeit/27149890.html

[xiv] https://de.finance.yahoo.com/nachrichten/coty-schlie%C3%9Ft-einziges-parf%C3%BCmwerk-deutschland-155344890.html

[xv] https://www.spiegel.de/spiegel/kaffee-die-bittere-wahrheit-ueber-unser-lieblingsgetraenk-a-1168626.html

[xvi] https://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/produkt/kaffee

 

Nachtrag

Aktuell erinnert man sich in Ladenburg der Nazi-Vergangenheit des einst hoch geehrten Albert Reimann jun. und seines gleichnamigen Vaters – mit Konsequenz. Der Mannheimer Morgen berichtet am 25.2.22, dass auf Antrag der Grünen im dortigen Gemeinderat am 23.3. der Beschluss gefasst werden soll, die Dr.-Albert-Reimann-Straße umzubenennen. Im Jahr 1978 war die Straße Am Hafen nach dem Nazi-Unternehmer mit nur einer Gegenstimme benannt worden. Dieser Akt geht damit wesentlich schneller und mit mehr Unterstützung aus der Bewohnerschaft über die Bühne als die in Mannheim Rheinau anstehenden Umbenennungen (wir berichteten).

Ladenburg war lange Zeit ein wesentlicher Standort von ReckittBenckieser und von Benckiser-Knappsack. Beide Betriebe existieren inzwischen nicht mehr. Zuletzt wurde 2016 ReckittBenkiser mit 450 Beschäftigten in Ladenburg geschlossen und zwecks Kosteneinsparung nach Polen verlegt.

Die neun Erb:innen von Albert Reimann jun. hatten bereits 2006 allesamt ihre Wohnsitze aus der Rhein-Neckar-Region „aus Kostengründen“ nach Österreich, in die Schweiz und nach Italien verlegt. Wie es sich für die Eigentümer:innen eines international aufgestellten Unternehmens (JAB Holding) gehört, muss die Nazivergangenheit – wenn sie denn dann aufgeflogen ist – aufgearbeitet werden und eine Stiftung muss mit einem kleinen Teil des Erbes Buße tun. So auch im Fall der vier Reimann-Erb:innen, die ihre Anteile an JAB nicht verkauft haben. Sie gründeten 2019 die Alfred Landecker Foundation. Sie ist benannt nach dem jüdischen Großvater dreier Erb:innen, Kindern Albert Reimanns jun. und seiner Geliebten Emilie Landecker. Alfred Landecker fiel der Shoah zum Opfer. Zweck der Stiftung: „Förderung des Andenkens an die Verfolgten und Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland, Förderung der Hilfe für politisch, rassisch oder religiös Verfolgte, Förderung von Wissenschaft und Forschung“. Dotiert wird die Stiftung mit 10 Jahresraten à 25 Mio. Euro. Sitz ist Ludwigshafen.

Eine lokale Verbindung zum Reich der Riemanns gibt es noch in Mannheim: Der SV Waldhof-Mäzen Bernd Beez verdiente sein Vermögen u.a. 11 Jahre lang als CEO der Coty Inc. New York, einer wesentlichen Tochter der JAB-Holding. Er ist dem JAB-Management immer noch treu verbunden. In Mannheim aufgewachsen wohnt er jetzt nahe Lausanne. (tht)