Ludwigshafen: Sozialticket Knall auf Fall abgeschafft. Bei den Armen kann man am schnellsten sparen.

Am letzten Tag des Dezembers (wenn keine Arme mehr Geld übrighat, um noch schnell die ihr zustehenden Tickets zu kaufen), mit einer kurzen Notiz in der Tageszeitung (die sich kein Armer leisten kann) wurde mitgeteilt, dass es ab 1.1.23 kein Sozialticket mehr geben wird.

Die Stadt Ludwigshafen soll 30 Mio.€ einsparen, mit dieser Aktion wurden ruck zuck etwa 178 Tsd. € eingespart!

Das Sozialticket in Lu wurde Anfang 2016 eingerichtet, genau abgezählt, mit zunächst 5 Fahrkarten pro Erwachsenen im Monat für 7,50 €, 2019 wurde es verbessert mit 10 Fahrkarten pro Monat für 15 €, ab Juni 2019 dann 15 Fahrkarten pro Monat für 15 €, also jetzt pro Fahrt 1 €. Das war ein guter sozialer Preis. Eins von den wenigen guten Sozialen Dingen in LU.

Sozialtickets innerhalb des VRN sind kein spezielles Tarifangebot, sondern kommunal subventionierte normale VRN-Fünferblöcke. bzw. in HD Montaskarten. In MA, HD und LU wurden sie jeweils nach jahrelangen Auseinandersetzungen eingeführt. (Das Bild stammt aus Mannheim 2012). Das 9-Euro-Ticket des Bundes war deutlich besser, aber eine Eintagsfliege. Das 49-Euro-Ticket ist für Menschen in Armut viel zu teuer. Die kommunalen Sozialtickets stolpern von Haushaltsberatung zu Haushaltsberatung. In LU sollen sie jetzt kassiert werden. (Bild KIM-Archiv). – Red.

Berechtigt waren: Bezieher von Hartz IV, Grundsicherung und Asylbewerberleistung. Sie mussten mit dem entsprechenden aktuellen Bescheid bei der Mobilitätszentrale der RNV am Berlinerplatz vorsprechen und dort bezahlen. Es wurde genau Buch geführt.

Zuletzt hatten laut Zeitungsnotiz 1100 Ludwigshafener das Sozialticket genutzt. Das sind nicht viele.  Es gibt schon allein 1300 Bezieher von Asylbewerberleistung, Hartz IV Bezieher und Grundsicherungsbezieher werden  viel mehr sein.

Das Sozialticket wurde nie aktiv beworben, der Flyer der RNV war kleingedruckt und furchtbar kompliziert zu lesen. Die Sozialämter, Jobcenter und Sozialverbände haben nie aktiv Werbung zur Nutzung des Sozialtickets gemacht.  Das Sozialticket zu besorgen war auch etwas umständlich (gehalten).

Jetzt ist es Knall auf Fall aus. Die Tickets kosten jetzt für alle 3 €, hin und zurück 6 €. Bürgergeld ist jetzt 502 €, Asylbewerberleistung ist jetzt 410 € im Monat.  Im Harzt IV-Satz sind vorgesehen für „Verkehr“ 45,02 €, d.h. 7-mal im Monat in die Stadt und zurück, wenn man sonst keine Reisen machen möchte oder muss. Für Asylbewerberleistung gibt es m.W. keine solche Aufteilung, alles nur etwa 20% weniger, also 36 €, d.h. 6-mal in die Stadt und zurück.

Monatskarten sind sehr teuer: 86,40 €. Das Kind in den entfernt liegenden Kindergarten bringen mit 2x hin und zurück am Tag: wie soll das gehen?

Die Sozialdezernentin Frau Steeg bedauert den aktuellen Verkaufsstopp. Aber hier zu sparen ist offensichtlich die Stelle, an der man mit am wenigsten Widerstand rechnen muss. Auch wenn der Sparbetrag nicht hoch ist und die Maßnahme besonders schwer für die Betroffenen ist.

Günstige Tickets hätten etwas helfen können, mit der starken Teuerung der Lebensmittel zurechtzukommen und trotzdem ein wenig mobil zu sein und am öffentlichen Leben teilzunehmen.

(Das „öffentliche Leben“ findet in der Innenstadt statt: Leute sehen, Läden gucken, hin und wieder als Mensch unter Menschen einen günstigen Kaffee trinken. Theater und Kino sind sowieso nicht drin im Monatsbudget).

ms

 

 

 

 

 

 




Busfahrer*innen aus Rheinland-Pfalz streiken in Mannheim

Was war am Freitagvormittag in der Breiten Straße los? Busfahrer*innen streikten, aber die Busse fuhren in Mannheim weiter ganz normal. Auf der Bühne vor B1, zwischen Schloss und Paradeplatz, berichtete ver.di Verhandlungsführer Marko Bärschneider von Problemen nach eigentlich erfolgreichen Tarifverhandlungen in Rheinland-Pfalz. Dabei spielt der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) eine entscheidende Rolle. Am Kundgebungsort in B1 befindet sich die Zentrale des VRN, der unter anderem für die Bauftragung privater Busunternehmen zuständig ist.

Vor der Bühne standen streikende Busfahrer*innen aus der Pfalz, aus dem Saarland und aus dem Rheinland. Es sind Angestellte privater Busunternehmen, die von den Verkehrsverbünden im ganzen Land beauftragt werden. Vor allem im ländlichen Raum, wie zum Beispiel in der Region Pirmasens oder in Bad Kreuznach, sind die Busfahrer*innen besonders wichtig, um Bürger*innen und Schüler*innen ihre täglichen Wege zu Schule und Arbeit zu ermöglichen.

VRN blockiert Auszahlung

ver.di Verhandlungsführer Marko Bärschneider

Bisher waren die Löhne bei den privaten Unternehmen mit rund 13 Euro viel zu niedrig. Es bestand die Gefahr der Abwanderung von Arbeitskräften. Doch die Landesregierung habe die Probleme erkannt und die letzten Tarifverhandlungen, begleitet von unangekündigten Streiks, seien erfolgreich gewesen, berichtet Bärschneider. Um die drohende Abwanderung zu verhindern, habe das Land Rheinland-Pfalz Gelder bereit gestellt. Damit sollen Tariferhöhungen und Sonderzahlungen finanziert werden. Die Verkehrsverbände VRN, VRM, VRT und RNN müssten das Geld lediglich vom Land beantragen, dann könnte es an die Unternehmen zur Auszahlung an die Busfahrer*innen weitergegeben werden. Die Beantragung hätten auch alle Verkehrsverbände gemacht, bis auf den Verkehrsverbund Rhein-Neckar, der damit alles blockiere.

„Deshalb sind wir heute vor der VRN Zentrale in Mannheim“ erklärt Bärschneider und immer wieder ruft die Menge „Malik komm raus“, um den VRN Geschäftsführer Volkhard Malik mit ihren Forderungen zu konfrontieren.

Doch die Türen der VRN Zentrale bleiben an diesem Freitagvormittag geschlossen. „Heute sollen angeblich alle im Home Office sein“, heißt es von der ver.di Bühne. „Dann machen wir demnächst auch alle mal Home Office, dann kann Malik die Busse selber fahren.“

Jürgen Jung, ver.di Landesbezirksfachbereichsleiter für den Bereich Verkehr, vermutet, dass die CDU Opposition in Rheinland-Pfalz Einfluss genommen hat. Daher hält auch Verhandlungsführer Bärschneider die Streiks weiterhin für notwendig, um den Druck aufrecht zu halten. Das letzte Wort scheint in diesem Konflikt noch nicht gesprochen zu sein. (cki)

 

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In Luxemburg Gratis-ÖPNV. Und in Mannheim?

 

Seit 1. März können die 610.000 Menschen im Großherzogtum Luxemburg als erstem Land der Welt plus 200.000 Einpendler*innen den gesamten öffentlichen Verkehr einschließlich Eisenbahn gratis benutzen. Lediglich die 1. Klasse und Taxis sind weiterhin kostenpflichtig. Sofort drängt sich die Frage auf: Was kann Luxemburg, was die deutschen Kommunen bzw. die Länder und der Bund nicht können? Warum gibt es in Mannheim keinen „kostenlosen“ ÖPNV? Oder besser gefragt: Was muss geschehen, bis es auch in Mannheim so weit ist?

Das Steuerparadies Luxemburg ist anerkanntermaßen sehr reich. Der öffentliche Personenverkehr wird seit diesem Monat vollkommen aus Steuermitteln finanziert Das kostet lt. Regierung den Fiskus jährlich 41 Mio. Euro. Dazu kommt ein sehr strammes Investitionsprogramm von ca. 370 Mio. Euro jährlich in Schienen- und Netzausbau. In die Mobilitätswende insgesamt einschließlich Bus- und Fahrgemeinschaftsspuren und P&R-Plätzen sollen die Investitionen bis 2021 auf 800 Mio. Euro jährlich steigen.

Ticket-Automaten wie hier werden in Luxemburg gerade abgebaut. Bild: nenntmichruhigip.

Denn in Luxemburg weiß man: Die Attraktivität des Öffentlichen Personenverkehrs allein über den Preis anzukurbeln und die verstopften Straßen weniger verstopft zu kriegen, das funktioniert nicht. Das Angebot muss stimmen. Schon jetzt ist der ÖPNV in den Stoßzeiten überlastet. „Weiße Flecken“ ohne ÖPNV müssen angeschlossen werden, das Streckennetz muss dichter werden, die Taktzeiten kürzer, die Busse und Bahnen auch pünktlicher und sauberer. Der luxemburgische Verkehrsminister Bausch rechnet nicht damit, „dass die Leute ihr Auto nun stehen lassen“ (Süddeutsche Zeitung online, 29.02.2020). Das werde nur gelingen, „wenn das öffentliche Angebot auch qualitativ einen Quantensprung macht“. Diese Ansicht deckt sich mit den Erfahrungen aus der estnischen Hauptstadt Tallinn. Dort wurde der ohnehin schon stark öffentlich subventionierte ÖPNV 2013 v.a. aus sozialen Gründen für Bürger*innen der Stadt gebührenfrei. „Wenn wir schon so viel Geld ausgeben und die Menschen es sich trotzdem nicht leisten können, dann ist das doch eine gewaltige Verschwendung von öffentlichen Mitteln,“ wird ein Sprecher der Verkehrsbetriebe zitiert (zeit.de, 2.3.2018). Die Fahrgastzahlen sind seither nur um 14% gestiegen.

Was heißt das für Mannheim?

Diese Frage lässt sich örtlich so begrenzt eigentlich gar nicht sinnvoll beantworten. Denn das Verkehrsgeschehen ist in Mannheim auch sehr stark durch 120.000 Berufs-Einpendler*innen und 50.000 Auspendler*innen bestimmt plus einige Tausend „Durchpendler*innen“. Der ÖPNV lässt sich daher nur regional betrachten. Und deshalb gibt es ja auch den Verkehrsverbund VRN mit 3,1 Mio. Bewohner*innen, der in einer Fläche von ca. 200 km Ost-West- und ca 100 km Nord-Süd-Ausdehnung das Tarifmonopol hat. Die Kernstädte Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen betreiben zusammen einen gemeinsamen ÖPNV-Anbieter, die rnv GmbH. Um eine Vorstellung von einigen wesentlichen wirtschaftlichen Größenordnungen zu bekommen, seien folgende Zahlen genannt:

Die rnv verzeichnet in ihrem VRN-Sektor ca. 150 Mio. Euro Fahrgeldeinnahmen, der gesamte VRN ca. 300 Mio. Euro jährlich. Diese Einnahmen würden bei „Nulltarif“ natürlich wegfallen, allerdings einige Vertriebskosten auch. Allein die Stadt Mannheim muss für ihre Bahn- und Bus-Linienbündel trotz dieser Fahrgeldeinnahmen jährlich ein Defizit von ca. 40 Mio Euro ausgleichen. 27 Mio. Euro davon werden aus den Dividenden des MVV-Energie-Aktienpaketes der Stadt Mannheim gedeckt (der gesamte Verlustausgleich spielt sich zurzeit noch innerhalb der städtischen Beteiligungsgesellschaften und nicht im kommunalen Kernhaushalt ab).

An Investitionen sind gegenwärtig geplant: Für 80 neue Stadtbahnen der rnv 265 Mio. Euro innerhalb vier Jahren, 140 Mio. Euro für den Stadtbahn-Anschluss der Mannheimer Konversionsgelände (allerdings mit 80 Mio. Euro Bundesförderung). Für sonstige Infrastrukturmaßnahmen in Mannheim ca. weitere 100 Mio. Euro auf vier Jahre.

Mit diesen Investitionen sind jedoch die Anforderungen an einen guten und gegenüber dem motorisierten Individualverkehr in puncto Attraktivität konkurrenzfähigen bzw. überlegenen ÖPNV noch nicht erfüllt als da wären: deutliche Verkürzung der Taktzeiten, daher mehr rollendes Material (inkl. entsprechendem Personal), ein leistungsfähigeres und dichteres Netz.

Verkehrswende – Finanzwende

In diesen Dimensionen ist „kostenloser ÖPNV“, wie ihn DIE LINKE seit Jahren perspektivisch fordert, und wie ihn mittlerweile auch die SPD (allerdings mit einer teilweisen Umlagenfinanzierung) vertritt, nur auf Basis von Steuerfinanzierung (wie in Luxemburg) denkbar. Damit stellt sich das Thema vor allem als solches der Bundes- und Landespolitik. Die spärlichen Bundesprojekte, aus denen sich bis Ende diesen Jahres noch die „Modellstadt Mannheim“ mit den verbilligten „Green Tickets“ speist, sind absolut ungenügend und als temporäres Projekt nicht nachhaltig.

Was kann man aus diesem Projekt trotzdem schon mal lernen? Z.B. dass die Menschen sehr wohl auf den Fahrpreis achten: Weil neben den Jobtickets nur die Einzelfahrscheine subventioniert werden, steigen viele Menschen von teuren Zeitkarten auf die billigeren subventionierten Einzelfahrscheine um. Trotzdem scheinen sich auch die Fahrgastzahlen insgesamt leicht positiv entwickelt zu haben. Eine erste solide Auswertung liegt noch nicht vor. Die Mannheimer Stadtspitze erklärt immer wieder – zuletzt Bürgermeister Specht beim Hauptausschuss am 30. Januar – dass jeder Euro in die Fahrpreissubvention schlecht angelegt sei, weil dieser Euro als Investition angelegt fünfmal wirksamer für höhere Fahrgastzahlen sorge.

Ein wirklich guter und zudem noch gebührenfreier ÖPNV ist ein verdammt dickes Brett zu bohren. Es bedarf einer massiven staatlichen Betriebskostensubvention UND gleichzeitig eines gegenüber jetzigen Planungen nochmal verdoppelt und verdreifachten Investitionsprogramms. Allein der Ausgleich bundesweit entfallender Fahrgeldeinnahmen würde nach immer wieder zitierten Angaben den Bund jährlich ca. 14,2 Mrd. Euro kosten. Ohne diesen Aufwand ist die Verkehrs-, Energie- und Klimawende nicht zu schaffen und auch nicht die Entlastung der Städte von der stehenden und rollenden Blechlawine bzw. die zuverlässige Anbindung des flachen Landes an die Zentren. Damit sind wir – wen wundert’s – auch wieder beim Thema „Finanzwende“ angekommen, d.h. bei einer notwendigen Umschichtung des gesellschaftlichen Reichtums von privat auf öffentlich und kommunal. Was jedoch Schritte in die richtige Richtung auf kommunaler Ebene schon hier und heute nicht ausschließt!

Thomas Trüper, Stadtrat, Fraktionsvorsitzender LI.PAR.Tie




eTicket, Sozialticket oder gleich ganz kostenlos? Die Stadt braucht auf jeden Fall mehr Bus- und Bahnfahrer*innen!

Kostenloser ÖPNV könnte Umwelt vor Zerstörung und Menschen vor Kriminalisierung schützen | Bild: cki

Ein Kommentar zur Diskussion um den kostenlosen öffentlichen Nahverkehr

Es ist gut, dass über den öffentlichen Nahverkehr diskutiert wird. Die RNV führt das eTicket zum vergünstigten Erwerb elektronischer Fahrscheine ein, die SPD will ähnliche Kurzstreckentickets auch am Automaten, die Linke erinnert wieder einmal an die längst überfällige Forderung nach dem Sozialticket und die Grünen unterstützen sowieso jegliche Maßnahme zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs. Komplett konträr geht da in Mannheim nur die „Bürgerfraktion“ (Ex-AfD). Der Subventionsbedarf dürfe nicht steigen, meint deren Chef Eberhard Will. Das verwundert nicht unbedingt, ist die Bürgerfraktion doch der Inbegriff rückwärtsgewandter Politik, so auch in dieser Frage.

Amüsant wird es, wenn die progressiven Kräfte in der Stadt unerwartet von der Bundesregierung links überholt werden. Kostenloser Nahverkehr! Eine ureigene, fast schon radikal linke Forderung, die in vergangenen Jahren in Debatten meist als völlig utopisch bezeichnet wurde (was übrigens Quatsch ist, da es den kostenlosen Nahverkehr in anderen Ländern bereits gibt).

Möglich macht diese unerwartete Wendung in der Debatte dann auch noch die EU. Die drohenden Diesel-Fahrverbote wegen zu hoher Stickoxidbelastung in deutschen Großstädten fordern kreative Ideen und die Bundesregierung dazu auf, über ihren Schatten zu springen. Die Utopie des kostenlosen ÖPNV wird auf einmal ganz konkret – und das vor der eigenen Haustür. Mannheim könnte Modellstadt werden. Bürgermeister Christian Specht bestätigt erste Gespräche mit der Bundesregierung.

Umweltschutz und Menschenschutz: Nie wieder Schwarzfahren!

Ticketautomaten zu Altmetall | Bild: wikimedia commons / nenntmichruhigip

Vorrangig geht es bei der aktuellen Diskussion natürlich um den Umweltschutz. Doch der zweite große Vorteil des kostenlosen ÖPNV wäre die Entkriminalisierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe: die mit wenig finanziellen Ressourcen, die häufig mit zahlreichen Problemen und Herausforderungen in ihrem Leben konfrontiert sind: Hartz-IV Empfänger*innen, Geflüchtete, junge Menschen, alte Menschen, die in Armut leben. Für viele geht der kostenpflichtige Nahverkehr mit einer vermeidbaren Kriminalisierung einher. Sie sind auf Bus und Bahn angewiesen, können sich kein Auto leisten, müssen aber aufgrund ihrer Lebensumstände mobil sein. Das „erwischt werden“ beim Schwarzfahren ist oft nur eine Frage der Zeit. Da es eine Straftat darstellt (§ 265a StGB „Erschleichen von Leistungen“), ist es auch ein Schritt in die Kriminalität. Wer einmal im Bereich der Drogenhilfe gearbeitet hat, kennt das Dilemma in der krassesten Form. Viele Menschen sind ernsthaft bemüht, bei allen Widrigkeiten ihr Leben in den Griff zu bekommen. Die Sucht ermöglicht es aber nicht, finanzielle Ressourcen für ein Ticket bereit zu stellen. Gleichzeitig müssen sie mobil sein. Die Folge ist, dass viele Suchtkranke gar nicht wegen Drogendelikten im Gefängnis sitzen, sondern einfach nur wegen wiederholtem Schwarzfahren und den nicht vorhandenen finanziellen Mitteln, die Geldstrafe zu zahlen. Wo ist hier der Sinn? Ein einziger Tag im Gefängnis kostet den Steuerzahler rund 100 Euro – mehr als ein Rhein-Neckar-Monatsticket, mit dem man im ganzen Verbundgebiet herumfahren kann.

Wer soll den kostenlosen ÖPNV bezahlen?

Steuerfinanzierung wäre gerechter als das Standardticketmodell | Bild: wikimedia commons / nenntmichruhigip

Natürlich soll der Steuerzahler den öffentlichen Nahverkehr finanzieren. Das ist Infrastruktur, die der Staat zur Verfügung stellt, genau wie Autostraßen und Gehwege, daher ist die Steuerfinanzierung nur logisch. Der Steuerzahler ist in diesem Sinne auch nicht der „kleine Mann“, der schon wieder geschröpft wird. Der Steuerzahler sollte in diesem Fall jede Form eines Steuerpflichtigen sein, daher insbesondere natürlich auch die reichen Unternehmen. Denn sie sind es doch, die die täglichen Fahrten der Pendler*innen in die Städte und wieder zurück überhaupt erst erforderlich machen. Ich finde es jedenfalls gerecht, Menschen und Unternehmen im Verhältnis zu ihren tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten für Infrastruktur zahlen zu lassen. Ungerechter finde ich dagegen, wenn alle Bahnfahrer*innen gleich viel für ihr Ticket zahlen müssen: 84,90 Euro jeden Monat, egal ob beschäftigt als Mini-Jobber mit Transferleistungsbedarf oder Top-Managerin.

Wenn dann noch der Umweltschutz in einen steuerfinanzierten ÖPNV eingerechnet wird – umso besser. Die Unternehmen, die Profit aus der Zerstörung der Umwelt schlagen, seien es Autohersteller oder Kohlekraftwerke, sollen auch für die Gegenmaßnahmen bezahlen.

Bus und Bahn und ich

Was würde kostenloser Nahverkehr für mich selbst bedeuten? Ich würde Bus und Bahn mehr nutzen, aber nicht sehr viel mehr. In der Stadt fahre ich immer noch lieber mit dem Fahrrad an den Autoschlangen vorbei, als mich im Feierabendverkehr in die überfüllten Bahnen zu quetschen. Strecken aufs Land mit ungünstiger Busanbindung werde ich weiterhin mit dem Auto anfahren, so bequem bin ich nun mal. Wenn es aber im Winter richtig kalt ist oder es in Strömen regnet, freue ich mich darüber, einfach in die Bahn steigen zu können – ohne Angst vor einem Kontrolleur und ohne das schlechte Gefühlt, über 5 Euro für einmal kurz in die Innenstadt und wieder zurück verplempert zu haben.

(cki)




Danke, VRN, für den eTarif! Wo bleibt der SozialTarif (Sozialticket)?

Fahrgastwechsel am Collini Center | Bild: wikimedia commons / nenntmichruhigip

Seit einem Jahr bietet der VRN einen Luftlinientarif im „CheckIn/CheckOut“-Verfahren an (eTarif). Berechnet werden ein Grundpreis von 1,20 Euro sowie pro Kilometer 0,20 Euro. Der herkömmliche Einzelfahrschein kostet 2,60 Euro. Demgegenüber führt der eTarif zu deutlichen Preisnachlässen bei Strecken unter 7 km, also z.B. innerhalb eines Stadtteils, oder aus zentrumsnahen Stadtteilen zum Paradeplatz.

So zahlt man beispielsweise von der Weberstraße (Schwetzingerstadt) 1,60, vom Ulmenweg (Neckarstadt) 1,80 Euro. Für Kurzstrecken z.B. vom Bahnhof Rheinau zum Karlsplatz (Rheinau) zahlt man 1,60 Euro, vom Wasserturm zum Paradeplatz 1,40 Euro. Letzteres entspricht dem Preis des „QuadrateTickets“, welches aber eben nur in den Quadraten gilt. BahnCard-Inhaber*innen zahlen übrigens sowohl konventionell wie auch im eTarif 25% weniger. Also auf einer Kurzstrecke von 1 km 1,05 Euro. Für Strecken über 7 km innerhalb der Großwabe Mannheim würde man vernünftigerweise ein normales Waben-Tarif-Ticket kaufen – das funktioniert auch über Smartphone. Die Strecke Mannheim Hbf – Heidelberg Hbf wiederum kostet 4,80 statt konventionell 5,80 Euro.

Voraussetzung für die oft günstigeren eTarif-Tickets ist jedoch eben der Besitz eines Smartphones (Android oder Apple), sowie eines Kontos / einer Kreditkarte zur Abrechnung. Und das sind auch die zwei Haken: Nicht jede*r möchte ein solches Gerät, und selbst wenn, kann es sich nicht jede*r leisten. Und mit der Schufa sollte man auch nicht zu tun haben.

Von MA nach HD für 4,80 € statt 5,80 € – für viele immer noch zu teuer | Bild: wikimedia commons / Karaneschev

Die Mannheimer SPD zieht daraus die Konsequenz, dass sie vom VRN nun auch ein konventionelles Kurzstreckenticket auch außerhalb der Quadrate fordert. Sie hat einen entsprechenden Antrag in den Gemeinderat eingebracht. Die guten Gründe hierfür sind vielfältig: Die Stadtteilzentren mit ihrem Einzelhandel profitieren, wenn sie preisgünstig angesteuert werden können. Es werden mehr Menschen auf den ÖPNV umsteigen, wenn die Tickets billiger sind. Das hilft den Menschen und der Umwelt.

Die Mannheimer LINKE unterstützt eine solche Initiative selbstverständlich. Jahrelang kämpft sie jedoch auch für Sozialtarife. Und argumentiert: Preisgünstigere Tarife für den berechtigten Personenkreis führen nicht unbedingt zu Defiziten, sondern zu mehr Umsatz bei gleichbleibendem Aufwand. Gegen diese Logik sperrt sich der VRN bisher. Zur Begründung für den eTarif sagt der kaufmännische Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Schmidt: „Wir wollen mit dem Ticket zum Luftlinientarif mittels Smartphone weitere Fahrgäste erreichen und eine einfache und preisgünstige Möglichkeit bieten, auf Bus & Bahn umzusteigen“ (https://www.vrn.de/verbund/presse/pressemeldungen/pm/003192/index.html) . Nun muss er sich fragen lassen: Wenn Preisnachlässe und ein vereinfachter Zugang neue Kunden bringen, warum soll das nicht für ein einfach zu handhabendes Sozialticket gelten?

Also: Wo bleibt der „sTarif“, der Sozialtarif des VRN? Die Diskussion ist neu eröffnet. Die bisherigen „Sozialtickets“ in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen stellen keinen Sozialtarif dar, sondern sie fußen darauf, dass die Kommunen den Unterschied zwischen der Eigenbeteiligung der Nutzungsberechtigten und dem Normaltarif ausgleichen.

Und noch etwas muss diskutiert werden: Der „SozialTarif“ müsste in einem weiteren Schritt zu einem Tarif für Jedermann/frau werden, als „öTarif“ – Öko-Tarif. Denn nur wenn der ÖPNV unschlagbar preisgünstig und trotzdem leistungsstark wird, werden noch viel mehr Menschen umsteigen – genau das Richtige für eine zukunftsorientiere Mobilitätsgestaltung. Am Ende muss der ticketlose ÖPNV stehen.

eTickets gibt es nur über das Smartphone | Bild: wikimedia commons / nenntmichruhigip

Einige weitere Gesichtspunkte zu den obigen Feststellungen seien noch ergänzt:

  1. Man kann darauf wetten: Der VRN wird gegen ein Kurzstrecken-Ticket in Papierform einwenden: Damit werde der „Teil-Erschleichung“ Tür und Tor eröffnet. Massenweise würden die Kund*innen das Kurzstreckenticket kaufen und für den Fall der Kontrolle vorzeigen. Der Entwerteraufdruck auf dem Ticket zeigt neben der Uhrzeit nur Linien- und Waben-Nummer, nicht die Einstiegshaltestelle. Damit steht das Thema überalterter Daten-Technik im Raum.Damit steht auch das Thema im Raum, welches der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Jens Gnisa Anfang Januar angeschnitten hat (z.B.: rbb 04.02.208, 20:02) Die Nahverkehrsunternehmen täten zu wenig, um selbst „Erschleichungs“-Tatbestände einzuschränken. Sie setzten schlechte Technik und zu wenig Personal ein und verlagerten das Kostenproblem auf den Staat.

    Allein die Berliner Justiz befasse sich jährlich mit 40.000 Schwarzfahrten. Am Stichtag 27.12.2017 verbüßten in Berlin 2.869 Menschen eine Freiheitsstrafe, davon 299 eine „Ersatzfreiheitstrafe“. Ein Hafttag koste das Land ca. 140 Euro.

    In Baden-Württemberg sind es nach Angaben der Stuttgarter Zeitung online vom 11.12.2017 jährlich 10.000 Verurteilungen wegen „Erschleichens von Leistungen“. 2016 verbüßten demnach durchschnittlich 481 von 7.100 Gefangenen Ersatzfreiheitsstrafen.

    Gnisa zieht daraus wie auch schon NRW-Innenminister Biesenbach (CDU) die Konsequenz, man müsse das „Schwarzfahren“ als Straftatbestand aus dem Strafgesetzbuch herausnehmen. Für BaWü-Innenminister Strobl (CDU) ein Graus.

  2. So lange es Einzel-Tickets im ÖPNV gibt, müssen diese leichter handhabbar sein, z.B. durch Geldkarten, von denen durch ein CheckIn-/CheckOut-System die Fahrtkosten gleich abgebucht werden und die mit einem Kartenlesegerät kontrolliert werden. Ein solches Verfahren, gibt es in europäischen Großstädten durchaus schon. Der Einsatz von Smartphones und die damit verbundene Daten-Plünderung können so umgangen werden. Diskriminierungsfreie Sozialtickets könnten hier gut einbezogen werden.
  3. In der mündlichen Antwort auf entsprechende Gemeinderats-Anfragen sowie Anliegen aus der Bürger*innen-Ideenplattform äußerte der zuständige Finanzdezernent Specht (CDU), ein ticketfreier ÖPNV werde ein wesentlich höheres Kostenvolumen verursachen als der bisherige: Aufgrund der dann gestiegenen Attraktivität werde weder das rollende Material noch das Personal ausreichen, es müsse entsprechend zusätzlich investiert werden. Vergleichbar wären die Effekte bei Einführung eines „Öko-Tarifs“ für alle. Damit ist die positive ökologische Wirkung solcher Reformen ebenso beschrieben wie die Frage aufgeworfen, wie dann der ÖPNV zu finanzieren sei. International gibt es hierzu interessante Modelle. Um die Diskussion einer grundlegenden ÖPNV-Reform kommt man nicht herum.
  4. Für Mannheim würde eine wesentliche Steigerung der Fahrgastzahlen mit mehr Fahrzeugen und geringeren Taktzeiten sofort die Notwendigkeit bedeuten, das Liniensystem grundlegend zu reformieren. Eine weitere Belastung des Knotenpunktes Paradeplatz, wo sich bisher alle Linien treffen, ist ebenso undenkbar wie die Aufrechterhaltung des status quo am Hauptbahnhof. Hier sind allerdings bereits konkrete Überlegungen zur Kapazitätssteigerung durch mehr Straßenbahn-Bahnsteige im Gange.

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE