Leserbrief „Zukunftshaushalt“ Mannheim – Ein Haushalt, der spaltet

Die Politik in Mannheim spart an den Falschen – und niemand übernimmt Verantwortung. Es ist Zeit, wütend zu werden.

Grafik: Stadt Mannheim https://buergerinfo.mannheim.de/buergerinfo/getfile.asp?id=8225962&type=do

Es ist ein stilles Ja, das sich als Enthaltung tarnt. Die Fraktion LTK (Linke, Tierschutzpartei, Klimaliste) im Mannheimer Gemeinderat hat sich bei der Abstimmung über den sogenannten „Zukunftshaushalt“ enthalten – in einer Situation, in der man nicht neutral sein kann. Enthaltung heißt in diesem Fall Zustimmung zu einem Etat, der die eigentlichen Ursachen der städtischen Finanzmisere nicht bekämpft, sondern nur ihre Symptome kurzfristig dämpft. Man streicht, kürzt, verschiebt – aber man wagt keine grundsätzliche Korrektur der falschen Richtung. Und indem man sich enthält, lässt man es geschehen.

Der sogenannte „Zukunftshaushalt“ ist ein Spardiktat, das – wie so oft – nicht bei den Profiteuren eines ausgehöhlten Steuersystems ansetzt, sondern bei denen, die sich am wenigsten wehren können: Familien, Alleinerziehende, Menschen mit geringem Einkommen. Kita-Gebühren steigen, soziale Angebote werden zusammengestrichen, Stadtteilkultur wird zur freiwilligen Leistung erklärt. Die strukturelle Schieflage, die sich bis 2028 auf hunderte Millionen Euro beläuft, wird damit nicht gelöst. Was hier passiert, ist kein Zukunftshaushalt – es ist ein Rückzug des Sozialstaats im Lokalen.

Und der Oberbürgermeister? Christian Specht von der CDU trägt das Ganze mit, als wäre es alternativlos. Kein Wort der Kritik an seiner eigenen Partei, obwohl man sie sehr wohl anbringen könnte – ja müsste. Die CDU hat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über 50 Jahre in Regierungsverantwortung gestanden. Über ein halbes Jahrhundert politische Gestaltungsmacht auf Bundesebene – und was bleibt, ist ein Flickenteppich aus Steuerprivilegien für Superreiche, unterfinanzierten Kommunen und einer Sozialpolitik, die bestenfalls repariert, was sie selbst zerbrochen hat. In Mannheim spart man, weil der Bund sich weigert, Vermögende gerecht zu besteuern. Weil man lieber Cum-Ex durchwinkt, als flächendeckend Steuerprüfungspersonal aufzustocken. Weil man bei jedem Vorschlag nach oben zu greifen, reflexhaft den „Mittelstand“ vorschiebt, während unten längst die Luft wegbleibt.

Dabei fehlt es nicht an konkreten Beispielen, wie viel öffentlicher Schaden durch die politischen Netzwerke der „bürgerlichen Mitte“ angerichtet wurde. Die Maskenaffäre um Jens Spahn ist nur ein prominenter Fall. Hunderte Millionen Euro für Masken, die überteuert und teils unbrauchbar waren. Verträge, abgeschlossen in Hinterzimmern, vorbei an Kontrollmechanismen. Das ist keine Anekdote. Das ist symptomatisch für eine Politik, die Verantwortung delegiert, aber nicht übernimmt. Und die Kosten dafür landen – wieder – bei den Städten, bei den Haushalten, bei denen, die nichts damit zu tun hatten.

Es ist Zeit, dass wir aufhören, Verständnis zu heucheln für eine Politik, die sich als Vernunft tarnt, aber in Wahrheit ein Klassenprojekt ist. Eine Politik, die Reichtum schützt und Armut verwaltet. Die Oben entlastet und Unten belehrt. Es darf nicht sein, dass immer wieder die breite Bevölkerung, die arbeitende Mitte und der prekär lebende Teil der Gesellschaft die Fehler bezahlen, die oben gemacht wurden – und dass man ihnen dann auch noch erklärt, dass „leider kein Geld da ist“.

Doch! Es ist Geld da. Es ist nur falsch verteilt. Und diese Verteilung ist kein Schicksal. Sie ist politisch gemacht – und könnte jederzeit politisch geändert werden. Denn die Gewinne großer Konzerne werden privatisiert, während Verluste sozialisiert werden. Das muss aufhören und Superreiche müssen endlich wieder besteuert werden. Milliarden könnten jährlich in die öffentliche Hand fließen, wenn Vermögende endlich gerecht besteuert würden. Und nein – das wäre nicht verfassungswidrig.

Was es braucht, ist Empörung. Nicht aus Prinzip, sondern aus Gerechtigkeit. Wut, nicht als Stimmung, sondern als politische Antwort auf eine Ordnung, die sich moralisch längst selbst disqualifiziert hat.

Wer jetzt nicht laut wird, wird später vielleicht nichts mehr zu sagen haben.

#Taxtherich

Mannheim, 10.10.25   Sebastian Reich




Leserbrief zu „Absage der ‚Meile der Religionen‘ – Religion als Teil der Lösung oder Teil des Problems?“

Der Leserbrief bezieht sich auf den Artikel

Absage der ‚Meile der Religionen‘ – Religion als Teil der Lösung oder Teil des Problems?“ vom 24.06.25

Liebes Redaktionsteam,

mit Interesse habe ich Ihren Artikel zur Absage der Meile der Religionen gelesen. Die Thematik berührt zentrale gesellschaftliche Fragen, nicht nur für Mannheim, sondern weit darüber hinaus. Umso mehr bedauere ich, dass der Beitrag meines Erachtens hinter dem Anspruch einer differenzierten Analyse zurückbleibt.

Ich bin Mitglied einer politisch linken Partei und engagiere mich auch im interreligiösen Kontext. Umso mehr irritiert mich die stark vereinfachte Religionskritik im Artikel. Religion wird dort beinahe ausschließlich als Herrschaftsinstrument, Konflikttreiber oder kulturelle Hülle zur Machtsicherung beschrieben – ohne jede Berücksichtigung ihrer lebensweltlichen, ethischen und friedensfördernden Dimensionen, wie sie viele religiöse Menschen in unserer Stadt täglich leben.

Die Bezugnahme auf Marx wirkt dabei eher wie ein ideologischer Reflex. Marx’ Religionskritik ist in Wirklichkeit deutlich vielschichtiger: Religion sei zwar das „Opium des Volkes“, aber zugleich das „Herz einer herzlosen Welt“ – Ausdruck realer Unterdrückung, nicht bloß deren Ursache. Wer sich auf Marx beruft, sollte diese Ambivalenz ernst nehmen und sich nicht mit verkürzten Schlagworten zufriedengeben.

Dass Religion in einem linken Medium so einseitig als Problem dargestellt wird, wirkt fast schon altmodisch – eine Religionskritik im Stil des 19. Jahrhunderts, während wir längst im 21. leben.

Zudem möchte ich zu bedenken geben, dass auch im Namen von Humanismus, Vernunft und Fortschritt große Verbrechen begangen wurden – von kolonialer „Zivilisierungsmission“ bis hin zu den Schrecken des Stalinismus. Auch säkulare Weltanschauungen sind nicht automatisch vor Machtmissbrauch, Fanatismus oder Gewalt gefeit. Die Vorstellung, dass allein der Abschied von Religion eine bessere Welt garantiere, ist historisch kaum haltbar.

Eine kritische, emanzipatorische Linke sollte deshalb Religion nicht pauschal delegitimieren, sondern sich offen für Bündnisse mit all jenen zeigen, die sich – religiös oder säkular – für eine gerechtere, friedlichere und solidarische Gesellschaft einsetzen. Gerade in einer Stadt wie Mannheim, in der religiöse Vielfalt und Zusammenleben konkret und alltäglich sind, braucht es weniger ideologische Trennlinien und mehr Interesse an Zwischentönen.

Ich würde mich freuen, wenn kommunalinfo künftig auch diesen Stimmen und Perspektiven Raum gibt.

Mit solidarischen Grüßen
Sebastian Knapp

 




Leserbrief: BSW hat eine friedenspolitische Perspektive

Der Leserbrief bezieht sich auf den vorangegangenen Leserbrief „Widerspruch: Das BSW ist keine linke Partei“
https://kommunalinfo-mannheim.de/category/lesermeinung/

von Manfred Hübner

Ich möchte die Aussage von Roland Schuster unterstreichen, dass es aus friedenspolitischer Sicht wünschenswert ist, dass auch das BSW im neuen Bundestag vertreten ist.

Ich bin nicht mit allem einverstanden, was das BSW und Sahra Wagenknecht sagen, auch nicht zum Krieg in der Ukraine. Allerdings denke ich, dass das BSW in der Friedenspolitik einen sehr wichtigen Aspekt einbringt, der von den meisten anderen Parteien komplett übergangen wird.
Viele Politiker und Journalisten sagen richtigerweise, dass die Ukraine Opfer eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges wurde, und dass sie das Recht zur Selbstverteidigung hat. Sie stellen aber nicht die Frage, wie viele Soldaten auf beiden Seiten, und damit auch auf der ukrainischen Seite, dafür sterben müssen, damit die Ukraine militärisch den Krieg gewinnt, wie es immer wieder gefordert wird. Leben und Gesundheit der Soldaten kommt in der politischen Entscheidungsfindung oft ganz zuletzt.
Deshalb ist es für mich sehr wichtig, dass Sahra Wagenknecht und das BSW überhaupt sagen, dass Krieg an sich eine furchtbare Sache ist, weil jeden Tag Menschen leiden und sterben, vor allem an der Front. Der Schutz von Leben und Gesundheit aller Menschen, gerade auch der Soldaten, soll zentrales Ziel der Friedenspolitik sein, und dafür steht meinem Eindruck nach das BSW.
Seit über zwei Jahren setzen sich Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter für einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine ein, Ihnen wurde entgegengehalten, dass es ein völlig unmögliches Unterfangen sei, Putin zu Verhandlungen zu bewegen. Jetzt zeichnet sich ab, dass es Trump möglicherweise  gelingen wird, am Verhandlungstisch ein Ende des Krieges in der der Ukraine zu erreichen.
Wie viele Menschen könnten noch leben, wie viele Verwundungen, Verstümmelungen, körperliche und seelische Traumatisierungen, hätten vermieden werden können, wenn Sahra Wagenknecht sich bereits vor 2 Jahren mit ihrem Ruf nach Verhandlungen hätte durchsetzen können?



Leserbrief – Widerspruch: Das BSW ist keine linke Partei

BSW Wahlplakat | Bild: privat

Der Leserbrief bezieht sich auf den Artikel „Auch für Mannheim wichtig: Unterschied der Erst- und Zweitstimme bei den Bundestagswahlen vom 28. Januar 2025

LINK: https://kommunalinfo-mannheim.de/2025/01/28/auch-fuer-mannheim-wichtig-unterschied-der-erst-und-zweitstimme-bei-den-bundestagswahlen/


von Heiner Dribbusch.

Am 28. Januar nur einen Tag vor der Abstimmung über den 5-Punkte-Plan der Union und drei Tage vor der Abstimmung über das unsägliche „Zustrombegrenzungsgesetz“ veröffentlichte das Kommunalinfo einen Artikel zur Bundestagswahl, in dem die Hoffnung ausgedrückt wurde, dass neben der Partei Die Linke auch das Bündnis Sahra Wagenknecht in den Bundestag einziehen möge. Denn es gehe darum, dass weiter eine linke Opposition im Bundestag vertreten sei.

Dem würde ich für Die LINKE unbedingt zustimmen. Es wäre ein politischer Rückschritt sollte diese Partei, der ich nicht angehöre und mit deren Positionen ich keineswegs überall übereinstimme, nicht mehr im Parlament vertreten sein. Der gesellschaftliche Raum für linke Positionen würde sich weiter verkleinern.

Das gilt jedoch nicht für das BSW. Dieses ist keine linke Partei und will das auch gar nicht sein. Seine Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Sachsen positionierte das BSW in der Leipziger-Volkszeitung vom 21.04.2024 „links von der CDU und rechts von der SPD.“

Das BSW bläst in der Migrationsfrage auch nicht, wie es verharmlosend heißt „in das Horn der anderen Parteien (außer der Linken)“, sondern positioniert sich, wenn es um Geflüchtete geht, am äußeren rechten Rand. Die Partei enthielt sich bei der Abstimmung über den 5-Punkte-Plan der Union am 29. Januar allein deshalb der Stimme, weil ihr der Antrag der Union nicht weit genug ging. Geht es nach dem BSW sollen Geflüchtete, die über einen „sicheren Drittstaat“ einreisen – und dies sind angesichts der geografischen Lage der Bundesrepublik praktisch alle – zukünftig keinen Anspruch mehr auf ein Asylverfahren und die damit verbundene, heute schon sehr bescheidene materielle Hilfe haben.

Das BSW vertritt zudem ein rückwärtsgewandtes nationalistisches Programm, sieht seine Vorbilder in Ludwig Erhard und dessen Konzept der sozialen Marktwirtschaft, möchte in der Klimapolitik das Aus für den Verbrenner rückgängig machen und wirbt um Corona-Leugner und rechte Schwurbler. Dass seine außenpolitischen Positionen „dem herrschenden Mainstream entgegengesetzt sind“, stimmt. Das gilt aber auch für die AfD. So fordert das BSW ein Ende der Sanktionen gegen Russland und zwar sofort und nicht erst dann, wenn Putin, dessen Angriffskrieg Tod und Verwüstung gebracht und Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat, seine Truppen zurückzieht. Das BSW sorgt sich dabei in erster Linie darum, der deutschen Industrie schnellstmöglich wieder billiges russisches Erdgas zu verschaffen. Da hätte auch die AfD nichts dagegen. Und auch die hohle Ami-Go-Home-Lyrik, die im BSW gepflegt wird, ist alles andere als links, ebenso wie Wagenknechts zutiefst reaktionäre Polemik gegen eine zeitgemäße Genderpolitik.

Wem das nicht reicht, die oder der konnte am Freitag, den 31. Januar im Bundestag praktisch erleben, wie das BSW tickt. Die Namensgeberin des Bündnisses polemisierte wie gewohnt vor allem gegen SPD und Grüne, den in ihren Augen Hauptverantwortlichen für das Erstarken der AfD. Als wenn diejenigen, die AfD wählen, nicht wüssten, wem sie ihre Stimme geben, nahm sie die AfD-Wähler*innen pauschal gegen den Nazi-Vorwurf in Schutz und bescheinigte ihnen „legitime Anliegen“. Konsequenterweise hatte das BSW dann auch kein Problem, zusammen mit der AfD für den Gesetzentwurf der Union zu stimmen. Die Brandmauer gegen rechts war für Wagenknecht und ihren Anhang noch nie ein Thema. Diese Partei hat keine einzige linke Stimme verdient und es wäre ein Fortschritt, wenn sie es nicht in den Bundestag schaffen würde.

Anders Die LINKE, die als einzige im Bundestag vertretene Partei nicht nur dieses Mal für den Schutz von Geflüchteten eintrat und konsequent gegen das Merz-Gesetz stimmte. „Wir sind die Brandmauer gegen rechts“, ist für sie nicht nur Sonntagsrede.

Es gibt also keine zwei Parteien links von Grünen und SPD, die am 23. Februar zur Wahl stehen, sondern nur eine.




Leserbrief zum Artikel „Wärmewende: Experten informieren über regionale Geothermie-Pläne“ vom 7. November 2024

Leider hat Stadträtin Dr. Martin von der Klimaliste in ihrem unkritischen Artikel über eine Informationsveranstaltung am 23.10.2024 auf dem Lindenhof ein Reihe von Un- und Halbwahrheiten der Fa. GeoHardt (MVV+EnBW) ungeprüft  übernommen.

Anfangs wird behauptet, dass die Fa. GeoHardt ein Drittel der Fernwärmeversorgung im Raum Mannheim bis 2030 abdecken will. Wie soll das geschehen, wenn ihre 3 geplanten Erdwärmekraftwerke zusammen eine max. Wärmeleistung von knapp 100 MWth erbringen können, das regionale Fernwärmenetz jedoch im Winter eine Spitzenlast zwischen 900 und 1.000 MWth hat?

 Dann wird das Erdwärmekraftwerk Bruchsal als Vorzeigeprojekt gelobt. Verschwiegen wird, dass es 1987 wegen technischen und wirtschaftlichen Gründen stillgelegt wurde und erst 2009 von der EnBW wieder als  Demonstrations- und Versuchskraftwerk mit zweistelligen Millionenzuschüssen wieder in Betrieb genommen wurde. Die von der EnBW am 26.02.2021 veröffentlichen Erfahrungen aus dem Anlagenbetrieb decken u.a. folgende Probleme auf: Die Anlage löst zwar im Betrieb keine Erdbeben aus,  fördert jedoch mehr Gase und Mineralien als heißes Thermalwasser. Dadurch stiegen der technische Aufwand, die Korrosion der Leitungen und die Kosten, während die Wärmeleistung von 5,5 MWth auf 1 MWth sank. Damit kann man im Winter nicht 20.000 Haushalte, sondern nur 200 Haushalte voll versorgen. Deshalb sind die Bruchsaler Geothermie-Kunden auf eine Zusatzversorgung aus Blockheizkraftwerken und erdgasbefeuerte Spitzenlastkessel angewiesen.

 Da das Thermalwasser im Mannheimer Süden eine ähnliche Qualität wie in Bruchsal aufweisen wird, werden auch hier Erdwärmekraftwerke unwirtschaftlich arbeiten.  Da deren Wärmeleistung das 30-fache des Bruchsaler Werkes betragen und zusätzlich Lithium gewonnen werden soll,  müssen Wasserdruck und Förderrate dementsprechend erhöht werden, so dass dann leichte Erdbeben und Erdverschiebungen möglich werden. Damit ist das Bruchsaler Modell nicht auf Mannheim übertragbar. Darüber hinaus bleiben u.a. zwei ungelöste Probleme:  Grundwasserverschmutzung infolge undichter Bohrungen und extrem hoher Frischwasserverbrauch bei der Lithiumgewinnung, der den Grundwasserspiegel absenkt.

Diese Probleme haben die Erdwärmekraftwerke im Münchner Umland nicht.  Denn dort kommt heißes, sauberes Thermalwasser  aus porösem Kalkstein. Die derzeitige Gesamtwärmeleistung liegt nach Auskunft der Stadtwerke München aktuell bei 400 MWth . Somit  können die 25 Münchener Erdwärmekraftwerke  nicht das  GKM übertreffen, welches derzeit bis zu 730 MWth liefern kann, obwohl die Blöcke 7+8 in der Netzreserve sind.

Joachim Schubert, Mannheim, 7. November 2024.

 




Leserbrief zu „Veranstaltung mit Nahostexpertin Baumgarten auf dem Marktplatz Mannheim“ (Artikel vom 7.10.24)

Die Nahost-Gruppe Mannheim ist samstags regelmäßig am Marktplatz mit einem Info-Stand präsent. Ab und an diskutiere ich dort mit Einzelnen. Das ist teilweise produktiv, auch wenn wir uns in diesen Gesprächen nicht immer einig sind, teilweise werden solche Diskussionen aber auch nicht gern gesehen, und man wird eher weggedrängt – je nachdem, an wen man gerät.

Ich mag ein hoffnungsloser Idealist und Optimist sein, aber ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass wir gerade bei diesem völlig verfahrenen Konflikt Israel-Palästina eine offene Diskussion brauchen. Deswegen kann ich überhaupt nicht verstehen, dass nach (angeblicher?) „Interventionen“ aus der Jüdischen Gemeinde, wie es in dem Artikel des Kommunalinfo heißt, die katholische Kirche die zugesagten Räume für die Veranstaltung der Nahost-Gruppe am 30.9. kurzfristig abgesagt hatte.

Leider gab es auch keine Diskussion auf der Veranstaltung im Zelt auf dem Marktplatz am 30.9., wie der Artikel im Kommunalinfo behauptet. Die Veranstalter machten von Anfang an deutlich, dass nur Fragen an die Referentin, Frau Baumgarten, gewünscht seien.

Der Vortrag von Frau Baumgarten bestand zum größten Teil aus detaillierten Aufzählungen von palästinensischen Opfern in Gaza, was sie unter „Völkermord“ subsummierte. Die informierte ZeitgenossIn weiß von dieser Gewalt, die die israelische Armee über Gaza gebracht hat. Von einer Professorin der Politikwissenschaft hätte ich mir mehr Analyse gewünscht. Ihr abschließender „Analyse-Teil“ aber kannte nur als Akteur Israel, die USA und Europa bzw. Deutschland, die angeblich vorbehaltlos Israel unterstützten.

Dass dieser Krieg einen Ausgangspunkt am 7.10. vor einem Jahr hatte, dass dieser Krieg zwei Kriegsparteien hat, Israel und die Hamas mit ihren jeweiligen Verbündeten, kam in dieser „politikwissenschaftlichen Analyse“ nicht vor. Kaum zu glauben.

Dass Baumgarten dann auch noch nahelegte, dass man gar nicht wisse, ob die Hamas am 7.10.2023 selbst für die israelischen Toten verantwortlich sei, da israelische Hubschrauber auf alles geschossen hätten, was sich bewegt habe, macht die Opfer des 7.10. zu Tätern.

Ohne ein Ende des Zionismus, eine „koloniale Ideologie“, gebe es keine Lösung für den Nahostkonflikt, so Baumgarten. Ich lass das mal so stehen. Aber was ist mit den religiösen Eiferern und Fanatikern auf der palästinensischen Seite? Zeigen diese den Weg zu Ausgleich und Frieden? Ich wundere mich, wie die im Zelt versammelten Alt-Linken anscheinend dieser Auffassung zuneigen.

Es gibt sie die Menschen auf der israelischen und palästinensischen Seite, die sich gemeinsam für unteilbare Menschenrechte und ein Ende der Gewalt einsetzen. Nur diese Basisinitiativen machen mir Mut, dass meine Enkel, die einen palästinensischen Großvater haben, eine Zeit erleben, in denen Israelis und Palästinenser in Frieden zusammenleben, wie auch immer dann die politische Lösung aussehen wird.

Ulrich Riehm, Mannheim




Kommentar: „Halbherzige Umbenennung der Rheinauer Straßennamen“

Straßenumbenennung Rheinau Süd | Bild: Stadt Mannheim

Leserbrief zum Thema Straßenumbenennung in Mannheim-Rheinau

Laut Mannheimer Morgen wurde der Vorstoß des AFD-Stadtrates Finkler, die Umbenennung von Straßen in Rheinau Süd, die in der Nazizeit nach sog. Kolonialpionieren benannt worden waren, laut beklatscht. Dies sei eine „Riesensauerei“, von „ideologisch gesteuerten Menschen“ in Gang gesetzt.

Die AFD lehnt in ihren Programmen Straßenumbenennungen und „Entkolonialisierung“ als „„antiweißen“ Affekt“ ab. Sie wehrt sich gegen „Schuld- und Schamkultur“ bzgl. der Kolonialverbrechen. Die Ermordung von zehntausenden Menschen in bspw. Namibia und Ostafrika, Zwangsarbeit und Prügelstrafen, Landraub, Raub von Bodenschätzen und Kulturgütern in der Deutschen Kolonialzeit sieht sie in ihrer Tradition von völkischer Politik „differenziert“.

Der Widerstand dieser Geschichtsrevisionisten gegen die Umbenennung der Straßennamen ist also Programm.

Erstaunlicher erscheint, dass im Rheinauer Bezirksbeirat auch von anderer Seite dem Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim vorgeworfen wird, er sei „ideologisch“ – wie immer das gemeint ist. Ist es nicht ‚ideologisch‘ eine Straße lieber wieder nach einem Kolonialisten oder nach Isabelle Eberhardt einer mehr als zweifelhaften Persönlichkeit zu benennen, als nach der weltweit geehrten Umweltaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Maathai, nur damit partout keine Straßen nach afrikanischen Menschen geehrt werden? Der AK Kolonialgeschichte Mannheim und andere haben die Verstrickung von Mannheimer Persönlichkeiten und Institutionen in Kolonialverbrechen nachgewiesen. Mit den Folgen leben die Nachkommen in den ehemaligen Kolonien bis heute, nicht wenige sind immer noch landlos.

Andere Städte, die durch koloniale Ausbeutung reich geworden sind wie Hamburg, Bremen, Köln oder Hannover, arbeiten ihre Kolonialgeschichte auf. Sie gründen bspw. Beiräte und entwickeln Konzepte zur Aufarbeitung der Kolonialverbrechen, die auf Rassismus gegründet waren.

Die Aufarbeitung der Kolonialen Verantwortung der Stadt Mannheim ist mit der halbherzigen Umbenennung der Rheinauer Straßennamen noch lange nicht abgeschlossen. Im Gegenteil. Der Ausgang der Wahlen zeigt: Übernahme von Positionen der Rechten wird nicht honoriert. Höhnisch zitierte die AFD auf der Kundgebung am Paradeplatz Kanzler Scholz zur Abschiebung von Geflüchteten. Solidarisches Handeln und klare Positionen gegen Rassisten sind so dringlich wie lange nicht. Auch, aber nicht nur bei der Umbenennung von Straßennamen.

Margarete Würstlin


Zum Kontext: Pressemitteilung der Stadt Mannheim, Politik & Verwaltung – 11.07.2024

Beschluss für Straßenumbenennung Rheinau

Mit großer Mehrheit hat der Gemeinderat die Umbenennung von vier Straßen im Stadtteil Rheinau beschlossen. Damit geht ein breit angelegter Prozess zu Ende, der mehr als zwei Jahre andauerte und an dem alle Mannheimerinnen und Mannheimer beteiligt wurden.

Die Gustav-Nachtigal-Straße wird in Marco-Polo-Straße umbenannt.

Die Leutweinstraße wird in Ida-Pfeiffer-Straße umbenannt.

Die Lüderitzstraße wird in Neumayerstraße umbenannt.

Der Sven-Hedin-Weg wird in Isabelle-Eberhardt-Straße umbenannt.

Die neuen Benennungen haben ihre Gültigkeit zum nächsten Quartalsbeginn, welches drei Monate nach Bestandskraft des Beschlusses folgt. Dies ist der 01.01.2025, soweit kein Widerspruch eingelegt wird. Die aufgrund der Umbenennung notwendigen Adressenänderungen werden für die Betroffenen kostenfrei sein. Der Hauptausschuss hat sich zudem positiv darüber ausgesprochen, dass Gewerbeleute und freiberuflich Tätige eine Unterstützungsleistung in Höhe von 500 Euro erhalten. Die Entscheidung trifft der neue Gemeinderat in seiner ersten Sitzung am 23. Juli.

Den Grundsatzbeschluss der Umbenennung hatte der Gemeinderat im Februar 2022 gefasst. Die neue Namensgebung wurde in einem mehrstufigen Bürgerbeteiligungsprozess vorbereitet. Im März dieses Jahres konnten alle Mannheimerinnen und Mannheimer zwei Wochen lang aus 18 geprüften Vorschlägen ihre Favoriten für die neuen Straßennamen bestimmen. Insgesamt 3.377 gültige Stimmen gingen ein, davon kamen 27,5 Prozent aus dem betroffenen Stadtteil Rheinau-Süd.  Die vier Namen mit den meisten Stimmen deckten sich mit den favorisierten Vorschlägen der Siedlergemeinschaft: Marco Polo, Ida Pfeiffer, Georg Balthasar Neumayer und Isabelle Eberhardt. Das Ergebnis wurde dem Bezirksbeirat Rheinau am 12. Juni vorgestellt und dort einstimmig befürwortet. Der vollständige Prozess ist unter www.mannheim-gemeinsam-gestalten.de/dialoge/strassennamen-rheinau-sued abgebildet.

Stadt Mannheim




Leserbrief zum Beitrag “Free Palestine” Demonstration gegen den Krieg in Gaza – aber wofür eigentlich?

Der Artikel zur Demo am 11. November in Mannheim gegen den Krieg in Gaza ist doch sehr sonderbar. Er geht an dem Anliegen der demonstrierenden Menschen völlig vorbei. Das zeigt sich schon in der Überschrift “ “ Free Palestine“ Demonstration gegen den Krieg in Gaza – aber wofür eigentlich?“

Das beigefügte Video macht doch deutlich Wofür demonstriert wurde! Gegen Dauerbombardierungen der dort lebenden palästinensischen Menschen und für ein Leben in Freiheit und Würde.

Das Ausmaß des Dauerbombardements, der Verschärfung der Blockade, der Verhinderung der Versorgung der Bevölkerung mit zum Leben ausreichenden Lebensmitteln, Medikamenten, Wasser und Strom durch die israelische Regierung beschert den dort lebenden Menschen ein Inferno. Das verstößt gegen Völker- und Menschenrecht. Es ist dringend, dass dieser „Selbstverteidigungs“-Krieg gegen alle dort lebenden Palästinenser*innen, Journalist*innen und Ärztinnen und Ärzte sofort beendet wird. Natürlich muss die Hamas die Geiseln wieder freilassen.
Es ist ebenso berechtigt zu fordern, dass die vielen Menschen, die schon lange in Administrativhaft (d.h. ohne Anklage, Gerichtsverfahren und Urteil) in israelischen Gefängnissen eingesperrt sind aus diesen unverzüglich freigelassen werden.

Dieser Krieg ist wie jeder Krieg zu verurteilen. Er löst nicht die Probleme, die durch die gewaltsame Staatsgründung Israels vor nunmehr 75 Jahren entstanden sind. Die palästinensische Bevölkerung darf nicht länger diskriminiert und einem Apartheidstatus unterworfen werden. Die Hälfte der Krankenhäuser sind geschlossen. Viele Menschen können nicht operiert werden, eine Menge sind wegen der brutalen Armeeeinsätze vorzeitig gestorben. Bis jetzt wurden mindestens 30 Journalist*innen, eine dreistellige Zahl von Ärztinnen und Ärzten und mindestens 100 Mitarbeiter*innen der UNO von der israelischen Armee getötet. Das sollte auch im KIM Ernst genommen werden. Der Gazastreifen ist eine Art Freiluftgefängnis – schon seit Jahren, was immer wieder von der UNO verurteilt wurde. Was die israelische Armee jetzt seit dem 7. Oktober macht ist keine Selbstverteidigung, sondern Völkermord.

Menschenrechte sind unteilbar, das gilt für die israelische Regierung wie für die Hamas.

Der Angriff der Hamas, der auch gegen das Völkerrecht verstoßen hat berechtigt Israel nicht dazu seinerseits die Menschenrechte der dort lebenden Menschen tagtäglich mit Füßen zu treten

haru




Job-Center Mannheim: Skandalurteil wird nach fast 4 Jahren wieder aufgerollt – Wir fordern Freispruch für Ufuk T.

Üsoligenial Heidelberg Rhein Neckar e.V.:

JobCenter Mannheim, Ort des Polizeieinsatzes gegen einen Hilfesuchenden. (Bild: KIM-Archiv)

Was ist passiert? Statt Hilfe für eine notleidende Familie gab es auf dem Jobcenter in Mannheim heftige Polizeischläge, angebliches Hausverbot das nie existierte und  eine Verurteilung des Familienvater Ufuk T. durch das Amtsgericht Mannheim zu 170 Tagessätze à 15 Euro. Es wurde also nicht gegen den damaligen Leiter des JobCenters und die Polizei  vor dem Amtsgericht Mannheim verhandelt, sondern gegen den Familienvater der nichts anderes wollte, als einen Gutschein oder Vorschuss, weil der Kühlschrank leer war und die Familie in existenzieller Not.

Ufuk T. ist seit Jahren erwerbsunfähig (vorher Briefträger ) und hat aufgrund seiner Krankheit einen Betreuer. Seine Frau arbeitet in der Küche, wohnhaft in einer kleinen 3 Zimmerwohnung mit zwei Kindern, wobei eine Tochter zum Zeitpunkt  des Vorfalls im 8. Monat schwanger war. Zusammen bildeten sie eine „Bedarfsgemeinschaft“.

Beim Empfang am Tresen wurde Ufuk T. gesagt, dass sein zuständiger Sachbearbeiter bereits gegangen sei. Zudem würde es keine Vertretung geben. Stattdessen solle er in 4 Tagen „zur offenen Sprechstunde “ wiederkommen, dann würde sein Anliegen bearbeitet werden. Da aber die existenzielle Not so groß war, – der Kühlschrank leer – ging Ufuk T. nicht, bis er mit einem Sachbearbeiter sprechen könne. Es sei eine Notlage. Sein Betreuer hat nach eigener Auskunft vorher mehrmals beim Jobcenter angerufen, aber keine Rückmeldung erhalten. Es lag auch ein Bescheid des JC vor, dessen Betrag aber ca. drei Wochen nicht ausgezahlt wurde. (Ein klassischer Fall, wo das JC als Institution unbürokratisch Abhilfe leisten muss !)

Anstatt Ufuk T. zu eine*r freien Sachbearbeiter*in vorzulassen und ihm einen Vorschuss zu geben  – bis dahin stand auch für solche Fälle im Foyer ein Geldautomat mit Kamera –  rief an der Theke ein*e Mitarbeiter*in oder ein Security-Mann die Polizei. Zunächst kamen zwei Polizisten. Ufuk. T. bestand weiterhin darauf, einen Sachbearbeiter zu sprechen, damit wenigstens die nächsten Tage Verpflegung für die Familie gesichert sind.

Ein Polizist und ein Security-Mann bestätigten im Prozess, dass der Familienvater bis zur Zwangsmaßnahme durch die Polizei (Platzverweis) normal mit der Polizei gesprochen hatte und in keinster Weise randalierte oder anderweitig den Ablauf der Behörde gestört habe.
Weil Ufuk T. auf seinem Recht, einen Sachbearbeiter sprechen zu können, bestand, hatte die Polizei ohne Rechtsgrundlage während der Öffnungszeiten des JC einen „Platzverweis“ verfügt und setzte diesen mit brutaler Gewalt vor den Augen der Frau und einer Tochter von Ufuk. T. durch. Die Polizei  bezog sich auf ein angebliches Hausverbot, das es jedoch nie gab.

Die Empörung war groß, so schrieb unter anderem der bekannte Musiker, Liedermacher und Komponist Konstantin Wecker an uns: „Daß Menschen in Deutschland hungern sollen, weil man sie mit Polizeigewalt aus Amtsgebäuden entfernt und daran hindert, ihren grundgesetzlich garantierten Rechtsanspruch auf ein jederzeit zu gewährleistendes menschenwürdiges Existenzminimum geltend machen zu können, empört mich zutiefst.“ (veröffentlicht auch im MM)

Holdger Platta,  Wissenschaftsjournalist und Experte zu Hartz 4, der das Mannheimer Jobcenter angeschrieben hat und keine Antwort auf seine Fragen bekam, meint :

Alle drei Institutionen haben versagt„. Das Jobcenter, die Polizei und das Amtsgericht Mannheim mit dem Richter Fritz und dem Staatsanwalt  Hager. Sie klärten nicht auf sondern behandelten Ufuk T. wie einen Kriminellen, sie betrohten Zeugen und schüchterten sie ein, bzw. hatten sie gar nicht erst zugelassen. Das teilten uns mehrere Gerichtsbeobachter mit.

Wir sagen: Stell Dir vor, Du gehst aufs Amt, weil Du dringend Hilfe brauchst. Das Amt verweigert diese rechtswidrig. Du wirst von einer anderen  Institution, der  Polizei, während der Öffnungszeiten ohne Grund zusammengeschlagen, und du wirst dafür von einer Justiz verurteilt, die für Aufklärung sorgen soll aber das Gegenteil macht!

Das geht uns als Demokraten alle an – Hier ist die gesamte Zivilgesellschaft angesprochen. Zeigen wir unsere Solidarität mit Ufuk T.  Hier müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und Freispruch für Ufuk T.

Wir sehen in der Rechtsentwicklung der Regierung ein weiteres Indiz für die zugespitzten Auswirkungen auf Institutionen wie Jobcenter, Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter.

Dieser ganzen Rechtsentwicklung können  wir nur gemeinsam entgegentreten. So wie wir bei der Seenotrettung verhindern müssen, dass diejenigen abgeurteilt werden, die Menschenleben retten, so müssen wir darauf achten, dass Menschen die friedlich für ihre Rechte eintreten, nicht brutal zusammengeschlagen und anschließend noch verurteilt werden.

Schickt uns Eure Solidarität, kommt zum Prozess und unterstützt den Rechtshilfefonds!
„Wir lassen niemand allein“

Üsoligenial Heidelberg Rhein Neckar e.V.

IBAN: DE40 6729 1700 0024 7310 06 bitte mit Zusatz RHF Ufuk




Lindenhof: Kita versus Parkplätze

Parkplätze bestimmen unser Leben. So weit sind wir.

Unsere Liebe zum und unsere gefühlte Abhängigkeit vom Automobil sind mittlerweile tief in öffentlichen Beteiligungs- und kommunalen Entscheidungsprozessen verankert. Auch bei Themen, wo man es zunächst gar nicht vermuten würde, wie beim Bau von Wohnungen und Kindertagesstätten. So zum Beispiel auf dem Lindenhof, wo der Pfalzplatz teilweise bebaut werden soll mit Kita und Wohnbebauung 1 oder beim geplanten Bau einer neuen zweistöckigen Kita in der Landteilstraße. Zunächst scheint es bei beiden Vorhaben nur ein Randthema zu sein, beim genauerem Hinhören erkennt man allerdings, dass die befürchtete Zunahme von PKW-Verkehr, ganz besonders aber die Verfügbarkeit von PKW-Parkplätzen im Zentrum der Auseinandersetzung stehen.

Kita Landteilstraße: im Bild links unten soll die Kita (nicht) gebaut werden. Denn da, wo die Autos stehen, müßten ja auch Erzieher*innen parken. Auf die Idee, die Dauerparkplätze für heiße Blechkisten in der prallen Sonne generell zu entfernen, kommt niemand.

In der Landteilstraße werde – so Anwohnende – eine Frischluftschneise durch den Bau blockiert und außerdem müssten Bäume gefällt werden. Beides führe zu höheren Temperaturen im Sommer. Außerdem würden den angestellten Erzieher*innen keine Parkplätze zur Verfügung gestellt. Dies bedeute die zusätzliche Inanspruchnahme von bis zu 10 Parkplätzen der sowieso chronisch knappen Parkmöglichkeiten für Anwohner in diesem Wohngebiet. Auf die Idee, das ganze Areal dort (Bild) frei von dauerparkenden Blechkisten zu machen und die hierfür benötigten Flächen zu entsiegeln, kommt niemand. Auch für temporäre Straßensperrungen für KFZ gegen die Elterntaxis zu den bevorzugten Hol- und Bringzeiten tritt niemand von den Anwohnern öffentlich ein. Ebensowenig für mehr Parkmöglichkeiten für Lastenräder auf Kosten von PKW-Stellplätzen. Dabei sind das alles Maßnahmen, die gut gegen höhere Temperaturen im Sommer wirken. Wahrscheinlich würde die Entfernung von Parkplätzen auch in Verbindung mit einem zusätzlichen Gebäude das Mikroklima gegenüber dem heutigen Zustand verbessern. Denn, so Stadtplaner, Schuld sind nicht die Gebäude, sondern die Autos. 2 In der Sonne parkende Autos heizen im Sommer die Umgebung besonders stark auf.

Auch am Pfalzplatz regt sich Widerstand von Anwohnenden gegen eine Wohnbebauung. Die FDP und die Grünen im Bezirksbeirat Lindenhof unterstützen diese kritische Haltung. Man wolle die „wertvolle Freifläche“ schützen. Der Platz sei „einzigartig, erhaltenswert und von mikroklimatischer Bedeutung.“ 3 Dabei wurden die stadtklimatisch negativen Auswirkungen der riesigen Betonfläche von sechs Fußballfeldern 4 bereits 2010 empirisch nachgewiesen. 5 Immerhin, das Umweltschutzargument wird in der BBR-Sitzung vom 09.02.2022 nur noch von der FDP vertreten. Die Grünen befürchten an diesem Abend eher eine Zunahme von PKWs im Stadtteil mit negativen Auswirkungen sowohl auf den ruhenden als auch auf den fließenden Verkehr. Es sollen also keine neuen Wohnungen gebaut werden, weil dies dann geradezu zwangsläufig zu mehr Autos führe und das wolle ja niemand.

Der Pfalzplatz: Für Grüne/Lindenhof „einzigartig, erhaltenswert und von mikroklimatischer Bedeutung“

Wie kommt man zu so einer Schlussfolgerung? Was ist mit der Ausschöpfung aller kommunalen Mittel zur Reduzierung des KFZ-Stellplatzschlüssels pro Wohnung bei Neubauten? 6 Was ist mit der Verringerung und Verteuerung von öffentlichem Parkraum? Wäre es nicht humaner und klimaschützender, sich für Wohnraum für Menschen und gegen Parkplatz für Autos einzusetzen? Der Lindenhof ist hervorragend an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und hat mit 637 Privat-PKW pro Haushalt den höchsten Wert unter den innenstadtnahen Bezirken. 7 Das Ansinnen, hier KFZ-Parkplätze zu schützen, ist deshalb fragwürdig. Dies mit Umwelt- und Klimaschutz zu begründen, ist erbärmliche Heuchelei.

Klaus-Dieter Lambert, Bezirksbeirat Lindenhof LINKE


Lindenhof: Kita versus Parkplätze
1 https://kommunalinfo-mannheim.de/2022/02/14/preiswert-wohnen-auf-dem-pfalzplatzbunker/

2 https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-stadtplaner-ueber-ueberhitzte-quadrate-darum-muss-das-auto-raus-aus-mannheim-_arid,1845186.html?

3 http://www.gruene-fraktion-mannheim.de/2021/04/01/kita-neuabau-auf-dem-pfalzplatz/

4 https://www.rnz.de/nachrichten/mannheim_artikel,-mannheims-geheimnisvolle-orte-der-groesste-tiefbunker-der-stadt-plus-fotogalerie-_arid,460507.html

5 https://www.lipartie.de/2021/04/20/pfalzplatz-preiswerten-wohnraum-schaffen-freiflaechen-erhalten/

6 https://www.landesrecht-bw.de/jportal/portal/t/pxf/page/bsbawueprod.psml/action/portlets.jw.MainAction?p1=1b&eventSubmit_doNavigate=searchInSubtreeTOC&showdoccase=1&doc.hl=0&doc.id=jlr-BauOBW2010V8P37&doc.part=S&toc.poskey=#focuspoint

7 https://web2.mannheim.de/statistikatlas/