Protestaktion bei General Electric (GE) Mannheim am 11. 12. 2017 Grußwort von Roland Schuster „Fragen und Antworten finden“

(…) im Mannheimer Morgen vom Samstag wird eure Betriebsratsvorsitzende zitiert „Dieser Standort erlebt seit Jahren die Hölle auf Erden.“

Diese traurige und bittere Wahrheit, ausgesprochen von Elisabeth Möller, müsst ihr, und das ist schlimm, ertragen. Das erklärte Ziel, den Standort für möglichst viele zu erhalten, konntet ihr nicht und konnten wir nicht, die wir euch unterstützt haben, erreichen. Aber, das ist vielleicht ein kleiner Trost, lasst euch das von einem sagen, der auch einen Blick von Außen hat: Ihr, als Belegschaft, als Betriebsrat, als Vertrauensleute habt alles, aber auch alles gemacht, um diese Arbeitsplätze zu erhalten: UnzähligeBusfahrten nach Paris und nach Frankfurt zu den Konzernzentralen, das überbetriebliche Solidaritätskomitee, die starke Unterstützung durch die IG Metall, Öffentlichkeitsarbeit, Einschaltung der Politik usw. Ihr habt auch den Part übernommen, den eigentlich die Geschäftsleitung hätte machen müssen: Ihr habt euch um mögliche Alternativgeschäftsfelder außerhalb der Energiewirtschaft gekümmert. Aber all das wollte die Geschäftsleitung nicht hören, und als die Schließung der Fabrik nicht mehr abzuwenden war, habt ihr einen Investor bei der Hand gehabt, der die Fabrik kauft. Aber auch das wollte die Geschäftsleitung nicht.

Sie wollte diesen Standort und diese Arbeitsplätze von Anfang an platt machen. Ihr und wir haben das geahnt – umso schlimmer nun ist es, dass das Unglück zumindest weitgehend eingetreten ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bei aller Traurigkeit und Wut: Wir müssen nach vorne schauen. Jeder Arbeitsplatz, der hier am Standort erhalten werden kann, muss bleiben! Und für jeden Arbeitsplatz, der nicht erhalten werden kann, weil die Geschäftsleitung sich weigert, soll GE, der Konzern mit den Milliarden-Gewinnen, so teuer wie möglich bezahlen. Dafür sollt ihr die Unterstützung bekommen, die ihr verdient habt. Die Konferenz, die der Betriebsrat, die Vertrauensleute und das Solidaritätskomitee zusammen mit der IG Metall, am 29. November im Gewerkschaftshaus durchführten, trug den Titel „GE – unser Kampf – wie weiter?“ In den Konferenzmaterialien gibt es eine Rubrik mit „Antworten finden“.

Da heißt es:

  • Wie aktive gewerkschaftliche Gegenmacht in Betrieb und Gesellschaft stärken und verteidigen?
  • Helfen Vetorechte für Betriebsräte?
  • Ist eine demokratische Kontrolle von Konzernen möglich ?
  • Kann Wirtschaft so umgestaltet werden, dass sie der Gesellschaft und nicht den Interessen weniger dient ?

Diese eure Fragen sind auch unsere Fragen und darauf müssen Antworten gefunden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
hier hinter diesen Werksmauern sind Fabrikanlagen mit dem Wert vom mehreren 100 Mio. €. Kann es sein, dass eine Konzernleitung mit einem Federstrich diese Werte vernichtet?
Politik und Gesellschaft müssen sich fragen, wie Konzernwillkür eingegrenzt werden kann und darauf eine Antwort finden!

ROLAND SCHUSTER




Aktionstag in der Bahnindustrie Das System Schiene stärken – Arbeitsplätze sichern – Auch Mannheimer Betriebsrat von Bombardier unterstützt die Erklärung – Unterschriftensammlung der Kolleginnen und Kollegen

 
Die Bahnindustrie befindet sich im Wandel, der globale Wettbewerb hat sich verschärft.
Auf einem von der IG Metall organisierten Aktionstag in den Betrieben der Bahnindustrie
setzen Beschäftigte und Betriebsräte ein starkes Zeichen, die Zukunft der Bahnindustrie
zu sichern. Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall, fordert von der neuen
Bundesregierung, einen Bahnkoordinator einzuführen.
 
Als er heute Morgen aufgewacht ist, früh um halb sechs, war sie wieder da, diese Unruhe,
diese Anspannung, eine untergründige Sorge. So ist das jetzt oft, wenn er zur Arbeit fährt.
„Wir sind hier alle nervös, wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Wie sicher auf lange
Sicht unsere Arbeitsplätze sind“, sagt Andre Jansen. „Das ist belastend. Wir müssen
etwas tun.“
Deshalb steht der 36-Jährige jetzt hier, deshalb stehen seine Kolleginnen und Kollegen
jetzt hier – insgesamt 600 Beschäftigte, die sich an diesem kalten Morgen vor dem
Werkstor von Siemens in Krefeld versammelt haben. Und nicht nur dort: Unter dem Motto
„Bahn bewegt Zukunft“ organisierte die IG Metall einen Aktionstag in den Betrieben der
Bahnindustrie.
An vielen deutschen Standorten in der ganzen Republik, bei Bombardier in Berlin ebenso
wie bei Alstom in Salzgitter, kamen heute Beschäftigte zusammen: Sie halten
Transparente in der Hand, auf denen „System Schiene stärken – Arbeitsplätze sichern“
steht, sie heben Plakate in die Höhe, auf denen sie verstärkte Investitionen in ihre Branche
einfordern. Sie setzen ein starkes Zeichen, die Zukunft der Bahnindustrie zu sichern.
Bahnindustrie im Wandel
Der Handlungsbedarf ist gewaltig, die Herausforderungen sind es auch: Die Bahnindustrie
befindet sich in einem Wandel, spätestens nach der Fusion der beiden größten
chinesischen Zughersteller zum Giganten CRRC hat sich der Druck nochmals massiv
verschärft. Hersteller und Zulieferer entlang der gesamten Wertschöpfungsketten sind vom
schärfer werdenden Wettbewerb betroffen. Das aber hat Auswirkungen auf die deutsche
Bahnindustrie.
Schon seit längerem steckt der Hersteller Bombardier in einer harten Umstrukturierung,
viele Arbeitsplätze sind in Gefahr. Ende September gab Siemens bekannt, seine
Zugsparte mit dem französischen Anbieter Alstom zusammenzulegen. IG Metall und
Arbeitnehmervertretern gelang es, im Vorfeld Vereinbarungen auszuhandeln, die den
Beschäftigten fürs Erste Sicherheit geben: Mit den getroffenen Standortgarantien von vier
Jahren, einem Verzicht auf Kündigungen für mindestens vier Jahre, den Erhalt der
Mitbestimmung sowie der Absicherung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in
Deutschland und Frankreich ist eine Basis gelegt.
 
Allein mit diesen Vereinbarungen aber, das ist auch den Beschäftigten klar, werden die
Arbeitsplätze in Zukunft nicht zu halten sein. „Dazu braucht es mehr“, sagt Andre. „Wir
müssen das gesamte System Schiene stärken.“
Offensive für die Schiene
Wie das aussehen kann, was dazu nötig ist, das machte Jürgen Kerner vor Beschäftigten
am Siemens-Standort Krefeld und am Nachmittag bei Alstom in Salzgitter
unmissverständlich deutlich. „Um Arbeitsplätze in der Branche langfristig zu sichern,
braucht es zukunftsweisende Konzepte für die einzelnen Standorte und dazu neue
Produkte und Investitionen“, betonte Kerner, der als geschäftsführendes Vorstandsmitglied
die Branchenpolitik der IG Metall auch für die Bahnindustrie verantwortet. „Wir brauchen
eine Offensive zur Sicherung und Stärkung unserer Arbeitsplätze, Standorte und
Wertschöpfungsketten.“
Heinz Spörk sieht das genauso. Der Betriebsratsvorsitzende von Siemens-Krefeld steht
neben Kerner, er kennt die Sorgen, Ängste, die Unsicherheiten der Kolleginnen und
Kollegen sehr genau – in den vergangenen Tagen hat er jede freie Minute mit der
Belegschaft gesprochen. „Die Beschäftigten wollen Sicherheit, sie brauchen
Perspektiven“, sagt der 59-Jährige. „Wir als Betriebsräte bringen uns deshalb aktiv in die
Gestaltung unsere Branche ein. Das machen wir natürlich standorts- und
unternehmensübergreifend.“
Zum Aktionstag haben die Betriebsräte der IG Metall in der Bahnindustrie ihre
Forderungen auf den Punkt gebracht und eine „Gemeinsame Erklärung“ veröffentlicht.
„Wir erwarten von den Unternehmen Investitionen in Fachkräfte und neue Produkte“, sagt
Thomas Ueckert, der Betriebsratsvorsitzende von Alstom in Salzgitter. Dazu sei es
dringend nötig, „kleinkarierte Sparmaßnahmen“ aufzugeben, sagt Michael Wobst, der
Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Bahnsparte von Bombardier.
„Wir erwarten mutige Entscheidungen für Innovationen in Deutschland.“ Die seien nicht
nur für den Fortbestand der einzelnen Standorte wichtig. „Wir brauchen sie auch für die
integrierte Mobilität der Zukunft“, sagt Heinz Spörk. Moderne Mobilitätskonzepte seien
ohne die Schiene nicht zu denken. „Eine starke Bahnindustrie schützt überdies Klima
sowie Gesundheit.“
 
Branchenkoordinator für die Bahnindustrie
Der Markt alleine jedoch wird es nicht richten können. Das betonte Jürgen Kerner vor
Beschäftigten in Krefeld. „Die Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel stehen in der
Pflicht, für Deutschland und Europa eine innovations- und beschäftigungsorientierte
Branchenpolitik mitzugestalten“, so der Hauptkassierer der IG Metall. Dazu gehöre ein
Branchendialog für Eisenbahn und Bahnindustrie mit Politik, Arbeitnehmern, Arbeitgebern
und Forschung, der Transparenz schafft und gemeinsame Strategien klärt.
„Und wir brauchen, wie in der Luft- und Raumfahrtindustrie schon lange bewährt, einen
Branchenkoordinator der Bundesregierung, der auf Staatssekretärsebene Bahnindustrie
und Bahnbetrieb zusammendenkt und die Aktivitäten der Ministerien bündelt. Das muss
fest im Koalitionsvertrag verankert werden.“
Notwendig sei gleichzeitig die Einrichtung eines nationalen Forschungsprogramms für die
Bahnindustrie. Dieses würde Unternehmen und Arbeitsplätzen zugutekommen. Auch
 
müsse eine faire Auftragsvergabe der öffentlichen Hand und der Deutschen Bahn
gewährleistet werden, um die industriellen Wertschöpfungsketten in Deutschland und
Europa zu sichern. Schließlich, darauf verwies Jürgen Kerner in Krefeld, stünden auch die
Betriebe in der Pflicht. „Die Sicherung von hochqualifizierten Fachkräften durch Aus- und
Weiterbildung ist eine Kernaufgabe der Unternehmen“, betonte der Hauptkassierer der IG
Metall. „Allerdings müssen sie in Zeiten zunehmender Digitalisierung von der öffentlichen
Hand unterstützt werden.“
IG Metall, 07.11.201



Knorr-Bremse musste Haldex-Deal endgültig abblasen

Öffentlicher Druck in Schweden zwang Thiele zum Rückzug

Wie weiter bei Haldex?

… und Schluss! Am 19.09.2017, nach einem Jahr und zwei Wochen, war es endlich so weit: Knorr musste seinen Versuch, den Konkurrenten Haldex durch „Übernahme“ zu zerschlagen, einstellen. (KI hat am 21.09. kurz berichtet.) Mitte August hatte sich in der Haldex-Hauptversammlung noch eine Aktio­närs-Abstimmungsmehrheit von Cash-gei­len Hedgefonds hinter Knorr gestellt. Ermög­licht wurde dies durch die Enthaltung des größtem Aktionär und Ex-Bieters ZF, während die Ein­zelaktionäre, zumeist aus Schweden, gegen Knorr stimmten. Zu gerne hätte der Weltmarktführer Nutzfahrzeug­bremsen Haldex nach dem Ausste­chen von ZF Ende 2016 noch ein weiteres halbes Jahr schmoren und in der Luft hängen las­sen. Am 07.09. musste der Münchner Konzern aber eine „herbe Schlap­pe“ („Handelsblatt“) ein­stecken. Die schwedische Börsenaufsicht SSC lehnte eine weitere Verlän­gerung der Aktienüber­nahme-Frist von 26.09. bis 09.02.18 ab – nachdem sie diese seit 2016 drei­mal verlängert hatte, obwohl gesetzlich nur neun Monate erlaubt sind.

Die EU-Behörden hatten ihre Entscheidung über den Kartellfreigabe-Antrag bis spätestens 30.11.17 an­gekündigt. Zwar ließ Knorr nach der SSC-Ablehnung noch kurzfristig verlauten, man halte an der Übernahme fest. Dann aber wollten Eigentümer Thiele und sein Vor­standsvorsitzender Deller einer wahrscheinlich auch aus Brüssel zu erwartenden Klatsche doch zu­vorkommen. Sie strichen die Se­gel – mit der Begründung, der Haldex-Vorstand verweigere die Zu­sammenarbeit. Das völlig über­höhte Angebot von 125 schwedischen Kronen pro Ak­tie (insge­samt 582 Millionen Euro, 18-facher Multiplikator des Haldex-Ebits) und das Kartellver­fahren wurden zurückgezogen. Das „Oberbayri­sche Volksblatt“ vom 20.09. kom­mentierte: „Knorr-Bremse beugt sich den Realitäten. Die Wider­stände – auch seitens der Kartellbe­hörden – waren letztlich zu groß.“

Schrammen für Patriarch Thiele – „Stoppt den Raubüberfall auf Haldex!“ –

So eine Schlagzeile von „Dagens Industri“ („Industrie heute“). In der schwedischen Presse wurde seit Herbst 2016 über den Knorr-Coup breit informiert, von „Svenska Dagbladet“ bis zur Zei­tung „Affärs­världen“ („Die Geschäftswelt“). Letztere veröffentlichte sogar 111 (!) Artikel. Über den Wi­derstand von Belegschaft und IG Metall in Heidelberg („Deut­sche ‚Union‘ gegen Über­nahme“) wur­de in der Presse ebenso berichtet. Am Ende spitzte sich der Druck der Öf­fentlichkeit, Knorr dür­fe den kleineren Konkurrenten mit 2100 Beschäftigten nicht schlucken, zu. Uni-Profes­soren der „Stock­holm School of Economics“ erstellten für das schwedische „Coporate Go­vernance-Board“ sogar Gutachten gegen den Aktien-Deal, was nun im Nachhinein auch zur Verab­schiedung neuer gesetzli­cher Börsen-Regelungen führen soll. Dem konnte sich auch die SSC nicht entzie­hen, ohne die eige­ne Existenzberechtigung in Frage zu stellen. 

„Schweden-Gegenwehr erfolgreich“, fassten dpa und Reuters zusammen. Der kurzzeitige Inte­rims-Vorstandsvorsitzende von Haldex (davor zwei Jahre Finanzvorstand) wurde eine Woche nach dem Scheitern von Knorr-Bremse vom Haldex-Board als Dank zum Präsidenten und CEO beför­dert. Er hatte sich Ende Juni nach „ernsten Bedenken der EU-Behörden“ getraut, öffentlich von „feindlicher Übernah­me“ zu sprechen: „Sechs von acht Haldex-Sparten überschneiden sich mit Knorr-Produk­ten. Eine Fusion ist sinnlos und wertvernichtend.“ Auch die „Frankfurter Allgemeine (FAZ“) konnte nicht an­ders, als den „Vorschlag“ von Knorr-Bremse, Haldex-Bereiche, die sich mit Knorr über­schneiden, weiter zu veräußern, als „Zerschlagung“ zu bezeichnen.

Hoffnungen des Haldex-Vorstands auf Wiedereinstieg von ZF gedämpft

Bis zuletzt hat die Haldex-Führung auf eine Rückkehr von ZF gehofft, mit 20,1 Prozent größter Ak­tionär. ZF hatte 2016 sein Angebot für Haldex mit der Investitions-Ankündi­gung von einer halben Milliarde Euro verbunden. Die „FAZ“ spekuliert am 20.09.17: „Ohne den größten Anteilseigner von Haldex kann niemand etwas ausrichten. Auch dürften die Friedrichshafe­ner nun gemeinsame Projekte mit den Schweden erwägen, um in einem bislang nicht vertretenen, aber wachsenden Seg­ment mit dem Angebot von Spezialbremsen präsent zu sein.“

Selbst beim Haldex-Vorstand sind aber seit der öffentlichen Absage von ZF anlässlich des Knorr-Stopps durch die SSC die Hoffnungen auf den finanzkräftigen Partner gedämpft. Auch nach dem endgültigen Rückzug von Knorr-Bremse hat ZF nochmals bestätigt: „Wir haben keinen Grund, er­neut ein Angebot für Haldex abzugeben“ (nach „Schwäbische Zeitung“, 19.09.17). Die „Stuttgarter Zeitung“ glaubt: „Derzeit versuchen die Friedrichshafener das nötige Know-How für den LKW-Be­reich selbst zu erarbeiten.“ Auch die Öffentlichkeit in Schweden geht mittlerweile kaum mehr von einen neuen Übernahmeangebot von ZF aus. „Affärsvärlden“ beklagt am Abend des 19.09., es sei „bereits viel Scha­den eingetreten“. Haldex habe „an Dynamik verloren“ und „musste Energie auf Dinge legen, die das Geschäft nicht vorantreiben“. „Affärsvärlden“ weiter: „Die finanziellen Mittel von ZF hätten wahrscheinlich dazu beigetragen, Haldex eine lukrative Zukunft zu bieten. Dass ZF heute Nachmittag angekündigt hat, keinen Grund zu haben, Haldex ein neues Angebot zu unterbrei­ten, muss als traurige Nachricht eingestuft werden.“ Das „Oberbayrische Volksblatt“ stellt fest: „In­sider betonen: Haldex ist nicht mehr dasselbe Unternehmen wie vor Beginn der Übernahme­schlacht: Vie­le Know-How-Träger haben das Unternehmen verlassen.“

Die eigentlichen Ursachen für das Abwinken von ZF dürften aber eher davor und tiefer liegen. Denn schon im Rahmen der Besuche anlässlich des Übernahme-Angebots im Sommer 2016 hatten ZF-Verantwortliche geäußert, man habe bei Haldex „viel mehr an Knor-How, Innovation und Ent­wicklungs-Potenzial erwartet“. Nicht umsonst hat ZF-Boss Sommer im Juli 2017 auch eine Über­nahme des zweitgrößten LKW-Bremsenherstellers Wabco auf den Weg gebracht, bevor ihn der Auf­sichtsrat kurz vor der Unterschrift noch gestoppt hat. Bei Notbremssystemen kooperieren ZF und Wabco bereits.

Auch der erste Bieter für Haldex, SAF Holland (LKW-Achsenhersteller, Aschaffenburg) hält sich bezüglich Haldex bedeckt, ist laut Branchen-Kreisen selbst der Gefahr eines feindlichen Übernah­meversuchs durch Knorr-Bremse ausgesetzt. Die Eigentumsstruktur von Haldex bleibt prekär. Nach ZF hält Knorr mit 14,9 Prozent die zweitmeisten Aktien und hat am 19.09. noch die Dro­hung hin­terher ge­schickt: „Hinsichtlich unserer Beteiligung an Haldex werden wir als verantwortungsbewuss­ter Ak­tionär auftreten und unsere Optionen im besten Sinne des Unterneh­mens und von Knorr-Bremse nutzen“ (nach „Eurotransport“, 19.09.) Mit mehr als zehn Prozent der Aktien kann Knorr sowohl Dividenden als auch außerordentliche Hauptversammlungen fordern. Hinter Knorr folgen bei Haldex noch eine größere Zahl auf Cash scharfer Hedge-Fonds.

„Der Kampf um den Bremsenmarkt geht weiter“ („Handelsblatt“) – Zukunft von Haldex un­gewiss

Der Aktienkurs von Haldex (vor dem Rückzug von Knorr 107 schwedische Kronen pro Aktie) ist danach nicht extrem abgestürzt, wie von einigen Börsengurus prophezeit. Unter 100 Kronen (10,41 Euro) ist er bisher nicht gefallen. Offensichtlich hoffen die Aktionäre auf einen bal­digen neuen Bie­ter. Die „Börsen-Zeitung“ fragt sich aber am 19.09.: „Wie stark ist Haldex noch?“ Soll­te es dem Haldex-Board nicht gelingen, baldmöglichst eine stabile, langfristige und nachhaltiger interes­sierte Eignerstruktur zu erhalten, werden die Probleme wieder zunehmen. Die Branchenzeitung „Auto­mobilwoche“ kommt zu dem Schluss: „Wie will sich Haldex künftig gegenüber seinen wesent­lich größeren Wettbewer­bern Knorr-Bremse und Wabco am Markt behaupten und wie sieht die Wachs­tumsstrategie des Un­ternehmens aus? Ohne Partner wird es in einer immer komplexeren und zuneh­mend vernetzten Lastwagenwelt wohl kaum gehen.“

Knorr-Bremse, Wabco und Haldex beherrschen den Weltmarkt in der Branche und haben 2016 zu­sammen über fünf Milliarden Umsatz verzeichnet. Auf Knorr entfielen dabei 47, auf Wabco 44 und auf Haldex neun Prozent. Das „Handelsblatt“ liest am 20.09. aus der Kristallkugel: „Fraglich ist, wie stark Haldex unter der monatelangen Hängepartie gelitten hat. Neben Knorr, Wabco und Haldex sind chinesicshe Hersteller weitere Player, die aber in Europa keine Rolle spielen. Sie dürf­ten mit ihrem Interesse an der Technologie zu potenziellen Investoren bei Haldex und beim Börsen­gang von Knorr-Bremse gehören. Der Kampf um den Bremsenmarkt geht also weiter.“

Wie sieht es im Haldex-Werk Heidelberg aus?

Belegschaft, Betriebsrat und IG Metall haben den Stopp von Knorr-Bremse begrüßt. Aufatmen und Erleichterung gab es auch bei Hunderten Ehemaligen des über 90 Jahre alten Traditions- und früher gewerkschaftlichen Kampf- und Streikbetriebs. Ein Jahr Widerstand, auch in Offenen Briefen an Thiele, Deller und Co. deutlich formuliert, haben sich für die Restbelegschaft gelohnt. Euphorisch wie bei Board und Vor­stand von Hal­dex fällt die Freude bei den Beschäftigten allerdings nicht aus. Die Schwierigkeiten und Fragen, wie es strategisch und personell weiter geht, bleiben. Haldex hat im Zuge des von Knorr ewig hingezo­genen Deals enorm an Aufträgen, Kunden und Beschäftigten verloren. Wie dringend notwendige Investitionen vorgenommen und fi­nanziert werden können, ist unklar.

Ob weiter selbstständig oder nicht – entscheidend für die Zukunft des Gesamtunternehmens Haldex wird sein: Welche Festlegungen werden strategisch, operativ und hinsichtlich Produktentwicklun­gen getroffen und werden Fehler der vergangenen Jahre wie Verlegung der Entwick­lung von Hei­delberg nach England oder laufende Produktionsverlagerungen in sogenannte Billig­lohnländer wie Ungarn korrigiert. In Ungarn bewegt sich der Umsatz deutlich unter dem des Heidelber­ger Be­triebs, obwohl die Beschäftigten-Zahl inzwi­schen fast dreimal so hoch wie hier ist. Wenigstens konnte aber in Heidelberg Ende September erst­mals wieder die Übernahme von vier Befristeten erreicht werden.

Das Heidelberger Haldex-Werk (bis 1998 GRAU-Bremse) konnte nach 1984 und ’97 jetzt zum dritten Mal der Übernahme und Zerschlagung durch Knorr-Bremse entrinnen. Für die derzeit 110 Beschäftigten steht als Nächstes im Blickpunkt: Die Laufzeit des 2014/15 abgeschlosse­nen Stand­ort- bzw. Firmentarifvertrags zwischen Haldex und IG Metall geht nur bis 30.06.2018. Aus Sicht von Belegschaft und IG Metall ist unabdingbar, dass rechtzeitig langfristige Vereinbarungen getrof­fen werden, um den Beschäftigten weiterhin Existenz und Perspektive zu ga­rantieren.

Heinz Hermann Thiele (“HHT“) – ein Mann will an die Börse

Thiele wäre nicht Thiele, wenn er das Platzen des Haldex-Deals am 19.09.17 nicht gleichzeitig mit einem neuen „Zukunfts-Highlight“ seines Imperiums verknüpft hätte: Derzeit werde „vorrangig und intensiv geprüft“, für Mitte 2018 den „IPO (Initial Public Offering“) zu vollziehen, den Börsen­gang von Knorr-Bremse. Da sein Konzern auf acht Milliar­den Euro geschätzt wird, würde “HHT“ unter Beibehaltung der Stimmrechtsmehrheit rund vier Mil­liarden Euro einsacken. Mit dann 16 Milliar­den Vermögen könnte er sich noch mehr als Angreifer in der Branche betätigen. Vorstands-Vor­sitzender Deller zu den „neuen Zielen“ nach dem Haldex-Schiffbruch: „Wir werden nun andere Al­ternativen verfolgen.“ In Berlin konnte Knorr-Bremse Ende September gegen sieben Monate Wi­derstand von Belegschaft und IG Metall am Ende die Schließung der Produktion von Hasse & Wre­de und Verlagerung nach Tschechien durchdrücken. Knapp die Hälfte der Belegschaft muss gehen; allerdings verzögert um ein dreiviertel Jahr zum 31.07.18, mit einjähriger Transferge­sellschaft und durchschnittlichen Abfindungen von 1,5 Monatsentgelten pro Beschäftigungsjahr – was es bei Knorr noch nie gab. Tausende Beschäftigte lässt man weiterhin 42 statt 35 Wo­chenstunden ar­beiten, davon fünf unbezahlt. Von 1926 bis 1985 war Knorr-Bremse auch in Mann­heim am Werk, als Eigentümer der Mannheimer Motorenwerke (MWM, heute zu Catarpillar). Thiele fädelte dann den Verkauf an