Frankfurt/Main: „Die Brandstifter sitzen in den Behörden und Parlamenten“

Aus Anlass einer anhaltenden Brandserie bei alternativen und linken Projekten gingen am Samstag in Frankfurt hunderte unter dem Motto „Gemeint sind wir alle“ auf die Straße. Die bislang unaufgeklärten Brandstiftungen hatten in der linken Szene der Rhein-Main-Region Nervosität ausgelöst. Auf der Suche nach Motiven sahen die Veranstalter*innen vom Bündnis „Frankfurt Nazifrei“ auch den gesellschaftlichen Rechtsruck als Ursache. Mit Blick auf die Parlamente richtete sich die Demo daher gegen „rechte Brandstifter*innen und deren ideelle Fürsprecher*innen von CDU, FDP bis AfD“. Bei einer Kundgebung vor der Ersten Polizeiwache wurde zudem scharfe Kritik an der Frankfurter Polizei geübt, die aktuell wegen dem Auffliegen einer Nazi-Zelle in den eigenen Reihen in der Kritik steht.

Fall von rassistischer Polizeigewalt auch in Mannheim

Die Auftaktkundgebung vor dem Zoo gab bereits die Stimmung wieder, die sich unter den Teilnehmer*innen breit machte. „Die Polizei ist weder unser Freund, noch Helfer“ wurde laut vom Lautsprecherwagen gerufen. „Ihr greift uns und unsere Freunde an.“

Ein Redebeitrag eines Vertreters der Initiative Cop Watch brachte es auf den Punkt: „Mindestens neun Polizeibeamt_innen in Hessen tauschten extrem rechte und rassistische Inhalte in Chats aus. Sie äußersten ihre menschenfeindlichen Positionen aber auch ganz unverhohlen in der Kneipe oder grölten rassistische Sprüche auf einer Kirmes. Für rassizfizierte und marginalisierte Menschen in Deutschland bedeutet die Polizei also keineswegs Schutz, sondern systematische Gewalt und Verachtung ihrer Lebenswelten.“

Als Beispiel rassistischer Polizeigewalt wurde auch ein Fall aus Mannheim thematisiert (KIM berichtete). „Die sind gezielt auf mich, den einzigen Schwarzen in der Gruppe, losgegangen und ich hab schon gemerkt: Die wollen mir weh tun. Und ich hab Worte wie ‚Kanake‘, ‚Penner‘ und sowas gehört.“ Mit diesen Worten beschrieb der 17-jährige Aram den Beginn eines Vorfalls, der sich im Sommer im Stadtteil Jungbusch zugetragen haben soll. Fünf Polizist*innen sollen ihn dann brutal zusammengeschlagen haben. Die Folgen: Eine Gehirnerschütterung, mehrere Hämatome, Kratzspuren am gesamten Körper und ein blaues Auge. Zudem soll die Polizei seine Freunde gezwungen haben, Handyvideos vom Vorfall zu löschen, berichtete später die Familie des Opfers gegenüber der Presse.

Der Vorfall ist kein Einzelfall. Und bedauerlicherweise findet kaum Aufarbeitung statt. Die Polizei kündigte damals an, den Vorfall zu prüfen. KIM hat eine Anfrage über den Ausgang der Ermittlungen gestellt. Eine Antwort werden wir im Artikel ergänzen.

Kein Einzelfall: Nazi-Gruppierung bei der Polizei Frankfurt

Cop Watch berichtete auch vom aktuellen Nazi-Skandal bei der hessischen Polizei. Ein mit „NSU 2.0“ unterschriebener Drohbrief brachte die Ermittlungen ins Rollen, nachdem die betroffene Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız Anzeige erstattet hatte. Die Polizei ermittelte daraufhin sich selbst, als sie bemerkte, dass die Privatadresse der Anwältin von einem PC im Ersten Polizeirevier in Frankfurt abgefragt wurde. Bei weiteren Ermittlungen kam heraus, dass sich die Gruppierung mit eindeutig faschistischen Inhalten in einer WhatsApp-Gruppe austauschte. Spiegel Online brachte dazu einen lesenswerten Kommentar.

Auch das scheint kein Einzellfall zu sein. „Fünf von sieben der hessischen Polizeipräsidien sind nach jetzigem Stand betroffen. Sechs der verdächtigten Beamt_innen sind Teil einer gemeinsamen Dienstgruppe im 1. Revier in Frankfurt. Dieses Revier ist rund um die Zeil aktiv und bekannt für seine rassistische und grobschlächtige Praxis. Das wissen wir aus unserer Arbeit mit Betroffenen.“ berichtet Cop Watch weiter.

Sie sieht in den Vorfällen strukturelle Probleme: „Rassismus in der Polizei ist kein Einzelfall oder Fehlverhalten von einzelnen Beamt_innen, sondern ein fester institutionalisierter Bestandteil, historisch und gegenwärtig. Er wird verstärkt durch die gesellschaftliche Gleichgültigkeit, die Empathielosigkeit und Normalisierung solcher Vorfälle durch die Öffentlichkeit.“

Die Argumentation stützte auch ein Sprecher des Fördervereins Roma. Bis in die 70er Jahre hätten Ausbilder bei der Polizei rassistische Stereotype über Roma eingetrichtert. Die entsprechende Praxis hinterlasse in den Strukturen Spuren bis heute. Auch das Projekt Shelter, eine migrantische Initiative, berichtete von „rassistischen Anfeindungen“ auf der Straße und „Schikanen durch die Frankfurter Politik“ gegen ihre Mitglieder. Der Hetze aus Politik und Behörden würden Taten folgen: „Am 9. Dezember 2016 haben Rechte die Scheiben des Project Shelter Bistros eingeschlagen und eine teerähnliche Substanz versprüht. Die Täter*innen hinterließen uns einen Brief mit rassistischen Beschimpfungen und Drohungen.“

Neun Brandanschläge im Großraum Frankfurt

Die Brandserie, die der eigentliche Anlass der Demonstration war, geriet durch die aktuellen Skandale bei der Polizei beinahe in den Hintergrund. Zur Abschlusskundgebung wurde aber der Kreis geschlossen. Betroffene der Brandserie, Bewohner*innen und Aktive aus den Projekten, kamen zu Wort.

Insgesamt neun Brandstiftungen wurde in den letzten Wochen registriert. Betroffen waren die Frankfurter Projekte Au, Assenland, Cafe Exzess, Schwarze 70 und Lila Luftschloss. Das Wohnprojekt Knotenpunkt in Schwalbach (Hochtaunus) brannte im September komplett nieder. Glücklicherweise wurde bisher niemand verletzt. Die meisten Objekte sind bewohnt. Es gibt bei den einzelnen Fällen ähnliche Muster, jedoch keine heiße Spur. Die meisten Taten geschahen am Abend zwischen 21 und 23 Uhr.

Ein weiterer Brand im Autonomen Zentrum in Hanau am Abend vor der Demo sorgte erneut für Verunsicherung. Hier wurde erstmals ein Verdächtiger von den Bewohnern festgehalten, den die Polizei später festnehmen konnte. Leider gab es hierzu keine weiteren, konkreteren Informationen, so dass auch die Teilnehmer*innen der Demo mit vielen Fragen zurück blieben.

Abschluss vor dem Büro der AfD

Einen weiteren Ausdruck gesellschaftlichen Rechtsrucks konnten die Teilnehmer*innen der Demo an der Konstabler Wache erleben. Eine Gruppe angetrunkener Fußballfans, offenbar Angehörige der rechten Szene, pöbelten und grölten in Richtung der Veranstaltung. Es soll auch „Heil Hitler“ gerufen worden sein, jedoch kam es zu keiner direkten Konfrontation. Die Halbstarken verzogen sich in eine U-Bahn-Station.

Die Abschlusskundgebung fand am späten Nachmittag am Walther-von-Cronberg-Platz vor dem Büro der AfD statt. Damit sollte noch einmal auf die Mitverantwortung der rechten Parteien hingewiesen werden, die ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem sich Brandstifter*innen in ihren Taten bestätigt fühlen.

Die Polizei schrieb am Ende in den sozialen Medien von einer friedlichen Demo ohne Zwischenfälle mit 1000 Teilnehmer*innen. Auch das Bündnis „Frankfurt Nazifrei“ war zufrieden und hatte bis zu 2000 Menschen gezählt. In ihrer Erklärung zur Demo schrieben sie: „Wir wollen nicht zulassen, dass rechte Gewalt als unpolitisch oder Einzelfälle abgetan wird. Dass sich rechte Brandstifter*innen berufen fühlen ihren Gewaltfantasien Taten folgen zu lassen, ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines anhaltenden gesellschaftlichen Rechtsrucks. Nicht nur bei offenen Nazis und der AfD ist Abschottung, Ausgrenzung und Abwertung anderer en vogue. Hetze gegen Geflüchtete, Minderheiten und Linke ist mittlerweile weit verbreitet und wird in Frankfurt auch von Politiker*innen von CDU und FDP befeuert. Wer als Antwort auf die sozialen und ökologischen Schieflagen in unserer Welt nur noch mehr Ausgrenzung und Abschottung fordert, braucht sich nicht zu wundern, dass in Deutschland wieder Menschen gejagt werden und Häuser brennen.“

(Text & Bilder: cki)

 

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Demo gegen rechte Brandstifter*innen in Frankfurt/Main

 




“Gegen Rassismus und Intoleranz – auf den Straßen und in den Parlamenten”

Die im Frühjahr 2016 in Berlin gegründete Bündnis-Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus“ veranstaltete am 01. und 02.09.2018 eine Aktivenkonferenz in Frankfurt/Main. Bereits am 31.08. fand eine Podiumsdiskussion im DGB-Haus zum Auftakt der Konferenz statt. An der Konferenz nahmen rund 250 Personen teil, darunter auch Aktivisten aus dem Rhein-Neckar-Raum und der Südpfalz. Das Open-Air-Konzert „Rock gegen Rechts“, das parallel zum ersten Konferenztag statt fand, zählte etwa 15.000 BesucherInnen. KIM war dabei und berichtet exklusiv.

 

 

 

“Keine AfD in den hessischen Landtag”

Unter diesem Motto stand die Podiumsdiskussion am Freitagabend, welche den Auftakt zur Konferenz bildete. Gesprochen und diskutiert haben
Dr. Ulrich Schneider (Paritätischer Wohlfahrtsverband), Eva Berendsen (Bildungsstätte Anne Frank), Ulrike Foraci (Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen – agah), Hibba Kauser (Aktivistin gegen Abschiebungen, Offenbach) und Maike Wiedwald (GEW).

In Hessen wird, wie auch in Bayern, im Oktober 2018 der Landtag neu gewählt. Umfrageergebnissen zufolge hat die AfD reelle Chancen in beide Landesparlamente einzuziehen. Viele Menschen sehen die AfD, von Experten als Partei mit zunehmend faschistoiden Zügen charakterisiert, als Gefahr für die demokratische Grundordnung in Deutschland. Lauter werden die Stimmen, die fordern, dass die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werden muss.

 

Chemnitz und „Die AfD als parlamentarischer Arm einer rechten Sammlungsbewegung“

Eröffnet wurde die Konferenz am 01.09. durch Judith Amler (Attac).
Christine Buchholz (MdB Die Linke) sprach das Grußwort für das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus und gab eine Stellungnahme zu den Geschehnissen in Chemnitz ab.
Den Inputvortrag „Die AfD als parlamentarischer Arm einer rechten Sammlungsbewegung“ hielt Andreas Kemper (Publizist und Soziologe, Münster).

Vor der Mittagspause verlas Judith Amler den Chemitzer-Solidaritätsaufruf, den die Konferenz an die AktivistInnen in Sachsen richtete. An diesem Tag fanden erneut Aufzüge rechter Gruppierungen, u.a. mit der rechtsextremen Partei Pro-Chemnitz, der AfD und PEGIDA, in Chemnitz statt, die von massiven Gegenprotesten begleitet wurden.

Am Nachmittag fanden diverse Workshops statt. Die Themen waren beispielsweise „Antifeminismus und reaktionäres Gesellschaftskonzept“, „Gewerkschaftsfeindlichkeit und die soziale Frage“ und „Formen rechter Vernetzung auf der Straße“. Inhaltlich ging es in den Workshops um die politische und gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der AfD und weiteren rechtsradikalen Strukturen, wie beispielsweise der Identitären Bewegung.

„Rock gegen Rechts“ lockt Tausende auf den Opernplatz – Antifaschistische Spontandemo

Der DGB Hessen veranstaltete parallel zum ersten Konferenztag ab 12 Uhr das Open-Air-Konzert „Rock gegen Rechts“ auf dem Frankfurter Opernplatz. Nach Veranstalterangaben kamen 15.000 BesucherInnen. Diverse Organisationen hatten im Umkreis des Konzerts Infostände aufgebaut. Auch das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus war dort vertreten. AktivistInnen verteilten Flyer und Aufkleber an die Konzertbesucher und standen für Gespräche zur Verfügung. Ansteckbuttons wurden gegen Spende angeboten. (Die Bündniskampagne mit Sitz in Berlin finanziert sich, ebenso wie die meisten der rund 20 Regionalgruppen, ausschließlich über Spenden).

 

Nach 23 Uhr, so Augenzeugen, zogen vom Veranstaltungsort zahlreiche AntifaschistInnen zu einer Spontandemo durch die Frankfurter Innenstadt los. Es wurde ein Zeichen gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft und gegen die demokratiefeindliche AfD gesetzt, ebenso wurde für mehr Solidarität mit Geflüchteten und für eine offene Gesellschaft geworben.

„Die Landtagswahlen 2018/2019: Was tun gegen die AfD?“ (inkl. Kommunal- und Europawahlen 2019)

Mit diesem Thema starteten ca. 40 TeilnehmerInnen bei einem Workshop in den zweiten Konferenztag am 02.09.. Es erfolgte ein Erfahrungsaustausch was bisherige Aktionskampagnen vor Wahlen angeht. Ein Schwerpunkt der Diskussion bildeten die Landtagswahlen in Hessen und Bayern in diesem Herbst. Die Kampagne will spezielle Materialen zur Verfügung stellen, um Aktionen zu den Kommunal-/Europawahlen 2019 und weiteren Landtagswahlen im kommenden Jahr zu unterstützen. Moderiert wurde dieser Workshop von Ulrike Eifler (DGB Südosthessen) und Christine Buchholz (MdB Die Linke). Weitere Workshops beschäftigten sich mit Themen wie z.B. „Lokal und regional von der AfD Angegriffene vernetzen“, „Entwicklung von zielgruppenspezifischen Materialien“ und „Weiterentwicklung der StammtischkämpferInnen-Seminare“.

Rückmeldung aus Chemnitz und „Aufstehen gegen Rassismus: Der Kampf gegen den Aufstieg der Rechten in Europa“

Christine Buchholz verlas ein Grußwort von „Aufstehen gegen Rassismus Chemnitz“. Gedankt wurde für die Solidaritätsbekundung, welche die Konferenz am Vortag nach Chemnitz gesandt hatte. Die Aktiven in Sachsen berichteten von einem erfolgreichen Protest mit ca. 4-5 tausend Menschen am 1.9. gegen den Aufzug faschistoider Kräfte (AfD, PEGIDA, pro Chemnitz und weiteren Neo-Nazis und Hooligans).

Die Podiumsdiskussion beschäftigte sich mit dem Thema „Aufstehen gegen Rassismus: Der Kampf gegen den Aufstieg der Rechten in Europa“.

Auf dem Podium waren Cornelia Kerth (VVN-BdA), Ulrike Schmidt und Raymond Bennet (Stand up to Racism, Großbritannien), Hamado Dipama (Bayerischer Flüchtlingsrat) und David Albrich (Plattform für eine menschliche Asylpolitik, Österreich). Sandoz Szoke (Roma Parlament Ungarn) konnte aufgrund juristischer Differenzen mit der Regierung und wegen seiner Überwachung durch den ungarischen Geheimdienst nicht anreisen. Moderiert wurde die Diskussion von Judith Amler (Attac).

Die Verabschiedung der Abschlusserklärung durch die TeilnehmerInnen bildete den Schlusspunkt der Konferenz.

Link zur Konferenzseite, auch mit den Erklärungen „Chemnitz“ und zur Konferenz: https://www.aufstehen-gegen-rassismus.de/aktivenkonferenz/

(Bericht: Christian Ratz – Bilder: Christian Ratz, K.-H. P. und T.O.)

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