Manifestierte Gewalt durch Mannheimer Polizeiapparat?
Oder handelt es dabei um Einzelfälle? Einige BürgerInnen meinen, daß dies nicht so ist. Diese und andere Fragen beschäftigen die Menschen in der Stadt, seitdem bekannt wurde, dass ein Jugendlicher am 12.08.18 im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme im Stadtteil Jungbusch derart unsanft angepackt wurde, dass er erhebliche Verletzungen davon trug. DIDF und DIDF Jugend Mannheim gingen mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit. Polizeipräsidium Mannheim äußerst sich auf Nachfrage.
„ACAB, Hurensöhne und 1,4 Promille“, sagt die Polizei – mehr aber auch nicht – und stellt Strafanzeige
Dennis Häfner, Öffentlichkeitsarbeit im Polizeipräsidium Mannheim, berichtet dieser Redaktion auf Nachfrage, dass es an besagtem Tag um 03:15 einen Einsatz von Polizeikräften gab. Hintergrund war eine Schlägerei im Mannheimer Jungbusch, die nach Aussagen einer Augenzeugin bereits beendet war, als die zahlenmäßig starken Polizeikräfte vor Ort eintrafen. Infolge dessen soll der 17-jährige, nach Angaben des Polizeisprechers, 4 Beamte mit ACAB (englisch für Alle Polizisten sind Bastarde) und als Hurensöhne bezeichnet haben. Im Anschluss wurde der Jugendliche im Bereich der Hafenstraße / Jungbuschstraße von Polizeibeamten, so Häfner, vorläufig festgenommen. Bis dato hat das Polizeipräsidium Mannheim zu diesen Vorfällen keine Pressemitteilung herausgegeben. Der Beschuldigte soll sich durch Flucht einer Kontrolle entzogen haben, „er wurde durch zwei Beamte zu Boden gebracht und festgenommen“. Wie diese Redaktion in Erfahrung bringen konnte, wurde der minderjährige Schüler mit Migrationshintergrund zur Feststellung seiner Personalien auf die Wache in H 4 verbracht. Seine Begleiter, ohne Migrationshintergrund, wurden erkennungsdienstlich vor Ort erfasst und konnten ihrer Wege gehen – jedoch sollten sie vorher Videoaufnahmen von ihren Smartphones löschen. „Ein erster Test ergab 1,4 Promille in der Atemluft“, so Dennis Häfner. Häfner weiter: „Gegen den Jugendlichen wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB zum Nachteil von vier Polizeibeamten eingeleitet.“ (§ 185 Beleidigung: Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Quelle: dejure.org)
“Ich bin nur gerannt, weil ich dachte, das ist Spaß“ endet mit erheblichen Verletzungen
Neues Deutschland berichtete am 17.08.18 in der Rubrik „Polizeigewalt“ ausführlich über die Vorgänge. Zuvor schon hatten der Mannheimer Morgen und die Rhein Neckar Zeitung berichtet. In einem Telefonat mit dieser Redaktion am 17.08. teilt eine Familienangehörige mit, dass man durch die polizeilichen Verhör-Massnahmen, die Freunde des Beschuldigten eingeschlossen, „massiv eingeschüchtert sei“. Faktisch scheint festzustehen, dass der 17-Jährige durch massive physische Gewalt durch Polizeibeamte einen Kieferbruch, eine Gehirnerschütterung, Hautabschürfungen und Hämatome am 12.08. erlitten hat. Entlassen wurde der junge Mensch, der bestreitet Polizeibeamte beleidigt zu haben, nach seinem Verhör in der Wache ohne, dass vorher seine Erziehungsberechtigten informiert worden sein sollen. Ist den Vernehmungsbeamten in der Polizeiwache der schlechte Gesundheitszustand nicht aufgefallen? Die Eltern des Jugendlichen haben Strafanzeige und eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu Lasten der Polizei in Mannheim gestellt bzw. eingereicht.
DIDF und DIDF Jugend Mannheim zeigen sich solidarisch und erfahren Unterstützung – der gesellschaftspolitische Diskurs in Mannheim wird gesucht
In einer Stellungnahme schreibt der Verein in der vergangenen Woche (Zitat):
“…Wir, die DIDF-Jugend Mannheim verurteilen diesen Angriff auf unser Vorstandsmitglied
und fordern, dass die beteiligten Beamten zur Rechenschaft gezogen werden.
Dieser Vorfall zeigt, wie sehr die Polizeiwillkür – in einer Zeit, in der in einigen Bundesländern
die Befugnisse der Polizei noch weiter ausgebaut werden – zunimmt. Gleichzeitig
ist das gewählte Herauspicken eines türkeistämmigen Jugendlichen aus einer Gruppe,
die ansonsten nur aus Jugendlichen besteht, bei denen auf den ersten Blick kein
Migrationshintergrund erkennbar ist, ein Paradebeispiel für den strukturellen Rassismus,
der auch innerhalb der Polizeibehörde vorherrscht. Racial Profiling ist keine Ausnahme,
sondern zur Regel geworden. Umso mehr trifft es uns, wenn solche Praktiken
gegen Jugendliche, die sich in ihrer Freizeit aktiv ehrenamtlich engagieren und andere
Jugendliche zu einem kritischen politischen Denken animieren, angewendet werden.
Wir unterstützen unser Vorstandsmitglied bei dem weiteren rechtlichen und medialen
Vorgehen gegen diese Willkür. …“
Zahlreiche Menschen aus verschiedenen Organisationen in der Stadt zeigen unseren Informationen zufolge großes Interesse daran zu klären, ob bewusste, strukturierte Gewalt in der Mannheimer Polizeibehörde gegenüber MitbürgerInnen, selektiv gesprochen, zum Alltag gehört oder nicht. Das Spektrum der Möglichkeiten um dies weiter auszuloten reicht von
„Raus auf die Straße mit Kundgebung und Protest“,
„Solidarität mit dem Betroffenen (Beratung und emotionale Unterstützung)“, über
„Etwas im Gemeinderat anzufragen“ bis hin zur Idee
„einen runden Tisch mit der Führungsspitze des Polizeipräsidiums“ zu organisieren.
Da tut sich was und noch mehr. Welche Stelle in Mannheim kann am besten Auskunft geben über gruppenbezogenen Rassismus? Prädestiniert dafür sollte sein die Anti-Diskrimitierungsstelle im Mannheimer Rathaus.
(Bericht und Fotos: Christian Ratz)