Die Jungbuschvereinbarung – Verteidigung einer dialogbasierten Stadtteilpolitik

Nach fast einem Jahr der Zusammenarbeit hat die Monitoringgruppe Jungbusch der Öffentlichkeit die Jungbuschvereinbarung am 6. Mai erstmals vorgestellt. Sie ist auf überwiegend positive Resonanz in der Öffentlichkeit gestoßen und es haben sich inzwischen auch viele, die an der Entstehung nicht unmittelbar beteiligt waren (beispielswese der Verein Kulturbrücken) zu einer Unterstützung der Vereinbarung bereit erklärt.

Dennoch gibt es auch Kritik am Prozess und seinem Ergebnis, insbesondere aus Sicht linker Gruppierungen, wie der Interventionistischen Linken/ Antifa/ Wem gehört die Stadt (WGDS), die die Dialogbereitschaft der Stadt mit Investor*innen, Gastronom*innen und Unternehmer*innen als Kapitulation vor deren Interessen umdeuten. Aber zunächst einmal:
Wer und was ist diese Monitoringgrgruppe und wie ist sie legitimiert, eine Jungbuschvereinbarung zu erarbeiten?

In der Monitoringgruppe sind verschiedene Gruppen repräsentiert, die für die Entwicklung des Jungbuschs relevant sind: Gastronom*innen, Hauseigentümer*innen, Kreative und natürlich Bewohnerinnen und Bewohner. Wer in kommunalpolitischen Beteiligungsprozessen öfter aktiv war, der weiß, dass sich diejenigen an solchen Prozessen beteiligen, die Institutionen, Vereine und deren Interessen vertreten – und es sind oftmals die immerselben selbsternannten „Sprecher“ von Gruppierungen, die man immer wieder trifft. Um dies bei der Jungbuschvereinbarung zu vermeiden, haben wir auf institutionelle Vertreter*innen überwiegend verzichtet. In einigen Fällen (Gastronom*innen, Hauseigentümer*innen und Kreative) haben diese Gruppen selbst ihre Vertreter*in benannt, in anderen Fällen wurden Menschen gezielt für die Mitarbeit in der Gruppe angesprochen. Sind sie damit demokratisch legitimiert für alle zu sprechen? Nein, das sind sie nicht. Dennoch ist es über diesen Weg gelungen, in solchen Prozessen oft unterrepräsentierte Gruppen sicht- und hörbar zu machen: eine alleinerziehende Mutter, eine vor wenigen Jahren zugewanderte bulgarische Frau, eine seit 30 Jahren im Jungbusch lebende italienischstämmige Frau, eine junge Frau mit türkischen Migrationshintergrund, die im Jungbusch aufgewachsen ist, waren Teilnehmerinnen der Monitoringgruppe. Ungewöhnlich viele Frauen für politische Beteiligungsprozesse. Ohne die Ansprache von nicht organisierten Individuen wird man auch in Zukunft die Basis des Stadtteils nicht erreichen, denn weder die Vereine noch die politischen Organisationen erreichen die Menschen in ihrer Breite vor Ort.

Das ist mit erheblichen Bemühungen durch Sondersitzungen, Kleingruppengespräche und viel Vermittlungsarbeit dann auch zunehmend gelungen. Dass der Vertreter der Mieter*innen im Jungbusch, der über die Initiative „Wem gehört die Stadt“ für die Mitarbeit in der Monitoringgruppe rekrutiert wurde, keine Bereitschaft hatte, sich auf diesen Prozess einzulassen und nach nur einer Sitzung die Gruppe mit dem Argument, die migrantischen Frauen könnten nicht ausreichend Deutsch um den Sitzungen zu folgen, verlassen hat, sollte der Vollständigkeit halber auch erwähnt werden.

Unter Moderation von zwei vom Bezirksbeirat ernannte Vertretern, Johannes Schmidt (FDP) und der Autorin dieses Artikels, Isabel Cademartori (SPD), begleitet vom persönlicher Referent des Oberbürgermeisters Petar Drakul und Quartiermanager Michael Scheuermann ging die Gruppe an die Arbeit.

Besonders umstritten war die Teilnahme des Immobilieninvestors Marcel Hauptenbuchner, Vertreter der Immobilienfirma Hildebrandt und Hees, die in den letzten Jahren immer wieder für den Umgang mit Mieter*innen in der Kritik stand. Umso wichtiger war es, ihn in den Prozess zu integrieren, denn was wäre eine Vereinbarung wert, an die sich der größte Immobilienbesitzer des Stadtteils nicht gebunden fühlt? Welch besserer Ort kritische Vorfälle direkt und hautnah anzusprechen, als die Monitoringgruppe? So ist es gelungen, nicht nur ein Bekenntnis zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum zu erwirken, sondern auch belastbare Vereinbarungen über Verfahren zur Lösung von Mietkonflikten zu finden, die bereits in einigen Fällen schon erfolgreich Anwendung fanden. Ohne die Investoren in diese Verfahren zu integrieren, gibt es keine realistische Chance auf die Umsetzung des Vereinbarten. Was ist die Alternative – warten auf andere Mehrheiten in Land und Bund oder gar warten auf die Revolution? Das ist keine Option für diejenigen, die die reale Lebenswelt der Betroffenen in den Mittelpunkt ihres Engagements stellen.

Die Jungbuschvereinbarung schlägt vor, dass Vermieter*innen sich in Konfliktfällen an das Quartiermanagement und dort beschäftigte Kulturdolmetscher wenden, statt sofort mit Kündigungen und Rechtsanwält*innen auf ihre Mieter*innen loszugehen. Mieter*innen sollen „durch vermittelnde Angebote unterstützt“ werden. Insofern ist klar, dass es in dieser Passage mitnichten darum geht, den Mieter*innen die rechtliche Beratung (zB durch den Mieterverein) zu verweigern, sondern vielmehr darum die Eigentümer*innen dazu zu verpflichten, Vermittlungsangebote vor Rechtsmittel in Anspruch zu nehmen. Der Realitätscheck durch die Diskussion in der Monitoringgruppe, zB durch den Input der bulgarischen Teilnehmerin, hat aber auch gezeigt, dass nicht der Mangel an Beratungsangeboten, sondern an Vertrauen und Wissen darüber, sie in Anspruch zu nehmen, das größte Hindernis dabei sind, Mieter*innen durch Beratung zu unterstützen.

Auch Teil der Jungbuschvereinbarung ist die Passage: „die Stadt greift auch selbst in den Wohnungsmarkt ein“ – dies ist an verschiedenen Stellen im Jungbusch bereits geschehen, wo die Stadt durch die Drohung, das Vorkaufsrecht zu ziehen, mit Neueigentümern zivilrechtliche Vereinbarungen über Mietpreishöhe und Mieterzusammensetzung abschließen konnte. Schärferes Eingreifen der Stadt Mannheim oder des Staates im Allgemeinen bedarf teilweise neuer (bundes-)gesetzlicher Instrumente, weshalb OB Peter Kurz als baden-württembergischer Städtetags Präsident ein generelles Vorkaufsrecht für Kommunen zum Verkehrswert fordert. Weitere Vorschläge grundsätzlicher Art für eine gerechtere Boden- und Mietraumpolitik sind Gegenstand des laufenden Kommunal- und Europawahlkampfs. Natürlich erhebt die Jungbuschvereinbarung nicht den Anspruch, die Verteilungsfragen grundsätzlich zu lösen – vielmehr ist sie eine, angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat, bereits sehr weitreichende Willensbekundung der Stadt, mit ihren vorhandenen Mitteln im Jungbusch einzugreifen. Wenn das konservative Lager im Gemeinderat die eine zusätzliche Stimme, die ihnen aktuell fehlt, nach der Wahl bekommt, wird dieses Engagement der Stadt im Jungbusch und auch in der Neckarstadt nicht mehr möglich sein.

Die Jungbuschvereinbarung ist ein Empowerment Werkzeug, um die Menschen im Jungbusch darin zu bestärken, Probleme nicht nur zu beklagen, sondern selbstbestimmt und gemeinsam anzugehen. Vielleicht fühlen sich Kritiker davon provoziert, dass die Jungbuschvereinbarung die Menschen selbst und nicht ihre selbsternannten Vertreter zu Wort kommen lässt. Oder vielleicht davon, dass die Interessen der arbeitenden Menschen im Jungbusch sich viel stärker um Themen wie die Einhaltung der Nachtruhe und einen sauberen Spielplatz drehen, als sie wahrhaben wollen. Dies ist auch der Grund, weshalb keine alleinerziehende Mutter im Jungbusch einem mit Spielautomaten vollgestopften Raucherlokal, aus dem unter Missachtung aller Arbeitsschutzgesetzte 22 Stunden am Tag laute Musik herausdröhnt, nachtrauert. Statt solche Lokale zu Kiezikonen hochzustilisieren, lade ich die jungen, deutschen Mittelschichtsstudierenden der Interventionistischen Linken, Antifa, WGDS, die in den letzten Jahren in den Jungbusch zogen, dazu ein, die Filterblase ihres Hinterhofs zu verlassen und mehr politische und kulturelle Vielfalt in ihren Runden aufnehmen. Der Jungbusch ist keine Kulisse und die Menschen darin sind nicht Statisten für eine Inszenierung ihrer Version des Klassenkampfs. Es sind Menschen mit konkreten Anliegen und Problemen, für die sie konkrete Antworten und Lösungen erwarten. Das erfordert von uns allen Dialogbereitschaft, wenn wir echten Fortschritt mit den Menschen erreichen wollen. Ein erster Schritt könnte die Unterzeichnung der Jungbuschvereinbarung und die aktive Beteiligung an ihrer Umsetzung sein. Nicht, weil sie die Lösung aller Probleme bringen wird – sondern weil sie die Gemeinschaft derer, die gemeinsam an Lösungen arbeiten wollen, größer und stärker und macht.

Isabel Cademartori




Jungbuschvereinbarung: Soziales Krisenmanagement der Marke SPD

Im Januar 2019 sorgte ein Facebook-Beitrag der Mannheimer SPD-Politikerin Isabel Cadematori für einiges Erstaunen bei unabhängigen Beobachter*innen der städtischen Wohnpolitik. Cadematori stellte in diesem Beitrag das erste Mal die sogenannte Monitoring-Gruppe Jungbusch der Öffentlichkeit vor.
Sie schrieb:
„Morgens halb zehn im Jungbusch. Rundgang mit dem Quartiermanagement, Verwaltung, Anwohnern, Kreativen, Gastronomen, Hauseigentümern uvm
Bei -5 Grad geht es um das Thema Verkehr in der Fußgängerzone, Gestaltung des Spielplatzes und des Sackträgerplatzes. Wir sind hart im nehmen wenn es um die Gestaltung eines lebenswerten Jungbuschs geht“

Im Kommentarbereich des Beitrags regte sich schnell Unmut über den halböffentlichen Charakter der Gruppe. Obwohl mit Cadematori und Petar Drakul Vertreter*innen der Stadtpolitik maßgeblich an der Gruppe beteiligt waren, aber auch Einwohner*innen unter den Anwesenden waren, regte sich die Frage, wie die Gruppe sich zusammensetzt, welche Legitimitätsansprüche sie stellt, und welche Agenda sie verfolgt. Die Frage stellte sich umso dringender, als sich unter der kleinen Schar von Personen, die das beigefügte Foto zeigte, auch Marcel Hauptenbuchner befand. Hauptenbuchner ist Geschäftsführer der Mannheimer Immobilienfirma Hildebrandt&Hees, deren Aktivitäten im Laufe der letzten drei Jahre maßgeblich verantwortlich für die Zuspitzung der sozialen Konflikte im Jungbusch waren ( KIM Artikel) .

Ein weiteres Foto zeigte zudem Cadematori selbst, die sich durch ein Selfie persönlich eng mit der Monitoring-Gruppe und ihren Aktivitäten identifizierte, deren Ziel es, einem weiteren Statement zufolge ist, für „ein besseres Zusammenleben“ im Stadtteil einzutreten.

Cadematori war während der aktivistischen Interventionen der Gruppe Wem gehört die Stadt? im Laufe des Jahres 2017 bereits als Vertreterin der SPD in Erscheinung getreten, wobei sie stets bemüht war, die sozialen Forderungen in der Gruppe im Hinblick auf die Interessen der Stadt und Immobilieneigentümer zu relativieren. Ein Anliegen, das nun in die Konzeption ihrer eigenen Gruppe eingegangen zu sein scheint.

Es zeichnet sich das Profil einer jungen Politikerin ab, die mit Kenntnis der Mechanismen von Social Media und einem feinen Gespür für Selbstvermarktung, die Debatte um den Jungbusch als willkommene Plattform sieht, sich im Hinblick auf die Kommunalwahlen am 26. Mai als Expertin für Wohnkonflikte im Jungbusch ins Gespräch zu bringen. Vor allem scheint aber die Vermittlung zwischen Profitinteressen von Akteuren aus der Immobilien- und Kreativ-Wirtschaft, und den Einwohner*innen der boomenden Viertel Jungbusch und Neckarstadt zu ihren Kernkompetenzen zu gehören.

Am 07. Mai schließlich, lancierte die von Cadematori moderierte Monitoring-Gruppe über den Mannheimer Morgen die sogenannte „Jungbusch-Vereinbarung „Jungbusch-Vereinbarung“ . Eine liste vager Punkte, in welcher sich Vermieter*innen, Kreative, Gastronom*innen und Einwohner*innne, auf freiwilliger Basis zu einem Set von Regeln bekennen. Unterstützer*innen stehen im Vorfeld noch nicht fest, sondern sollen in den kommenden Monaten durch Gespräche gewonnen werden. Einige Punkte betreffen eine Art von Stadtteil-Etikette, die man einführen will, nachdem Einwohner*innen in den letzten Monaten, aufgrund von immer weiter eskalierender Lautstärke, und der aus dem Nachtleben resultierenden Verwahrlosung des Straßenbildes, protestierten. Die Monitoring-Gruppe möchte, dass nicht mehr so viel Leergut auf dem Bürgersteig herumsteht, und dass – so wörtlich – „nicht in Hauseingänge gepinkelt wird“. Bei diesen Anliegen kann man der Gruppe nur bestes Gelingen wünschen!

Die inhaltlichen Kernpunkte der Vereinbarung jedoch, versuchen sich in der Quadratur des Kreises. Die – aufgrund ihres sozialen und wirtschaftlichen Status – entgegengesetzten Interessen von Einwohner*innen, soll nicht nur mit jenen von Gastronom*innen in ein harmonisches Verhältnis gebracht werden, nein, sogar Vermieter*innen – allen voran der explizit zur Monitoring-Gruppe eingeladene Geschäftsführer von Hildebrandt&Hees – sollen zugunsten von Altmieter*innen freiwillig davon absehen, mit Einkommensstarken Neumieter*innen Profite zu erwirtschaften. Könnte dieser Punkt noch, mit sehr viel gutem Willen, als Frucht einer naiven Auffassung von Mietverhältnissen in boomenden Großstadtquartieren angesehen werden, so macht ein leicht zu übersehender Satz am Anfang Vereinbarung schnell deutlich, worin die eigentlichen sozialen Interessen der Monitoring-Gruppe bestehen. So schließt der erste und umfangreichste Punkt der Vereinbarung, welcher die Eigentumsfrage der Immobilien im Stadtteil zum Thema hat, mit der unscheinbaren Bemerkung:

„Bei Mietkonflikten werden zunächst keine Anwälte, sondern das Quartiermanagement angerufen. Mieterinnen und Mieter werden durch vermittelnde Angebote unterstützt – wir sprechen bei Konflikten miteinander.“

Es ist schwer in einer solchen Positionierung keinen Wink mit den Zaunpfahl an Organisationen wie den Mannheimer Mieterverein zu sehen, welcher Mieter*innen, die in Konflikt mit Hauseigentümer*innen stehen, seit Jahren kostenlose Rechtsberatung zur Verfügung stellt. Gerade im Jungbusch, wo die Betroffenen von Hildebrandt&Hees‘ aggressiven Interventionen auf dem Immobilienmarkt oftmals ausländischer Herkunft sind, und somit bereits in sprachlicher Hinsicht offensichtlich im Nachteil gegenüber den Eigentümern, ist dieser Punkt ein deutliches Zeichen: Entpolitisierung der sozialen Frage im Jungbusch zugunsten einer Rhetorik der Harmonie, welche sich bereits jetzt Zuungunsten der im Jungbusch vertretenen Minderheiten auswirkt.

Man wird an dieser Stelle noch einmal daran erinnern dürfen, dass die aktuelle Situation im Jungbusch die Folge einer seit der Mitte der Nullerjahre durchgeführten Stadtentwicklungsstrategie der SPD-Regierung Mannheims darstellt. Stadtentwicklung wurde hier, wie eine zu diesem Thema entstandene Masterarbeit im Fach Stadtplanung es auf den Punkt brachte1, unmittelbar auf dem Wege der Gentrifizierung betrieben. Die SPD als Partei stand in der Geschichte der Bundesrepublik schon oft für die Scheinbeseitigung sozialer Konflikte zugunsten wirtschaftlicher Eliten. Cadematori folgt also der ureigenen Logik ihrer Partei, wenn sie die Effekte früherer Phasen der SPD-Politik und der daraus resultierenden sozialen Spannungen, auf der Basis einer fadenscheinigen „Vereinbarung“ unter den Teppich kehren will.

Das Bild von der Monitoring-Gruppe Jungbusch und ihrer Funktion als einer Art Potemkinschen Dorfes der Stadtregierung, wird von einem anekdotischen Vorfall abgerundet: Mitarbeiter des Kulturzenturms Kulturbrücken Jungbusch, welches seit Jahren ehrenamtlich Beratungsarbeit unter den Minderheiten im Jungbusch leistet, waren in der Monitoring-Gruppe explizit nicht erwünscht. Als Begründung wurde angegeben, dass keine Vertreter*innen von Institutionen in der Gruppe vorgesehen seien. Was der Stadtteilmanager Michael Scheuermann oder Figuren wie Hauptenbuchner und Sahra Hähnle, die als Vertreterin der „Kreativszene“ an der Monitoringgruppe teilnimmt, neben einer handverlesenen Schar von „Einwohner*innen in der Gruppe zu suchen haben, wenn doch Institutionen nicht erwünscht sind, wurde nicht erläutert. Die Vorstellung, dass jemand abseits von städtisch kontrollierten Kanälen, den Unmut der von Verdrängung bedrohten Einwohner*innen organisieren könnte, scheint den Verantwortlichen zuwider.

Isabel Cadematoris Gesicht prangt seit April nicht mehr nur auf Facebook, sondern im Vorfeld der Kommunalwahl auch an jeder Straßenecke der Stadt. Als career move innerhalb der kränkelnden SPD hat sich das Projekt Monitoring-Gruppe für sie auf jeden Fall gelohnt.

1Heil, Volker: Stadterneuerung durch Gentrifizierung: Identifikation und Steuerungsmöglichkeiten. Das Beispiel Mannheim-Jungbusch, Stuttgart 2013

Autor: Patrick Kokoszynski




Tarifauseinandersetzung Metall- und Elektroindustrie – Starker 2. Warnstreiktag

Beschäftigte von John Deere Mannheim legen Arbeit nieder – 1500 Teilnehmerinnen bei Kundgebung auf dem Lindenhof – Stein betont gesellschaftliche Bedeutung der Tarifforderungen der IG Metall

Die gestern angelaufenen Warnstreiks in der aktuellen Tarifauseinandersetzung in Mannheim fanden heute ihre Fortsetzung beim Traktorenhersteller John Deere (der Warnstreik-Auftakt fand mit 150 Teilnehmern bei WABCO Radbremsen in Mannheim-Friedrichsfeld statt – die Red.). Um die 1.500 Beschäftigten legten ihre Arbeit nieder und versammelten sich zu einer Kundgebung der IG Metall auf dem Sparkassenplatz in Mannheim-Lindenhof.

Der Warnstreik ist die Reaktion der Gewerkschaft und der Beschäftigten auf das bisher vorgelegte Angebot der Arbeitgeber, das als Provokation in Richtung IG Metall und Hohn für die Belegschaften bewertet wird.

Der Betriebsratsvorsitzende Torsten Jann wies das Angebot der Arbeitgeber entschieden zurück und dankte den Beschäftigten für die zahlreiche Teilnahme an der Kundgebung. Flexible Arbeitszeitgestaltung dürfe nicht weiter eine Einbahnstraße sein und könne zukünftig nicht weiter nur einseitig vom Arbeitgeber ausgehen. Das Vorgehen der Arbeitgeber zeige bislang in keinster Weise eine Wertschätzung der Belegschaft, die den wirtschaftlichen Erfolg bei John Deere überhaupt erst möglich gemacht hat.

Klaus Stein, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Mannheim, hob in seiner Ansprache insbesondere auch die gesellschaftliche Bedeutung der von der IG Metall aufgestellten Forderung nach zeitlich befristeter Arbeitszeitreduzierung hervor. Diese sei besonders wichtig und zeitgemäß, damit auch zukünftig Kinder in intakten Familienverhältnissen aufwachsen könnten oder die Möglichkeit bestünde, Angehörige in schwierigen Zeiten unterstützen zu können.

Birol Koca, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, betonte die Geschlossenheit der Belegschaft bei John Deere hinter der Forderungen der IG Metall und kündigte an, die weiteren Entwicklungen sowie die Reaktion der Arbeitgeber genau zu beobachten. Notfalls werde man mit weiteren Aktionen den Forderungen der IG Metall Nachdruck verleihen.

IG Metall Mannheim 09-01-2018

Warnstreiks seit 8. Janaur

IG Metall Mannheim stellt Verhandlungsstand und Zeitplan der Tarifauseinandersetzung in der M+E-Industrie vor – Warnstreiks in den Betrieben Mannheims und der Region ab Montag, den 08. Januar 2018

In den Betrieben der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie in Mannheim und der Region wird die IG Metall ab 08. Januar 2018 zu Warnstreiks aufrufen. Dies kündigte der 1. Bevollmächtigte und Geschäftsführer der IG Metall Mannheim, Klaus Stein, heute in einem Gespräch mit den regionalen Medien an.

Die IG Metall fordert in der M+E-Tarifrunde 2018 eine Entgelterhöhung von 6 Prozent für 12 Monate sowie einen individuellen Anspruch auf Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden für maximal 2 Jahre. Für Beschäftigte mit zu pflegenden Angehörigen oder Kindern unter 14 Jahren, ebenso wie für Beschäftigte in Schichtsystemen und anderen gesundheitlich belastenden Arbeitszeitmodellen, die ihre Arbeitszeit absenken, fordert die IG Metall Entgeltzuschüsse, um die entstehenden Verluste abzufedern.

Bis dato gibt es in der Tarifauseinandersetzung nur ein schmales Angebot der Arbeitgeber zum Thema Entgelt. Die Arbeitszeitforderungen der IG Metall wie auch die Entgeltzuschüsse zur Entlastung besonderer Beschäftigtengruppen werden bisher in heftiger Weise vom Arbeitgeberverband Südwestmetall abgelehnt.

Klaus Stein forderte angesichts der Haltung des Arbeitgeberlagers und der hinzugekommenen erweiterten Flexibilitätsanforderungen der Unternehmen im Finanzkapitalismus ein Umdenken. „Wir müssen darüber reden, ob Unternehmen ein Teil dieser Gesellschaft sind oder ob wir es akzeptieren, dass sie sich gesellschaftlicher Verantwortung immer mehr entziehen.“ Stein kündigte an, dass die IG Metall in den kommenden zwei Wochen den notwendigen Druck aufbauen und entfalten werde, um der Debatte und ihren Forderungen Mächtigkeit zu verleihen. Ab Montag würden die ganze Woche lang jeweils von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich die Beschäftigten in den tarifgebundenen Unternehmen der M+E-Industrie zu Warnstreiks aufgerufen.

Zur Branche gehören Betriebe wie beispielsweise das Mercedes Benz-Werk/ EvoBus, John Deere oder Caterpillar in Mannheim.

Am 11. Januar gehen die Verhandlungen in Böblingen mit den Arbeitgebern dann in die dritte Runde.




Die Waffen nieder! Mut machende Demo in Berlin – Bericht aus Mannheim

 8.000 Menschen demonstrierten am 8. Oktober für Abrüstung und Kooperation

Bei der Auftaktkundgebung ging Angelika Claussen von den Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) auf den Krieg in Syrien ein Die Bombardierung von Krankenhäusern charakterisierte sie unmissverständlich als Kriegsverbrechen unabhängig davon ob in Aleppo, in Gaza oder in Kundus begangen. Der Krieg sei ein Stellvertreterkrieg zwischen Iran und Saudi-Arabien, aber auch zwischen den USA und Russland und ihren jeweiligen Verbündeten. Sie kritisierte die Beteiligung am Krieg durch die Bundesregierung und forderte u. a. ein Ende des Syrienmandats sowie der Lieferung aller Rüstungsgüter in die Länder des Nahen Ostens. Als besonders wichtige Maßnahmen forderte sie Waffenstillstände und humanitäre Korridor und Luftbrücken an Stelle von Flugverbotszonen (wie in einem Online-Appell millionenfach gefordert) und die Einbeziehung von Iran und Kurden in die Verhandlungen.

Gewaltfreie Widerstandskampagnen erfolgreicher

Mit Blick auf die entscheidenden Mächte sagte sie: „Wir brauchen eine intensive und konstruktive Kooperation zwischen den USA und Russland, unabhängig von der berechtigten Kritik, die nicht nur wir in der Friedensbewegung an beiden Großmächten üben.“ Sie erinnerte daran, dass der Krieg in Syrien ursprünglich mit einem friedlichen Aufstand der Bevölkerung begonnen habe. Doch „im Oktober 2011, bewaffneten sich Teile der Opposition und dominierten den zivilen syrischen Widerstand.“ Dabei verwies sie auf empirische Forschungen, die belegen würden, dass gewaltfreie Widerstandskampagnen doppelt so erfolgreich waren wie bewaffnete Aufstände.

Mike Nagler sprach für den attac Koordinierungskreis. Er ging insbesondere auf die wirtschaftlichen Aspekte von Krieg und Rüstung ein. Kapitalismus und Demokratie seien nicht vereinbar. Welche zentrale Bedeutung er dem Eigentum beimisst, drückt er so aus: „Eine wirklich demokratische Gesellschaft lässt das Vermögen denen, die es durch ihre Arbeit schaffen. Das ist und bleibt die Voraussetzung einer strukturell friedlichen Welt.“

Friedensforschung statt Rüstungsforschung

Für die Katholische Friedensbewegung pax christi ergriff Wiltrud Rösch-Metzler das Wort. Wie viele andere RednerInnen kritisiert sie die beschlossene Erhöhung der Rüstungsausgaben von derzeit 34 Milliarden Euro auf dann 65 Milliarden Euro pro Jahr. Auf ihre Frage, was die Friedensbewegung denn tue, wenn ein Völkermord wie in Ruanda 1994 geschehe, antwortet sie, dass die UNO endlich gestärkt werden müsse und kein Staat sich selbst zu Bombardierungen ermächtigen dürfe. Friedensforschung und Friedensbewegung und auch andere müssten nichtmilitärische Mittel entwickeln, um solchen Menschheitsverbrechen entgegenzutreten.

In dem bunten Demonstrationszug waren zahlreiche Fahnen der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) vertreten, erkennbar am charakteristischen Logo: dem zerbrochenen Gewehr. Der Bundessprecherkreis der DFG-VK hat den Aufruf zur Demo weder unterschrieben noch dafür mobilisiert, da er ihn als einseitig und unkonkret einstuft. Angesichts anhaltender Kriegseinsätze und Aufrüstung hat das zahlreiche DFG-VK-Gruppen nicht abgehalten, die Demo dennoch zu unterstützen. Gerade jetzt halten sie es für umso dringender, die lösungsorientierten Forderungen der Friedensbewegung in einer gefährlicher gewordenen Weltlage in die Öffentlichkeit zu bringen.

Tendenziöser Medienbericht

Vielen DemonstrantInnen (ob DFG-VK-Mitglied oder nicht) war klar, dass die Friedensbewegung heute genauso wie eigentlich schon immer, mit der Einseitigkeitsbehauptung ins Abseits gedrängt werden soll. Sie waren sich sicher, dass der barbarische Waffeneinsatz und Kriegsverbrechen von wem auch immer begangen, kritisiert und angeprangert werden. Und tatsächlich haben das viele Redebeiträge deutlich zum Ausdruck gebracht. Einseitig war allerdings die Berichterstattung in bestimmten Medien. Exemplarisch soll darauf eingegangen werden, wie das ZDF die Rede von Sarah Wagenknecht aus dem Zusammenhang riss, um der Friedensbewegung Einäugigkeit vorwerfen zu können.

Im ZDF-Beitrag wurde der Demo Einseitigkeit unterstellt, weil dort nur westliche Politiker angeklagt worden seien, Putin hingegen mit keinem Wort. Um zu verstehen, wie manipulativ der ZDF-Beitrag ist, wird im Folgenden eine Passage aus Wagenknechts Rede wiedergegeben. Der Teil, den das ZDF herausgegriffen hat, ist kursiv markiert.

„Wenn man über Frieden spricht, dann bewegen uns, glaube ich, bewegen uns alle die Bilder, die wir jeden Tag bekommen aus Syrien, gerade aus Aleppo, Krankenhäuser, die bombardiert werden, Kinder die sterben, furchtbare Bilder. Und es ist völlig klar, dieses Morden muss aufhören. Diese Bombardierungen sind ein Verbrechen und es muss Schluss sein. Aber dieses Verbrechen ist das Verbrechen jedes Krieges, weil jeder Krieg vor allem Zivilisten trifft. Deswegen sagen wir nicht einseitig nur, da muss es aufhören, sondern wir brauchen Frieden und Diplomatie und alle die das hintertreiben, machen sich schuldig an Kriegsverbrechen und an Mord. Da sind wir nicht einäugig, sondern wir sagen es an alle Adressen. (großer Beifall) Und ich muss schon sagen: Also wenn ich jetzt mitbekomme und höre – und ich denke, das geht auch euch so. Wenn sich wirklich die übelsten Kriegspolitiker aus Washington, siehe Herr Kerry, die also bisher noch nie davor zurückgeschreckt sind, auch schlimme Kriegsverbrechen zu verantworten, wenn die plötzlich ihre Abscheu vor den Gräueln des Krieges entdecken. Also da muss ich sagen, die Heuchelei muss ich mir nicht antun.

Mit Michael Müller sprach ein ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter und der jetzige Bundesvorsitzende der Naturfreunde. Er forderte eine Wiederaufnahme und Fortsetzung der von Willi Brandt eingeleiteten Entspannungspolitik und warb für Verständigung mit Russland. Er warnt vor einem drohenden Krieg um eine neue Weltwirtschaftsordnung und fordert stattdessen eine partnerschaftliche internationale Wirtschaftsordnung und ein System der kollektiven Sicherheit und eine Zurückdrängung des Aufrüstens und Wettrüstens. Wie andere RednerInnen auch, kritisierte er die steigenden Rüstungsausgaben und die Rüstungsexporte.

Türkische Akademiker für den Frieden

Mit dem türkische Hochschullehrer Kuvvet Ihsan Lordoglu sprach auf der Demo, jemand aus einem Land, dessen Regierung im Syrienkrieg gegen Assad kämpf und den IS unterstützt. Er vertrat die Initiative „Akademiker für den Frieden“, die sich mit einer Petition gegen den Krieg gegen die Kurden ausgesprochen haben. 2.200 AkademikerInnen unterstützten die Petition und viele von ihnen wurden deshalb von der türkischen Regierung mit Entlassungen, Inhaftierung und anderen Repressalien abgestraft. Lordoglu bemängelte es, dass Bundeskanzlerin Merkel, die Eskalationspolitik von Präsident Erdogan nicht kritisiert werde.

Die Demo war eine Aktion, die gerade in einer Zeit von gesteigertem Waffen- und Militäreinsatz und Aufrüstung – auf allen Seiten –  umso notwendiger war. Dabei war es auch motivierend und ermutigend viele andere Gleichgesinnte – darunter auch viele junge Menschen – zu erleben. Diese waren u. a. durch einen Jugendblock vertreten, den Naturfreundejugend, SDS, didf-Jugend, linksjugend.solid und SDAJ bildeten. Der Jugendblock meldete sich mit Lena Kreymann als Rednerin auch kämpferisch zu Wort.

Otto Reger – Friedensplenum Mannheim (frieden-mannheim.de; dort auch eine umfangreiche Reden-Dokumentation)




Über weltanschauliche Grenzen hinweg

S.B. – Am 1.2. fand im Kirchlichen Dienst der Arbeitswelt (KDA) Mannheim die 1. Veranstaltung des „Erwin-Eckert-Forums Religion und Sozialismus“ statt, die mit ca. 25 Besuchern einen guten Anklang fand.

Dr. Gaede, Vorstandssprecher des Bundes Religiöser Sozialisten und Dr. Martin Balzer, Marburg, der Erwin Eckert noch selbst gekannt und dessen Leben beforscht hat, schickten Grußadressen für den Abend, die von Siegmund Bernatek (Mitinitiator des Erwin-Eckert-Forums) verlesen wurden.

Weiter begrüßte Pfr. Löffler vom Kirchlichen Dienst der Arbeitswelt in kurzer Ansprache die Gäste in den von seinem Dienst zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten.

Über das Leben des religiösen Sozialisten und ehemaligen Stadtpfarrers an der Trinitatiskirche berichtete als weiterer Mitinitiator des Forums Fritz Reidenbach von der VVN – Bund der Antifaschisten Mannheim. Daran schloss sich eine lebendige Frage- und Diskussionsrunde zwischen den anwesenden Atheisten und evangelischen und katholischen Christen an. Zwei ältere Zeitzeugen, die sich noch an Erwin Eckert im Nachkriegs-Mannheim erinnern konnten, berichteten von Begegnungen mit ihm.

Im Verlauf wurde betont, dass das neue Forum sich nicht nur der politischen und religiösen Geschichte Eckerts widmen will, sondern auch Bezüge zu aktueller Politik und den Austausch darüber über weltanschauliche Grenzen hinweg herstellen will.

Das ist an diesem Abend schon ganz gut gelungen und verlangt nach einer Fortsetzung. Gedacht ist daran, auf der nächsten Veranstaltung dieser Reihe die Gefängnisbriefe Eckerts und Dietrich Bonhoeffers, sowie den ersten KZ-Tatsachenbericht “Die Moorsoldaten” von Wolfgang Langhoff vorzustellen. Außerdem hat das Forum noch ein halbes Dutzend weiterer Themen in Reserve, z.B. auch über die neueste Enzyklika von Papst Franziskus.

…daß bisher nur zwei Gruppen von Menschen versucht haben, den Trieb nach schrankenloser Vermehrung und ichsüchtigem Gebrauch erzeugter Güter einzudämmen: die Frommen und die Sozialisten.“ (Arnold Zweig in „Bilanz der deutschen Judenheit“ 1934)




Coleman nicht militärisch genutzt?

Bürgermeister Lothar Quast (Mitte) sieht keine Waffen auf Coleman – schließlich hat er hinten keine Augen im Kopf! (Bild: Stadt Mannheim)

Bürgermeister Lothar Quast (Mitte) sieht keine Waffen auf Coleman – schließlich hat er hinten keine Augen im Kopf! (Bild: Stadt Mannheim)

Wie die Stadt Mannheim in einer Presseinformation vom 25. September 2015 mitteilt, haben aufgrund einer Einladung von Colonel G. Shawn Wells, Kommandeur der U.S. Army Garrison Rheinland Pfalz, Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Mannheim und des Regierungspräsidiums Karlsruhe die Coleman-Kaserne besucht.

Laut Presseinformation hat Baubürgermeister Lothar Quast dabei „die Bedeutung der US-Streitkräfte für Mannheim“ betont und gesagt, dass „die Mannheimerinnen und Mannheimer“ dem US-Militär „viel Verständnis entgegenbringen“ würden.

Menschen in Mannheim wollen kein Militär

DFG-VK und Friedensplenum Mannheim weisen diese einseitige Darstellung von BM Quast zurück. Wir erinnern daran, dass wir für die Freigabe der Coleman-Kaserne und die Aussage „Mannheim darf nicht zur Drehscheibe für kommende Kriege werden“ in kurzer Zeit über 500 Unterschriften in der Stadt gesammelt haben. Dabei und bei weiteren Gelegenheiten (etwa beim Ostermarsch) haben viele Menschen in Mannheim zum Ausdruck gebracht, dass sie die insbesondere von den USA und der NATO betriebene NATO-Osterweiterung ablehnen und die zugesagte Freigabe der Kaserne wollen. BM Quast fällt mit seinem Schmusekurs denen in den Rücken, die mit Herzblut und ihrer Freizeit konkrete Vorschläge für eine sinnvolle nichtmilitärische Nutzung des Coleman-Geländes erarbeitet haben.

250 Panzer und rund 1.000 Fahrzeuge in Coleman

In der Presseinformation heißt es wörtlich: „das Coleman-Areal wird nicht militärisch genutzt“ und „es lagern auch keine Waffen dort.“ Im Gegensatz dazu wird im nächsten Absatz ausgeführt: „Auf Coleman werden derzeit rund 250 Panzer und rund 1.000 Fahrzeuge gelagert und gewartet. Sie werden hier auf einen möglichen Einsatz in Osteuropa vorbereitet.“ Haben die Verfasser der Presseinformation nicht gemerkt, dass sie sich mit derartigen Formulierungen der Lächerlichkeit preisgeben, oder ist es ein dreister Versuch, die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen? Schlimmer noch ist allerdings, dass die Panzer und Fahrzeuge tatsächlich Teil einer Politik sind, die mit Manövern und dem Ausbau von Militärstützpunkten in unmittelbarer Nachbarschaft zu Russland den Konflikt verschärfen.

Die Aussage, dass kein Flugverkehr mehr stattfinde, entspricht zwar wohl den Tatsachen. Das ist aber wenig tröstlich, da sich das aufgrund militärischer Planungen schnell ändern kann. Außerdem wird verschwiegen, dass die Panzer und Fahrzeuge herumgefahren werden und durch Schadstoffe und Lärm die Anwohner und die Natur belasten.

Pentagon-Versteher streuen der Bevölkerung Sand in die Augen

Die Äußerungen von Colonel Wells sind typisch dafür, wie der Bevölkerung Sand in die Augen gestreut werden soll, wenn er von „herzlicher Unterstützung der umliegenden Gemeinden“ spricht und dass sich die US-Militärs als „Teil der Familie“ fühlten. Ob sich Colonel Wells damit bei der Bevölkerung bewusst anbiedern und vom gefährlichen Treiben der Militärs ablenken will, oder ob er aufgrund fehlender Informationen von Illusionen ausgeht, sei dahin gestellt. Tatsache ist, dass es etliche Pentagon-Versteher in der (Lokal-) Politik gab und offensichtlich noch gibt. Die US-Armee und ihre Angehörigen haben sie als die guten Freunde und Nachbarn verklärt und verharmlost. Eine öffentliche Kritik an der völkerrechtswidrigen und Menschen tötenden US- und NATO-Kriegspolitik war nicht zu erkennen. Ihnen ist es (in der Vergangenheit) leider zu gut gelungen, ihre Ideologie der militärischen Sicherheitspolitik und ihre Interessen (Arbeitsplätze) als repräsentativ für die Bevölkerung darzustellen.

Mit der US-Armee Klartext reden statt Schmusekurs

Statt der US-Armee Nettigkeiten zu sagen und falsche Behauptungen über die Haltung vieler Mannheimerinnen und Mannheimer zu verbreiten, fordern wir die Vertreterinnen und Vertreter der Stadt und des Regierungspräsidiums Karlsruhe dazu auf, Klartext zu reden. Die mindeste Forderung wäre es, die US-Armee zur Freigabe der Coleman aufzufordern.

Wir fordern von der Politik außerdem, die Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Die Politik der USA und ihrer Verbündeten hat durch ihre Kriege in Jugoslawien, Afghanistan und Irak hunderttausende Menschen getötet. Statt Frieden, Stabilität und Sicherheit ist die Nahostregion vom Gegenteil geprägt und zwingt die Menschen zur Flucht.

Wir fordern daher, dass die US-Armee die leerstehenden Gebäude in Coleman freigibt und für eine menschenwürdige Unterbringung der Geflüchteten auf ihre Kosten einrichtet.

DFG-VK und Friedensplenum Mannheim setzen sich weiterhin für weltweite Abrüstung und Konfliktbearbeitung durch Verhandlungen ein, sowohl im Großen wie im Kleinen.




Der Ausbau des Großkraftwerks Mannheim (GKM) behindert die Energiewende in der Metropolregion Rhein-Neckar und belastet die Umwelt nachhaltig!

Gastbeitrag von Günther Frey anlässlich der Inbetriebnahme des Block 9 im GKM

Die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Block 9 im Mai 2015 dokumentiert, dass die Gesellschafter der Großkraftwerk Mannheim AG (GKM) RWE, EnBW und MVV nicht ernsthaft in Richtung Energiewende umsteuern, sondern darauf setzen Kohlestrom ungehindert noch lange weiter zu produzieren. Damit wird die Tradition des GKM fortgesetzt – Senkung der Produktionskosten von elektrischem Strom auf Basis von billiger Steinkohle für die Industrie mit immer größeren Einheiten und immer weniger Beschäftigten bei gleichzeitiger Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und großräumiger Fernwärmeverteilung in die Region.

Der Versuch Block 9 als Beitrag zur Energiewende umzudeuten[ref]GKM Geschäftsbericht 2013, S 26[/ref] setzt auf gezielte Desinformation der Bevölkerung. Selbst Umweltminister Untersteller (BaWü) versuchte dem Block 9 noch etwas Positives abzugewinnen mit dem Argument: durch den neuen Block könnten doch alte weniger effiziente Kohle-Kraftwerke stillgelegt werden. Er befindet sich damit übrigens genau auf der Argumentationslinie der MVV Führung, die sich gerne als Macher der Energiewende präsentiert. Als ob der Energiewende und dem Klimaschutz durch etwas mehr Effizienz eines Steinkohlekraftwerks gedient wäre.

Das Mannheimer Umweltforum hatte bereits 2009 auch auf die Möglichkeit von Alternativen durch dezentrale BHKW und GuD-KWK hingewiesen. Selbst im Klimaschutzkonzept der Stadt Mannheim ist diese Maßnahme (E5) enthalten. Die beste Alternative, die vom Umweltforum gefordert wurde, wäre allerdings der Verzicht auf einen Neubau gewesen und der konsequente Ausbau hin zu 100% Erneuerbarer Energie!

Ein kurzer Rückblick in die Geschichte des GKM

Schon in den Gründerjahren des GKM ab 1921 ging es vorwiegend um die Bereitstellung billigen elektrischen Stroms insbesondere für die Industrie (Es „….verlangt die Region nach billiger, elektrischer Energie“[ref]“75 Jahre GKM, Werden und Wachsen“, Günther Herrmann[/ref]). Veraltete Kraftwerke mit hohem Steinkohleverbrauch sollten durch neue leistungsstärkere und effizientere Kraftwerke ersetzt werden. Das war der Gründungsauftrag. Dieses Ziel wurde bis in die 30er Jahre des vorherigen Jahrhunderts konsequent verfolgt. Durch moderne Turbinen konnten die Stromerzeugungskosten um mehr als 20% gesenkt werden.

Danach dominierte die Kriegswirtschaft des faschistischen deutschen Reiches; das Kraftwerk wurde entsprechend umgebaut (Bunkerkraftwerk).

In der Wiederaufbauphase und während der Restauration des westdeutschen Kapitalismus nach 1945 wird das GKM zügig auf- und ausgebaut. 1952 hatte es bereits eine Leistung von 350 MW bei 900 Beschäftigten.

1965 gehen Block 3 und 1970 Block 4 mit jeweils 220 MW und einem elektrischen Wirkungsgrad von 42% in Betrieb. Damit beginnt auch die kombinierte Produktion von Strom und Fernwärme mittels Gegendruckturbinen. Mit der kommunalen Fernwärmeversorgung wurde nun ein zweites Geschäftsfeld erschlossen, das die weitere Entwicklung nachhaltig beeinflusste.

Anfang der 70er Jahre folgten mit dem Bau der Blöcke 5 und 6, ausgelegt für Schweröl und Erdgas, eine Reaktion auf die „Schwemme“ billigen Erdöls auf den Weltmärkten. Als sich die erdölexportierenden Länder in der OPEC zusammenschließen und die Preisentwicklung in ihrem Sinne steuerten, war ein Umbruch notwendig.

In dieser Zeit wurden überdies die ersten Atomkraftwerke errichtet, mit der Aussicht auf betriebwirtschaftlich noch kostengünstigere Stromproduktion als in Braunkohlekraftwerken.

1970 schließlich wurde durch den sog. Jahrhundertvertrag (Vertrag zwischen Energiewirtschaft und Steinkohlebergbau von 1970 – 1980 und dann bis 1995) der Steinkohle Vorrang bei der Stromerzeugung eingeräumt und mit einer Ausgleichsabgabe, dem Kohlepfennig, wirtschaftlich abgesichert. Damit sollte deutsche Steinkohle gegenüber billigerer Importkohle wettbewerbsfähig werden. Das GKM baute seine Kapazitäten 1973 mit dem Steinkohlekraftwerk Block 7 mit 475 MW weiter aus.

Vorausgegangen waren weitreichende Planungen die Fernwärmeversorgung in der Rhein-Neckar-Region großräumig auszubauen. Ähnliche Planungen wurden für alle Großräume der damaligen Bundesrepublik erstellt. Unter dem Schlagwort „Weg vom Öl“ und „rationelle Energienutzung“ versuchte man die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen.

In der Region Rhein-Neckar gehörte u.a. der Plan für den Bau eines Atomkraftwerkes in Mannheim-Kirschgartshausen (Hochtemperatur-Reaktor (HTR) 1200 MW) zu dem Plan AKW stadt- und industrienah zu bauen. Der HTR sollte neben Strom und Fernwärme für die gesamte Region auch Dampf für die BASF liefern. Geplant wurde er bei der BBC Tochter Hochtemperatur-Reaktorbau (HRB) in Mannheim. Die Steinkohle-Kraftwerke des GKM waren in diesem Konzept nur noch als Reserve vorgesehen.

Die Anti-AKW Bewegung der frühen 80er Jahre hat sicher neben dem technischen Scheitern des sog. Demonstrations-HTR in Hamm-Uentrop (THTR)[ref]www.reaktorpleite.de[/ref] mit dazu beigetragen, dass diese Planungen aufgegeben werden mussten. Spätestens durch den Super-GAU in Tschernobyl und einen ersten Störfall im (THTR) waren diese Pläne endgültig vom Tisch.

Nicht aufgegeben waren jedoch die Pläne einer großräumigen Fernwärmeversorgung in die Region.

Konkret wurde 1986 mit der Planung einer Fernwärmetrasse nach Heidelberg begonnen. Ein Gegenkonzept des Öko-Instituts im Auftrag des Betriebsrates der Stadtwerke Heidelberg zeigte eine wirtschaftliche Alternative in Form eines eigenen Kraftwerks der Stadtwerke Heidelberg auf. Nur durch die ausschlaggebende Stimme des damaligen OB Widder im Mannheimer Gemeinderat wurde die Trasse doch noch beschlossen.

In der Folge wurde dann 1993 Block 8 mit 480 MW in Betrieb genommen. Das GKM hatte damit eine gesamte Wärmeleistung von insgesamt 1000 MW.

Eine geplante Fernwärmetrasse von Mannheim über Viernheim nach Weinheim musste wegen des Baus eines eigenen Erdgas-BHKW durch die Stadtwerke Viernheim aufgegeben werden. In Weinheim entschieden sich einige Firmen für den Bau eigener effizienter Gaskraftwerke. So gesehen wurde zumindest auf dieser Strecke nichts aus den Plänen der Mannheimer Energiestrategen.

Das Wärmenetz wurde nun in Richtung Speyer ausgebaut. Eigene Pläne für ein Kraftwerk wurden dadurch in Speyer übrigens ad acta gelegt.

Mit Block 9 (911 MW) und nach Stilllegung der Blöcke 3 und 4 hat das GKM nun eine elektrische Bruttoleistung von 2146 MW und eine Wärmeleistung von 1500 MW. Es steigert somit seine elektrische Bruttoleistung um 471 MW und die Wärmeleistung um 500 MW. Es ist damit das größte Kraftwerk Baden-Württembergs und das zweitgrößte Steinkohle-Kraftwerk Deutschlands. Die Zahl der Beschäftigten lag Ende 2014 bei 592 und soll bis Ende 2015 auf 500 abgesenkt werden[ref]MM, 13. Mai 2015, Seite 6[/ref]. Auch dies ein Zeichen der enormen Steigerung an Produktivität (verglichen mit 1952, siehe oben).

Fazit: Die großräumige Fernwärme(FW)-Versorgung ist die Basis für den Ausbau der Kapazitäten des GKM. Und umgekehrt machen die vorhandenen Kapazitäten einen steigenden FW-Absatz in der Region zwingend für den wirtschaftlichen Betrieb und eine Akzeptanz in der Region. Die FW-Versorgung in Heidelberg und Speyer ist damit auf Jahre auf die Lieferung aus dem GKM festgelegt (vertragliche Details sind nicht bekannt). Daran ändern kleinere BHKW oder auch das Holz-Heizkraftwerk in Heidelberg nur wenig. Die GKM-Strategie wurde damit zur Blockade für eine Wende bei der Strom- und Wärmeversorgung in der Region. Es befördert die Energiewende nicht, sondern behindert ihre Umsetzung um viele Jahre!

Die Auswirkungen auf die Umwelt in der Region und das Klima sind gravierend und wären vermeidbar gewesen

Strom und Wärme aus Kohlekraftwerken ist nicht nachhaltig. Soweit sind sich alle Experten einig.

Der Schadstoffausstoß schädigt die Gesundheit der Bevölkerung in der Region über weitere Jahrzehnte (NOx, SO2, Feinstaub, aber u.a. auch Quecksilberverbindungen[ref]http://www.greenpeace.de/files/publications/greenpeace-studie-quecksilber-kohle-31032015.pdf[/ref][ref]http://www.eea.europa.eu/de/pressroom/newsreleases/luftverschmutzung-verursacht-nach-wie-vor[/ref]). Das bei der Verbrennung von Kohle entstandene Kohlendioxid (CO2) gelangt als Klimagas in die Atmosphäre und trägt zur weiteren Erwärmung der Atmosphäre bei. Durch den Block 9 und die damit verbundene Leistungserhöhung werden ca. 87 % mehr CO2 in die Atmosphäre emittiert als durch die stillgelegten Blöcke 3 und 4. Von geringerer CO2-Abgabe kann also nicht die Rede sein.

Um die Öffentlichkeit für das Kraftwerksprojekt Block 9 zu gewinnen wurde auch die Abtrennung von CO2 aus dem Abgas als zukünftige Möglichkeit ins Feld geführt. Dies war und ist eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit und diente nur als Feigenblatt für das Kohleprojekt. Wie Forschungsergebnisse zeigen, ist das angestrebte Verfahren noch in der Erprobung und damit weit von einer technischen Reife entfernt[ref]http://www.tu-darmstadt.de/vorbeischauen/aktuell/archiv_2/tags/neuesausdertudeinzelansicht_61184.de.jsp[/ref]. Davon abgesehen wird die Wirtschaftlichkeit nie erreicht werden, weil die Stromproduktion aus den Erneuerbare Energie Anlagen längst konkurrenzfähig geworden ist.

Für weitere detaillierte Informationen zur Umweltbelastung verweise ich auf die Veröffentlichungen des Umweltforums.[ref]http://www.bund-bawue.de/fileadmin/bawue/pdf_datenbank/PDF_zu_Themen_und_Projekte/klima_und_energie/energiewende/Faktenpapier__GKM9_Umweltforum.pdf[/ref]

Im Übergang zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien sind leider noch fossile Kraftwerke erforderlich, zumindest ist dies der Stand der Wissenschaft auf diesem Gebiet (siehe dazu u.a. Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE))[ref]http://www.fvee.de/index.php?id=195&sb_damorder[uid]=5210&cHash=4acf8fe150c06013885512f9b5331295[/ref].

Hochflexible und hocheffiziente Erdgas-BHKW oder -GHKW und Gas- und Dampfturbinen-KWK-Anlagen können einen sinnvollen Beitrag für den Übergang leisten. Erdgas kann, bei entsprechender Verfügbarkeit, durch Bio-Methan-Gas ersetzt werden. Bio-Methan-Gas wird aus Biogas hergestellt und ist damit eine Erneuerbare Energie.

Voraussetzung für eine Minimierung der Übergangszeit ist der Einsatz von heute verfügbaren Speichertechnologien (kurz, lang und saisonal), deren Förderung und eine intensive Forschung.

Übrigens: Mit der immer viel gepriesenen Effizienz des GKM ist es nicht weit her. Im Geschäftsjahr hatte das GKM insgesamt nur eine Brennstoffausnutzung von 47%[ref]GKM Geschäftsbericht 2013[/ref] (d.h. 47% der eingesetzten Steinkohle wurden in Strom und Fernwärme umgewandelt).

Block 9 wird als besonders effizient beworben, mit einer maximalen Brennstoffausnutzung von 70%. Entscheidend ist jedoch die Brennstoffausnutzung eines ganzen Jahres. Diese wird jedoch lediglich ca. 52-56 % erreichen können (je nach Wärme und Stromproduktion, siehe Anhang). Werden auch die Blöcke 3 und 4 stillgelegt, wird sich die Gesamteffizienz des GKM also nur leicht erhöhen.

Ein anderer wichtiger Aspekt ist der Gebäudewärmeschutz. Je besser Gebäude gedämmt werden, umso weniger Wärme wird zur Beheizung benötigt. Daher spielt dies in einem integrierten Fernwärmekonzept eine zentrale Rolle. Weniger Fernwärmeabsatz jedoch bedeutet für die Fernwärmelieferanten Umsatzverluste und bringt unter Umständen das gesamte Konzept zum Wanken. Kein Wunder also wenn die Lobbyisten aus der Energiewirtschaft beständig die Rolle des Wärmeschutzes kleinreden und auf die Politik einwirken. Letzten Endes leider mit Erfolg[ref]http://www.klimaretter.info/wohnen/nachricht/18166-zwei-drittel-treibhausgase-einsparbar[/ref].

Zur wirtschaftlichen Perspektive des GKM

Das GKM und der Block 9 sind kein nachhaltiges Projekt, weder ökologisch noch ökonomisch. Die betriebswirtschaftliche Tragfähigkeit wurde von den Umweltgruppen in der Region immer in Zweifel gezogen. Den Nachweis der Wirtschaftlichkeit müssen die Gesellschafter des GKM nach der Inbetriebnahme erbringen. Spätestens 2017, wenn Block 9 ein ganzes Betriebsjahr absolviert haben wird, werden die Geschäftsbilanzen dazu Aussagen treffen müssen.

Volkswirtschaftlich sind Kohlekraftwerke auf jeden Fall nicht tragfähig. Untersuchungen von Umweltökonomen zeigen eindeutig, dass die sog. externen Kosten (z.B. Kosten die durch die Klimaschäden über Jahrzehnte entstehen) viel höher liegen als die der erneuerbaren Energien, und das heute schon[ref]http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/4485.pdf Externe Kosten der Stromproduktion aus Braunkohle 10,75 ct/kWh, aus Steinkohle 8,94 ct/kWh, aus Erdgas 4,91 ct/kWh, aus Photovoltaik 1,18 ct/kWh, aus Wind 0,26 ct/kWh und aus Wasser 0,18 ct/kWh.[/ref].

Aber schließlich setzt der Staat die Rahmenbedingungen für den profitablen Betrieb der fossilen Kraftwerke, sowohl Braunkohle- als auch Steinkohle- und Erdgaskraftwerke.

Es geht vor allen Dingen auch um das Überleben der Big-4 (RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW) deren Geschäftsmodell noch weitgehend auf Kohle und Atom basiert und keinerlei Zukunft hat.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der MVV Dr. Müller ist sich allerdings sicher, dass der neue Block 9 profitabel sein wird. Die Frage sei nur „wann“, betonte er auf der Analystenkonferenz der MVV AG (11.12.14). Er verwies auf das sog. „Strommarkt-Design“ das „so entscheidend wichtig“ sei. Damit hofft er auf neue staatliche Regeln für den Strommarkt. Dafür wurden ganz unterschiedliche Modelle entwickelt.

Mit einem Grünbuch des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) zum Marktdesign wurde bereits 2014 die Diskussion eröffnet. Nun liegt ein Eckpunktepapier „Strommarkt“ mit konkreteren Angaben vor.

Den von den Verbänden der Energiewirtschaft (BDEW, VKU) geforderten „Leistungsmarkt“, der die zusätzliche Vermarktung von Kraftwerksleistung vorsieht, soll es jedoch zunächst nicht geben. Nun soll die Obergrenze der Börsenmarktpreise eventuell auf bis zu 15 €/kWh angehoben werden. Sehr hohe Preise könnten, nachdem alte Kraftwerke stillgelegt wurden, an wenigen Stunden im Jahr an der Börse erzielt werden. Selbst für die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), eine der wichtigen Instrumente der Energiewende, soll die Förderung auch für neue Kohlekraftwerke um 1 ct/kWh für KWK-Strom erhöht werden. Das GKM 9 könnte so ca. 45 Mio. € mehr als bisher an Förderung erhalten.

Dies ist nicht akzeptabel, sollten doch eigentlich nur noch hocheffiziente, hochflexible Gaskraftwerke (BHKW, GuD-KWK) als Brücke ins erneuerbare Energie-Zeitalter gefördert werden und nicht klimaschädliche Kohlekraftwerke.

Auch auf EU-Ebene wird erst ab dem Jahr 2019 nun über eine neue Regelung zum Zertifikatehandel für Emissionen von CO2 verhandelt werden. Damit bleibt der Zertifikatepreis voraussichtlich noch lange Zeit niedrig (liegt zur Zeit bei 7 €/t). Bleiben die Brennstoffkosten für Steinkohle konstant und steigt der Börsenpreis, damit auch der Stromerlös, dann könnte die Marge (Stromerlös minus Brennstoffkosten minus Kosten für CO2 Zertifikate) für Kohlekraftwerksbetreiber sogar noch größer werden.

Im Eckpunktepapier wurde zwar ein zusätzlicher Klimabeitrag zum bestehenden europäischen Emissionshandel vorgeschlagen, der die Marge verringern würde, jedoch sollen erst ab dem 21. Betriebsjahr zusätzliche Kosten anfallen. Damit ist das GKM 9 zunächst für 20 Jahre komplett von Belastungen freigestellt. Generell gilt darüber hinaus: KWK-Anlagen „sind weitgehend freigestellt“ (Eckpunktepapier), demnach auch alle Kohle-Blöcke des GKM.

Inzwischen ist der Klimabeitrag unter erheblichem Beschuss von BDEW, VKU, IGBCE[ref]http://www.klimaretter.info/politik/nachricht/19014-bdew-und-vku-resolut-gegen-gabriel[/ref] geraten. Ob dieser überhaupt Bestand haben kann ist zweifelhaft. Es wird nun von der Industrie ein freiwilliger Beitrag durch Stilllegung von alten Braunkohlekraftwerken vorgeschlagen, dafür sollen die KWK-Anlagen stärker gefördert werden.

Nicht zuletzt wurde auch durch die „De(Re)form“ des EEG der weitere Ausbau an Erneuerbaren Energien im Strombereich stark ausgebremst und somit Raum für Kohlestrom geschaffen.

Sollte es in den 20er Jahren tatsächlich eng werden für das GKM, so bleibt immer noch die „Karte der Versorgungssicherheit“. Nach Studien zur Versorgungssicherheit in Baden-Württemberg sind entsprechende Kapazitäten nach der Stilllegung aller AKW erforderlich[ref]“Die Außerbetriebnahme des Kernkraftwerks Philippsburg 2 sowie des Kernkraftwerks Neckarwestheim II führen zu einem Wegfall an Erzeugungsleistung bis zum Jahr 2022 von rund 2,8 GW. Dies erfordert den Zubau neuer konventioneller Erzeugungsleistung in den kommenden Jahren. Dieser sollte vorzugsweise durch den Bau von KWK-Anlagen erfolgen, so dass mit dem Neubau von KWK-Anlagen auch ein essentieller Beitrag zur Versorgungssicherheit in Baden-Württemberg geleistet werden kann.“, Landeskonzept KWK, Baden-Württemberg 2015[/ref].

Zur Absicherung des wirtschaftlichen Rahmens werden auf europäischer Ebene bereits Kapazitätsmechanismen (siehe oben, z.B. Leistungsmarkt) diskutiert[ref]www.energynewsmagazine.at, Theisen, E.ON: „Am Ende könnte ein technologieneutraler Kapazitätsmarkt stehen, der offen ist für Energieerzeuger und Energieverbraucher und zugleich über Landesgrenzen hinweg funktioniert.“[/ref].

Zusammengefasst: die Gesellschafter des GKM (RWE, EnBW, MVV) können weiterhin auf eine industriefreundliche Politik setzen, die es Ihnen voraussichtlich ermöglichen wird das GKM noch lange mit Gewinnen zu betreiben. Das Nachsehen haben die Menschen durch Verschlechterung der Umweltbedingungen und durch direkte oder versteckte Kostenbelastungen (Strompreise, Steuern und Abgaben).

Welche Aussichten für lokales Handeln?

Wenigstens haben sich drei Umweltgruppen aus der Metropolregion (BUND, 100Pro Energiewende, Metropolsolar) in einer Presseerklärung zu Wort gemeldet verbunden mit einer Aktion vor dem GKM[ref]http://www.bund-rhein-neckar-odenwald.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/klotz-am-bein-der-energiewende/[/ref].

Sie fordern u.a. von der Stadt Mannheim und der MVV aus der Kohlestromproduktion im GKM auszusteigen. Konkret würde dies auf den Verkauf der Anteile der MVV an der GKM AG hinauslaufen. Ließen sich die Anteile überhaupt verkaufen, dann würde der Betrieb natürlich weitergeführt. Auch die Fernwärme für Mannheim und die Region käme weiter aus dem GKM. Einzig die MVV AG könnte ihren Kraftwerkspark dann konsequent in Richtung Energiewende ausrichten. Die Stadt Mannheim hält zwar die Mehrheit der Anteile in der AG (50,1%), aber nicht die 3/4 Mehrheit, die für eine so weitgehende Transformation notwendig wären. Ohne Re-Kommunalisierung also chancenlos.

Konkreter wird die Presseerklärung bei der Forderung nach Stilllegung des 40 Jahre alten Block 6, außer den bereits zugesagten Blöcken 3 und 4. Diese Forderung passt sehr gut zur aktuellen bundespolitischen Diskussion um die Stilllegung von alten Kohleblöcken.

Es gibt also durchaus Perspektiven für eine lokale Agenda zur Mobilisierung der Zivilgesellschaft sowohl in den Gemeindeparlamenten und im Bundestag für Klima- und Umweltschutz in der Region.

nsbesondere in Mannheim wird die Verwaltung erklären müssen wie sie ihr Klimakonzept 2020 nun nach dem Bau des Block 9 umsetzen will. Das Klimakonzept, das vom Institut für Energie und Umwelt (ifeu) in Heidelberg erstellt wurde, legt dar, dass das Klimaziel der Stadt Mannheim -40% Reduktion der CO2 Emissionen bis 2020 mit Block 9 nicht erreichbar sein wird.




Nachlese zur Kundgebung gegen die Asylrechtsverschärfung am 8. Juli in Mannheim

Nachlese Asylrecht

Am 8. Juli fand am Mannheimer Paradeplatz eine Kundgebung anlässlich der Verschärfung des Asylrechts statt. Zur Kundgebung sind ungefähr 50 Leute gekommen.

In einem Redebeitrag des Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim wurde vor allem die Ausweitung der Haftgründe des am 2. Juli im Bundestag verabschiedeten Gesetzes „Zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ hervorgehoben. Dabei wurde an die so genannte Asylrechts“reform“ im Jahre 1993 erinnert, die das bis dahin geltende Asylrecht enorm aushöhlte, vor allem durch die Konstrukte der „sicheren“ Herkunfts- und Dritt-Staaten.

Erwähnt wurden auch die auffälligen Parallelen zwischen der damaligen und der aktuellen Situation. Anfang der 90 er Jahre nahmen die Angriffe faschistischer Gruppen auf Geflüchtete enorm zu – darunter Brandstiftungen auf Wohnungen und Unterkünfte und körperliche Angriffe bis hin zu Morden und Pogrome wie in Rostock oder Mannheim-Schönau. Diese rassistischen Gewalttaten wurden zynisch von Staat und Medien instrumentalisiert und demagogisch zur faktischen Abschaffung des bestehenden Asylrechts genutzt. Das Wechselspiel von offenem gewalttätigem Rassismus der Faschisten und dem institutionellen Rassismus des Staates wiederholt sich heute in erschreckender Weise.

Der Beitrag endete mit der Aufforderung, die neuerliche Verschärfung des Asylrechts nicht hinzunehmen und die Solidarität mit den zunehmend von Abschiebung bedrohten Geflüchteten zu verstärken und Abschiebungen u verhindern.

Beitrag des „Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim“ (BgA)




BASF-Vorstand weicht den Vorwürfen des Bischofs aus

Aktionäre entsetzt über Marikana-Massaker / Viel Applaus für Rede des südafrikanischen Bischofs Jo Seoka / BASF lehnt Einzahlung in Entschädigungsfonds ab / Kritische Aktionäre: BASF muss Verantwortung für Lieferkette ernst nehmen.

Köln/Mannheim/Pretoria, 1. Mai 2015 Der südafrikanische Bischof Johannes Seoka erhielt für seine beeindruckende Rede bei der Hauptversammlung des BASF SE am 30. April in Mannheim viel Applaus von den Aktionärinnen und Aktionären des Chemie-Konzerns. Der anglikanische Bischof aus Pretoria, dem der Dachverband der Kritischen Aktionäre Stimmrechte übertragen hatte, verlangte eine Entschädigung für die Opfer des Marikana-Massakers und forderte BASF auf, als Hauptkunde des Platin-Produzenten Lonmin Verantwortung zu übernehmen. Im Anschluss an seine Rede übergab Seoka dem BASF-Vorsitzenden Kurt Bock ein Buch und einen Dokumentarfilm, die beide das Massaker von Marikana analysieren. Bock zeigte sich „bestürzt über die Vorgänge in Südafrika“ am 16. August 2012. „Aus der Distanz ist es für die BASF aber schwer, sich ein eigenes Urteil zu bilden.“ Zurzeit könne sein Unternehmen nichts tun, da der Bericht der Marikana- Untersuchungskommission bei Präsdient Zuma liege und noch nicht veröffentlicht sei. Deshalb könne die BASF auch keinen Beitrag zum Entschädigungsfonds leisten, so Bock. Die Hinterbliebenen der 34 getöteten Minenarbeiter sollen 3,4 Millionen Euro aus dem von der südafrikanischen Bench Marks Foundation eingerichteten Fonds erhalten.

Mehrere Aktionärinnen und Aktionäre bezogen sich in ihren nachfolgenden Reden auf die schrecklichen Tatsachen, die Bischof Seoka präsentiert hatte. „Es ist unglaublich, dass im 21. Jahrhundert die Menschen, die das wertvollste Metall der Welt ausgraben, das BASF zu Katalysatoren weiterverarbeitet, unter inhumanen Bedingungen leben und arbeiten. Und es ist eine Schande, dass die BASF bisher nichts getan hat, um Mitverantwortung zu übernehmen“, sagte eine Aktionärin. BASF hat 2014 von Lonmin Metalle der Platingruppe im Wert von 450 Millionen Euro bezogen.

Nach der Hauptversammlung sagte Bischof Seoka: „Ich habe den Eindruck, dass die BASF-Verantwortlichen aufmerksam zugehört haben. Sie haben respektiert, dass ich von weit her nach Deutschland gekommen bin, um den Aktionären vom Massaker in Marikana und den Arbeits- und Lebensbedingungen der Minenarbeiter zu berichten. Offensichtlich waren die meisten Aktionäre über die Beziehung von BASF zu Lonmin in Südafrika nicht informiert.“ Seoka wies auf einen Widerspruch in der Aussage von BASF-Chef Bock hin: „Er sagte, er hat von der schwierigen Situation in Marikana gewusst. Wie kommt es dann, dass er sich kein klares Urteil bilden kann?“ Bock hatte in seiner Antwort auf Seokoas Rede auch davon gesprochen, dass BASF nichts unternehmen könne, solange der Abschlussbericht der Marikana-Untersuchungskommission nicht veröffentlich sei. Der Bericht liegt dem südafrikanischen Präsidenten Zuma seit einigen Wochen vor. Tatsächlich sind wesentliche Teile der Beweisaufnahme, in der schwere Vorwürfe gegen Lonmin, die Polizeiführung und die politisch Verantwortlichen erhoben werden, seit Monaten öffentlich zugänglich. Während skeptische Stimmen es für wahrscheinlich halten, dass der abschließende Bericht niemals an die Öffentlichkeit kommen wird, verschanzte sich der BASF-Vorsitzende hinter dem politisch schwer angeschlagenen Jakob Zuma.

Bishof Seoka, der im Vorstand der Bench Mark Stiftung ist, lud das Management und die Aktionäre von BASF ein, nach Südafrika zu kommen, um aus erster Hand zu erfahren, wie Lonmin sein Geschäft betreibt. „Danach können sie Lonmin tatsachenbasiert und konstruktiv auf dem Weg in eine bessere Zukunft begleiten.“

Maren Grimm wies in der Hauptversammlung darauf hin, dass BASF, gemeinsam mit den Großbanken Goldman Sachs, HSBC und Standard Bank, in den USA wegen jahrelanger Manipulationen des Platinweltmarktpreises angeklagt ist. Kurt Engel, BASF-Vorstandsmitglied und Leiter der BASF Catalyst Group, sagte in seiner Stellungnahme, die Rechtsabteilung der BASF halte diese Vorwürfe für gänzlich unbegründet.

„Die Kritischen Aktionäre werden genau verfolgen, wie sich die BASF nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts verhält“, kündigte Geschäftsführer Markus Dufner an. „Wir sind auch AQ!“ gespannt zu erfahren, was die BASF tut, falls Präsident Zuma den Bericht nicht frei gibt. Entscheidend ist, dass die BASF die Verantwortung für ihre Lieferkette, auf die sie sich selbst verpflichtet hat, auch ernst nimmt.“

www.kritischeaktionaere.de




MVV – auf dem Weg zur Energiewende?

Ein Gastbeirag von Günther Frey zum Zögern der MVV Energie bei der Energiewende

Der Slogan „Viele reden von der Energiewende – wir machen sie“[ref]Dr. Müller im Geschäftsbericht 2013/14 [/ref] fordert geradezu eine kritische Betrachtung der Entwicklung heraus. Wer ist denn mit den „Vielen“ gemeint? Möglicherweise die tausende von BürgerInnen, die entweder direkt eigene PV-Anlagen errichteten oder sich an vielen Genossenschaften beteiligten und damit erst den Erfolg beim Ausbau der erneuerbaren Energien ermöglichten? Auch wenn in der Kundenzeitschrift der MVV[ref]Dr. Müller in MVV Leben Kundenmagazin, Seite 6[/ref] von der Energiewende des Jahres 2011 geredet wird, so stellt sich schon die Frage, was war davor? Immerhin hatte die MVV 2003 ein Biomassekraftwerk auf der Friesenheimer Insel gebaut. Allerdings ist es ein Kraftwerk ohne Kraft-Wärme-Kopplung und damit ohne Einspeisung erneuerbarer Wärme ins Mannheimer Fernwärmenetz. Dann dauerte es allerdings bis 2010 als der erste eigene Windpark gebaut wurde. Bis 2012 jedoch wurde das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz)[ref]http://de.wikipedia.org/wiki/Erneuerbare-Energien-Gesetz[/ref] in entsprechenden Presse-Notizen der MVV regelmäßig als Hauptverursacher bei Strompreiserhöhungen benannt und damit diskreditiert.

Damit stellte sich die MVV zusammen mit den sog. Big4 (RWE, E.ON, Vattenfall, EnBW) mit an die Spitze der Kritik am EEG und forderte 2013 eine „marktkonforme“ Reform. Konsequenterweise wird nun das EEG 2014 begrüßt: „Insgesamt gehen wir davon aus, dass die nun im Gesetz verankerten Maßnahmen zu mehr Wettbewerb und Kosteneffizienz beim Ausbau der Erzeugung aus erneuerbaren Energien führen werden.“[ref]Geschäftsbericht 2013/14, Seite 53[/ref] Insbesondere die Pflicht zur Direktvermarktung wird für „sinnvoll“ gehalten und wurde bereits 2013/14 im Vorfeld mit einer eigenen Studie energisch gefordert. Dies jedoch führt geradewegs zur Dominanz der Energiekonzerne (siehe dazu insbesondere[ref]https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2014/september/energiewende-retour[/ref]). Die MVV Energie AG gehört inzwischen zu den aktivsten Firmen im Feld der Direktvermarktung.

Aufhorchen ließ dann 2014 die Mehrheitsbeteiligung (50,1 %) an der Juwi AG (Wörrstadt), die sich in Deutschland und darüber hinaus, insbesondere im Bereich Windenergie, einen Namen gemacht hatte. 2014 jedoch geriet sie in wirtschaftliche Bedrängnis und suchte Partner. Vorher übernahm die MVV bereits den Projektierer Windwärts vollständig und integrierte diese als Tochtergesellschaft ins Unternehmen. Zeichnet sich also endlich ein Aufbruch der MVV in das Feld der Erneuerbaren ab?

In der Analystenkonferenz 2014[ref]Dr. Müller Analystenkonferenz am 11.11.2014[/ref] wurde die Beteiligung an Juwi allerdings als Möglichkeit bezeichnet vor allem an der gesamten Wertschöpfungskette im Bereich erneuerbare Energien zu verdienen. Damit wurde den Erwartungen oder Ängsten an große neue Investitionen im Bereich Windenergie zunächst ein Dämpfer erteilt. Begründet wurde dies mit den langen Rücklaufzeiten des eingesetzten Kapitals bei diesen Projekten. Man darf gespannt sein, wie die Entwicklung weitergeht.

Nun aber zu den aktuellen Daten aus dem Geschäftsbericht 2013/14: Die Stromerzeugung des MVV Konzerns (in Deutschland) aus erneuerbaren Energien ist um 16% gegenüber dem Vorjahr gestiegen[ref]Geschäftsbericht 2013/14, Seite 80[/ref]. Insbesondere der Zubau an Windenergieleistung um 21 MW auf 174 MW und die Mehrerzeugung bei Bioenergie-Anlagen war verantwortlich für die Steigerung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf 872 Mio kWh.
Bei einer Stromerzeugung des Konzerns von insgesamt 3,9 Mrd kWh machen die Erneuerbaren jedoch gerade mal 23% (+3% gegenüber 2012/13) aus. Der Anteil des Windenergiestroms betrug lediglich 33%. Der verbleibende Anteil wird in Holz- sowie Müllheizkraftwerken (aus biogenem Anteil am Abfall sowie sog. Ersatzbrennstoffen) erzeugt.

In Deutschland betrug der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung 2014 bereits 31%.

Der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) an der gesamten Stromerzeugung lag bei 28% (-4%). Erneuerbare und KWK haben einen Anteil von 51% an der gesamten Stromerzeugung der MVV und werden als umweltfreundlich bezeichnet. Der Hauptanteil des KWK-Stroms kommt jedoch aus klimaschädlichen Steinkohlekraftwerken (Großkraftwerk Mannheim GKM und Gemeinschaftskraftwerk Kiel GKK) mit einer erheblichen Schadstofffracht in die Atmosphäre. Selbstverständlich ist KWK, nur damit kein Missverständnis entsteht, eine sehr wünschenswerte Energietechnik zur besseren Ausnutzung des eingesetzten Brennstoffs (statt z.B. 41-46%, nur Stromerzeugung, dann etwa 50-60% mit KWK). Durch die gekoppelte Wärmeproduktion, können Öl- und Gasheizungen, alte Nachtspeicher- und Kohleöfen durch Fernwärme ersetzt oder neue Gebäude gleich von vornherein an die kommunale Fernwärmeversorgung angeschlossen werden. Die Umwelteffekte durch Vermeidung von lokalen Emissionen verringern u.a. auch nennenswert die Belastung der Luft mit Schadstoffen in den Stadtquartieren.

Der eingesetzte Brennstoff Steinkohle ist das Hauptproblem. Wäre der neue Block 9 des GKM als Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD) mit KWK gebaut worden, so lägen die CO2-Emissionen bei weniger als der Hälfte und der Schadstoffausstoß ein vielfaches niedriger (z.B. Quecksilberemissionen bei Null). Diese Alternative wurde leider ignoriert. Während es RWE im saarländischen Ensdorf nicht gelang ein Steinkohle-Kraftwerk mit 2 mal 800 MW gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen, hatte man in Mannheim offenbar mehr Erfolg. Im Saarland wurde kein neues Kraftwerk in Ensdorf gebaut. Das bestehende alte Kraftwerk wurde als Industriekraftwerk weitergeführt.

Die restliche Stromerzeugung der MVV, ohne KWK, hat demnach einen Anteil an der Gesamterzeugung von 49% (+1% gegenüber 2012/13) und kommt ebenfalls vorwiegend aus den bereits genannten Steinkohlekraftwerken (70%). Immerhin kommen demnach ca. 15% der Stromerzeugung bereits aus erdgasbefeuerten Block-Heizkraftwerken (BHKW).

In Kiel gab es 2014 ein weiteres Ereignis, das die Zukunft des MVV Konzern prägen könnte. So verlautbarte die MVV-Führung am 2.5.2014, dass sie sich aus dem gemeinsam entwickelten Vorhaben eines neuen Gasheizkraftwerkes zurückzieht. Die MVV ging sogar soweit der Stadt Kiel den Rückkauf der Anteile der MVV an den Stadtwerken zu empfehlen. Monate der Irritation und Verärgerung in Kiel gingen ins Land, bis es im März 2015 doch noch zu Gesprächen über die Finanzierung kam[ref]www.kn-online.de, 18.3.2015[/ref]. Dazwischen gab es in Kiel auch Überlegungen eine kommunale Netz-GmbH zu gründen (Rekommunalisierung der Netze). Das alte Steinkohlekraftwerk (GKK, Inbetriebnahme 1970, 354 MW) soll nach Plänen der Stadtwerke 2018/19 durch ein neues modernes Gasmotoren-Heizkraftwerk (GHKW mit 200 MW, Investition 290 Mio €)[ref]https://www.stadtwerke-kiel.de/swk/de/unternehmen/aktuell/gasheizkraftwerk/gasheizkraftwerk.jsp#tab11[/ref] ersetzt werden. Auch dies könnte die Erzeugungsstruktur des MVV Konzerns positiv verändern (falls die MVV sich daran beteiligen würde) und insbesondere die Kieler Klimabilanz nachhaltig verbessern. Könnte dies nicht ein Musterprojekt für den Gesamtkonzern werden?

Die Zeichen in Mannheim stehen jedoch geradezu konträr. Mit der Inbetriebnahme des Block 9 mit 900 MW im Großkraftwerk Mannheim (GKM) Mitte 2015 wird alles überschattet. Das GKM erhöht damit seine elektrische Gesamtleistung um 460 MW (Blöcke 3 und 4 werden stillgelegt) und die Wärmeleistung um 500 MW. Block 9 in Mannheim wird schätzungsweise 0,7 Mrd kWh zusätzlichen Steinkohlestrom für die MVV zur Verfügung stellen können. Das wäre fast soviel wie die Erzeugung an erneuerbarem Strom im gesamten Konzern 2014 (0,87 Mrd kWh).

Grund genug weitere Stilllegungen von Steinkohleblöcke des GKM zu planen und die notwendigen Ersatzkapazitäten, falls überhaupt erforderlich, auf Basis von Erdgas und Biogas zu bauen (GuD und/oder GHKW). Block 6, ein reiner Stromerzeuger ohne KWK (280 MW), ist in diesem Jahr bereits 40 Jahre im Betrieb, eine sog. „alte Möhre“. Die Stilllegung dieses Blocks zu verlangen ist die Minimalforderung für die lokale Agenda.

Über die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Bund wird gerade heftig gestritten. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat mit seinem Entwurf eines neuen „Marktdesign“ für den Strommarkt und dem darin enthaltenen „Klimabeitrag“ zumindest geplant alte Braunkohlekraftwerke sanft aus dem Markt zu drängen. Sofort war die Allianz der Braunkohlelobby (RWE, auch die Länder NRW, Brandenburg, Sachsen und u.a. IGBCE….) auf dem Plan.

Steinkohlekraftwerke mit KWK würden übrigens durch den Entwurf weitgehend verschont bleiben. Auch der Block 9 wäre davon nicht berührt (selbst Block 7 und 8 weitgehend) sondern erhielte auch noch über eine Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes (KWKG) eine Erhöhung der Förderung.

Am 25.4. haben viele tausend Menschen für ein Ende der Braunkohleverstromung demonstriert und so ein starkes Signal für den Klimaschutz gesendet (www.anti-kohle-kette.de). Die Notwendigkeit für ein Kohleausstiegsgesetz bleibt trotz der wachsweichen Vorschläge aus dem Hause Gabriel nach wie vor aktuell [ref] https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/studie-kohleausstiegsgesetz [/ref].

Infos zu Eigentümerstrukturen:

Eigentümerstruktur des Großkraftwerks Mannheim:

  • 40 % RWE
  • 32 % EnBW
  • 28 % MVV

Gesellschafter der MVV Energie AG:

  • 50,1 % Stadt Mannheim
  • 16,3 % RheinEnergie AG
  • 22,5 % EnBW AG
  • 6,3 % GDF SUEZ Energie Deutschland GmbH
  • 4,8 % Streubesitz

Beteiligung der MVV Energie an anderen Stadtwerken:

  • 51 % Stadtwerke Kiel AG
  • 48,46 % Energieversorgung Offenbach
  • 48,4 % Stadtwerke Ingolstadt Beteiligung GmbH
  • 38 % Stadtwerke Sinsheim Versorgungsgesellschaft mbH & Co. KG
  • 25,1 % Stadtwerke Buchen GmbH & Co. KG
  • 25,1 % Stadtwerke Walldorf GmbH & Co. KG
  • 10 % Stadtwerke Schwetzingen GmbH & Co. KG