Gesundheitscafé in Mannheim-Schönau eröffnet – Innovativer Impuls für gerechtere Versorgung in der Fläche

Eröffnung des Gesundheitscafé in Mannheim-Schönau | Bild: Stadt Mannheim

Im Mannheimer Stadtteil Schönau ist das erste Gesundheitscafé der Stadt eröffnet worden. Anders als eine Arztpraxis ist das Gesundheitscafé eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Menschen aus dem Stadtteil aller Altersgruppen. Es bietet Beratung und Weitervermittlung bei gesundheitlichen Fragen, aber auch Präventionsangebote und einen sozialen Treffpunkt in Form eines offenen Café-Treff.

Gesundheitsversorgung ist ungleich verteilt

Dass gerade auf der Schönau eine solche Einrichtung entsteht, ist kein Zufall, denn zuletzt gab es immer mehr Kritik an der ungleichen Gesundheitsversorgung in der Stadt. Auch KIM berichtete zum Thema mit der Überschrift „Was hat meine Postleitzahl mit meiner Gesundheit zu tun?

Während in eher wohlhabenden Stadtteilen (Sozialraum 1-3) meist ausreichend Arztpraxen vorhanden sind, mangelt es in sozial benachteiligten Stadtteilen (Sozialraum 4-5), wie Neckarstadt-West, Wohlgelegen, Luzenberg, Waldhof, Hochstätt oder auch Schönau oft an niedergelassenen Arzt*innen. Besonders auffällig ist dies auch bei den Kinderarztpraxen. Ärzt*innen haben „Niederlassungsfreiheit“ bei der Standortwahl ihrer Praxis und natürlich ist es bequemer, eine Arbeitsstelle in der Nähe des eigenen Wohnortes zu haben.

Dieses Ungleichgewicht wirkt sich sogar auf die Lebenserwartung aus. Bewohner*innen der Neckarstadt West werden im Durchschnitt nur 69 Jahre alt, wohingegen die meisten Bewohner*innen des Lindenhofs Ihren 81ten Geburtstag feiern.

Veranstaltung „Menschen vor Profit: Gesundheit“ | Bild: Helmut Roos

Gesundheitscafé für mehr soziale Gerechtigkeit

Bei einer Veranstaltung von DIE LINKE mit dem Titel „Menschen vor Profit“ wurde dieses Thema öffentlich diskutiert. Lisa Baumann und Dmitri Zeleni von der Linksfraktion Bremen lieferten Einblicke in erfolgreiche Modelle kommunaler Gesundheitsversorgung, die noch einen Schritt weiter gehen: Polikliniken als medizinische Versorgungszentren in den Stadtteilen. Jasmin Zart, Leiterin der Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung, berichtete von ihrer Arbeit in der Neckarstadt-West und Ralf Heller, Betriebsratsvorsitzender der Universitätsmedizin Mannheim, erläuterte die Probleme eines profitorientierten Gesundheitssystems.

Das Gesundheitscafé Schönau ist eine Maßnahme für mehr soziale Gerechtigkeit auf kommunaler Ebene. Die Stadt Mannheim setzt viele gute Projekte um, die politisch vom rot-grün-roten Bündnis im Gemeinderat erkämpft wurden. Von Trinkwasserspendern auf öffentlichen Plätzen über Angebote für Kinder und Jugendliche, Hebammen in den Stadtteilen, Aktionen gegen Hitzebelastung und die Durchführung von kommunalen Gesundheitskonferenzen. Das Gesundheitscafé ist ein wichtiger Schritt auf dem noch weiten Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit. (cki)


Die Stadt Mannheim hat viele Informationen zum Gesundheitscafé Mannheim-Schönau in einer Pressemitteilung zusammengefasst.

Erstes Gesundheitscafé in Mannheim eröffnet

Im Rahmen der 3. Schönauer Gesundheitswoche, die noch bis 17. Mai 2024 ein vielfältiges Gesundheitsprogramm im Stadtteil bietet, wurde am 15. Mai das neue Gesundheitscafé im Bromberger Baumgang 12, 68307 Mannheim, eröffnet.

Die ca. 250 qm große, barrierefreie Fläche bietet unter anderem Platz für ein Beratungszimmer, ein Bewegungszimmer, einen Kursraum, einen Café-Bereich mit offener Küche sowie einen Außenbereich mit Terrasse.

Es wird eine niedrigschwellige Anlaufstelle in Mannheim sein, in der die Bürger*innen des Stadtteils Schönau Antworten auf ihre Fragen rund um das Thema Gesundheit erhalten. Neben kostenlosen Kursen und Vorträgen zur Gesundheitsförderung und Prävention soll künftig ein regelmäßiger offener Café-Treff stattfinden. Die Mitarbeiter*innen sind Lots*innen im Gesundheitssystem, sodass die Bürger*innen dort Informationen über bereits bestehende Angebote in Mannheim erhalten und bei der Vermittlung dorthin unterstützt werden. Langfristig soll das Gesundheitscafé dazu beitragen, verschiedene weitere Gesundheitsangebote ins Quartier zu bringen.

Interessierte können sich bezüglich eines ehrenamtlichen Engagements oder zwecks Durchführung eigener Angebote im Gesundheitscafé gerne an die Mitarbeiter*innen des Gesundheitscafés wenden (siehe Kontakt unten).

Informationen und Veranstaltungshinweise sind als Aushang und perspektivisch in einem Schaukasten vor dem Gesundheitscafé einsehbar und werden kurzfristig auch über das Beteiligungsportal (mannheim-gemeinsam-gestalten.de) geteilt.

„Das neu etablierte Gesundheitscafé Schönau ist eine wichtige Initiative des Fachbereichs Jugendamt und Gesundheitsamt, die Gesundheitsförderung direkt in das Quartier zu bringen“, freute sich der Gesundheitsbürgermeister Dirk Grunert bei der Eröffnung. „Es ist mehr als nur ein Café – es ist eine zentrale Anlaufstelle, ein niedrigschwelliger Treffpunkt für Menschen jeden Alters, um sich über Gesundheitsthemen zu informieren, Beratung zu erhalten und präventive Maßnahmen zu entdecken. Mit dem Gesundheitscafé möchten wir die gesundheitliche Chancengleichheit fördern und Ihnen, liebe Bewohner*innen, gesundheitsbezogene Angebote quasi direkt vor die Haustür bringen.“

Um die Bürger*innen von Anfang mitzunehmen, war der Stadtverwaltung die Beteiligung der Menschen vor Ort besonders wichtig, deshalb wurden beispielsweise die Kinder aus den Kitas und Grundschulen sowie die Besucher*innen des Jugendhauses mit einem Malwettbewerb beteiligt und die Bürger*innen sowie verschiedenen Kooperationspartner*innen konnten Wünsche zu den Öffnungszeiten und Angeboten einbringen. Diese finden nach und nach bei den neuen Angeboten und Programmen Berücksichtigung.

Umrahmt wurde die offizielle Eröffnung durch unterschiedliche Angebote, wie einen Kinderfitness-Test oder Kräftigungsübungen für den Alltag. Im Gesundheitscafé konnten sich Interessierte auch am Infostand des Gesundheitstreffpunktes beispielsweise über Selbsthilfegruppen und Patientenberatung informieren. Im Rahmen der Gesundheitswoche gab es am Infostand GESUNDHEIT auf dem Lena-Maurer-Platz unter anderem Informationen zu Saison-Gemüse, Ernährung und Bewegung, zum Seniorennetzwerk und zu Lastenrädern.

Die 3. Schönauer Gesundheitswoche läuft noch bis zum 17. Mai 2024. Eine Übersicht über das Programm und die Angebote ist auf www.caritas-mannheim.de unter Aktuelles – Termine zu finden.

Das Gesundheitscafé wird neben städtischen Mitteln mit einer Förderung in Höhe von 85.000 Euro durch das Förderprogramm „Quartiersimpulse“ unterstützt. Das Förderprogramm „Quartiersimpulse“ der Allianz für Beteiligung und des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration ist Teil der Landesstrategie „Quartier 2030 – Gemeinsam.Gestalten.“ und wird finanziert aus Landesmitteln.

 

Erste Termine:

  • ab 16.05.2024: Begegnungscafé des Quartierbüros Schönau der Caritas, donnerstags 18.00 – 20.00 Uhr, zunächst ist die Teilnahme mit einer Anmeldung über das Quartiersbüro (0621/7 88 92 50 bzw. qb-schoenau@caritas-mannheim.de) verbunden.
  • ab 22.05.2024: Offener Café-Treff (zum Zusammenkommen und Austauschen, für alle Menschen, keine Anmeldung erforderlich), mittwochs 09.30 – 12.00 Uhr, donnerstags 14.30 Uhr – 17.00 Uhr.
  • ab 05.06.2024: Pflegeberatung durch Roll In e.V., mittwochs von 11.00-12.00 Uhr, bei Bedarf länger, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

 

Kontakt:

Gesundheitscafé Schönau
Bromberger Baumgang 12
68307 Mannheim

Frau Hannah Leonhardt

Tel.: 0621/293-3457, Mobil: 0151/52776285, 580gescafe@mannheim.de

 




(K)ein Leben in der Illegalität

Gökay Akbulut

Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht – so steht es in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – und müsste somit für alle gelten. De-facto wird dieses Menschenrecht aber vielen Menschen vorenthalten, auch hier, im reichen Wohlstandsland Deutschland. Der Bundesregierung ist das Problem bekannt, und doch unternimmt sie kaum etwas.

Vereinzelt versuchen Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und Sozialverbände das Vakuum zu füllen, das der Staat hinterlässt und leisten wichtige Arbeit indem sie Papierlosen und Menschen ohne Krankenversicherung einen niedrigschwelligen Zugang zu ärztlicher Versorgung ermöglichen. Doch Einrichtungen wie die Clearingstelle der Berliner Stadtmission, die Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung in Mannheim oder das Projekt AnDOCken der Diakonie Hamburg geraten in Zeiten der Corona-Pandemie an ihre Kapazitäts-Grenzen.

Denn die Anzahl der Menschen, die undokumentiert und somit unversichert in Deutschland leben ist hoch – Schätzungen gehen von 200.000 bis 600.000 Menschen aus. Da undokumentiert zu sein in Deutschland als Straftat gilt – den Betroffenen drohen Festnahme, Inhaftierung und Abschiebung –geht mit der Illegalisierung unweigerlich auch der Zwang einher, »unterzutauchen«. Aus diesem Grund gibt es kaum verlässliche Zahlen zur genauen Gruppengröße der Papierlosen.

Die Gründe, die Menschen in die rechtliche Illegalität führen sind sehr unterschiedlich – ein abgelehnter Asylantrag (etwa weil der Herkunftsstaat von der Bundesregierung pauschal als »sicher« definiert wurde), kein gestellter Asylantrag oder auch ein abgelaufenes Visum. Einige undokumentierte Menschen reisten als Tourist*innen, Student*innen, Au Pairs oder Saisonarbeiter*innen nach Deutschland und blieben. Die Gruppe der Papierlosen ist sehr heterogen, ihr ist jedoch gemein, dass die Angst vor Aufdeckung den Alltag prägt.

Das Leben ohne gültige Papiere wirkt sich auf die Wohnungs- und Arbeitssuche, den Zugang zu Bildung und Gesundheit, und auch Heirat und Familienplanung aus. Denn in all diesen Alltagsbereichen gerät man direkt oder indirekt in Kontakt mit Behörden und wird aufgefordert, sich auszuweisen. Hier sind Menschen ohne Papiere gezwungen Notlösungen zu finden, treffen jedoch auch regelmäßig auf unüberwindbare Probleme. Die Belastung ist extrem.

Dass das nicht ausreicht um ein gutes, menschenwürdiges Leben zu führen und allein psychisch eine erhebliche Belastung für die Betroffenen darstellt ist offensichtlich. Illegalisierte haben de-facto keinen Zugang zu staatlichen Hilfen, zu ärztlicher Versorgung oder zu Schutz durch Arbeits- und Sozialrecht. Wer als undokumentierte Person Opfer einer Straftat wird, ist den Tätern schutzlos ausgeliefert. So sind illegalisierte Menschen de-facto entrechtlicht.

Das hat zur Konsequenz, dass Menschen ohne Papiere in ausbeuterische Beschäftigungs- und Abhängigkeitsverhältnisse gedrängt werden, aus denen sie sich fast unmöglich befreien können. Besonders gefährdet sind Frauen, nicht nur ist Leben in der Illegalität eng verzahnt mit Menschenhandel und Zwangsprostitution, auch werden undokumentierte Frauen besonders häufig als Haushälter*innen ausgebeutet.

Leben ohne Papiere ist ein grenzüberschreitendes Phänomen. Doch im Gegensatz zur Mehrheit der europäischen Staaten fehlen in Deutschland Regulierungsmöglichkeiten für sogenannte »irreguläre Migrant*innen«. Wer einmal in die rechtliche Illegalität gedrängt wird, hat kaum Möglichkeit den Aufenthalt zu legalisieren, sodass es Menschen gibt, die über Jahrzehnten in der Illegalität leben.

Folgen der COVID-19-Pandemie für Papierlose

Durch die andauernde Corona-Pandemie hat sich die Lebenssituation für Illegalisierte drastisch verschlechtert – als unmittelbare Folge der Corona-bedingten Shutdowns wurden zehntausende Papierlose, die ihren Lebensunterhalt in Gastronomie und Hotelgewerbe, auf Baustellen und insbesondere in Privathaushalten bestritten haben in die Arbeits- und Einkommenslosigkeit geschickt. Denn wer zu behördlich nicht gemeldeter Arbeit (undeclared work, »Schwarzarbeit«) gezwungen ist, dem steht kein Kündigungsschutz zu, der bekommt kein Kurzarbeitsgeld, kein Krankengeld und schon gar keine Unterstützung aus einem Corona-Rettungsschirm.

Und diejenigen, die durch die Pandemie nicht erwerbslos geworden sind, sondern weiter in informellen, nicht angemeldeten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, sind besonders gefährdet sich mit COVID-19 anzustecken. Schon in der »legalen Wirtschaft« – das haben die Infektionsherde in den Schlachthöfen aufs Deutlichste gezeigt – setzt so manch ein Arbeitgeber die Gesundheit seiner Belegschaft unverantwortlich aufs Spiel. In der sogenannten »Schattenwirtschaft« werden mangelnde Hygienevorkehrungen vermehrt auftreten, ohne dass die abhängigen Arbeitnehmer*innen ihre Arbeitgeber dafür in Rechenschaft ziehen könnten.

Doch das erhöhte Ansteckungsrisiko für Illegalisierte beschränkt sich nicht nur auf den Arbeitsplatz. Es fängt schon bei der Unterkunft an. Die Mitarbeiter*innen der Berliner Stadtmission haben mir berichtet, dass jede zweite Person (49 Prozent) die in ihrer Clearingstelle betreut wird, keine dauerhafte Unterkunft besitzt. 33 Prozent der dort beratenen Personen sind wohnungs-, 16 Prozent sogar obdachlos.

Wer von einer notdürftigen Unterkunft zur nächsten ziehen muss, oder sogar auf der Straße lebt, der kann sich kaum vor dem Corona-Virus schützen. Viele Papierlose kommen notgedrungen in sogenannten »schwarzen Immobilien« unter, um unentdeckt bleiben zu können. Dort herrscht in der Regel starker Platzmangel, der Kontaktreduzierung und die Einhaltung von Abstandsregelungen massiv erschwert.

Hinzu kommt, dass es immer noch zu wenig mehrsprachige Informationen zum Corona-Virus gibt. Der Anrufbeantworter der Corona-Hotline des Gesundheitsamts läuft ausschließlich auf Deutsch. Und wer als undokumentierte Person Symptome aufweist, für den gibt es keinen angstfreien Zugang zu Corona-Tests. Denn bei der Gesundheitsbehörde aktenkundig zu werden, hat für Illegalisierte potenziell fatale Konsequenzen.

Schuld daran ist vor allem die sogenannte Übermittlungspflicht, ein Paragraph im Aufenthaltsgesetz, der Behörden dazu verpflichtet, „unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis erlangen von dem Aufenthalt eines Ausländers, der keinen erforderlichen Aufenthaltstitel besitzt und dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist“ (§ 87 Abs. 2 AufenthG).

Übermittlungspflicht abschaffen!

Dieser Paragraph führt de-facto dazu, dass sich undokumentierte Migrant*innen oftmals selbst bei akuten Symptomen oder schwerwiegenden Erkrankungen nicht trauen, sich bei einer Ärztin zu melden. Während Ärzt*innen zur ärztlichen Schweigepflicht verpflichtet sind, sind häufig Verwaltungsangestellte in Krankenhäusern und Praxen nicht ausreichend über den verlängerten Geheimnisschutz der ärztlichen Schweigepflicht informiert. Hinzu kommt, dass die Sozialämter, bei denen Krankenhäuser sich Behandlungskosten rückerstatten lassen können, zum Datenabgleich mit den Ausländerbehörden angewiesen sind.

Seit 2011 sind immerhin Schulen und andere Bildungs- und Erziehungseinrichtungen von dieser fragwürdigen Regelung ausgenommen, auch wenn es in der Praxis noch immer Fälle gibt in denen Einrichtungen Personen entgegen rechtlicher Vorgaben an Ausländerbehörden übermitteln. Um das zu verhindern, müssen Bildungsträger ausreichend über die Aussetzung der Übermittlungspflicht im Bildungs- und Erziehungsbereich informiert werden und diese Information auch entsprechend an Angestellte weitergeben. Doch das alleine reicht nicht.

Denn was im Bildungsbereich bereits gilt, muss endlich auch im Gesundheitswesen gelten. Es darf nicht sein, dass Menschen, die sich in gesundheitlichen Notlagen befinden die Abschiebung droht, wenn sie sich in ärztliche Behandlung begeben. In Zeiten einer Pandemie ist der Umstand, dass sich Personen aus Angst vor Abschiebung selbst bei akuten Symptomen nicht ins Krankenhaus trauen, nicht nur für die Betroffenen selbst folgenschwer, sondern gefährdet auch viele weitere durch ein erhöhtes Infektionsrisiko.

Nichtregierungsorganisationen, Sozialverbände und Kirchen fordern schon seit Jahren dass die Übermittlungspflicht auch für den Bereich der Gesundheit ausgesetzt wird. Nun ist es höchste Zeit, dass die Bundesregierung ihre Forderung umsetzt. Denn klar ist, es muss allen Menschen – ob dokumentiert oder undokumentiert, versichert oder unversichert – ihr Recht auf Gesundheit gewährleistet werden. Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht und somit unveräußerlich, es darf nicht nur für die, mit dem »richtigen« Pass oder dem »richtigen« Aufenthaltstitel gelten.

Nicht nur Papierlose sind in der Corona-Krise akut gefährdet, auch an die vielen Menschen, die zwar einen regulären Aufenthalt in Deutschland haben, jedoch nicht krankenversichert sind, muss gedacht werden. Die Malteser in Mannheim und die Berliner Stadtmission haben eine Sprechstunde für Menschen ohne Krankenversicherung eingerichtet und machen vor, wie allen Menschen ihr Recht auf Gesundheit auch de-facto gewährleistet werden kann – und zwar unabhängig davon, ob Menschen sich eine Krankenversicherung leisten können oder nicht.

Die Clearingstelle der Berliner Stadtmission, die ich im Sommer besucht habe, beraten Menschen vertrauliche und stellen anonyme Krankenscheine aus. Mit diesem Krankenschein, der den Praxen und Krankenhäusern die Kostenübernahme durch das Sozialamt garantiert, können Unversicherte und Papierlose sich dann in ärztliche Behandlung begeben ohne befürchten zu müssen, abgewiesen oder gar entdeckt und an die Ausländerbehörde übermittelt zu werden. Das ist wichtige Arbeit, die wir unbedingt unterstützen sollten.

Auch die Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung in Mannheim ist eine Anlaufstelle für Universicherte. Sie lebt von Spenden und ehrenamtlichen Unterstützer*innen. In der MMM-Sprechstunde können sich Unversicherte bei akuten Erkrankungen oder Verletzungen direkt vor Ort in Behandlung geben. Kinder und schwangere Frauen erhalten auch Vorsorgeuntersuchungen und werden regelmäßig betreut. Viele der Patient*innen der MMM sind aus den neuen EU-Mitgliedstaaten und wurden aufgrund der Pandemie in die Erwerbslosigkeit entlassen. Doch unter ihnen sind auch viele (Solo-)Selbstständige, die ihre private Krankenversicherung aufgrund der finanziellen Einbüßen während der Corona-Krise schlichtweg nicht mehr bezahlen können.

Für all diese Menschen trägt eigentlich die Bundesregierung die Verantwortung und muss ihnen während der Pandemie endlich schnell, niedrigschwellig, kostenfrei und unbürokratisch Zugang zu ärztlicher Versorgung ermöglichen. Es wäre dringend notwendig, mit staatlichen Geldern bundesweit Clearingstellen für Unversicherte einzurichten, denn bisher gibt es solche Einrichtungen nur in wenigen Ländern und Kommunen.

Solche Clearingstellen entbinden jedoch nicht von der langfristigen Verantwortung, der entrechtlichen Personengruppe der Papierlosen ihre Rechte zurückzugeben. Dafür muss die Bundesregierung endlich damit aufhören, Menschen ohne Papiere wie Kriminelle zu behandeln und sich gegen eine Regularisierungsoffensive zu verwehren. Als migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag werde ich nicht müde, die umfassende Legalisierung von undokumentierten Migrant*innen zu fordern. Und das so lange, bis endlich auch die große Koalition einsieht, was selbstverständlich sein sollte: kein Mensch ist illegal!

Gökay Akbulut