Erneute Kandel-Demo: Redner mit NPD-Bezügen und die Folgen

Am 12.09.20 veranstaltete das männerdominierte sogenannte Frauenbündnis Kandel e.V. eine Kundgebung zum Thema Meinungsfreiheit. Nach Polizeiangaben vor Ort nahmen weniger als 70 Personen teil. Der Gegenprotest, maßgeblich vom Bündnis „Kandel gegen Rechts“, organisiert zählte in der Spitze bis zu 100 Personen.

Pikant für den gemeinnützigen Verein „Frauenbündnis Kandel“ (FBK): Nicht nur Redner mit NPD-Bezügen wurden eingeladen, sondern auch die Türen sperrangelweit offengehalten für Vertreter der rechtsextremen Kameradschaftsszene und der IB (Identitäre Bewegung), sowie für Corona-Rebellen und weitere illustre Gestalten. 

 

Kandel gegen Rechts (KgR) mobilisierte zum Gegenprotest unter dem Motto „Wir zeigen Gesicht“

KgR hatte alle Fraktionen im Kandler Stadtrat eingeladen, um mit Redebeiträgen eine Anfang 2020 verabschiedete Resolution „gegen Rechtsextremismus“ mit Taten zu unterstützen. Sprich mit Redebeiträgen. Die CDU sagte gleich ab. Die für eine(n) RednerIn der FDP vorgesehene Sprechmöglichkeit verstrich ungenutzt. Sämtliche RednerInnen unterstrichen in ihren Wortbeiträgen die Wichtigkeit des Gegenprotest auf der einen, wie auf der anderen Seite den hohen Stellenwert des gesellschaftlichen Zusammenhaltens und der Vielfältigkeit der Stadtgemeinschaft. Harsche Kritik wurde laut, indem ein Redner davon sprach, dass „bezahlte, herangekarrte Redner des FBK Kandel bewußt Schaden zufügen wollen“.

KgR zog Bilanz:

„Lokalpolitik positioniert sich beim Gegenprotest von „Kandel gegen Rechts“

Am heutigen Samstag fanden sich rund 100 Menschen in Kandel zusammen, um gemeinsam auf der Kundgebung des Bündnisses „Kandel gegen Rechts“ Flagge zu zeigen gegen rechte Hetze.

Unter den vielen neuen Gesichtern waren auch einige Mandatsträger aus dem Kandeler Stadtrat.

Die Veranstaltung wurde durch die in Kandel und Umgebung bekannte Band „Hans Hruschka & Freunde“ unter großem Applaus musikalisch begleitet.

Fast alle Parteien zeigen Gesicht

Unter dem bereits im August erfolgreich gestarteten Kampagnen-Motto „Wir zeigen Gesicht“ luden die Veranstalter*innen der Kundgebung die Vorsitzenden aus den Stadtratsfraktionen dazu ein, im Sinne der jüngst verabschiedeten Resolution gegen Rechtsextremismus im Stadtrat ein öffentliches Statement abzugeben.

Benjamin Engelhardt, Kreisvorsitzender von Die LINKE, Markus Jäger-Hott, Fraktionsvorsitzender SPD, Stadtrat Nico de Zorzi von der Partei Die PARTEI sowie Ulrike Regner, stellvertretende Fraktionssprecherin von Bündnis 90/Die GRÜNEN und Ludwig Pfanger als Fraktionsvorsitzender der Freien Wählergruppe folgten dieser Einladung und nutzten die Gelegenheit, sich zu positionieren.

Sie fanden teilweise deutliche Worte in Richtung des rechtsextremen sogenannten „Frauenbündnis Kandel“ und sendeten ein klares Zeichen der Solidarität an alle anwesenden Demokrat*innen und Antifaschist*innen, die Monat für Monat Gesicht zeigen gegen rechte Hetze und ließen keinen Zweifel daran, dass das rechtsextreme sogenannte Frauenbündnis in Kandel nicht willkommen ist.

Auch die übrigen zwei Fraktionen im Stadtrat bezogen Position: FDP und CDU zogen es vor, sich nicht öffentlich hör- und sichtbar gegen menschenverachtende Hetze zu äußern – die CDU lehnte bereits im Vorfeld die Einladung von KgR schriftlich ab.

Die Resolution – ein Wendepunkt für Kandel?

„Die jetzt verabschiedete fraktionsübergreifende Resolution der örtlichen Mandatsträger ließ lange auf sich warten – viel zu lange!“ so eine Sprecherin von KgR. Erst knapp drei Jahre nach Beginn der rechten Umtriebe in der Stadt wurde diese nun auf den Weg gebracht und verabschiedet. KgR dazu: „Wir begrüßen grundsätzlich jede Form des Widerstandes gegen Rechts!“ Es stünde aber auch die Frage im Raum, was diese Resolution letzten Endes wert sei. „Das wird sich zeigen“ so KgR. Den Start bewerte man als holprig und begründet dies damit, dass bis heute nicht alle Mitglieder der Stadtratsfraktionen die Resolution unterschrieben haben. „Gewählte Mandatsträger sollten vorangehen“, so ein Sprecher des Bündnisses. Es gehe auch darum, Einigkeit in dieser Sache zu demonstrieren. Kopfschüttelnd geht man mit der örtlichen CDU und der FDP hart ins Gericht. Die Verwässerung einer möglichen Signalwirkung des Papiers durch das Verhalten der Vertreter der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ passe allerdings zu deren seit Beginn der Kandel-Demos an den Tag gelegten Blockadehaltung.

„Wir sind doch die, die seit fast 1000 Tagen regelmäßig gegen die da drüben auf der Straße stehen“ so KgR. „Eine Haltung, wie sie in der Resolution formuliert wird, wirkt auf uns nicht gerade glaubwürdig, wenn sich nach öffentlichkeitswirksamem Tamtam nebst Fototermin mit dem CDU-Bürgermeister Niedermeier keinen Millimeter inhaltlich bewegt wird. Und das, obwohl man das rechtsextreme sogenannte Frauenbündnis Kandel in der Resolution explizit als ‚nicht erwünscht’ erwähnt“ betont die Sprecherin. Enttäuscht sei man darüber schon irgendwo gewesen, überrascht waren die Aktivist*innen von KgR letztlich jedoch nicht.

Widerstand gegen Rechts braucht Rückgrat

Unsere Tür steht jedem offen“ erklärt KgR. „Aber der Ball liegt nicht mehr bei uns. Wir haben unsere Einladung ausgesprochen.“ Mit Lippenbekenntnissen und schönen Urkunden komme man nicht gegen Rassist*innen an, ist sich KgR sicher. Kandel sei mittlerweile bundesweit dafür bekannt, wie es mit Demokratiefeinden umgeht – Durch Aussitzen-Wollen lädt man sich die rechten Brandstifter Monat für Monat ein. 2021 gehe es bereits ins vierte Jahr. „Die Rechten werden dann auch wieder durch die Straßen von Kandel laufen, denn die Baustelle in der Rheinstraße hat sich bald erledigt. So weit hätte es nie kommen müssen.“ Dazu brauche es jedoch Rückgrat und einen aufrichtigen Schulterschluss aller demokratischen Kräfte vor Ort. Es käme darauf an, aktiv und sichtbar zu sein. Blanker Aktivismus helfe dagegen nicht. „Resolutionen ohne aktives Handeln gehören in die Kategorie „Wahlkampfgeplänkel“. Aber wir alle haben nächstes Jahr auch wieder die Möglichkeit, unsere Wahl zu treffen!“

Spendenaktion stößt auf breiten Zuspruch

Mit dem Verlauf der Demo zeigte man sich bei KgR grundsätzlich zufrieden. Sicherlich habe die Teilnehmerzahl noch Luft nach oben, man werde jedoch konsequent den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen und gibt sich optimistisch. Ein weiterer großer Erfolg war wie bei der letzten Kundgebung die Spendenaktion. Dieses Mal konnten während der Demo € 240,- für Moria (Flüchtlingshilfe, Anm. d. Red.) eingesammelt werden.“ 

Frauenbündnis-Redner mit NPD-Bezügen kritisieren Corona-Schutzmaßnahmen / Corona-Auflagen wurden zunächst ignoriert

Als Zeichen der anhaltenden Rechtsradikalisierung des FBK kann gewertet werden, dass erneut Redner eingeladen wurden und Teilnehmer gerne gesehen waren, die eindeutige Bezüge zum rechtsextremen Spektrum aufwiesen.

Mit dem ehemaligen NPD-Mitglied und derzeitigen YouTuber Carsten Jahn und dem Ex-AfD-Mitglied und pfälzischen Landtagsabgeordneten Jens Ahnemüller seien an dieser Stelle zwei Protagonisten genannt. Das AfD-nahe Portal „Digitale Patrioten“ zum Beispiel lässt kein gutes Haar an Carsten Jahn und wirft diesem im Juni 2020 vor ein Millionenerbe zu verschweigen und gleichzeitig bei seinen Anhängern weiter um Spenden zu betteln. Als führender, wenn nicht alleiniger, Wirrkopf, führt Jahn die Initiative „Team Heimat“ an. Jens Ahnemüller wurde Ende 2019 nach einem Parteienausschlußverfahren aus der AfD geworfen. Selbst dem Bundesschiedsgericht der rechtsextremen AfD schien die Personalie Ahnemüller zur Belastung geworden zu sein, nachdem investigative Journalisten dessen Kontakte u.a. zur NPD offengelegt hatten. Auch Vertreter der Kameradschaftsszene und Anhänger der Identitären Bewegung, vom Verfassungsschutz beobachtet, sah man gerne. Alles kein Problem für den gemeinnützigen Verein FBK. Kein Problem mit dem rechten Rand hatte auch der der AfD nahestehende und rechte Polit-Aktivist Gerold Keefer aus Bad Bergzabern. Dieser wurde von der Polizei mit erhobenen Händen aus der Versammlung geführt. Vermutlich weil auch er gegen Versammlungsauflagen verstossen hatte. Denn zu Beginn der Versammlung rechts verstießen die Teilnehmer mehrheitlich gegen die Corona-Auflagen. Eine Lautsprecherdurchsage der Polizei, bei der Teile der Versammlungsauflagen verlesen wurden (z.B. Abstandsregelung, Tragen eines Nasen-/Mundschutz), quittierten die Teilnehmer mit Pfiffen, Buhrufen und beleidigenden Äußerungen gegen die Polizei. Die Polizei kündigte Kontrollen gemeinsam mit der Ordnungsbehörde an. Bei weiteren Verstössen, könnten Bußgelder verhängt werden, so die Durchsage weiter. Die Kontrollen fanden dann auch statt, nachdem Teilnehmer trotz Appell des Versammlungsleiters weiterhin gegen die Corona-Auflagen verstiessen. Einige Personen zeigten Atteste vor. Bei der Versammlung links sah die Polizei keinen Anlass an die Versammlungsauflagen erinnern zu müssen.

Zweck des Vereins FBK ist laut Satzung die Förderung der öffentlichen Bildung, der öffentlichen Gesundheitspflege, Tierschutz, regionale Lebensmittelproduktion und schonende Ressourcen, ökologischer Land- und Gartenbau, Pflege von Brauchtum und Volkstanz, Jugendpflege durch sinnvolle Freizeitgestaltung etc.. Der Öffentlichkeit sind keine Betätigungen des Vereins gemäß Satzung bekannt. Durch die Gemeinnützigkeit gilt der Verein als steuerbegünstigt.

Einer Firmenauskunft zufolge, die KIM vorliegt, ist der Verein „wirtschaftsaktiv“ und wird von Creditreform der Branche „Interessenvertretungen und Vereinigungen“ zugeordnet, analog der Zuordnung durch das statistische Bundesamt (hier dem Wirtschaftszweig WZ2008).

 

Kinderschutzthema deplaziert und zweckmissbraucht

Aktivisten, die sich dem Kindeswohl verschrieben haben traten in faschingsähnlichem Outfit auf. In der Annahme, dass ihr Anliegen zur Kundgebung des FBK an diesem Tag passen würde. Man scheint sich zu kennen. Mit Neli Heiliger, ehemals bei Tour 41 e.V. in Karlsruhe aktiv, und Jürgen N. aus Pforzheim traten zwei illustre Personen auf den Plan. Günter N. ist in seiner Heimatstadt kein Unbekannter. Ganz im Gegenteil: Aufgrund seines Aktionismus ist er dort mehr als umstritten. Neli Heiliger, die Sympathien für den vom FBK aus Kandel weggelobten Marco Kurz hegt, knüpfte bereits 2018 Kontakte zu Myriam Kern (ex-AfD-Stadträtin in Landau). Myriam Kern gehört zur Führungsriege der AfD-Initiative „Kandel ist überall“. Dieser AfD-gesteuerten Initiative, zu der auch Nicole Hoechst, Christiane Christen und Christina Baum zählen, ist es auch zu „verdanken“, daß Kandel zum bundesweiten Aufzugsort von Rechtsextremisten wurde.

 

Die Folgen: Aufruf nach Landau

Die FBK-Rednerin Christa G. lud die Teilnehmer der rechten Versammlung dazu ein noch am selben Abend nach Landau zu kommen. Grund schien wohl das Protestcamp „Moria Mahnwache“ dort zu sein. Junge Menschen hatten dort schon seit einiger Zeit ein Protestcamp in der Innenstadt errichtet, um auf die menschenunwürdigen Bedingungen Geflüchteter an europäischen Außengrenzen hinzuweisen und um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass auch Landau sich zur „sicheren Hafenstadt“ erklärt hatte. Nach Informationen des KIM sind etwa 20 Vertreter des FBK mit Fahnen ab 19 Uhr auf dem Marktplatz erschienen um die Leute der Moria-Mahnwache zu provozieren. Bei der herbeigeeilten Polizei soll seitens FBK eine Spontanversammlung angemeldet worden sein. Diese wurde um 20:30 Uhr beendet und FBK sei unverrichteter Dinge „abgezogen“.

 

Weitere Bilder des Tages

 

(Bericht: Rick de la Fuerte mit Material von Kandel gegen Rechts und des Pfalz Express (Artikel vom 21.01.19) / Fotos: Rick de la Fuerte)




Massiver Widerstand gegen erste AfD-Corona-Demo in Rheinland-Pfalz absehbar

Joachim Paul (Bildmitte) in rechter Begleitung (Archivbild Koblenz – August 2017)

Die unter Rechtsextremismus-Verdacht stehende AfD plant am 29.08.20 eine Kundgebung im pfälzischen Hassloch. Das Motto der Rechtsausleger lautet: „Corona-Demo: Unsere Demokratie in Gefahr“. Dagegen halten mit Mobilisierungsaufrufen verschiedene bürgerliche und antifaschistische Gruppen unter dem Motto:

 

 

 

„Für ein solidarisches Zusammenleben – Masken schützen Leben!“

Als Sprecher im Rechtsaußenlager sind u.a. angekündigt: Die aus Speyer stammende Nicole Hoechst (MdB), bekannt für homo- und islamophobe verbale Auswürfe. Joachim Paul (MdL aus Koblenz; aka „Blackshirt“), scheint als Höcke-Freund, nach dem angekündigten Rückzug aus der Landespolitik von Uwe Junge, Morgenluft zu schnuppern. Paul kommt nicht zum ersten Mal nach Hassloch. Pikant auch der erneute und angekündigte Auftritt des Polizeibeamten Peter Stuhlfauth, seines Zeichens auch AfD-Ortsvereinsvorsitzender im BRD-Statistik-Musterdorf.

Zum Gegenprotest ab 9 Uhr auf dem Rathausplatz in Hassloch rufen u.a. auf

Bündnis gegen Rechts Pfalz und Kurpfalz, Regionales Bündnis gegen Rechts Neustadt, Männerbündnis Kandel, KKA-Kurfürstlich Kurpfälzische Antifa, Kandel gegen Rechts und Tuesday Night Fever (Karlsruhe).

Solidarisch mit dem Gegenprotest erklären sich die „Aufstehen gegen Rassismus“-Gruppen Rhein-Neckar und Speyer.

AfD-Andockversuch an die Querdenker-Coronaleugner-Szene?

Man darf gepannt sein. Auch darauf, wie Ordnungsbehörden und Polizei die Covid-19-Versammlungsauflagen umsetzen werden. Das Polzeiaufgebot in Hassloch könnte üppig ausfallen.

(Symbolbild)

(Bericht und Fotos: Rick de la Fuerte)

 

 




Kommentar: Rechtsradikales Frauenbündnis Kandel am Ende? Dessen Führer macht sich vom Acker

(Archivbild Kandel)

Mit dem Outing des rechtsextremen Egomanen Marco Kurz am heutigen Tage, dass er nicht mehr als Agitator, des mannigfaltig in Verruf geratenen sogenannten Frauenbündnis Kandel e.V., fungieren wird ist vieles über diese Bewegungsszene gesagt. Viele Fragen bleiben aktuell unbeantwortet.

 

 

Ab Januar 2018 aktiv und jetzt scheintot

Marco Kurz schafft sich, nach der gescheiterten Marsch 2017-Initiative, wieder ins rechte Licht indem der den „Trauermarsch“ in Kandel anführt.

Infolgedessen reihen sich zahlreiche Aufläufe von Rechtsextremisten, Reichsbürgern und AfD-Anhängern in der Südpfalz ein. Diese unsägliche Situation dauert bis heute an.

Der gemeinnützige Verein „Frauenbündnis Kandel“ entsteht in Folge.

Genauer betrachtet, hat das sogenannte Frauenbündnis Kandel e.V., ihren bisherigen Führer bereits vor dem Aufzug in Herxheim am 07.12.19 abserviert.

Bereits im Vorfeld des 07.12.19 hatten sich Marco Kurz und Konsorten z.B. bei VK vollständig bei ihrer Fangemeinde abgemeldet und in Telegram-Kanälen divergierende Nachrichten verbreitet.

(Archivbild Kandel)

Es kann sich dabei um eine notwendige Maßnahme des geschäftsführenden Vereins-Vorstands (Frauenbündnis Kandel) handeln, sich derem bisherigem Lautsprecher Marco Kurz zu entledigen. Der Verein ist bislang, der Vereinssatzung nach, nicht öffentlich gemeinnützig in Erscheinung getreten. Zuständige Finanzämter überprüfen für gewöhnlich die Gemeinnützigkeit von Vereinen in regelmäßigen Abständen.

(Quelle: Marco Kurz Telegram Kanal)

 

(Kommentar/Fotos: Christian Ratz und KIM)

 




Landau: Starker antifaschistischer Protest beim Aufzug des rechten „Frauenbündnis Kandel“ (mit Fotogalerie)

Seitdem in Kandel Großbaustellen bestehen und dort keine Aufzüge mehr, wie im Jahr 2018, stattfinden können, hat sich der Fokus des rechtsradikalen „Frauenbündnis“ im Wesentlichen auf Landau gerichtet. Bereits mehrfach in diesem Jahr gingen Menschen in der südpfälzischen Universitätsstadt gegen die Aufzüge der von vielen BeobachterInnen als neo-faschistisch und migrationsfeindlich, Pegida-ähnlichen, Gruppierung klassifiziert auf die Straßen. So auch am 05.10.19 unter dem Motto „Solidarität, statt Hetze“. Angemeldet wurde der Gegenprotest von der Linksjugend solid Landau/Südliche Weinstraße. Viele kamen und zeigten entschieden und deutlich, dass das Frauenbündnis auch weiterhin in Landau nicht willkommen ist.

„Antifa auf dem Abstellgleis“, so der Frauenbündnis-Führer 

Wer genau gemeint und wo stehen solle, sagte der Verführer des sogenannten Frauenbündnis, Marco Kurz, bei der Auftaktkundgebung in der Ostbahnstraße nicht. Julia, selbstbekennende Sängerin des aktiven Widerstands, unterstellte in ihrer Rede der „Antifa“ anti-feministische Wesenszüge. Diese würde sich nicht für die Rechte von unterdrückten Migrantinnen einsetzen. Als Zeichen der Unterdrückung von Muslimas nannte sie „Kopftuch, Burka und Niqab“. Zu hören waren daraufhin, aus der Hooligan- und Nazi-Szene bekannte, „Ahu-ahu-ahu“- und „Widerstand“-Rufe.

Kritik wurde auch an Klimaaktivisten geübt. Diese würden die von der Bundesregierung initiierte Masseneinwanderung nicht integrierbarer Gewalttäter unterstützen. „Alle kämen nach Europa“, so Kurz bei einer Zwischenkundgebung. Kurz lies auch eine „Volkszählung“ durchführen, speziell für die Tageszeitung Die Rheinpfalz, wie er sagte. Nach seiner Zählung nahmen am Aufzug seines rechten Frauenbündnis 130 besorgte Wutbürger teil. Aufgerundet von Kurz auf „gute 150 Teilnehmer“. Quittiert wurde die Zählung, man hatte es nicht anders erwartet, mit „Lügenpresse“-Rufen. Die Polizei nannte später „in der Spitze (ebenfalls) 150 Teilnehmer“. Realistisch betrachtet waren es eher nur rund 80 Personen.

Alle zusammen gegen den Faschismus 

An der Gegenprotestveranstaltung nahmen etwa 100 Personen teil. „In der Spitze 120 Teilnehmer“, vermeldete hingegen die Polizeidirektion Landau in einer Pressemitteilung am Samstagabend. 

Isa (*) von der Linksjugend Worms warnte in ihrer Rede vor Leuten wie Marco Kurz. „…Faschisten wie Marco Kurz würden von den Missständen in der Gesellschaft profitieren und den Reichen dienen. Durch ihren Populismus versuchen Menschen mit rechter Gesinnung einfache Antworten auf diverse Krisen zu liefern. Die Schuldfrage drücken sie an Flüchtlinge ab, um uns zu spalten. Doch Schuld an unserer Not sind nicht ethnische Minderheiten. Deshalb müssen wir alle zusammenstehen. Gegen den Kapitalismus sowie Faschismus und für Solidarität.“ (Zitat Ende)

Hingewiesen wurde auf den sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ), der am 06.06.2020 in Worms stattfinden soll. Bei diesen alljährlich, in unterschiedlichen Städten, stattfindenden TddZ-Veranstaltungen handelt es sich um die mit größten Nazi-Aufzüge im Bundesgebiet. Kommendes Jahr findet der TddZ, der bislang immer von massiven Gegenprotesten begleitet wurde (z.B. 2016 in Dortmund, 2017 in Durlach, 2018 in Goslar und 2019 in Chemnitz) wohl zum ersten Mal in Rheinland-Pfalz statt. Gruppen und Organisationen, die sich an der Planung des Gegenprotest beteiligen möchten, können sich an die Linksjugend Worms wenden.

„Ich würde mich freuen, am 06.06.2020 ganz viele von euch wiederzusehen. Denn die Zukunft gehört uns und sie ist antifaschistisch! Hoch die internationale Solidarität!“, ergänzte Isa ihre Rede.

„ Wir schicken solidarische Grüße an das antirassistische Netzwerk Baden-Württemberg, deren Aktionstag rund um den Abschiebeknast in Pforzheim heute stattfindet. Weil in Deutschland Menschen unrechtmäßig inhaftiert und dann abgeschoben werden, in Länder in denen Sie von Krieg, Hunger, Verfolgung und Folter bedroht sind. Danke an das antirassistische Netzwerk für euere großartige und wichtige Arbeit.

Solidarische Grüße auch an die Menschen, die heute besonders in Norddeutschland gegen Kohle und für Klimaschutz kämpfen. In Hamburg, Flensburg und Salzgitter werden heute Kraftwerke, Bahngleise, Zufahrtswege und sogar ein Schiff blockiert. Wir stehen hinter den Menschen, die – trotz Gefährdung Ihrer Gesundheit und unter massiver polizeilicher Repression – dort aushalten.

Grüße auch an die Menschen, die heute in Berlin gegen Neo-Nazis auf die Straße gehen und klare Kante zeigen.

Und natürlich schicken wir auch unsere herzlichen Glückwünsche nach Hamburg. Die rote Flora hat gestern ihren 30. Geburtstag gefeiert.“, so Doro (*) von Kandel gegen Rechts bei einer Zwischenkundgebung.

Mark (*) vom Verein für Toleranz und Menschlichkeit Südpfalz sagte bei der Abschlusskundgebung: „…Das selbsternannte Frauenbündnis Kandel mit seinem neofaschistischen Marco-Kurz-Führer-Kult hat jeglichen Bezug zur Menschlichkeit verloren. Sie pochen auf die Unterschiede zwischen sich und den Hilfesuchenden, die nach Europa kommen. Sie kategorisieren und pauschalisieren. So entsteht überhaupt erst ein Gefühl von „Wir und die anderen“. „Bist du ein Mensch, so fühle meine Not.“ Nehmt euch Goethe, einen deutschen Dichter, zu Herzen, wenn ihr wieder mal nur an euch und eure eigenen Nöte denkt und es auf ein einfaches Feindbild zu projizieren versucht. Schaut mal über euren Tellerrand, statt alle vorzuverurteilen. Wo ist eure Menschlichkeit? … Und wir, die wir hier gemeinsam stehen? Uns eint die Menschlichkeit. Der Wille, Hass und Hetze nicht hinzunehmen. Unser Mitgefühl für alle Opfer der verfehlten Politik und jegliche gruppenbezogene Gewalt. Die Menschlichkeit eint uns mehr, als Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Sozialstatus, Alter oder Nationalität es könnten. Solange Hetzer in faschistoider Manier durch die Straßen ziehen und die Gesellschaft zu vergiften versuchen, solange Menschen aufgrund äußerer Merkmale diskriminiert werden und solange die Politik sich nicht dessen annimmt und ihre Verantwortung anerkennt, ja, solange werden Menschen wie wir auf der Straße stehen und die Stimme erheben. Alle zusammen für Toleranz und Menschlichkeit. Alle zusammen für ein lebenswertes Leben für alle.
Alle zusammen gegen den Faschismus!“ (Zitat Ende)

Bannerverbot wegen weniger Zentimeter 

Keinerlei Toleranz liesen die Vertreter der Ordnungsbehörde bei Bannern zweier Unterstützergruppen beim Gegenprotest walten.

Nur wenige Zentimeter waren ausschlaggebend dafür, dass diese Banner nicht gezeigt werden durften. Berufen hat man sich auf den Auflagenbescheid, indem wohl die Maße von Bannern festgelegt worden waren. Dies war offenbar von den Anmeldern so akzeptiert worden.

Weshalb man die Verwaltungsauflage derart überbürokratisch penibel und durch Nachmessen akribisch genau durchsetzte, blieb ein Rätsel. Toleranz und gesunder Menschenverstand hätte den Vertretern der Ordnungsbehörde in dieser Situation sicherlich Sympathien entgegengebracht. So wurde allerdings genau das Gegenteil erreicht. Und da war noch die Sache mit der Frau, den drei Heranwachsenden und dem Hund. Die Menschen durften am Gegenprotest teilnehmen. Die Vertreter der Ordnungsbehörde befanden, dass der Hund ausgeschlossen wird. Wird wohl auch irgendwo in den Versammlungsauflagen gestanden haben.

Strafanzeige wirft Fragen auf 

Gegen 16:25 Uhr war an der Kreuzung Martin-Luther-Straße und Ostring die Aufnahme einer Strafanzeige durch Polizeibeamte zu beobachten. Dies geschah wenige Minuten nachdem sowohl das Frauenbündnis als auch die GegendemonstrantInnen diese Stelle passiert hatten und sich auf dem Weg zu ihren ursprünglichen Kundgebungsorten in der Ostbahnstraße bzw. in der Nähe des Schwanenweihers befanden.

Der unmittelbar danach vor Ort befragte polizeiliche Einsatzleiter verfügte über keine Informationen zu diesem Vorfall. Auf telefonische Rückfrage sagte ein Pressesprecher der Polizeidirektion Landau diesem Reporter sinngemäß: „Anzeige sei von einer Teilnehmerin des Frauenbündnis gegen einen Teilnehmer des Linksjugend-Protests erstattet worden.“ Grund: Beleidigung durch zeigen des ausgestreckten Mittelfingers. So war es später auch in der Pressemitteilung der Polizei Landau nachzulesen und, dass „die strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet wurden.“

Eine schriftliche Anfrage dieses Reporters bei der Linksjugend Landau zu dem Vorfall blieb bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unbeantwortet.

 

(*) = Namen von der Redaktion geändert

 

(Bericht und Fotos: Christian Ratz) 

Fotogalerie:




Kandel-Demos: Erneut steht Antifaschist vor Gericht – Kaum Aufklärung am ersten Verhandlungstag (mit Fotogalerie)

Am 03.09.19 wurde der Einspruch eines 24-jährigen Studenten aus Karlsruhe gegen einen Strafbefehl vor dem Amtsgericht Kandel verhandelt. Ihm wird zum Vorwurf gemacht „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ und „Angriff auf Vollstreckungsbeamte“. Die Straftat soll der Angeklagte am 07.04.18 am Bahnhof Wörth (Pfalz) begangen haben. An diesem Tag fanden in Kandel verschiedene Demonstrationen gegen den Aufzug rechter Gruppen u.a. „Kandel ist überall“ (AfD) und des sogenannten „Frauenbündnis Kandel“ statt. Bei der Anreise nach Kandel wurde eine Regionalbahn aus Karlsruhe kommend in Wörth von Polizeikräften aufgehalten und Bahngäste an der Weiterfahrt gehindert. Der heutige Prozesstag endete mit vielen Fragezeichen und der Bekanntgabe eines Fortsetzungstermins. (AZ: 1CS7150 Js11750/18)

Rückblende

Über das Demogeschehen in Kandel 2018 berichtete KIM regelmäßig und mehrfach. So auch am 07. April des vergangenen Jahres. Was den Vorfall am Bahnhof Wörth angeht berichtete die Redaktion der Beobachter News (BN) umfänglich.

In einem Online-Artikel der BN vom 22.07.19 ist zu lesen:

Vermummt und gewaltbereit

Obwohl nach Berichten die Zugfahrt friedlich verlief und der Zug nahezu überfüllt war, drängten vermummte und behelmte Beamte – auch unter Anwendung von Gewalt – hinein. Danach wurden laut Berichten alle Fahrgäste von den Polizisten durchsucht, ihre Personalien aufgenommen und gefilmt. Insgesamt wurde der Zug drei Stunden im Bahnhof festgehalten, sodass die DemonstrantInnen nicht mehr an den Kundgebungen in Kandel teilnehmen konnten und ihnen so ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verwehrt wurde. …“

Link zum vollständigen Bericht:

http://www.beobachternews.de/2019/07/22/polizei-wird-gewalttaetig-antifaschist-verurteilt/ 

Die BN veröffentlichten auch Videoaufnahmen, die die Geschehnisse damals dokumentierten. Diese Filmdokumente könnten nun in die Beweisaufnahme in diesem Prozess einfließen, da sie augenscheinlich bereits der Polizei für die Beweissicherung dienten.

Soli-Kundgebung und erster Prozesstag

Kurz vor 8:30 Uhr heute Morgen trafen etwa 20 ProzessbesucherInnen mit einer Regionalbahn aus Karlsruhe kommend in Kandel am Bahnhof ein. Dort wurden sie schon von Polizeibeamten erwartet. Eine Kundgebung, die ursprünglich vor dem Amtsgericht Kandel hätte stattfinden sollen, aber von der zuständigen Ordnungsbehörde in Germersheim verboten wurde, war für den Bereich vor der Gemeindeverwaltung Kandel erlaubt worden.

Dort versammelten sich dann rund 30 Menschen friedlich, auch mit Unterstützung von „Kandel gegen Rechts“, unter streng-freundlicher und vergleichsweise massiver Beobachtung durch Polizei und Ordnungsbehörde Germersheim. Die Behörde war vertreten durch ihre Leiterin Frau Grimm, die zusammen mit Kollegen auch an der Verhandlung teilnahm.

Nachdem ein Infostand aufgebaut worden war, konnte nach Begrüßung durch den Versammlungsleiter eine Solidaritätsrede gehalten werden. In dieser bezog sich der Sprecher auf die Geschehnisse am 07.04.18 und appellierte an die Anwesenden den Beschuldigten bei Gericht zu unterstützen. Am Stand angeboten wurden diverse Infomaterialen und eine Fotodokumentation über den Vorfall in Wörth. Interessierte Pressevertreter bekamen ein knapp 40-seitiges Dossier ausgehändigt, welches KIM vorliegt. Nachdem die Kundgebung beendet wurde, machten sich die AntifaschistInnen auf den Weg zum Amtsgericht.

Für den KIM-Reporter war es keine Überraschung, dass die am Prozess interessierten Menschen dort bereits von Polizeikräften und den Vertretern der Ordnungsbehörde Germersheim erwartet wurden.

Es fand eine strenge Einlasskontrolle im Eingangsbereich des Amtsgericht Kandel statt. Leibesvisitationen inklusive. Das Verbot irgendwelche Taschen oder Rucksäcke in den Sitzungssaal mitzubringen, wurden von einem Justiz-Mitarbeiter verlautbart. „Nur 25 Personen“, war die Teilnahme am Prozess möglich. Die Ordnungsbehörde Germersheim hatte eine eigene für sie reservierte Stuhlreihe. Auf den drei Plätzen, die für Pressevertreter vorgesehen waren, war noch ein Sitzplatz vakant.

Verlesung der Anklageschrift – Beweisführung – weiterer Verhandlungstermin

Der unerfahren wirkende Vertreter der Staatsanwaltschaft ratterte die
Anklageschrift – ohne Punkt und Komma – binnen kürzester Zeit runter. Vorwurf, wie schon eingangs in diesem Bericht genannt „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ und „Angriff auf Vollstreckungsbeamte“. Und dann kam noch was wegen §114 StGB (NB: tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte; Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis 5 Jahre). Dieser Paragraf sollte noch eine wesentliche Rolle an diesem Tag spielen.

Der Angeklagte Marcus Schuster(*) verlas vor Gericht eine persönliche Erklärung, in der sinngemäß sagte, dass „er heute in Kandel stellvertretend für 250 Personen hier steht. Für alle die Personen, die am 07.04.19 in Wörth durch Polizeikräfte darin gehindert wurden, sich an Protesten gegen den Aufzug rechter Gruppen in Kandel zu beteiligen. Vom Protest abgehalten wurden gegen AfD, NPD, Identitäre Bewegung und Reichsbürgern. Damit verhindert wurde, rassistischen – migrationsfeindlichen Aufzügen Paroli zu bieten.“ Den konkreten Vorfall in Wörth skizzierte er „als Angriff von Polizeikräften gegen die linke Bewegung, die sich Rechtsextremisten in den Weg stellen wollte“.

Der vorsitzende Richter wollte diese Rede gerne zu den Verhandlungsakten nehmen. Dies wurde vom Angeklagten und seinem Strafverteidiger verneint.

Der einzige von der Staatsanwaltschaft benannte Zeuge, der vor Gericht geladen wurde, war ein Polizeibeamter.

Dieser sagte sinngemäß aus, dass „er am 07.04.18 in Kandel im Einsatz war. Sein Einsatzzug ist nach Order eines Polizeikommandanten nach Wörth verlegt worden. Dort sollte seine Polizeieinheit einen Zug aus Karlsruhe nach Kandel besteigen. Begründet dadurch, dass etwa 30-60 Bahnreisende in Karlsruhe am Bahnhof auf „Menschen mit anderer politischer Einstellung“ getroffen seien und dass es dabei zu einem Diebstahl gekommen wäre.“

Der Beamte sagte aus, dass er (und weitere Polizeikräfte) von einigen Bahnreisenden am Betreten des Zugs durch Schlagen mit Fahnenstangen, Fußtritten und Ellenbogeneinsätzen gehindert wurde. Durchsagen des Lokführers und Ansprachen seitens der Polizei, die Zugänge zum Zug frei zu geben, seien an seiner Einsatzstelle auf dem Bahnsteig keine Folge geleistet worden. Auch einem verbal durch den Leiter des polizeilichen Einsatzzugs ausgesprochener Platzverweis gegenüber aller Bahnreisenden auf dem Weg zur Kandel-Demo „Ihre Kundgebung ist beendet. Sie erhalten ein Platzverbot.“, sollen die Zugreisenden nicht gefolgt sein.

Auf Nachfragen des Gerichts und der Strafverteidigung konnte der Zeuge seine Aussagen was die zeitlichen Abläufe angeht am Wörther Bahnhof nicht präzisieren. In der verlesenen Anklageschrift steht, dass der Angeklagte zwischen 13:00 und 13:15 Uhr festgenommen wurde. Der Polizeibeamte sagte vor Gericht, dass der Zugriff zwischen 15 und 16 Uhr passiert sein könnte.

Auf die Frage der Verteidigung, ob der Zeuge den Angeklagten im Gerichtssaal erkennt, antwortet dieser mit „Ja“. Nachfrage der Verteidigung: „Welche Kleidung und welches Schuhwerk trug mein Mandant am 07.04.18?“. Zeuge: „Daran habe ich keine Erinnerung.“.

Der einzige Zeuge der Anklagebehörden sagte weiter aus, „dass er getreten worden sei und einen schmerzhaften Ellenbogendruck an der unteren rechten Rippe“ gespürt habe. Der Vorsitzende fragt nach (sinngemäß): „Trugen sie Schutzkleidung und waren sie danach dienstunfähig?“. Der Zeuge: „Nein, ich trug normale Uniform, ohne besonderen Zusatzschutz…keine Verletzungen, die zur Dienstunfähigkeit geführt hatten.“

Der Strafverteidiger fragt den Zeugen, ob es Foto- oder Videoaufnahmen der Polizei gäbe, die seine Einlassungen vor Gericht untermauern könnten. Dieser antwortet (sinngemäß): „Es existiert ein Polizeivideo und er habe rund eine Woche nach dem Einsatz dienstlich bedingt auch YouTube-Videos vom 07.04.18 gesehen und mit Kollegen untersucht, um Identitäten von Personen zu verifizieren“.

Zum großen Erstaunen des Gerichts, der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft befindet sich dieses Bildmaterial nicht in der Gerichtsakte.

Die Verteidigung regt darauf hin an, weitere Aufklärung zu betreiben – „Wer soll wann, wo gewesen sein und was getan haben?“ – oder den Prozess nach §StPO 153 einzustellen.

Das Gericht unterbricht die Verhandlung für 10 Minuten, um Recherchen zu betreiben.

Nach der Unterbrechung erklärt der Vertreter der Staatsanwaltschaft, dass er keiner Einstellung nach §153 (NB: Strafprozessordnung: Absehen von der Verfolgung wegen Geringfügigkeit) zustimmen könne, da er den eingangs in der Anklageschrift genannten § 114 StGB stehen hat. Die Videobeweise interessieren auch ihn.

Der Vorsitzende sagte (sinngemäß), dass nach seiner Recherche und Einschätzung im laufenden Prozess Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) des Grundgesetz gewahrt sei. Polizeibeamte sind seiner Auffassung nach Bürger in Uniform, die jederzeit z.B. wie in diesem Fall Züge unbehindert betreten und verlassen müssen können, ohne weitere Hintergründe ins Feld führen zu müssen“.

Nun fragte die Verteidigung die Staatsanwaltschaft, ob, um Zeit und Kosten zu sparen, eine Einstellung nach §153a der StPO (Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen) eine Idee wäre. Der Staatsanwalt meinte, dass er zuerst die gesicherten Videobeweise sehen wolle und erst danach über die vorgetragene Idee eine Entscheidung fällen kann.

Fortführung

Vom Gericht wurde bestimmt, dass der Prozess am 10.09.19 um 13:30 Uhr am Amtsgericht Kandel fortgeführt wird.

(*) Name von der Redaktion geändert

Alle Bilder des Tages:

(Bericht: Christian Ratz / Bilder: Christian Ratz und KIM-Archiv)




Kandel-Demos: Demonstrant siegt vor Gericht gegen Kreisverwaltung Germersheim

Gegenproteste am 01.09.18 in Kandel (Archivbild)

Am Freitag, 16.08.2019, wurde vor dem Amtsgericht Germersheim der Einspruch des 48-jährigen Andreas Mayer (*) gegen einen von der Kreisverwaltung Germersheim erstellten Bußgeldbescheid in deutlich dreistelliger Höhe verhandelt. Mayer, einem Mitglied des Bündnisses KANDEL GEGEN RECHTS, wurde ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a bei einer Demonstration des stramm rechten und der Reichsbürgerszene nahestehenden sogenannten „Frauenbündnis Kandel“ am 01.09.2018 vorgeworfen.

Konkret soll er im September 2018 im Rahmen der Proteste gegen den Aufmarsch des „Frauenbündnisses Kandel“ zusammen mit weiteren Personen „sich mit normalen Bekleidungsgegenständen (Schal, Kapuzen) und Sonnenbrillen)“ vermummt haben und diese angebliche Vermummung auf Aufforderung der Polizei „nur widerwillig“ entfernt haben.

Gegen den Bußgeldbescheid legte der Beschuldigte Einspruch ein, so dass es nun zur Verhandlung kam. Der Verteidiger von Mayer machte von Anfang an klar, dass es die vorgeworfene Vermummung mittels Kapuze nicht gegeben habe Zudem läge kein Verstoß gegen das Vermummungsverbot vor. Dieser läge nach allgemeiner Rechtsauffassung nur vor, wenn man sich zwecks Verhinderung der Feststellung der Identität vermummen würde. Da sich die Gruppe um Mayer quasi unmittelbar nach Betreten der Demonstrationsroute des sog. „Frauenbündnisses Kandel“ in einer polizeilichen Maßnahme befunden habe und so eine Identifizierung bereits erfolgt war, wäre diese Vermummungsabsicht nicht gegeben gewesen. Zudem hätte sein Mandant sich „mit offenem Visier“, sprich: mit Nennung des Namens, bei den Polizisten und den Vertretern der Versammlungsbehörde vorgestellt, da er versucht hatte, eine Spontanversammlung anzumelden.

Dieser Sichtweise schloss sich der Vertreter der Staatsanwaltschaft an. Er bezeichnete eine Vermummung mit dem ausschließlichen Ziel, nicht von Mitgliedern des Aufmarsches des  „Frauenbündnisses Kandel“ erkannt und fotografiert zu werden, sogar als legitim, zumal Bilder der Gegendemonstranten bereits auf einschlägigen Internetseiten im Umfeld des rechten „Frauenbündnisses Kandel“ publiziert worden seien.

KIM berichtete:

https://kommunalinfo-mannheim.de/2018/09/05/waehrend-bundesweit-tausende-von-buergern-und-buergerinnen-gegen-rechtsextreme-rechtsradikale-aufmaersche-auf-die-strasse-gehen-ist-kandel-weiter-im-tiefschlaf-mit-bildergalerie/

So forderten der Verteidiger von Andreas Mayer und der Vertreter der Staatsanwaltschaft einhellig eine Einstellung des Verfahrens (analog zu einem gleichgelagerten Fall, der bereits im Juni vor dem Amtsgericht Kandel eingestellt worden war). Die Richterin ging sogar noch einen Schritt weiter und stellte das Verfahren nicht ein, sondern fällte ein Urteil zu Gunsten von Mayer, in dem diesem bescheinigt wurde, nicht gegen das Versammlungsrecht verstoßen zu haben, so daß der Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung Germersheim nicht rechtmäßig war. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Bemerkenswert waren einige Aussagen sowohl des Vertreters der Staatsanwaltschaft als auch der Richterin. So stutzte der Vertreter der Staatsanwaltschaft bei der Verlesung des Tatvorwurfs, denn dort war vom „bürgerlich-rechten Aufzug“ die Rede. Hier vertrat er die eindeutige Sichtweise, dass das  „Frauenbündnis Kandel“, sicher nicht bürgerlich, sondern klar rechts sei. Die Richterin wiederum begründete ihr Urteil (bzw. die nicht erfolgte Einstellung des Verfahrens) u.a. damit, dass sie ein Zeichen an die Kreisverwaltung Germersheim senden wolle. Sie habe schon mehrere Bußgeldbescheide im Zusammenhang mit den Gegendemonstrationen gegen die rechten Aufmärsche in Kandel gesehen und keiner davon sei rechtlich haltbar gewesen. Zudem merkte sie an, dass, wenn man Sonnenbrillen oder Schals schon als Vermummungsgegenstände ansehen würde, sie sich selbst regelmäßig strafbar machen würde, da sie Beides häufig mit sich führen würde.

Andreas Mayer sagte nach dem Urteil, dass er „darin ein klares Signal gegen die von Polizei und Kreisverwaltung immer wieder versuchte Kriminalisierung des Protests gegen die rechtsextremen Aufmärsche in Kandel und Umgebung sähe. Mit dem Urteil wurde seiner Meinung nach klargestellt, dass die zuständigen Behörden willkürlich und rechtlich unzulässig gehandelt hätten“.

(*) Name von der Redaktion geändert

(Bericht: Christian Ratz mit Material einer Pressemitteilung)




„Mittendrin und Bunt“-Festival wurde zum Besuchermagnet (mit Bildergalerie)

Am Pfingstwochenende fand in Kandel ein Musikfestival statt, welches alle Erwartungen übertraf. Ziel und Zweck des Veranstalters „Kandel gegen Rechts“ war es ein inklusives und interkulturelles Angebot zu unterbreiten. Dieses Angebot ging auf: am Samstag mit ca. 2.500 BesucherInnen und am Sonntag mit etwa 4.000 TeilnehmerInnen.

 

Rechtsextreme „wegbassen“

Verkürzt könnte man dies so darstellen; dies würde aber nicht gänzlich dem Sachverhalt entsprechen. Laut und deutlich wurden die fast zweidutzend  auftretenden Musiker und Künstler auf der Outdoor-Bühne vor und in der Bienwaldhalle. Diverse Kooperationspartner trugen dazu bei, dass die Veranstaltung zu einem für Kandler Verhältnisse Mega-Event wurde. Das Versprechen „Mittendrin und Bunt“ wurde von allen Akteuren umfänglich erfüllt. Ob Groß oder Klein, alle TeilnehmerInnen konnten aus dem breitgefächerten Angebot nach Belieben mitnehmen was individuell in der Priorität ganz oben stand.

Was hat Ostritz mit Kandel zu tun?

Auf den ersten Blick scheinbar gar nichts. Beide Orte trennen rund 700 Straßen Kilometer voneinder. Inhaltlich verfügen beide Orte über deutliche Schnittmengen, was Aufzüge aus dem extrem rechten Spektrum angeht. Die Menschen in Ostritz kämpfen gegen Neo-Nazi-Konzerte unter dem Label „Schild und Schwert“; in Kandel formierte sich eine Mehrheit gegen die Aufzüge des faschistoiden Vereins (e.V.) „Frauenbündnis Kandel“. Aus diesem Aufeinandertreffen könnte sich eine engere Zusammenarbeit entwickeln.

Syrischer Künstler stellt Arbeiten aus

Emad Al Sarem, kam Ende 2015, mit seiner Gattin, beide als Geflüchtete, nach Deutschland. Der studierte Innenarchitekt und schaffende Künstler sagt (sinngemäß): „Wir sind angekommen. Mit meinen künstlerischen Arbeiten versuche ich meine Geschichte, die Geschichte Syriens und die durch Krieg und Vertreibung eingeprägten Erfahrungen zu verarbeiten.“ Emad gibt nach eigenen Angaben Kunstkurse für Kinder und Senioren in der Südpfalz.

Rechtsextreme Beobachter?

Augenzeugen berichten davon, dass ein Ex-Mitglied des „Widerstand Kandel“ mit Thor-Steinar Shirt bekleidet von den vor Ort eingesetzten Security-Mitarbeitern einen Platzverweis erhielt. Des Weiteren scheint es nach Beobachtungen weiterer aufmerksamer Personen so zu sein, dass zumindest zwei bekannte Neo-Nazis, im Umfeld des Festivals gesichtet wurden.

Die Dicken Kinder füllen und rocken die Halle

Man kann die Landauer Combo „Die Dicken Kinder“ als Kultband bezeichnen. Am Pfingstsonntag trug die Band maßgeblich dazu bei, dass das zweitägige Festival einen grandiosen Abschluss finden wird.

  

 

 

Bildergalerie:

 

(Bericht und Fotos: Christian Ratz)




Kandel feiert an Pfingsten „Mittendrin & Bunt“

Am 08. und 09. Juni wird in Kandel das interkulturelle und inklusive Begegnungsfest Mittendrin & Bunt gefeiert.  BesucherInnen können sich auf ein hochkarätiges und abwechslungsreiches Musikprogramm freuen. Dies wird ergänzt durch ein internationales gastronomisches Angebot, ein Kinder- und Familienprogramm sowie umfangreiche Informations-und Austauschmöglichkeiten. Der Eintritt ist kostenlos.

 

Die Veranstalter von Kandel gegen Rechts sagen

 „Wir freuen uns sehr auf das Fest und hoffen auf viele BesucherInnen, die mit uns feiern.“  Gemeinsam möchten die OrganisatorInnen ein klares Zeichen in Kandel setzen für eine offene Gesellschaft, Vielfalt, Inklusion und ein friedliches Miteinander. Im Vordergrund steht an dem Wochenende aber der Spaß. Spaß an Musik und am Tanzen, am Essen und Trinken, an Begegnungen und Austausch.

Attraktive und beliebte Musiker werden am Start sein

Damit dies gelingt wurde ein abwechslungsreiches Musikprogramm zusammengestellt, das für alle Geschmäcker etwas bereithält. Während tagsüber eher ruhige Töne angeschlagen werden und interkulturelle Gruppen für Stimmung sorgen bringen am Abend Bands wie „Die dicken Kinder“ „Gino in the Bottle“ oder „Strom & Wasser“ die Halle zum Beben. „Besonders freuen wir aus auch auf die CBF Allstars, die integrative Band vom „Club Behinderter und Freunde Südpfalz e. V.“ so die OrganisatorInnen.

 

Infostände runden das Programm ab

Lokale und regionale Initiativen präsentieren sich auch auf der Infomeile. Dort können sich die BesucherInnen zu verschiedenen Themen informieren und austauschen. Mit dabei unter anderem Attac Kandel, WIR sind Kandel, Partnerschaft für Demokratie Wörth am Rhein, QueerNet Rheinland-Pfalz,  Aufstehen gegen Rassismus Südpfalz e. V.  oder Viva con Agua Landau. Bei kleinen Workshops kann man sich aktiv beteiligen. Zudem stellt der syrische Künstler Emad al Sarem seine bewegenden Bilder aus, in denen er seine Fluchterfahrungen verarbeiten.

(Pressemeldung und Fotos: Kandel gegen Rechts)

 

 

 

 

 

 

 




Inside AfD – Eine Aussteigerin berichtet (mit Fotogalerie)

(Kandel/Südpfalz) Verschiedene Bündnisse in der Kleinstadt luden am 03.05. zu einem Vortrag mit der ehemaligen Vorsitzenden der JA (Junge Alternative) in Sachsen Franziska Schreiber ein. Die rund 160 Gäste wurden nicht enttäuscht. Authentisch und empathisch schilderte die Referentin ihren Werdegang in die Partei und ihre Beweggründe, um aus der rechtsextremen Partei 2017 auszutreten.

 

AfD: Bürgerbewegung/Graswurzelbewegung auf rechten Abwegen

Franziska Schreiber (geb. 1990 in Dresden) stammt aus einem linken Elternhaus. Gefallen an der AfD fand sie ursprünglich 2013/14, weil die neue Partei sich als Bürgerbewegung präsentierte. Dort wurde sie als Politneuling herzlich aufgenommen und machte rasch Karriere in der Partei. Bis zur Vorsitzenden der JA in Sachsen mit einem Sitz im Bundesvorstand der AfD brachte sie es. Bis zu ihrem plötzlichen Austritt vor der Bundestagswahl 2017 aus der rechtsextremen Partei.

Höcke dominiert die Partei – Gauland und Weidel kuschen

Die rechtsextreme „Flügelbewegung“ innerhalb der Partei bestimmt, spätestens seit dem Ausscheiden von Frauke Petry, das Geschehen. Laut Schreiber gab es schon unter der Parteiführung von Bernd Lucke rechtsradikale Kräfte in der Partei. Anfänglich glaubten gemäßigte Funktionäre noch, dass sich dies „auswachsen“ würde; man die ungewollten Rechtsradikalen wieder loswerden würde. Naiv war diese Einschätzung: 40% der Parteimitglieder sind dem rechtsextremen Flügel zuzuordnen. Die anderen 60% teilen sich parteiintern auf mindestens zwei weitere Lager auf. Sämtliche Gruppierungen innerhalb der AfD scheinen dauerhaft untereinander im Streit zu stehen, wobei der rechte „Flügel“ unter Höcke zu dominieren scheint. Aus diesem Grund, so Schreiber, begehrt kein führender Funktionär gegen Höcke auf, da ansonsten die eigene Position in der Partei akut gefährdet wäre.

Zunehmende Radikalisierung – die Macht sozialer Netzwerke

Von Anfang an schien in der AfD als Maxime zu gelten, das was in der Öffentlichkeit nicht als politisch korrekt gilt, machen die Parteimitglieder zu ihrem Credo. Extrem, extremer, rechtsextrem bisweilen zunehmend. Ein parteiinterner Kampf auf allen Ebenen, ob Orts-, Kreis-, Landesverband oder auf Bundesebene ist somit entstanden, was deren Glaubwürdigkeit angeht: „Wer kann das Unsagbare, noch unsagbarer, radikaler“ vortragen.

Den klassischen Straßenwahlkampf hat die AfD beerdigt. In sozialen Netzwerken im Internet hat die Partei ihre Zukunft entdeckt. Sogenannte „Guerilla“-Taktiken mit Unterstützung Dritter kämen zunehmends zum Einsatz. Franziska Schreiber informierte in ihrem Vortrag auch über diese Strategien. An diesen könnten sich andere Parteien ein Beispiel nehmen.

Fragen und Antworten in Kandel

In einer Podiumsdiskussion, die durch weitere Fragen aus den Rängen der Gäste gestellt wurden, von zwei Moderatoren geleitet und welche sämtlich beantwortet wurden rundete sich der Vortragsabend ab.

Beispiele (Anmerkung der Redaktion: Audiotranspriktion):

Als man dich als Denunziantin beschimpft hat, nach der Veröffentlichung deines Buches, gab es Drohungen? Wie geht man damit um?

Franziska Schreiber (F.S.) „Ich habe das in zwei Wellen erlebt. Einmal nach meinem Austritt und einmal nach der Veröffentlichung meines Buchs. Das ging von Beleidigungen und übelsten Verwünschungen, man wünsche mir Krebs und die Vergewaltigung durch Flüchtlinge, auch soweit, dass man sich durch meine Freundesliste bei Facebook nach meiner Wohnadresse fragte. Todesdrohungen wurden mir über meist anonyme Profile geschickt, aber auch über Profile mit Klarnamen – das war grotesk.
Ich habe schnell für mich beschlossen, mich da nicht hinein zu vertiefen. Es bringt nichts, da ist Dialog nicht möglich, man kommt da nicht ran. Das zieht einen nur runter. Mir war klar, dass ich viel Wut aus eigenen Reihen hervorrufe, ich habe beschlossen das so gut es geht auszublenden. Damit fahre ich bis heute ganz gut.

Mich interessiert im Fall Herrn Maaßen, der ist doch bestimmt nach wie vor in einem großen Netzwerk mit normalen deutschen Politikern noch verbunden. Was ist da bekannt? Ich glaube nicht, dass der so einfach in der Politik nicht mehr existiert.

F.S.: „Mir ist nur bekannt, dass er sich bisher dagegen entschieden hat einer Partei beizutreten, es ist auch aus seiner Sicht klug, das nicht zu tun. Er wird jetzt natürlich regelmäßig als Kronzeuge herangezogen werden, seine Aussagen haben als ehemaliger Verfassungsschutzpräsident natürlich ein gewisses Gewicht und er wird immer wieder seine Meinung zu diesen Sachen sagen. Die werden auf bürgerliche Wählerschichten ausstrahlen, das ist die gefährliche Rolle, die ich ihm zumesse. Wie weit er sich politisch aus seinem Background herausbegeben wird, also vielleicht wieder ein Amt anstreben wird, das kann ich überhaupt nicht abschätzen.

In manchen rechten Internetforen stellt man sich den „Tag X“ so vor, dass sich Bundeswehr und Polizei mit Rechten solidarisieren und die so genannten Volksverräter gemeinsam aus den Parlamenten jagen, gibt es diese Gedanken auch in der AfD ?

F.S.: Die AfD hat nicht umsonst sehr schnell damit begonnen ein gutes Verhältnis zur Polizei aufzubauen. Z.B. dass man vor und nach Demonstrationen ganz demonstrativ bei der Polizei bedankt, dass man gezielt auf diese gute Beziehung hinsteuert. Wir müssen uns aber vor Augen halten, dass die allermeisten Polizisten und Bundeswehrsoldaten damit nichts zu tun haben, es ist wichtig, dass wir uns das immer wieder vor Augen führen und uns nicht in Fatalismus reinreiten lassen. Dann verlieren wir das Vertrauen in die Institutionen und behandeln ihre Repräsentanten entsprechend, dann könnte sich das Ganze in eine selbsterfüllende Prophezeiung verwandeln und da würde ich sehr vorsichtig sein. Aber nach dem was ich weiß und höre kann man sagen, das ist eine Minderheit, wir haben auf gar keinen Fall eine Polizei oder Bundeswehr die kurz davor ist geschlossen die AfD bei der Vorbereitung eines „Tag X“ zu unterstützen.

Nach meiner Wahrnehmung war das Verhältnis Höcke / Poggenburg in der Vergangenheit recht eng. Warum hat Höcke nicht versucht Poggenburg zu halten als dieser ausscherte, bzw seine Machtposition eingesetzt, um einen Gesinnungsgenossen noch weiter neben sich zu haben?

F.S.: Der Eindruck hat von Anfang an getäuscht. Höcke hat Poggenburg gehasst, und zwar schon deshalb, weil es für ihn eine Qual gewesen ist sich durch dessen intellektuelle Unterbelichtheit mit ihm unterhalten zu müssen. Höcke wollte immer an seiner Seite einen „Kronprinzen“ haben mit dem er sich auf Augenhöhe unterhalten kann. Das hat auch dazu geführt, dass er mit Götz Kubitschek so ein inniges Vertrauensverhältnis hat, weil ihm das einfach in der AfD gefehlt hat. Mittlerweile bildet sich dieses Verhältnis über Andreas Kalbitz.

Wie sieht es aus mit den Verflechtungen von Rechten Parteien in Europa, von denen man das ein oder andere hört? Man hört von Spenden, oder nicht ganz nachzuvollziehenden Zahlungen, bei denen man irgendwelche „Eminenzen“ im Hintergrund vermutet. Gibt es da Informationen darüber, wie sowas läuft?

F.S.: Wir haben ja den Überbringer der Spenden ermittelt aber wir wissen noch immer nicht wer der Geldgeber im Hintergrund ist. Das Narrativ, dass die AfD z.B. aus Osteuropa gesponsort wird ist nichtzutreffend, es gab Zahlungen aus Russland, das bestreite ich nicht, aber es deutet einiges dagegen, dass das die Haupteinnahmequelle ist.

Zurzeit spielt ja in der öffentlichen Diskussion der Klimawandel eine immer größere Rolle. Es gibt z.B. die Aussage eines Rheinland pfälzischen AfD Politikers, der gesagt hat „Die Kinder und Jugendlichen die Freitags demonstrieren, das ist das letzte Aufgebot der Grünen“ aber Tatsache ist, in dem Bereich hat die AfD überhaupt nichts zu bieten. Wird dieses Thema innerhalb der AfD diskutiert? Wird das als Gefahr gesehen, wie geht die AfD damit um?

F.S.: Im Wesentlichen können wir mit Stand heute sagen, dass die AfD sich dafür entschieden hat ihren Mitgliedern das zu verkaufen was der Weg des geringsten Widerstands ist. Diese Entlastung von der persönlichen Verantwortung irgendetwas ändern zu müssen ist natürlich bequem. Und vor allem auch deswegen sehr günstig für die AfD, weil man sich mit der lästigen Frage was man denn politisch dagegen tut, nicht beschäftigen muss. Das ganze Problem wird verleumdet. Das machen sie in der Regel so, dass sie sich auf die Hand voll Wissenschaftler beruft, die den Klimawandel anzweifeln. 

 

(Bericht und Fotos: Christian Ratz)

Fotogalerie:

 




Proteste von Bündnispartnern stellen Neo-Nazi-Partei ins Abseits – Faschisten des III. Wegs waren in Speyer nicht willkommen (mit Fotogalerie)

Am 05.01.19 zeigten rund 500 Menschen in Speyer/Rhein, dass die rechtsextreme Partei in der Domstadt überhaupt nicht willkommen war. Die uniformiert und martialisch auftretenden Anhänger der vom Verfassungsschutz beobachteten, 2013 in Heidelberg gegründeten und mit Parteisitz im pfälzischen Weidenthal ansässigen Neo-Nazi-Partei hielten eine Kundgebung zu den Themen „UN-Migrationspakt und Multi-Kulti-Gesellschaft“ ab. Bei der Anreise zum Gegenprotest wurden Menschen von Parteigängern des III. Wegs in einer Regionalbahn körperlich angegriffen. Verschiedenen Meldungen zufolge ermittelt die Bundespolizei gegen Personen aus dieser Partei. Ein großes Polizeiaufgebot, auch mit BFE-Beamten, war in Speyer im Einsatz.

Speyer zeigte wie es gehen muss: „Neo-Nazis Nein Danke“

Das Bündnis „Demokratie und Zivilcourage“ mit Unterstützung von Gewerkschaften, Parteien, diverser antifaschistischer Gruppen und von Aufstehen gegen Rassismus aus dem gesamten Rhein-Neckar-Raum und dem Kulturzentrum „Eckpunkt“ mobilisierten mehr Menschen, als zunächst erwartet wurden. Statt 150 kamen rund 500 Menschen, um gegen den Aufzug der Rechtsextremen zu demonstrieren. Deutliche Worte fanden die RednerInnen in ihren Bewertungen. Die Speyerer Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler (SPD) zitieren wir (sinngemäß); „Speyer bekennt Farbe – wir stehen für Toleranz und Menschlichkeit. Zu Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und Diskriminierung sagen wir laut: Nein! Danke an alle Teilnehmer – wir sind das wahre Gesicht unserer Stadt Auch wenn Integration nicht immer problemlos gelingt, handeln wir, damit sie gelingt. Wir leben Vielfalt – heute ist ein guter Tag für die Demokratie und für Speyer. Es ist Speyer und seinen BürgerInnen unwürdig, dass heute Faschisten in Speyer (auf dem Berliner Platz) stehen.“

Der III. Weg, verfassungs- und demokratiefeindlich, stand isoliert im Käfig

Die handgezählten 54 TeilnehmerInnen der völkisch-nationalen Kundgebung blieben, von wenigen Zaungästen abgesehen, vollkommen unter sich. Hass- und Hetzreden gehalten wurden von den Parteifunktionären Mario Matthes (Pfalz), Julian Bender und Tony Gentsch (Mitte). Ein Redner bemühte sich vergeblich in seiner Rede die Fassade einer „demokratisch gewählten“ Partei aufrecht zu erhalten, indem er die Bewerbungen bei den Kommunal- und Europawahlen in diesem Jahr ansprach. Inhaltlich waren die gehaltenen Reden stellenweise mehr als grenzwertig. Bei manchen Passagen in den Redebeiträgen wäre zu vermuten gewesen, dass die Speyerer Ordnungsbehörde oder die (BFE)-Polizeibeamten, zahlreich vertreten, einschreiten würden, was nicht der Fall war. Jede Rede der Rechtsextremen wurde unter Trommel-Begleitung mit völkisch-nationalen Sprüchen quittiert, die wir hier nicht wiedergeben, jedoch die unmittelbar vor Ort anwesenden PressevertreterInnen an düstere und abscheuliche NSDAP-Zeiten erinnern lassen musste.

 

Gewaltbereite Neo-Nazis des III. Weg attackieren Gegendemonstranten

Bereits am Tag des Demogeschehens machten sich Nachrichten in sozialen Netzwerken breit, die besagten, dass Anreisende (UnterstützerInnen des Gegenprotests) in einer Regionalbahn am Bahnhof Schifferstadt (Rheinpfalz-Kreis) von etwa 40 Parteigängern des III. Wegs angegriffen worden sein sollten.

Wir haben nachrecherchiert und erhielten bis dato folgende Informationen von Menschen, die sich in der regionalen Zugverbindung zwischen Mannheim und Speyer befanden, als es zu einem Zwischenfall in Schifferstadt kam. Laut einer Pressemitteilung der Polizei wird vermutlich gegen Personen aus dem Spektrum des III. Wegs ermittelt.

  • Peter R. (Name der Redaktion bekannt), sagt uns, dass er ab Mannheim den Zug nach Speyer benutzt hatte, um den Protest in Speyer gegen den Aufzug der Rechtsextremen zu unterstützen. Er hatte beobachtet, dass eine größere Gruppe junger Menschen, seiner Einschätzung nach, aus dem antifaschistischen Spektrum, sich mit ihm im Zug befanden. Er habe in einer Distanz von 30-50 Metern von dieser Gruppe entfernt im gesessen. Beim Haltestopp der Regionalbahn in Schifferstadt haben seinen Beobachtungen zufolge Leute des III. Weg den Zug betreten und hätten anschließend Mitreisende körperlich attackiert. Polizei wäre gekommen, um zu klären.
  • Elisabeth L. (Name der Redaktion bekannt) befand sich ebenfalls in dieser Zugverbindung zwischen Mannheim und Speyer. Besonders erschreckend fand sie es, dass der Regionalzug einen längeren, ungeplanten Halt eingelegt hatte und eine Frau mit zwei kleinen Kindern, nach der Eskalation am Bahnhof den Zug nicht verlassen durfte. Sämtliche Türen dieser Regionalbahn sollen wohl über längere Zeiten verschlossen geblieben sein. Die uniformierten Vertreter des III. Wegs, die den Zug betreten haben, hätten unvermittelt bestimmte Personen im Zug körperlich angegriffen. Polizeikräfte im Routinedienst sind E’s Aussage zufolge spontan am Bahnhof aktiv geworden, total unvorbereitet (darauf, dass Leute vom III. Weg in Schifferstadt zusteigen könnten).

 

KIM wird nachberichten, insofern weitere Informationen eingehen werden.

(Bericht: c.r. / Fotos: d.k. und c.r.)

Alle Bilder des Tages: