LTK lehnt Doppelhaushalt 2025/2026 ab

Der Haushalts-Marathon ist geschafft! Die LTK-Fraktion nach der Abstimmung über die Haushaltssatzung (v.l.n.r: Dr. Jessica Martin (Klimaliste), Andreas Parmentier (Tierschutzpartei), Nalan Erol und Dennis Ulas (Die Linke).  Das letzte Wort des OB vor der Abstimmung macht deutlich, dass das Gerangel im Detail weitergeht mit Werkzeugen wir „Ausgabensperre“ und „Verschiebung“: „Nach den Haushaltsberatungen ist vor der Haushaltspriorisierung.“  Red. (Bild: LTK)

Statement der LTK-Fraktion

Wir als Fraktion LTK (Die Linke – Tierschutzpartei – Klimaliste) freuen uns, dass wieder einige von uns gestellte Haushaltsanträge eine Mehrheit im Gemeinderat gefunden haben und diese Projekte bzw. Organisationen weiterhin im gleichen oder höheren Maße gefördert werden können:

  • Fortführung Straßensozialarbeit StreetCred
  • Unterstützung Monnem Pride
  • Verhinderung Zuschusskürzung Beratungsstelle Amalie
  • Fortbestand Queeres Zentrum Mannheim (QZM) absichern
  • Zuschuss Honorarkraft für das Mahnmal NS-Zwangssterilisation
  • Zuschuss Bahnhofsmission verstetigen
  • Beibehaltung Zuschusserhöhung Fraueninformationszentrum (FIZ)
  • Beibehaltung Sachkostenzuschuss Integrationsmanagement AWO und Caritas
  • Ausweitung Jugendcafé im JUZ
  • Sachkostenzuschuss Integrationsprojekt 2. Chance
  • Beibehaltung Koordinierungsstelle Mädchenarbeit
  • Erhöhung Betriebskostenförderung Das andere SchulZimmer
  • Erhalt Mannheimer Erziehungsberatungsstellen
  • Verhinderung Zuschusskürzung für Schulaufklärungsarbeit von Pro Familia
  • Beibehaltung Zuschusserhöhung Frauen- und Mädchennotruf
  • Unterstützung für die Neckarstadt-Kids
  • Einmaliger Zuschuss Radknoten Feudenheimer Schleuse (aus laufenden Mitteln)
  • Beibehaltung Förderung Mannheimer Schul- und Lehrgarten
  • Verhinderung Zuschusskürzung Umweltforum

Wir begrüßen ausdrücklich die Beschlüsse für Automaten für Menstruationsprodukte an Schulen auf Antrag des Jugendbeirats, was auch unsere Vorgängerfraktion LI.PAR.Tie. gefordert hatte, und Zuschuss für die Tafeln des DRK.

Einsparungen bei Tierschutz, sozialen und ökologischen Projekten  

Soziale, gesundheitspolitische, jugendpolitische und ökologische Themen sowie Tierschutz und Antidiskriminierung kommen jedoch immer noch zu viel kurz. So haben folgende unserer Anträge keine Mehrheit bekommen:

  • Erhöhung der Bettensteuer auf 5,0 Prozent, um die im Haushalt veranschlagten Einnahmen auch wirklich zu erreichen und Mehreinnahmen zu generieren
  • Zuschusserhöhung für QuiSt
  • Förderung Arabisches Haus
  • Weitere (erhöhte) Förderung des Antidiskriminierungsbüros (ADB)
  • Beibehaltung des Zuschusses Zentrum für globales Lernen des Eine-Welt-Forums
  • Förderung vom ALTER (POW e.V.) am Alten Messplatz
  • Verhinderung Zuschusskürzung für Mannheim gegen Rechts
  • Weitere Förderung Stadttaubenmanagement zur Umsetzung des vom Gemeinderat beschlossenen Konzeptes
  • Streichen der entgeltfreien Überlassung des Flughafengeländes, um mehr Transparenz für die kommunale Subventionierung des defizitären Flughafens zu schaffen
  • Zuschusserhöhung Seniorenberatungsstellen Caritas und ASB
  • Weiterförderung Caritas-Projekt gegen Wohnungslosigkeit
  • Beibehaltung Zuschusserhöhung für Sozialpsychiatrische Tagesstätten
  • Fortführung „Refresh & Recover“ (Stärkung Jugendverbandsarbeit) des Stadtjugendrings
  • Fortführung psychologische Beratung von PLUS für Geflüchtete und Erwachsene
  • Fortführung s.a.m. health von KOSIMA für HIV- und STI-Heimtestungen
  • Förderung Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung
  • Fortbestand Gesundheitscafé Schönau sichern
  • Förderung Caritas Präventionsprojekt Snowwhite

Unser Antrag zur moderaten Erhöhung der Bettensteuer von 3,5 Prozent auf 5,0 Prozent ab 2026 wurde von niemandem unterstützt, obwohl jetzt schon abzusehen ist, dass die jährlich veranschlagten 4,0 Mio Euro Einnahmen mit dem Steuersatz 3,5 Prozent nicht erreicht werden dürften und 5,0 Prozent in anderen Städten üblich sind.

Auch der Antrag zur Streichung der entgeltfreien Überlassung des Flughafengeländes an die Rhein-Neckar-Flugplatz Gmbh wurde erneut abgeschmettert, wenn auch mit einem wohlwollenden Wortbeitrag der Grünen, die übrigens uneinheitlich, also nicht geschlossen für unseren Antrag gestimmt haben. Alle anderen haben sich empört gezeigt, dass wir den Flughafen überhaupt thematisieren und die Subventionierung mit Steuergeldern skandalisieren. 2025 soll übrigens die Start- und Landebahn für 3,5 Mio € saniert werden, was natürlich auch durch die Stadt bzw. städtische Gesellschaften ausgeglichen wird.

Besonders enttäuscht sind wir, dass bei einigen unserer sozialen und Tierschutz-Anträge noch nicht einmal SPD und Grüne zugestimmt haben, z.B. für Förderung für die MMM Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung (Ablehnung SPD) oder Fortführung Stadttaubenmanagement (Ablehnung SPD, Enthaltung/Ablehnung Grüne).

Das Gesundheitscafé Schönau im mit Arztpraxen unterversorgten Stadtteil soll kostenneutral weitergeführt werden – was auch immer das ab November 2025 bedeuten wird. Viele der o.g. Projekte werden aber ihre Arbeit drastisch reduzieren oder gar einstellen müssen. Obwohl Mannheim sich auf dem Weg zur „Fast Track City“ macht mit dem Ziel, bis 2030 die HIV-Neuinfektion drastisch zu reduzieren durch Ausweitung von Prävention und Testangeboten, konnten Gemeinderat und Verwaltung nicht von der Fortführung des erfolgreichen Projekts s.a.m. health (angesiedelt bei KOSI.MA) überzeugt werden.

Das sehr engagierte und vielfältige soziokulturelle Projekt ALTER im südlichen Teil des Alten Messplatzes wird nicht weiter gefördert, weil das Konzept für CDU, AfD, FDP und ML als „nicht überzeugend“ angesehen wird. Das bedeutet einen weiteren Rückschlag für den gesamten Alten Messplatz und die Menschen in der Neckarstadt. Der mittlere Platzteil musste wegen des geplanten Baus des Forums Deutsche Sprache geräumt werden, der sich nun allerdings auf unbestimmte Zeit verschiebt. Der Bereich rund um die Brachfläche könnte sich durch ein reduziertes Angebot von ALTER und geringere soziale Kontrolle noch problematischer entwickeln als ohnehin schon.

Exklusive Kulturprojekte und Zwangsarbeit statt soziale und ökologische Angebote

Was uns verärgert hat, ist die Bezuschussung zweier Kultureinrichtungen der eher gehobenen Klientel – Ella & Louis und Mannheimer Philharmoniker – mit jeweils 100.000 Euro, während im sozialen Bereich Anträge von wenigen zehntausend Euro abgelehnt werden und die Lastenradförderung auf fast gleichlautende Anträge von AfD und FDP/MfM gestrichen wird. Damit wurde schon mal ein erster Baustein zur Verkehrswende vom neuen Gemeinderat mit konservativer bis rechtsextremer Mehrheit abgeräumt. Denn Lastenräder sind ja ohnehin das Feindbild schlechthin für überzeugte Autofahrer:innen, die den Platz im öffentlichen Raum lieber für ihren eigenen SUV beanspruchen (möglichst kostenlos, versteht sich).

Entsetzt sind wir über den Beschluss des ML-Antrag zur Einführung verpflichtender gemeinnütziger Arbeit für Geflüchtete: Dies bezieht sich auf § 5 AsylbLG, das in Aufnahmeeinrichtungen sog. Arbeitsgelegenheiten vorsieht. Gemäß dieses Gesetzes bzw. Antrags sollen Geflüchtete dann für 80 Cent/Stunde zur Arbeit verpflichtet werden. Das ganze Projekt kostet die Stadt bis zu 150.000 € pro Jahr. Aus unserer Sicht ist das viel zu viel Geld für die Einführung von Zwangsarbeit zu einem lächerlichen „Lohn“! Übrigens haben auch hier einige Grüne zugestimmt.

Der Bodenfonds, der auf Antrag der FDP gestrichen werden sollte, konnte überraschenderweise dank CDU gerettet werden. Natürlich sind die vorgesehen 2 Mio Euro pro Jahr ein Witz. Um effektiv Grundstücke aufzukaufen und eine positive steuernde Wirkung auf den Wohnungsmarkt und zu entfalten, müssten viel höhere Beträge aufgewendet werden. Schließlich erhält die Stadt durch den Erwerb von Grundstücken einen Gegenwert.

Drastisch höhere Kita-Gebühren

Wir kritisieren, dass es nach über fünf Jahren seit dem ersten Gemeinderatsbeschluss immer noch kein Konzept für eine Dynamisierung der Zuschüsse an freie Träger v.a. im sozialen Bereich gibt. Durch die dort fehlenden Gelder werden Leistungen immer weiter reduziert.

Nun wurde uns wieder zum wiederholten Male von der Verwaltung versprochen, dem Gemeinderat bald ein Konzept vorzulegen. Ob wir dem noch glauben dürfen, ist fraglich, da dieses Versprechen schon unter einem SPD-Oberbürgermeister nie erfüllt wurde. Wieso sollte unter CDU-Specht mehr zu erwarten sein?

Weiterhin hat uns schockiert, dass die Kita-Gebühren auf einen Schlag um fast 11 Prozent erhöht werden und somit Eltern zur Rettung des Mannheimer Haushalts herangezogen werden sollen. Kitas sind Bildungseinrichtungen und müssen perspektivisch gebührenfrei sein. Die Stadt Mannheim geht hier mit der Gebührenerhöhung in die völlig falsche Richtung, da sie viele Familien belastet. Leider sind wir als LTK-Fraktion die einzige, die das ablehnt. Wir erwarten hier in Zukunft ein anderes Konzept und eine Übernahme der Kitagebühren durch das Land, wie es auch in anderen Bundesländern der Fall ist.

Statt der drastischen Mehrbelastung für Familien mit Kindern wird von CDU, AfD, FDP und ML die Erhöhung der Parkgebühren auf ein im Vergleich zu vielen anderen Städten immer noch geradezu lächerliches Maß skandalisiert. Autos sind für einen großen Teil des Gemeinderats offensichtlich wichtiger als Kinder, deren Eltern immer stärker durch Kita-Gebühren belastet werden.

Auch der Verteuerung des Sozialtickets, indem die Preissteigerung des Deutschlandtickets 1:1 an die Nutzer:innen weitergegeben wird, ist ärgerlich und eine zusätzliche Belastung für ohnehin einkommensschwache Menschen.

Die derzeitige Situation des Haushalts ist entgegen der Behauptungen von CDU, FDP und ML nicht auf die „grün-rot-rote“ Mehrheit zwischen 2019 und 2024 zurückzuführen. Die Ursachen sind andere und liegen deutlich länger zurück. Das Uniklinikum ist mittlerweile weit mehr als ein städtisches Krankenhaus. Es ist ein regionaler Maximalversorger auf Augenhöhe mit anderen Uniklinika – nur mit dem Unterschied, dass es in rein kommunaler Trägerschaft geführt wird. Aufgrund der mangelhaften Finanzierung der Krankenhäuser und des Gesundheitswesens (u.a. Fallpauschalen/DRGs) durch Land und Bund muss die Stadt das gigantische Defizit ausgleichen. Auch von anderen Großprojekten wie Nationaltheater und Verkehrsinfrastruktur (Transitverkehre v.a. über den Rhein) profitiert die gesamte Region, aber Mannheim zahlt fast alleine dafür.

Die Liste ähnlicher Themen lässt sich noch fortsetzen. Diese Großprojekte und Altlasten kann Mannheim nicht auf Dauer alleine oder aus dem laufenden Haushalt stemmen: Zum einen wegen einer unzureichenden Kommunalfinanzierung und zum anderen wegen des Neuverschuldungsverbots, das wichtige Investitionen verhindert („Schwarze Null“). Die Gewerbesteuer, die wirtschaftlichen Schwankungen unterliegt, und die Grundsteuer sind die wichtigsten Einnahmequellen, die aber bei Weitem nicht ausreichen und teilweise sozial ungerecht sind.

Finanznot der Stadt hat vor allem politische Ursachen

Über Jahrzehnte hinweg ist zu wenig in die Instandhaltung und den Neubau der Infrastruktur investiert worden. Diese v.a. von CDU, SPD und FDP und in Baden-Württemberg auch vom grünen Ministerpräsident verteidigte Sparpolitik fällt der Stadt, aber auch dem gesamten Staat, nun auf die Füße. Die nicht ausreichende Finanzierung des Eigenbetriebs Stadtraumservice ist hierfür leider ein trauriges Paradebeispiel. Unzählige Projekte des Radwegeausbaus, der Straßensanierung und des klimagerechten Umbaus des öffentlichen Raums (u.a. Entsiegelung) sind aufgrund eines viel zu geringen Betriebskostenzuschuss aus dem Maßnahmenkatalog des Wirtschaftsplans herausgestrichen worden. Auch Maßnahmen mit umfassender Bürgerbeteiligung fallen darunter.

Oberbürgermeister Specht versucht hingegen mit dem Neubau des Grünbetriebshofs auf Spinelli, den er als Vorwurf an die alte grün-rot-rote Gemeinderatsmehrheit richtet, von den tatsächlichen Missständen abzulenken. Das Hoffen auf bessere Zeiten und das Aufschieben oder Unterlassen von Investitionen in die Infrastruktur machen es aber nicht besser. Im Gegenteil: Jede jetzt nicht getätigte Investition wird in Zukunft noch teurer werden und der Sanierungsstau lässt sich so niemals abarbeiten. Mit der „Priorisierung“ und „Sparsamkeit“ spart sich Mannheim kaputt. Es ist also unehrlich, wenn die meisten anderen Parteien jetzt die „Haushaltsdisziplin“ loben, damit die Stadt künftig wieder größere finanzielle Spielräume hat. Denn genau das wurde auch schon vor über 15 Jahren propagiert mit dem Ergebnis, das wir jetzt haben.

Unsere Gesellschaft befindet sich in einer gewaltigen Transformation. Klimaschutz und der Weg zur Klimaneutralität Mannheims bis 2030 dürfen keine freiwillige Aufgabe sein, sondern müssen ernst genommen und die Maßnahmen sozial ausgestaltet werden. Mit der aktuellen Haushaltsplanung werden der Mannheimer Gemeinderat und der Oberbürgermeister das Ziel der Klimaneutralität 2030 aber nicht erreichen. Aus dem laufenden Haushalt sind diese Aufgaben nicht zu leisten. Wir erwarten für die kommenden Jahre ein Umdenken: Um Mannheim zukunftsfähig zu gestalten, brauchen wir schnell mehr Investitionen in Klimaschutz, Infrastruktur, Wohnen, Bildung, Gesundheit und Soziales. Aus dem laufenden Haushalt und mit dem Neuverschuldungsverbot lässt sich das so nicht umsetzen. Wir freuen uns aber, dass zumindest die SPD eine Abkehr vom Neuverschuldungsverbot erkennen lässt.

Keine Zustimmung zum Haushaltsplan 2025/2026

Ablehnung gab es von den Fraktionen LTK und AfD, jedoch aus diametral entgegengesetzten Anliegen. (Bild: Stadt Mannheim Video – screenschot)

Die Fraktion LTK bedankt sich bei den Beschäftigten der Verwaltung und der Eigenbetriebe für ihre intensive Arbeit und die Erstellung dieses Haushaltsentwurfs. Gute und wichtige Projekte werden fortgeführt und umgesetzt. Durch den Gemeinderat wurden auch positive Anträge im sozialen und ökologischen Bereich beschlossen. Aufgrund der zu wenigen vorgesehen und notwendigen Zukunftsinvestitionen sowie aufgrund der im Rahmen der Haushaltsberatungen gefassten – aus unserer Sicht negativen – Beschlüsse können wir erstmals einen Haushaltsplan nicht mittragen. Wir wollen dies als Zeichen der Dringlichkeit verstanden sehen und hoffen auf eine zukunftsfähige Ausrichtung der Haushaltspolitik und kommunalen Gestaltungsspielräume in den kommenden zwei Jahren, natürlich auch mit entsprechenden Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene. Wir haben daher den Doppelhaushalt 2025/2026 leider abgelehnt.




Gewinnexplosion bei der MVV Energie AG

Fahnen wehen vor dem MVV-Hochhaus – nicht auf Halbmast, sondern sehr hoch oben. Das Logo ist inzwischen erneut verändert: Die roten Kringel sind neuerdings ergrünt. (Bild: Wikipedia gemeinfrei)

Der Dreivierteljahresbericht der MVV Energie AG für den Zeitraum 1.10.22 bis 30.6.23 weist einen erheblichen Gewinnzuwachs aus. Betrug das Ergebnis vor Steuern (EBT) im Vorjahreszeitraum 108.605 TEUR, beträgt es für die ersten 9 Monates des Geschäftsjahres 2022/23   1.016.105 TEUR, eine gute Milliarde. Das ist eine Zunahme um 936%. Das „unverwässerte Ergebnis je Aktie“ beträgt 15,73 gegenüber -1,99 EUR im Vorjahreszeitraum. Das Ganze bei rückläufigen Absatzmengen: Strom -27%, Wärme -21%, Gas -15% und Wasser -4%. Dagegen wurden trotzdem mit Strom +29%, Wärme +15%, Gas +65% Umsätze erzielt ohne Energiesteuern. Lediglich die Wassererlöse blieben gleich.

Das „Markt-Umfeld“ beschreibt MVV wie folgt: Die Großhandelspreise für Rohöl sanken gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 14%, bei Erdgas stiegen sie um 17%, Kohle um 2%, CO2-Zertifikaten um 13% und Strom um 19%. Wenn die Einkaufspreise der MVV sich also in diesen Bereichen entwickelten, liegen die Verkaufspreise deutlich höher, wie man aus den obigen Verhältnissen zwischen sinkenden Absatzmengen und deutlich steigenden Umsätzen schließen kann. In einer zweifellos energiekritischen Zeit verdient MVV also gewaltig dazu – Krisengewinnlerin. Zwar musste MVV teuren Strom zukaufen für Neukund*innen (aus dem Bereich pleite gegangener Billig-Anbieter und Dreckschleuder-Vermarkter) und wegen „Verfügbarkeitslücken“ von Kontrakt-Lieferanten, aber andererseits hat MVV aus dem Direktverkauf von erneuerbaren Energien besonders gute Renditen erwirtschaftet.

Es gibt viel zu diskutieren in der Kommunalpolitik

Das wird und muss beim Jahresabschluss erhebliche Diskussionen geben über die Gewinnverwendung einerseits und andererseits über die Preisgestaltung der MVV-Produkte für die Bevölkerung ebenso wie für das Gewerbe, also beim Thema Gewinnerzielung.

Die Kapitaleigner – und der größte ist mit 50,1% Aktienanteilen die Stadt Mannheim – werden sich fragen, ob sie sich mit einer Dividende von weiterhin „nur“ 1,05 EUR/Aktie begnügen wollen, oder ob sie vom Reibach „etwas“ mehr abschöpfen wollen. Die Stadt Mannheim verfolgte bisher die Strategie, die Dividende möglichst konstant zu halten, auch in weniger profitablen Jahren. Schließlich finanziert sie mit diesen bisher sicheren Einnahmen das ÖPNV-Defizit (ca. 35 Mio EUR/Jahr). Allerdings steigt das Defizit auch nicht zuletzt aufgrund riesiger ÖPNV-Investitionen an. Die andere Seite der Medaille ist der erhebliche Investitionsbedarf eines Energieunternehmens, das sich die Dekarbonisierung bis 2030 auf die Fahnen geschrieben hat und das bis 2040 klima-neutral oder sogar -positiv arbeiten will.

Eine Dividendenerhöhung würde bei den Mitgesellschaftern sicherlich nicht auf Widerstand stoßen (darunter große Fonds). Anders sieht es aus mit den Energietarifen: Da werden die Mitgesellschafter wenig „Empathie“ für die Bedürfnisse der Bevölkerung in Mannheim und an den anderen MVV-Standorten haben. Vor Jahren hatte der grüne Stadtrat und MVV-Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Raufelder für erheblichen Aufruhr bei den Aktionären gesorgt mit seiner Überlegung, ob MVV nicht die Preise senken sollte. „Geschäftsschädigung“ und Angriff auf das Aktienrecht war der Tenor bis hin zur Androhung von Zivilklagen. Die Frage aber, wer die Investitionen für die Klimaneutralität zu zahlen haben wird und ob das unbedingt die MVV-Kund*innen sein müssen, steht mächtig im Raum.

Ende Juni 2023 ist übrigens die „Übergewinn-Abschöpfungssteuer“ ausgelaufen und soll lt. Bundesregierung nicht verlängert werden, wie der Vorstandsvorsitzende Dr. Georg Müller in seinem Bericht erleichtert feststellt.

Das wird insgesamt eine komplizierte Auseinandersetzung. Sie birgt viel Zündstoff in sich, z.B. auch für die Kommunalwahl im kommenden Jahr. Dabei sind perverserweise die hier aufgeworfenen Fragestellungen überhaupt nicht im unmittelbaren Entscheidungsfeld des Gemeinderates, aber sie müssen politisch gelöst werden. Gerade mal drei Aufsichtsratsmitglieder stellt der Gemeinderat plus den AR-Vorsitzenden in Gestalt des Oberbürgermeisters. Die Mannheimer „Stadtwerke“ sind eben eine börsennotierte Aktiengesellschaft… Die Dividende fließt auch keineswegs in den städtischen Haushalt ein, sondern sie wird in der städtischen „MKB GmbH“ verarbeitet (Mannheimer Kommunalbeteiligungen GmbH), zu der auch der Mannheimer RNV-Anteil gehört. Immerhin hat die SPD bereits ihren Diskussionsbedarf in einer Presseerklärung vom 14.8.23 angemeldet: „Mannheimer SPD fordert Diskussion über Höhe und Verwendung des Gewinns der MVV Energie AG“. Trotz der ambitionierten Ziele der MVV „stellt sich die Frage, ob aufgrund der enormen Gewinnexplosion in diesem Geschäftsjahr nicht auch die Preise für Gas, Strom und Fernwärme für die Verbraucher gesenkt werden sollten. Schließlich zählt das Unternehmen ja auch nicht zu den preisgünstigsten Anbietern. Gerade für ein Unternehmen in mehrheitlich städtischem Besitz sollte hier nachjustiert werden. Dies ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.“

Ein verlässlicher kommunaler Wärmeplan muss schnell entwickelt werden

Wir haben schon bei der OB-Wahl festgestellt, dass ganz offensichtlich das „Heizungsgesetz“ in seinem Werdungsprozess die Wahl nicht unerheblich mitbeeinflusst hat, siehe „Rückschau auf die OB-Wahl (https://kommunalinfo-mannheim.de/2023/08/03/rueckschau-auf-die-ob-wahl-und-ausblick-auf-die-gemeinderatswahl-2024/).

Die weitere Entwicklung der MVV und die Weiterentwicklung der Belastung der Bevölkerung mit viel zu hohen Energiepreisen hängt in hohem Maße von bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen ab, die noch sehr in der Schwebe sind. Was wir in Mannheim brauchen ist auf jeden Fall der entschiedene Ausbau der Fernwärme auch in weniger dicht besiedelte Stadtquartieren. Außerdem – darauf weist Georg Müller in seinem Bericht zu Recht hin, steht das Gasnetz vor der Alternative: Entweder wird es tauglich gemacht für „grüne Gase“, die dann auch ausreichend zur Verfügung stehen müssen, oder es wird abgeschaltet. Das fossile Erdgas hat auch in den Haushalten keine Zukunft mehr – für viele Hauseigentümer und damit auch für deren Mieter eine Schreckensperspektive. Es ist verdienstvoll, dass die MVV Energie AG soeben auch die Studie veröffentlicht hat: „Zukunft der Gasnetze. Empfehlungen für eine koordinierte Wärmewende.“

Darin wird auch auf das das Thema „Sozialer Ausgleich“ (S.68ff) eingegangen, der finanzielle Entlastungen für die Bürger*innen beinhalten müsse. Vollkommen zu Recht heißt es in diesem Kapitel abschließend: „Sobald ordnungsrechtliche Eingriffe bei Kunden und Unternehmen angekündigt werden, müssen zeitgleich auch die Regelungen für Förderungen und für soziale Härtefälle vorliegen.“ Die Verantwortung sieht das Unternehmen beim Gesetzgeber und der öffentlichen Hand, also auch bei der Kommune. Die braucht dafür aber mehr Geld – siehe oben.

Fazit: Der kommunale Wärmeplan muss her samt seiner bundespolitischen Koordinaten. Damit muss sich die Entwicklung der MVV verschränken, und das alles Sozialverträglich!

Einblick in das wirkliche Leben: Gartenstadt-Vertreterversammlung

Am 29. Juni fand die Vertreterversammlung 2023 der Gartenstadt-Genossenschaft Mannheim e.G. statt. Laut Bericht in der Zeitung für Mitglieder Juli | August 2023 meldete sich ein Delegierter. Er erklärte, “dass derzeit wohl eine gewisse Verunsicherung bei einzelnen Mitgliedern [der Genossenschaft] hinsichtlich des aktuell zur Debatte stehenden ‘Heizungsgesetzes’ der Ampel-Koalition bestehen würde.” Er fragte den Vorstand nach diesbezüglichen Erkenntnissen.

In dem Bericht heißt es weiter: “Vorstand Maesch erläuterte daraufhin, dass es Absicht und Ziel der Gartenstadt-Genossenschaft sei, den Anschluss möglichst vieler Objekte an die Fernwärme zu erreichen. In einigen Stadtteilen wären die dafür notwendigen Fernwärmeleitungen bereits vorhanden, so z.B. in der Gartenstadt und auf dem Almenhof. Auch im Stadtteil Rheinau wäre der Anschluss teilweise theoretisch möglich. Allerdings seien Kontaktaufnahme und Gespräche diesbezüglich mit der MVV extrem schwierig. Grundsätzlich wolle die MVV natürlich nur dann Fernwärmeanschlüsse legen, wenn sich dies auch wirtschaftlich rechnen würde. In diese Ansicht sei durch die aktuelle Diskussion anscheinend etwas Bewegung geraten, so dass die MVV nun zumindest eine formelle Planung des Themas vornehmen wolle, bevor sie sich zu einzelnen Maßnahmen äußere. Man müsse also leider Stand heute sagen, dass man hier aktuell eher von Wünschen und Hoffnungen, denn von konkreten Zusagen sprechen könne. Die MVV habe die Zielsetzung, möglichst schnell die Klimaneutralität zu erreichen. Hierfür sei die kommunale Planung entscheidend.” Der Vorstand weist dann noch darauf hin, dass der Betrieb von Gasheizungen jetzt wohl auch noch längerfristig möglich sei.

Von der Gasnetzstudie der MVV über die kommunalen Rahmenbedingungen bis hinein in die Vertreterversammlung einer Mietergenossenschaft ist es ein langer Weg. Nicht zuletzt gute Kommunikation ist gefragt und Transparenz.

Thomas Trüper

 

 

 

 




Corona – Erste Positionsbildungen für die Zeit danach. Der Kämmerer spricht vom Sparen

Erster Bürgermeister und Finanzdezernent Specht, hier bei der Eröffnung des Impfzentrums. (Bild David Brunner, KIM)

Alle reden von den Startproblemen der Impfkampagne oder der Frage, wie lange man noch Schüler*innen aus den Schulen fern halten kann, ohne massive Lernbeeinträchtigungen und psychologische Schäden zu verursachen. Der Mannheimer Morgen denkt aber schon an die Zeit „danach“ – wenn es denn überhaupt so schnell eine Zeit danach gibt. Er interviewt in der Morgen-Web-Ausgabe vom 6.1.21 den Dezernenten für Öffentliche Sicherheit, für das Rettungswesen und Katastrophenschutz und für die städtischen Finanzen, wie es denn in diesem und den nächsten Jahren genau um diese Finanzen seiner Meinung nach bestellt sein werde. Der Interview-Titel lautet: „Mannheim muss wegen Corona bei geplanten Investitionen sparen“.

Zunächst gibt es eine Erinnerung an die wesentlichen Zahlen des Haushaltsgeschehens: Die coronabedingten Mehrausgaben plus die entfallenden oder reduzierten Einnahmen der Stadt als Haushaltsverschlechterung sowie im Gegenzug die Finanzhilfen des Bundes und Landes aus verschiedenen Rettungsschirmprogrammen belaufen sich für Mannheim auf vorläufig 126 Mio. Euro Nettoverschlechterung. Das tatsächliche Ergebnis 2020 steht aber noch keineswegs fest. Im Sommer legte die Verwaltung dem Gemeinderat einen Nachtragshaushalt vor, der diese Verschlechterung auffing durch Verschiebung diverser Investitionsausgaben in das Folgejahr oder noch weiter in die Zukunft, sowie durch einen Griff in die nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 wieder gut aufgebaute Rücklage. Damit konnten die geplanten Ausgaben für die laufenden Aufgaben wie geplant getätigt werden. Die Investitionsverschiebungen fallen zunächst praktisch gar nicht ins Gewicht, weil erfahrungsgemäß oft bis zur Hälfte der geplanten investiven Ausgaben mit dem vorhandenen Personal gar nicht abgearbeitet werden können, sondern das Geld liegen bleiben und dann den nächsten Haushalt verstärken.

Die vom Gemeinderat bis 2023 beschlossenen Investitionen betragen jährlich fast 200 Mio. Euro – absolute Rekord-Summen. Hierbei sind die ebenfalls dreistelligen Millionenbeträge der GBG für Investitionen, die Investitionen der RNV auf Mannheimer Gemarkung und die Investitionen z.B. des Klinikums gar nicht mitgerechnet, weil die in selbstständigen GmbHs aufschlagen. Wenn nun z.B. die Gewerbesteuereinnahmen über mehrere Jahre geschrumpft bleiben ohne vom Bund ausgeglichen zu werden wie in 2020, dann wird es in der Tat eng, erst recht, wenn z.B. die Einnahmen des ÖPNV weiterhin sinken und ausgeglichen werden müssen.

Was dann? Der MM-Journalist zieht den Dezernenten Specht erheblich an der Nase, ob er denn nicht Beispiele für Einsparpotenziale nennen könne. Specht ist aber erfahren genug, artig zu sagen: „Das würde ich jetzt nur ungern tun. Hier entscheidet der Gemeinderat.“ Am Ende des Interviews philosophiert dann Specht aber doch über Großprojekte. Das Kombibad Herzogenried und die Erweiterung des Rosengarten CongressCenters seien schon zu weit fortgeschritten. Auch die laufende Planung der Sanierung des Nationaltheaters vertrage keine Eingriffe. Aber man müsse schon mal darüber nachdenken, ob künftig überhaupt noch so viele Menschen ins Theater gehen wollen.

Die Richtung stimmt nicht!

Eigentlich müssen ja die Überlegungen in eine ganz andere Richtung gehen: Das Investitionsprogramm ist zwar gewaltig, es berücksichtigt aber nur viel zu geringe Beiträge der Kommune zur Meisterung der Klimawende. Allein die thermische Sanierung städtischer Liegenschaften geht viel zu langsam voran, die Mobilitätswende bräuchte noch mehr Investitionskapazitäten und –mittel als vorgesehen. Und was die Verstärkung eines großen Non-profit-Sektors in der Wohnungswirtschaft betrifft, damit das Wohnen einigermaßen bezahlbar bleibt oder wieder wird – dafür sieht der Stadthaushalt im Grunde gar nichts vor. Die Mängel im Schulwesen, die durch das Corona-Desaster noch deutlicher hervorstechen, verlangen nach viel mehr Mitteln für Schulbau und –modernisierung (z.B. für flächendeckenden Ganztagsunterricht und Digitalisierung).

Die Frage, die sich aus all diesen Feststellungen ergibt, ist nicht, ob das Nationaltheater vielleicht doch nicht richtig saniert oder verkleinert wird, sondern: ob das zukunftsfeindliche Netto-Neuverschuldungsverbot nicht endlich zu Grabe getragen wird. Das Schreckgespenst, mit einer höheren Verschuldung werde der Jugend von heute eine ungeheure Hypothek für die Zukunft aufgebürdet muss dahin gehend aufgeklärt werden, dass die größte Hypothek für die Jugend ein unzureichend ausgestattetes Bildungswesen ist. Ebenso Versäumnisse bei der Abwendung der Klimaerwärmung. Die Fridays-for-Future-Bewegung kämpft genau gegen solche Zukunftshypotheken.

Und dann stellt sich ja die gesamtgesellschaftliche Frage, wer am Ende die finanziellen Lasten zu trage habe, ob nicht doch endlich die selbst in der Krise noch anwachsenden Milliardenvermögen kräftig herangezogen werden. Corona heißt somit auch: Die Auseinandersetzung um diese grundlegenden Fragen muss deutlich verschärft werden. Auf der Straße und mit Wahlzetteln im „Superwahljahr“.

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE, Fraktionsvorsitzender LI.PAR.Tie.