Mahnwache: Klare Kante gegen die „Jahrestagung der Juden in der AfD“ gezeigt (mit Fotogalerie)

Die AfD Heidelberg war bemüht den Veranstaltungsort geheim zu halten. Man wollte am 22.09.19 ganz offensichtlich unter seinesgleichen tagen. Die Öffentlichkeit inklusive Medienvertreter explizit ausschließen. Da hatten die blau-radikalen Vertreter der AfD jedoch die Rechnung ohne die kritische Bevölkerung gemacht. Rund 250 Menschen folgten dem Aufruf des Bündnisses „Frauen gegen Rechts Rhein-Neckar“. Kritik im Vorfeld geäußert aus dem AfD-Lager, dass die Protestveranstaltung „anti-jüdisch“sei, war an den Haaren herbeigezogen.

Juden in der AfD – wie geht das?

In einer Partei, die Antisemiten in den eigenen Reihen duldet. Die nach mehrheitlicher Ansicht rassistisch, völkisch-nationalistisch und demokratiefeindlich in Erscheinung tritt und in gewählten Parlamenten mit ihrer Parteipropaganda Unfrieden stiftet. Laut Alexander Gauland ist dies möglich: „Wir sind eine junge, gährige Partei“ (Zitat Ende). In dieser Partei gab es eine Zeit lang die Arbeitsgruppe „Homosexuelle in der AfD“. Inzwischen nicht mehr. „Christen in der AfD“ gibt es weiterhin. Wen wundert dies? Dort versammelt sind zumeist ultra-orthodoxe, klerikale „Christenmenschen“ mit rechts-nationalem Gedankengut; nicht selten Anhänger des rechtsradikalen „Flügel“ der Partei, der von Björn Höcke dominiert wird.

Wie am 28.09.19 bekannt wurde hat das Verwaltungsgericht Meiningen (Thüringen) entschieden, dass man Björn Höcke, AfD-Landeschef in Thüringen und Spitzenkandidat für die Landtagswahlen im Oktober, als „Faschist“ bezeichnen darf.

Jüdische Organisationen, darunter auch der Zentralrat der Juden in Deutschland, haben sich schon vor geraumer Zeit von der AfD deutlich distanziert und öffentlich bekundet, dass diese Partei in keiner Weise die Interessen und Wertvorstellungen von Menschen jüdischen Glaubens vertritt.

Ganz Heidelberg hasst die AfD

Ganz so deutlich wurde es in den diversen Reden, die bei der Mahnwache unter dem Motto „für Vielfalt und gegen das Vergessen“, gehalten wurden nicht gesagt. Über 60 Organisationen im Rhein-Neckar-Raum mit etwa 250 Personen nahmen an der Mahnwache vor der Türschwelle, durch Hamburger-Gitter unter starker Präsenz der Polizei von den Besuchern der sogenannten Jahrestagung der innerparteilichen Interessensgruppe JAfD getrennt, des Schlosshotel Molkenkur teil. Sinngemäß und wenn man sich mit TeilnehmerInnen unterhielt, hätten doch gerne zahlreiche Personen ihre Ablehnung gegenüber dieser Partei genauso äußern wollen. Darauf wurde jedoch angesichts der Mahnwache verzichtet.

Ein Redner sagte (Zitat):

„ …wieder einmal erleben wir an diesem Tag einen Versuch der sogenannten „Alternative für Deutschland“ sich einen Platz in der gesellschaftlichen Normalität zu erschleichen. Als Deckmantel soll heute eine Tagung der JAfD herhalten, um dem Auftritt von Neonazisten wie Andreas Kalbitz und Alice Weidel ein freundliches Gesicht zu verpassen. …Laut einer Allensbach-Umfrage vom Sommer 2018 gaben 17% der AfD-Anhänger an, nicht neben Juden wohnen zu wollen; der Durchschnitt in der Bevölkerung ergibt einen Wert von 3%. Mehr als die Hälfte der befragten AfD-AnhängerInnen folgt demnach zudem dem rassistischen Klischee, Juden hätten „weltweit zu viel Einfluss“. …Auch auf der Facebook-Seite eines Herrn Niebel, Stadtrat in Heidelberg, wird sich mit Fleiß daran beteiligt, antisemitisch grundierte Verschwörungstheorien beispielsweise gegen George Soros weiter zu verbreiten, der „Europa durch „Umvolkung““ schwächen wolle, ein klassisches und altes antisemitisches Motiv. Auch bei der AfD Heidelberg ist man nicht übermäßig empfindlich, wenn auf ihrem Internetauftritt sogar unter der empört vorgetragenen Beschwerde über den Widerstand gegen sie als angeblich „judenfeindlich“ frei vom Leder gezogen wird gegen das (Zitat) „wurzellose jüdische Finanzkapital“ und „Angela Merkel als Teil der zionistischen Verschwörung“. …Die Inhalte der AfD sind keine „Meinungen“, die man aushalten muss, sie sind menschenverachtend von Grund auf. Wir werden uns immer gegen das einsetzen, was Kern und Grundlage der AfD und ihres Weltbilds ist, völlig unbeeindruckt davon, mit welchen Spielchen versucht wird, es zu verdecken: die Einteilung des Menschen in wertvoll und wertlos. Wir werden uns heute und auch in Zukunft allen entgegen stellen die gegen die Würde des Menschen vorgehen und allen, die sie darin, auf welche Art auch immer, unterstützen. Nie wieder!“ (Zitat Ende)

(Die vollständige Rede der AIHD liegt der Redaktion vor)

Musikalisch begleitet wurde die Mahnwache von Michael Csaszkóczy (Antifa-Aktivist), der Mannheimer Sängerin Gizem, sowie einer Samba-Trommlergruppe in lila-pink.

Offener Brief an das Management des Schlosshotel Molkenkur

Im Vorfeld der Mahnwache hatte das Bündnis „Frauen gegen Rechts Rhein-Neckar“ zu einem Pressegespräch eingeladen und einen offenen Brief an die Adresse der Hotelleitung veröffentlicht. Darin wird die Vermietung von Räumlichkeiten an die AfD begründet kritisiert. Es wurde dazu aufgefordert nicht an die AfD zu vermieten und die Veranstaltung nicht stattfinden zu lassen.

„Die AfD ist demokratisch gewählt und nicht verboten“, so sinngemäß Frau Scheuerle (Hotel-Chefin) gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung. Ob und inwiefern sich diese Meinung und Haltung langfristig auswirken wird, bleibt dahingestellt.

 

(Bericht: cr / Fotos: dk und cr)

Fotogalerie:




Setzt Kretschmann auf „biologische Lösung“?

Ein Viertel der 400 im „Ländle“ von Berufsverbot Betroffenen kam aus dem Rhein-Neckar-Raum. Abendakademie Mannheim zeigt Ausstellung „Vergesse­ne Geschichte“.

Die Berufsverbote-Wanderausstellung wird in Zusammenarbeit mit DGB Nordbaden und IG Metall Mannheim bis 7. Mai an der Abendakademie gezeigt. Rund 90 kamen am 20. März zur Eröffnungsveranstaltung, darunter der Mannhei­mer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch und zwei Vertreterinnen eines Forschungsteams an der Uni Heidelberg zum Radikalenerlass.

Nach der Eröffnung durch die Akademie-Abteilungsleiterin und DGB-Regionsgeschäftsführer Lars Treusch hielt Rechtsanwalt Klaus Dam­mann (Hamburg) das Hauptreferat. Er war 1987 am Überprüfungs­verfahren der Internationa­len Arbeitsorgani­sation (ILO) und 1995 am Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßbourg be­teiligt. Danach stellten die Berufsverbote eine unzulässige Diskriminierung in Beruf und Beschäftigung dar und verstie­ßen ge­gen die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit. Die Lehrerin Dorothea Vogt musste damals wieder­eingestellt und ihr eine Entschädigung von 223.000 DM gezahlt werden. In der Folgezeit hat das Bundesverfassungsge­richt die Ent­scheidung einfach ignoriert und keine weiteren Verfahren ange­nommen. Dammann hat dies 1999 in der Zeitschrift „Os­sietzky“ mit „taube, stumme Verfassungsrichter“ kommentiert.

Für die baden-württembergische „Initiativgruppe 40 Radikalenerlass“ berichtete in Mannheim Martin Hornung über die Betroffenen im Rhein-Neckar-Raum, anhand von 12 na­mentlichen Bei­spielen. Michael Csaszkoczy erläuterte die Aus­stellung, Bernd Köhler trug ein Lied vor, das er vor 40 Jahren einem Betroffenen gewidmet hatte. In der Region wurden in den 70er Jahren rund 100 Berufsverbote verhängt. Hin­zu kam 2004 die vier Jahre dauernde Nichteinstellung des anti­faschistischen Leh­rers Csaszkóczy.

Eine der ersten Entlassungen war 1973 die eines Religionslehrers am Weinheimer Gymnasium. Er hatte Zustände ange­prangert wie an einer 11. Klasse in Frankfurt: Schüler hatten sich auf Be­fehl des Lehrers ans Fenster stellen müs­sen, weil die Sonnenjalousie klemmte, er aber im Schatten sitzen wollte. In Heidelberg demonstrierten 850 Menschen gegen die Entlas­sung eines Gym­nasiallehrers, der gemaßregelte Schüler unterstützt hatte. 1976 organi­sierte ein Aktionskomi­tee ei­nen Sonderzug, mit dem aus Mannheim, Heidelberg und Umgebung 1.000 zur landes­weiten De­monstration in Stuttgart ge­fahren sind.

„Berufsverbote-Hochburg“ war die Pädagogische Hochschule (PH) Heidelberg. Bei den meisten der dort rund 50 abge­lehnten Lehrerinnen und Lehrer erfolgte dies mit der Begründung Kandidatur für linke Hochschulgrup­pen; aber auch Teilnahme an einer Demonstration gegen Fahr­preiserhöhungen oder wie bei Hornung die bloße Unter­schrift unter eine Protesterklärung gegen den „Schieß-Erlass“ (ba­den-württembergische Variante des Ministerpräsiden­tenerlasses von 1972, benannt nach dem da­maligen CDU-Innenminister Karl Schieß, unter den Nazis als „Haken­kreuz-Karle“ bekannt).

2012, anlässlich 40 Jahren Radikalenerlass, haben 269 Betroffene eine Erklärung veröf­fentlicht: „End­lich Aufarbeitung, Rehabilitierung, Beendigung der Bespitzelung und Entschä­digung.“ Knapp ein Zehntel war aus dem Rhein-Ne­ckar-Raum, drei von ihnen sind bereits verstor­ben. Bundesweit waren die Betroffenen überwiegend gezwun­gen, die Berufs- und Le­bensperspektive zu wechseln. Vielen wurde die Existenz vernichtet. Einige wanderten aus oder begingen Suizid.

Die Ausstellung wurde seit 2015 in fast 50 Städten gezeigt, 2017 in Heidelberg zum ers­ten Mal an einer PH. Studentin­nen führten dort im Rahmen eines Seminars Interviews mit Zeitzeugen durch (zu sehen auf YouTube https://www.youtube.com/channel/UCFPYMXG6-pLzcfAPSa-0blg ), Das Materi­al fand Eingang in Ex­amensarbeiten und wurde 2018 in einer PH-Schriftenreihe in 60 Seiten aufgearbeitet. Das Studieren­denparlament unter­stützte die Betroffenen und ihre Forderungen in einer Resolution an den Landtag.

In Bremen und Niedersachsen (130 Betroffene) konnten 2014 und 2016 Beschlüsse der Landespar­lamente für Rehabili­tierung erreicht werden. In Hamburg hat der Senat 2018 zumindest „Bedauern“ ausgesprochen und „Aufarb­eitung“ zu­gesagt. In Baden-Württemberg wird die Initiativgruppe seit sechs Jahren ausgebremst, hauptsächlich durch den Grünen-Minis­terpräsidenten Kretschmann (1975 als KBW-Mitglied zeitweilig selbst von Berufsver­bot betroffen). 2016 hat er vor der Landtagswahl einen „Runden Tisch“ von zwei Grü­nen- und einer SPD-Abgeordneten mit Betroffenen vor ei­nem Antrag im Landtag platzen lassen, obwohl er be­reits 2012 schriftlich „wissenschaftliche Aufarbeitung“ zugesagt hatte.

Am „Tag der Menschenrechte“ im Dezember hat die Initiativgruppe auf dem Stuttgarter Schlossplatz ihre drit­te Kund­gebung durchgeführt. Zwei Wochen zuvor hatte sie über eine Anfrage der SPD-Landtagsfrak­tion zufällig erfah­ren, dass seit August 2018 an der Uni Heidelberg ein dreijähriges Forschungsprojekt läuft: „Verfassungs­feinde im Land? Baden-Württem­berg, ’68 und der Radikalenerlass, 1968 bis 2018.“

Die Betroffenen waren darüber nicht informiert. Staatsministerin Schopper (Grüne) legte in einer Stellungnahme auch Wert auf die Feststellung: „Das Projekt wurde weder vom Ministerpräsidenten noch von der Lan­desregierung in Auftrag ge­geben.“ Man begrüße das Vorhaben jedoch, das Wissenschaftsminis­terium habe 248.000 Euro Fördermittel zur Verfü­gung ge­stellt.

Die Initiativgruppe hat sich selbst an das Forschungs-Team gewandt und erhielt die Mitteilung, auch Betroffene würden als Zeitzeugen gehört. Unabhängig davon bleibt die Gruppe bei der Ableh­nung des offensichtlichen Plans der Landesre­gierung, wenn überhaupt, erst nach der Land­tagswahl (Frühjahr 2021) und dem Monate später endenden Projekt mögli­cherweise über ihre Forderungen zu sprechen. Schon vor drei Jahren hat die Initiati­ve der Landesregierung 27 Fäl­le von Betroffenen mit Armutsrenten oder dras­tischen Ren­tenkürzungen übergeben. Die Meisten sind 70 Jahre und älter. Die Vermutung liegt nahe, dass die Landesregierung auf die „biologi­sche Lösung“ setzt.

Ein Beispiel ist Reinhard Gebhardt aus Mannheim. Er hat nach dem PH-Examen und Berufsverbot ab 1979 bei ARB-Kraftanlagen Heidelberg als Schweißer gearbeitet, bis die Firma nach 17 Jah­ren geschlossen wurde. Danach musste er sich zwei Jahrzehnte mit prekären Jobs, Arbeitslosigkeit und zuletzt Hartz IV durchschlagen. 2012 erhielt er den Ren­tenbescheid: 583 Euro brutto, etwa die Hälfte der „Standardrente“ (45 Versiche­rungsjahre bei Durch­schnittsverdienst). Bei einer Le­benserwartung von im Schnitt 78 Jahren entspricht dies einem Ren­tenverlust von über 150.000 Euro.

Bespitzelungen linker Oppositioneller wie Michael Csaszkóczy durch den sich „Verfassungsschutz“ nennenden Inlands­geheimdienst laufen bis heute weiter. Im Herbst 2018 wurde der Lehrer nach einer Anzeige der AfD in einem bizarren Prozess wegen angeblichem „Hausfriedensbruch“ in erster Instanz zu 1.600 Euro Geldstrafe verurteilt. Nachdem das Oberschulamt „disziplinarische Maßnahmen“ ankündigte, haben die Heidelberger Vorsitzenden von DGB, GEW, ver.­di und IG Metall öffentlich Csaszkóczys Freispruch gefordert und erklärt: „Wir fordern die Landesregierung vor­sorglich auf, keine erneuten Maßnahmen oder gar ein zweites Berufsverbot gegen den Lehrer zu erlassen.“

Im Zuge sich verschärfender staatlicher Repressionsmaßnahmen hat Innenminister Seehofer vor fünf Wochen auch eine Neuauflage des Radikalenerlasses ins Spiel ge­bracht. Wenn die Presse berichtete, dann überwiegend blauäugig oder be­wusst irrefüh­rend: In erster Linie sei dies gegen rechts, insbe­sondere die AfD gerichtet. Tatsächlich waren extrem Rech­te und Nazis von Berufsverbot nur in 0,4 Prozent der Fälle be­troffen. Wollte man sie aus dem Öffentlichen Dienst fern­halten, müssten nur das Strafrecht und der antifa­schistische Auftrag in Artikel 139 Grundgesetz angewendet werden.

Nachdem in den 70er Jahren noch Ausschlüsse vollzogen worden waren, haben sich die Gewerkschaftstage von GEW, ver.di und IG Metall seit 2012 in Beschlüssen den Forderun­gen nach Ent­schuldigung, Re­habilitierung und Entschädi­gung angeschlossen. Diese für die Betroffenen wichtige Unterstützung hat der IG Me­tall-Vorstand vor kurzem bekräf­tigt und in der Vorberei­tung des Gewerkschaftstages im Oktober im Umset­zungsvermerk zum Beschluss von 2015 er­klärt: „Das öffentlic­he Interesse an dem Thema Be­rufsverbote wird durch die große Reso­nanz der Aus­stellung unterstri­chen, die in vielen Gewerkschaftshäusern gezeigt wurde. Ba­den-Württemberg ist kon­krete Fort­schritte in der Aufarbei­tung schuldig geblieben. In Anbetracht der Aktuali­tät und der nur langsa­men Auf­arbeitung in Deutsch­land wer­den die DGB-Gewerkschaften ihr Engagement auf­recht er­halten.“

 

Von Martin Hor­nung




Heidelberg: Widerstand gegen die AfD wächst (mit Fotogalerie)

Die AfD lud mit „Parteiprominenz“ in den Bürgersaal Heidelberg/Kirchheim. Guido Reil und Jörg Meuthen sprachen am 09.11.18 zum Thema „Europa am Scheideweg“, ein Scheideweg der eher in den Köpfen der Rechtsextremen stattfindet als im realen Leben. Wieder einmal wurden interessierte Zuhörer*innen am Eingang ohne Begründung abgewiesen, so dass es zwischen Türstehern und einer kleinen Gruppe von fünf Personen zu einem kurzen Tumult kam, als man auf die Öffentlichkeit der Veranstaltung bestand und Einlass verlangte. Bereitschaft man wolle die Veranstaltung stören oder ähnliches tun zeigten sie zu keinem Zeitpunkt.

Der Vorwurf sie hätten die Veranstaltung gestört blieb im Raum, Es wurden Platzverweise erteilt und das Aufnehmen der Personalien zog sich noch bis 20 Uhr hin. So blieb man unter sich und der Abend machte den Eindruck einer geschlossenen Gesellschaft, mit ausschließlich geladenen Gästen. (Wie geladen die Gäste waren, dazu an späterer Stelle mehr) Nur wenig „Laufkundschaft“ fanden sich im Saal ein, der 150 Plätze bot, wie uns ein Türsteher angab. Es war uns möglich im Saal zu fotografieren, allerdings nicht als Pressevertreter erkenntlich, generell wurde Pressevertretern der Einlass verweigert. Der Umgang mit der Presse war also wie gewohnt, ein Team der RNZ Online Redaktion wurde trotz Drehgenehmigung an ihrer Arbeit gehindert. Eine Ausnahme machte man für einen Blogger aus dem Rhein-Neckar-Raum, wer den Zielen der AfD wohlgesonnen ist, dem hält man freundlich die Tür auf.

Vor dem Gebäude, das übliche. Hiesige Funktionäre stehen davor, rauchen oder unterhalten sich, begrüßen ankommende Gäste. Man kennt sich. JA-Mitglieder, fast alle von ihnen traten vor kurzem in Schwetzingen bei einem Vortrag der Grünen als massive Störer in Erscheinung. Einige von ihnen fotografieren und filmen mit ihren Handys die fast zehnfache Überzahl an AfD-Gegnern. Insgesamt scheint man aber auch erleichtert, eine andere Räumlichkeit als beispielsweise ein heruntergekommenes Schützenhaus aufbieten zu können.

(auf)Geladene Gäste

Das Bild von Friedlichkeit im Bürgersaal bekam an diesem Abend Kratzer. Während der Rede von Jörg Meuthen, Bundessprecher der AfD, stand einer der Besucher auf und rief ihm „Hören sie auf mit der Geschichtsklitterung!“ zu, ein weiterer Besucher schloss sich dem an. Augenblicklich wurde das mit einem kurzen aber lauten Tumult, Pfeifen und Buh-Rufen vom Publikum beantwortet. Man macht da keinen Unterschied zu den überall befürchteten Linksextremisten oder einem Bürger der nicht will, dass man die Geschichte so verdreht wie es der Gesinnung passt und dies auch laut sagt. Es zeigt in welche Schlangengrube man sich begibt, äußert man Kritik während einer AfD Veranstaltung. Nach dem Ordner die beiden aus dem Saal führten war man wieder unter sich und musste nicht weiter um Kritik fürchten. Das ist exemplarisch für die AfD, zeigt sich so wieder einmal, wie wenig man an Diskussion interessiert ist, die eigene Agenda hat Vorrang und das lässt sich nur gut verkaufen wenn man unter sich bleibt, Kritik und Zweifel werden nicht geduldet.

Heidelberger stellen sich gegen AfD Veranstaltung in Kirchheim

Auf der anderen Seite des Platzes ein ganz anderes Bild. Fast 2000 Menschen haben sich eingefunden und bieten ein beeindruckendes Bild. Viele haben Schilder mit Botschaften wie „Menschenrechte statt rechte Menschen“ dabei. Es ist auch das Datum das viele empört. Ein Auftreten der AfD an einem  9. November wird als Provokation empfunden, unter ihnen auch Hilde Domin Biografin Marion Tauschwitz.

Dazwischen ein Niemandsland von übertrieben weiten 30 Metern, abgegrenzt durch Metallgitter und abgesichert durch Polizist*innen in Kampfmontur. Das wäre nicht einmal nötig gewesen. Doch wenn Namen wie Michael Csaszkóczy in der Liste der Redner auftauchen ist man wohl in Alarmstimmung. Wie so oft, stellt sich das dann als übertrieben heraus. Denn dass man anders ist als von der AfD oft behauptet zeigte sich an diesem Abend.
Dass die Kundgebung von Beamt*innen der Polizei stellenweise gefilmt wurde, geschah zu polizeilichen Schulungszwecken mit Absprache des Versammlungsleiters.

Heidelberg gegen Rassismus, SPD, Kirchheim sagt Ja, Bunte Linke, GAL, Bündnis90/die Grünen, Die Linke und DGB stellen ein breites Bündnis dar, viele Teilnehmer*innen wurden mobilisiert, etwa 400 von ihnen besuchten zuvor das ökumenische Friedensgebet in der  Petruskirche. Die Redebeiträge behandeln das Gedenken an einem 9. November sehr vielfältig, Hermann Büchsel (Kirchheim sagt Ja) erinnerte an den Hitlerputsch vom 9. November vor 95 Jahren, Gerd Guntermann (GAL) zog den treffenden Vergleich zwischen Björn Höcke und Adolf Hitler. Marlen Pankonin erinnerte an die friedliche Revolution in der DDR vor 29 Jahren und mahnte an den Ruf nach Freiheit von damals „Wir sind das Volk“, nicht von AfD, Pegida und Co. kaputt zu machen.
Mit Hoffnung sieht Dorothea Kaufmann (Grüne) in die Zukunft und findet bewegende Worte: „Für den 9. November 2019 wünsche ich mir ein Europa, in dem jeder leben kann wie er möchte, geprägt von Respekt und Solidarität, und dass man an diesem Tag nicht gegen Rechtspopulisten demonstrieren muss.“

Vertreter von FDP und CDU nahmen nicht am Protest, aber an einer Gedenkveranstaltung in Rohrbach, teil.

Die Reden und musikalischen Beiträge, Michael Csaszkóczy spielte und sang jiddische Lieder, ernteten Applaus, der Bitte auf Trillerpfeifen, laute Parolen oder Peifkonzerte zu verzichten kam die friedliche Menge aus allen Bürgerschichten und jeden Alters nach. Stattdessen wurde zum Gedenken geschwiegen und Kerzen auf dem Platz vor der Absperrung entzündet.

(Text: dk / Bilder: dk, eb, cr)

 

Alle Bilder des Abends:




Skandalprozess in Heidelberg: Gewerkschaften solidarisieren sich mit Lehrer

Michael Csaszkóczy | Bild: dk

Nach dem viel kritisierten Urteil gegen den Antifaschisten und Realschullehrer Michael Csaszkóczy haben sich Heidelberger Gewerkschaften zu Wort gemeldet und dem Kollegen demonstrativ den Rücken gestärkt. „Öffentliche Versammlungen und Veranstaltungen in öffentlichen Räumen müssen aus Sicht der Gewerkschaften allen Bürgerinnen und Bürgern frei zugänglich sein und bleiben“, wird in dem Schreiben gefordert, dass Vorsitzende und Geschäftsführer von DGB, GEW, ver.di und IG Metall unterschrieben haben. „Obwohl (…) der Protest nachweislich friedlich war und der Lehrer sich widerstandslos von Polizisten wegtragen ließ, sah das Gericht darin einen Hausfriedensbruch“. Man könne die Begleitumstände und das Urteil selbst nur als „höchst befremdlich“ bezeichnen.

Nach einer Anzeige durch den AfD-Landtagsabgeordneten Rüdiger Klos wurde Michael Csaszkóczy im September vom Amtsgericht Heidelberg zu einer Geldstrafe von 1600 Euro wegen Hausfriedensbruch verurteilt. Gestritten wurde vor allem über die Frage, ob die reine Anwesenheit bei einer öffentlichen Veranstaltung ein Hausfriedensbruch sein könne. Die Richterin nannte den Lehrer einen Rädelsführer und bescheinigte ihm durch seine bloße Anwesenheit die Eigenschaft als Störer. Eine Entlastungszeugin lehnte die Richterin ab.

Später kam heraus, dass die Richterin Dr. Julia Glaser mit dem AfD-Bundespolitiker Albrecht Glaser verwandt ist und unter ungewöhnlichen Umständen an den Fall kam. Auch die Einmischung eines weiteren Familienmitglieds, ein Leserbrief der Mutter der Richterin, in dem juristisches Fachwissen und Fachwörter vorkamen, wurde in diesem Zusammenhang kritisiert.

Da auch ein Mitarbeiter des Kultusministeriums den Prozess beobachtete, richteten die Gewerkschaften klare Worte an die Landesbehörde: „Wir erwarten, dass Michael Csaszkóczy in der Berufung freigesprochen wird.“. Außerdem werde die Landesregierung vorsorglich aufgefordert, „keine erneuten disziplinarrechtlichen Maßnahmen oder ein zweites Berufsverbot gegen den Lehrer zu erlassen.“

(red)

Weiterlesen zum Thema im KIM

Kommentar zum Urteil gegen Michael Csaszkóczy
Richterin ist Schwiegertochter des AfD-Bundestagsabgeordneten Albrecht Glaser
Ein Gespräch mit Michael Csaszkóczy über seinen kommenden Prozess
Polizeieinsatz bei AfD-Veranstaltung in der Heidelberger Stadtbücherei




„Wer hat Angst vorm linken Mann?“ Kommentar zum Urteil gegen Michael Csaszkóczy

Was wir heute im Saal 6 des Amtsgerichts in Heidelberg erlebten war eine 6-stündige Zurschaustellung staatlicher Willkür. Ein Prozess, der wie eine Maßnahme abgehandelt wurde, unterstrichen und unterstützt durch den unbedingten Unwillen vom Programm, durch abweichende Zeugenaussagen z.B., abzuweichen.

Die phantasievolle Urteilsbegründung war ein Abwatschen für alles „linke“, und links ist ziemlich viel, so wissen wir seit heute. Eine Verurteilung von dem Wesentlichen, was ein Demokrat in diesen Zeiten fühlt und tut und auch für das, was der Demokrat in Zukunft tun wird.

Fokussiert auf die Person Michael Csaszkóczy, dem heute wahrhaft magische Eigenschaften zugesagt wurden. Er könne seine meist jungen Eiferer für seine links gesinnte Doktrin mehr oder weniger wortlos lenken um beispielsweise die politische Veranstaltung seiner ideologischen Gegner stören. Das zur Neutralität verpflichtete Gericht verwandte den Begriff „Rädelsführer“, belegte damit das nicht Vorhandensein seiner Neutralität. Ihm wurde Intelligenz und ein enormes rhetorisches Talent bescheinigt, dies macht ihn zum führenden Kopf der linken Bewegung in Heidelberg.

Was die einseitige Anhörung von Zeugen – keine weiteren Zeugen wurden zugelassen – andeutete, fand schließlich in einem Schuldspruch sein Ende.

Für eine Steinigung braucht man keine sechs Stunden. Auch muss man keine 14 (!!) kampfausgerüsteten Polizeibeamt*innen im und im direkten Umfeld von Saal 6 postieren um zu zeigen dass jede Gegenwehr (vor der man sich scheinbar sehr fürchtete, in Anbetracht dessen dass Herr C. seine magischen linken Kräfte hätte wirken lassen können) so zwecklos ist, wie die Gegenrede im Verhandlungssaal drinnen. Das Ergebnis ist ein absurd begründeter Schuldspruch wegen Hausfriedensbruch und eine Strafe von 20 Tagessätzen.

Der Fisch stinkt weiterhin vom Kopf her – Ein Urteil im Namen „des Volkes“ war das nicht.

(Text und Bild: dk)




Antifaschistisches Straßenfest „Zusammen kämpfen – zusammen feiern“ in Heidelberg – Seit 21 Jahren ein Publikumsmagnet (mit Bildergalerie)

Die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) veranstaltete am 30.04.18 zum 21. Mal das Straßenfest. Informationsstände, Reden und die Acts von Kotwort (Streetpunk) und Lena Stöhrfaktor und das Rattenkabinett (Hip Hop) unterhielten die etwa 500-600 BesucherInnen auf dem Universitätsplatz. Für Mitternacht war geplant die Internationale und Arbeiterlieder auf dem Marktplatz anzustimmen. Es war wohl den Straßenfesten in zurückliegenden Jahren im positiven Sinne geschuldet, dass die offizielle Polizeipräsenz extrem gering war.

 

Historische Hintergründe

Die Heidelberger Historikerin Silke Mankowski informierte darüber, dass es AntifaschistInnen in Heidelberg das erste Mal am 30. April 1997 gelang, das Maiansingen völkisch ausgerichteter Studentenverbindungen auf dem Marktplatz zu verhindern. Sie hatten auch stets das Deutschlandlied mit allen drei Strophen angestimmt. Die Proteste haben Historie: Bereits um 1900 wurde über erste Scharmützel gegen die „Eliten der Nation“ berichtet. Die Proteste manifestierten sich seit den 1960er Jahren weiter. Sie sind seitdem ein fester Bestandteil in der antifaschistischen Bewegung in der Unistadt am Neckar. Seitdem wurden die rechts-nationalen Burschenschaften nicht mehr auf dem Marktplatz gesichtet.
 
Redebeiträge zu aktuellen Themen

Redebeiträge wurden u.a. von der AIHD, der Interventionistischen Linke Rhein-Neckar und Aufstehen gegen Rassismus Rhein-Neckar gehalten.

Der Beitrag der AIHD (es gilt das gesprochene Wort):

„Liebe Genoss_innen, Liebe Freund_innen,
die AfD hat sich ziemlich schnell ziemlich fest in der politischen Landschaft Deutschlands etabliert. Der rasante Aufstieg war dabei keine Überraschung. Zum einen war es eine Angleichung an europäische Verhältnisse und zum anderen war es eine Angleichung der deutschen Parteienlandschaft an deutsche Zustände. Die AfD deckt sie mit ihrem Anteil an Wählerstimmen in etwa das ab, was schon seit der Jahrtausendwende von Studien an Vorkommen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland erhoben wurde.
Es ist daher nicht richtig von einem Rechtsruck in Deutschland zu sprechen. Viel mehr passierte in den letzten Jahren eine rechte Mobilmachung. Das macht die Situation aber weder angenehmer noch harmloser. Die Formierung des rechten Mobs fand auf der Straße statt mit Pegida und den Demos für alle; in der Kulturlandschaft mit Bands wie Freiwild und Partypatriotismus, fand folgerichtig ihren parlamentarischen Ausdruck und gleichzeitig ihr Zugpferd mit der AfD und passiert gerade in den Betrieben durch rechte Betriebsratslisten.
Es wäre jedoch weiterhin falsch die AfD einfach als eine rassistische Partei zu bezeichnen, die von rassistischen Menschen gewählt wird. Es ist kein Zufall, dass in gleich mehreren westlichen Ländern in den letzten Jahren rechte Parteien im Aufwind sind. Auch wenn es schon oft beschworen wurde: Die Krise ist noch nicht überwunden. Überall in Europa ist Lohndumping und Sozialabbau auf der Tagesordnung, gleichzeitig natürlich bei einem Anstieg der Spitzengehälter. Die soziale Spaltung wird mehr und mehr räumlich sichtbar. Gentrifizierungsprozesse führen dazu, dass Wohnen teilweise ein Luxusgut geworden ist und innerstädtisches Wohnen für die meisten Geldbeutel unbezahlbar ist. Einer gerade veröffentlichten Anfrage der Linkspartei zufolge verdienen 17% der Vollzeitbeschäftigten weniger als 2000€ Brutto monatlich. Das bedeutet eine viel zu lange Arbeitswoche und mehr als die Hälfte davon muss dennoch für monatliche Fixkosten gebuckelt werden. In vielen Jobs lastet lastet außerdem ein enormer Druck auf den Beschäftigten. Sei es durch Drohung mit sogenannter Kapitalflucht, sei es durch Unterbesetzung oder seien es einfach die beschissenen Arbeitsbedingungen. Im Angesicht des immer grobmaschiger werdenden sozialen Netz steigt die Angst den Scheißjob zu verlieren und die Bereitschaft sich trotz alledem noch weiter ausbeuten lassen. Die Folgen sind ein massiver Anstieg der Burnout Rate und anderer seelischer und körperlicher Erkrankungen. Solche Zustände sind auf Dauer unhaltbar – ihre Kumulation in den letzten Jahren ist ein Pulverfass – nun kommt die AfD ins Spiel.
Für rechte Demagogen sind die Sündenböcke schnell gefunden: Mittellose und Mächte im Hintergrund. So offensichtlich irrational diese Antworten sind so tödlich ist doch ihre Wirkung. Im letzten Jahr hat es 2219 Angriffe auf Geflüchtete und Geflüchtetenunterkünfte gegeben. Brauner Terror ist in Deutschland Alltag geworden. Aber die geistigen Brandstifter sitzen nicht nur in der AfD. Es ist offizielle Staatspolitik in Kauf zu nehmen, dass das Mittelmeer zum größten Massengrab Europas wird. Es ist die Politik der deutschen Regierung, die flüchtende Menschen von Diktaturen vor den Grenzen Europas einfangen und in Lager sperren lässt, damit nur ja diejenigen, die infolge der deutschen Kriegs- und Handelspolitik in unmenschlichen Verhältnissen leben müssen, auch in unmenschlichen Verhältnissen bleiben. Dass der Schutz von Menschen nicht das vordergründige Ziel des kapitalistischen Staates ist, lässt sich an den Folgen der Ereignisse beim G20 Gipfel in Hamburg sehen. Abgesehen davon, dass schon im Vorfeld von der Polizei versucht wurde jeglichen Protest auch gewaltsam zu unterbinden, wurde deutlich: Nicht brennende Unterkünfte bewegen den Staatsapparat zu einer der größten politische Repressionswellen der letzten Jahre, sondern brennende Autos. Das Eigentum gilt es zu schützen nicht den Menschen.
Entsprechend verläuft auch das Zusammenspiel von Regierungsparteien und AfD: Die AfD verschiebt mit ihren gezielten Provokationen und Tabubrüchen die Grenzen des Sagbaren und hetzt gegen alle, die in dieser Gesellschaft an den Rand gedrängt und marginalisiert werden: Mit Rassismus, mit Anti Feminismus, mit Sozialchauvinismus und mit Homophobie. Die anderen Parteien können wiederum AfD Politik praktizieren, stehen dabei aber immer als moderater als die AfD dar. Und so sind es die Grünen, die insbesondere von Baden-Württemberg aus eine besonders rigide gesamtdeutsche Abschiebepolitik ermöglichen, so ist es der Gesundheitsminister Spahn, dessen größtes Problem, es ist zu entscheiden, gegen wen er als nächstes hetzt, so ist es die CSU, die ein Heimatministerium errichtet und der SPD Arbeitsminister, der von Arbeitsdiensten für Langzeitarbeitsloe schwadroniert. Fairerweise muss man allerdings sagen, dass die SPD noch nie eine rechte Partei gebraucht hatte, um linker Politik in den Rücken zu fallen. Wenn Marx in seinem Kapital gefragt hatte: „Was könnte die kapitalistische Produktionsweise besser charakterisieren als die Notwendigkeit, ihr durch Zwangsgesetz von Staats wegen die einfachsten Reinlichkeits- und Gesundheitsvorrichtungen aufzuherrschen?“ Wäre ihm vielleicht heute zu antworten: Wenn sogar diese, im Sinne des Profits, von Regierungsseite aufgehoben werden. Vor diesem Hintergrund jedenfalls lässt sich durchaus von einem Rechtsruck sprechen. Nicht die rechten Einstellungen haben sich verändert und wahrscheinlich nicht mal groß die Zahl ihrer Träger. Aber neuerdings werden sie mit offenen Armen empfangen.
Spätestens seit Gramsci wissen wir, dass die kulturelle Landschaft immer ein Indikator für die Hegemonieverteilung innerhalb einer Gesellschaft ist. Und gemessen daran sieht es düster aus. Während bspw. Slime 1994 in ihrem Lied Schweineherbst noch laut raus brüllte „Deutschland ein Land kotzt sich aus einen alten braunen Brei“ und zwei Jahre zuvor Udo Lindenberg in seinem Lied Panik Panther ankündigte: „Wir hauen mit den Tatzen den Skins auf die Glatzen, das einzige was sie verstehen“ sucht man heutzutage diese deutlichen Worte fast vergeblich. Wenn man sich anschaut wie extatisch sich auf die Rede Campinos gestürzt wurde und gleich die gesamte Echopreisverleihung abgeschafft wurde, während gleichzeitig Xavier Naidoo mit viel antisemitischeren Äußerungen weiterhin fester Bestandteil im Kulturbetrieb ist oder es kaum eine Erwähnung wert ist, dass an Hitlers Geburtstag tausende Neonazis bei einem Festival unverblümte NS Propaganda betreiben können, während die AfD mit ihrer Hetze einen Tabubruch nach dem anderen bringen kann, bekommt man fast den Eindruck es sei für viele eine Erleichterung gewesen, endlich Antisemiten gefunden zu haben, die keine unangenehmen Fragen über eigene Handlungen und Einstellungen zu Tage bringen – es handelt sich schließlich nicht nur um Gangsterrapper sondern auch noch um muslimische, die gehören ja sowieso eigentlich nicht hier her. Und dann kritisiert das auch noch ein gläubiger Schwiegersohnpunker mit einer moralisierenden Predigt, hinter den man sich problemlos stellen kann, ohne einen unangenehmen linken Stallgeruch riechen zu müssen. Dass Kollegah und Farid Bang ziemlich scheiße sind und es gut ist, dass sich Campino positioniert hat, soll hier gar nicht bezweifelt werden. Aber es entsteht doch der Eindruck als wären wir hier Zeuge einer verzweifelten gesamtgesellschaftlichen Überreaktion gewesen, weil viele in der AfD nicht nur eine Gefahr sehen, sondern sich unbewusst ihrer eigenen Teilhabe am Aufbau der Barbarei wiederfinden und das Bedürfnis haben diese an geeigneter Stelle abzustrafen.
Und der Kreis der Unterstützer_innen ist groß und wird größer. Seien es Fernsehtalkshows, Radiosendungen, Lokalzeitungen oder auch die Politikfachschaft der PH Heidelberg bzw. der Jugendgemeinderat Heidelberg, die Pluralismus so verstanden haben, dass Menschenverachtung und Hetze als gleichberechtigte Diskussionspartner_innen angesehen werden sollen. Gleichzeitig finden Kader aller vorstellbaren Naziorganisationen ein gut dotiertes Pöstchen als Mitarbeiter im Bundestag, das Geld fließt natürlich in die Organisationen zurück und auf Demos wie in Kandel, wird schnell noch ein Fahnenverbot ausgesprochen, um die Eintracht von AfD und Nazuvereinen zu verschleiern. Jüngst haben rechte Intellektuelle von Broder bis Sarrazzin eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, mit der sie provisorisch zu jeder AfD-Demo aufrufen wollen. Für die AfD dagegen gehört es dazu, sich selber als Opfer oder Underdogs zu inszenieren. Während die AfD Refugees und politische Gegner ermorden und in Massengräber schmeißen will, ist das Geheule groß, sobald sie jemand als das bezeichnet, was sie sind. Ein solches Verhalten gehört dazu um das Bild aufrecht zu erhalten eine Protestpartei zu sein. Die Schweizerische Volkspartei schafft es immer noch, obwohl schon seit Jahren an der Regierung und außerdem Inhaberin des größten Medienkonzerns. Mit aller Gewalt versucht die AfD sich als Partei der sogenannten kleinen Leute darzustellen. Sie stellt sich gerne so da, als wäre sie eine Kehrtwende der Politik der letzten 30 Jahre. Aber wofür steht die die AfD? Sie will diese Politik nicht ändern, sondern verschärfen: Die AfD will die Vermögens- und Erbschaftssteuer abschaffen. Sie will eine Steuerbremse einführen und die Einkommenssteuer zugunsten der Besserverdienenden reformieren. Dafür will sie die Mehrwertsteuer auch für die Nahrungsmittel anheben und staatliche Unterstützung von ärmeren Menschen, Familien und Menschen in schwierigen Lebenslagen kürzen oder streichen. Die AfD will also Geschenke für Reiche auf Kosten aller anderen. Die AfD ist wirtschaftlich gesehen eine neoliberale Partei und steht für Ausbeutung. Alles nachzulesen im Programm der AfD. Wie kann man auch glauben, dass sich eine Beatrix von Storch, ein Jörg Meuthen oder eine Alice Weidel für die „kleinen Leute“ einsetzen würden? Für diese Leute misst sich der Wert eines Menschen an seinem Einkommen und nach diesen Maßstäben machen sie Politik. Dagegen war die Agenda 2010 harmlos. Von Sicherheitspolitik und dem aktuellen Zusammenbruch von Freiheits- und Grundrechten haben wir noch gar nicht gesprochen.
Jedenfalls hat aus diesen Gründen die oft falsch verstandene Parole aus den 30er Jahren damals wie heute ihre Gültigkeit: Hinter dem Faschismus steht das Kapital
weil genau das die Funktion ist, die rechte Parteien im Kapitalismus einnehmen: Herrschaftssicherung in Zeiten der Krise.
Was also können wir als radikale Linke tun: Zunächst einmal müssen wir klarstellen, dass die Freiheit und die Gleichheit der Menschen für uns kein Diskussionsgegenstand, sondern Voraussetzung jeder Diskussion ist und denjenigen, die das bestreiten mit konsequentem Widerstand antworten. Es gibt kein Recht auf faschistische Propaganda.
Mehr noch müssen wir allerdings die Versäumnisse der letzten Jahre aufarbeiten und nachholen: Die soziale Frage muss wieder von Links besetzt und bearbeitet werden. Das heißt, dass wir uns beteiligen müssen an den Arbeitskämpfen, an Stadtteil- und Wohnuungsinitiativen genauso wie in Auseinandersetzungen im Care-Sektor bzw. der Reproduktionsarbeit. Gleichzeitig müssen wir unsere Utopie einer solidarischen Gesellschaft wieder zugänglich machen. Jeder soziale Kampf ist nicht nur ein Kampf für eine bessere Welt, sondern ein wichtiger Schritt im Kampf gegen rechte Ideologie und Propaganda.
Kampf dem Faschismus!
Für eine solidarische Gesellschaft!“
 

 
 
And the winner is…

Das Polit-Quiz fand auch in diesem Jahr wieder großen Zuspruch. Knifflige, wie auch witzige Fragen animierten zum Mitmachen. Moderiert wurde die Bekanntgabe der Gewinner durch den Politaktivisten Michael Csaszkóczy.

 

 

 

 

 

(Bericht: Christian Ratz / Fotos: cki, John Brambach und Christian Ratz)
 
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