Schulstraßen – eine Chance für sichere Schulwege zu den Grundschulen [mit Video]

Zweitklässlerin Frida und Erstklässler Miro auf dem Weg zur Erich-Kästner-Schule | Bild: KIM

Montagmorgen, 7:45 Uhr vor einer Grundschule in der Neckarstadt. Auf den letzten Metern seines Schulwegs muss Erstklässler Miro über eine Autostraße. Es ist zwar keine Hauptverkehrsstraße, aber um kurz vor 8 Uhr ist im Berufsverkehr dennoch viel los: Menschen auf dem Weg zur Arbeit, Lieferverkehr, ein Schulbus, Eltern, die ihre Kinder kurz vor knapp mit dem Auto zur Schule bringen.

Über die Straße hilft eine Verkehrsinsel, eine sogenannte Querungshilfe. Einen Zebrastreifen gibt es nicht. Daher ist oft unklar, wann man loslaufen kann. Viele Autofahrer*innen sind freundlich und halten an, um die Schulkinder rüber zu lassen. Andere, die es sehr eilig haben, halten nicht. Vor allen weil die Sicht durch parkende Autos eingeschränkt ist, fällt den Kindern die Straßenüberquerung schwer.

Als Miro drüben ankommt, fährt ein Auto vor den Schuleingang. Direkt in der Feuerwehrzufahrt darf man eigentlich nicht parken, viele Eltern machen es trotzdem. Dann kommt noch ein zweites. Der Gehweg vor dem Schuleingang ist nun komplett zugeparkt.

Videobeitrag: Schulstraßen – eine Chance für sichere Schulwege zu den Grundschulen | Link zu Youtube: https://youtu.be/MuK9ZX-czeI

Die gefährlichen letzten Meter auf dem Weg zur Schule

So wie hier, an der Erich Kästner Schule in der Mannheimer Neckarstadt, ist es an vielen Schulen. Überall ist die Verkehrssituation anders, doch viele Eltern berichten von ähnlichen Problemen auf den letzten Metern des Schulwegs. Dort verdichtet sich der Verkehr, wenn um kurz vor acht Uhr hunderte Schüler*innen eintreffen.

Viele kommen zu Fuß, mit dem Roller oder mit dem Fahrrad. Viele werden aber auch von ihren Eltern mit dem Auto gefahren, obwohl fast alle in der Nähe wohnen. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Manche Eltern nehmen ihre Kinder auf dem eigenen Arbeitsweg mit, andere halten es für sicherer, ihre Liebsten mit dem Auto durch den Stadtverkehr zu befördern.

Thorsten Papendick, Vorsitzender des Gesamtelternbeirats (GEB) hat sich Anfang des Jahres mit Schulleitungen und Elternvertreter*innen zum Thema ausgetauscht. „Die Situation ist die, dass vor den Grundschulen ein immenser Verkehr ist“, berichtet Papendick und sieht dafür vor allem die Elterntaxis in der Verantwortung. „Besonders gefährlich wird es dann für die Kinder, die zu Fuß in die Schule gehen“.

IST-Zustand an der Rheinau Grundschule | Bild: Stadt Mannheim, aus der Präsentation im Bezirksbeirat Rheinau 2024

Strafzettel scheinen wenig Eindruck zu machen

Erstklässler Miro meint, dass es mit den Autos manchmal „irre“ wäre, sie würden einen „fast platt fahren“, wenn sie am Schuleingang einparken. Das bestätigt auch Frida, die in die zweite Klasse geht und mit Miro und anderen manchmal eine Laufgruppe bildet.

An manchen Tagen wäre die Polizei vor Ort und würde Strafzettel verteilen, doch die Autos parken am nächsten Tag trotzdem wieder vor dem Eingang, berichtet Miro.

Einmal sei sie fast umgefahren worden, berichtet Helene, Viertklässlerin an der Rheinau Grundschule. „Die Autos fahren einfach und parken auf den Gehwegen, so dass wir manchmal sogar zu spät kommen“, berichtet sie.

„Die Autos fahren richtig schnell“, erzählt Shania, die in den Quadraten auf die Maria Montessori Schule geht. Ihre Mutter beschreibt das Problem näher. Gerade wenn es keine Ampeln gibt und die Kinder zwischen den Autos stehen, können sie kaum nach links und rechts sehen, bevor sie über die Straße gehen.

„Die Auto werden immer größer“ bestätigt auch Regina Jutz. Die Stadträtin der Grünen engagiert sich in der Initiative Kidical Mass und organisiert Kinder-Fahrraddemos für bessere Radwege und sichere Schulwege zu den Grundschulen.

Shania, Viertklässlerin an der Maria Montessori Schule mit Mutter Isabell | Bild: KIM

Schulstraßen für mehr Sicherheit auf den letzten Metern

Hier bei der Kidical Mass werden Forderungen nach sogenannten Schulstraßen laut. Regina Jutz erklärt das Konzept: „Die Idee kommt aus Österreich. Die Schulstraße bedeutet eine temporäre Sperrung für den Autoverkehr vor den Schulen – eben auch für die Elterntaxis.“ Temporär bedeutet dabei eine Sperrung zu Beginn und zu Ende der Schulzeit für jeweils etwa eine Dreiviertelstunde. Das könne zum Beispiel baulich durch Poller erfolgen, so dass alle Kinder geschützt vor dem PKW-Verkehr die letzten Meter zum Schulgebäude kommen können.

Neben Österreich gibt es auch erste Schulstraßen in Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel in Köln und Düsseldorf. Dort hat das Verkehrsministerium eine landesweite Regelung herausgegeben, die für andere Bundesländer zum Vorbild werden könnte.

Einige Kommunen in anderen Bundesländern haben bereits Schulstraßen getestet, berichten aber von einer Rechtsunsicherheit.

Noch keine Schulstraßen in Mannheim – aber vielleicht schon bald?

In einer Vorlage an den Gemeinderat berichtet die Stadtverwaltung, dass das Verkehrsministerium Baden-Württemberg aktuell an einer Handlungsanweisung für Kommunen arbeite. „Die Stadt Mannheim wird die dargestellten Möglichkeiten dann an geeigneten Stellen umsetzen“ verspricht die Verwaltung.

Das Ministerium erklärt auf Anfrage allerdings, dass bereits jetzt Schulstraßen rechtlich möglich seien und beispielsweise in der Stadt Ulm erprobt würden. Eine Handlungsanweisung für Kommunen sei in Arbeit, ein Zeitplan wird jedoch nicht genannt.

So könnte eine Schulstraße an der Erich-Kästner-Schule aussehen: Die Grenadierstraße vor dem Eingang temporär als Fußgängerzone, der motorisierte Verkehr wird umgeleitet. | Bild: Google Earth, Grafik: KIM

Solange würden zur Verbesserung der Sicherheit der Grundschüler*innen andere Maßnahmen geprüft und umgesetzt, verspricht die Stadtverwaltung. Da gebe es Fahrbahnverengungen, Schaffung von Sichträumen und Geschwindigkeitskontrollen des motorisierten Verkehrs. Außerdem wurden von der Verwaltung Schulwegpläne zu allen Mannheimer Grundschulen erstellt.

Ein weiteres Projekt der Stadtverwaltung ist die Kampagne „Schulweg aktiv“, die im April an 25 Mannheimer Grundschulen stattgefunden hat. Die Idee: Kinder sollen ihren Alltag freiwillig aktiv gestalten und den Schulweg zu Fuß, mit dem Rad oder dem Roller zurücklegen. Zur Motivation wurden über den Kampagnenzeitraum Punkte gesammelt und die Schulen waren im Wettstreit miteinander. „Meine Klasse hat in den zwei Wochen 188 Punkte gesammelt“, berichtet Frida. Damit hat sie der Erich Kästner Schule als eine der drei aktivsten Schulen der Stadt zum Sieg verholfen und einen sportlichen Aktionstag vor den Sommerferien gewonnen.

Trotz positiver Resonanz und großer Beteiligung ist der Haken an der Kampagne „Schulweg aktiv“, dass die Eltern nicht in die Verantwortung genommen werden. Während viele Kinder großen Spaß an selbstbestimmten, teils sportlichen Schulwegen haben, entscheiden am Ende in der Regel doch die Eltern, ob sie ihre Kinder mit dem Auto fahren.

Test-Schulstraße in Rheinau – im Rahmen einer politischen Versammlung

Den Aktivist*innen der Kidical Mass dauert das alles zu lange. Verständlich, denn Viertklässlerin Helene wird eine richtige Schulstraße auf ihrem Schulweg nicht mehr selbst erleben.

Daher hatte der Gesamtelternbeirat mit Unterstützung von ADFC und Kidical Mass die Sache in die Hand genommen und im Jahr 2023 zumindest für eine kurze Zeit auf eigene Faust eine Schulstraße eingerichtet – testweise im Rahmen einer politischen Versammlung.

„Wir hatten das gut vorbereitet, Eltern und Anwohnerschaft frühzeitig informiert“, berichtet Alice van Scoter, die das Projekt damals als Elternbeirätin mitorganisiert hatte. Auch von der Verwaltung und der Schulleitung habe es Unterstützung gegeben und die Reaktionen seien bis auf ganz wenige Ausnahmen positiv gewesen. Mit temporären, mobilen Straßensperren wurde der Bereich vor dem Schuleingang zu Beginn und Ende des Schultages für den motorisierten Verkehr gesperrt. Die Sorgen über Beschwerden von Anwohner*innen seien unbegründet gewesen, berichtet van Scoter. Im Gegenteil habe es viel Zustimmung gegeben, da sich auch für die unmittelbaren Anlieger Stress, Verkehr und Lärm reduziert habe.

Verkehrsversuch: Schulstraße an der Rheinau Grundschule | Bild: Kidical Mass

Was sagt der neue Gemeinderat zu den Schulstraßen?

Politisch stehen die Schulstraßen bereits in den Startlöchern. Grüne, SPD und Linke haben jeweils mit eigenen Anträgen ihre Unterstützung der Schulstraßen deutlich gemacht. Die Verwaltung scheint nur auf ein Signal aus dem Verkehrsministerium zu warten. Doch nach den Kommunalwahlen im Juni hat sich die Zusammensetzung im Gemeinderat verändert. Die grün-rot-rote Mehrheit ist weg und die bürgerlichen und rechten Parteien sind bekannt für ihre auto-freundliche Politik.

Die Einrichtung temporärer Fußgängerzonen für Schulkinder könnte von CDU, FDP, AfD und Mannheimer Liste als Verbotspolitik verstanden und damit abgelehnt werden. Wann und wie das Thema in der Kommunalpolitik weiter diskutiert wird, ist zur Zeit noch offen.

Der GEB hat im Vorfeld der Kommunalwahl sogenannte Wahlprüfsteine erstellt. Da ging es auch um das Thema Sicherheit auf den Schulwegen. „Es gibt keine Partei und keine Liste, die nicht die Notwendigkeit sieht“, berichtet Thorsten Papendick. Allerdings gebe es Unterschiede. Während Grüne, SPD und Linke mit dem Schulstraßen vorpreschen, positionieren sich CDU, Freie Wähler und FDP nur sehr allgemein für sichere Schulwege. Papendick vermutet, für Elterntaxis wolle man hier keine Einschränkungen vorgeben.

Fahrraddemo Kidical Mass Mannheim | Bild: KIM

Zeit für Veränderungen

Für die Schulkinder geht die Zeit weiter. Tag für Tag gibt es gefährliche Situationen im „Flaschenhals“ der letzten Meter Schulweg vor den Grundschulen, wo sich hunderte Kinder und dutzende Autos in den Straßen drängen.

Frida findet die Schulstraßen eine sehr gute Idee, da der Schulweg für die Kinder damit viel leichter würde. Viertklässlerin Helene wird an ihrer Rheinau Grundschule keine Schulstraße mehr selbst nutzen können. Sie wünscht sich die Maßnahme aber für die nächste Generation. Außerdem hofft sie, dass Eltern ihre Kinder zum laufen motivieren. Miro ist auch der Meinung, dass es eine Schulstraße braucht. Strafzettel und rote Ampeln reichen nicht aus, da ist er sich sicher. Letztendlich müsse man an die Eltern appelieren, meint Thorsten Papendick. Ansonsten müsse man die vielen Bausteine zur Verbesserung der Schulwegsicherheit angehen, dass sich in den nächsten fünf Jahren etwas ändert. (cki)

 




KIM-TV: Wie bildungsgerecht ist Baden-Württemberg?

Die Corona-Pandemie hat viele soziale Ungleichheiten weiter verschärft – gerade auch in der Bildung. Ob fehlende digitale Ressourcen, komplexe Apps und nicht zuletzt ein völlig überfordertes Kultusministerium – die Reihe der Baustellen im Land ist lang. Während einige Eltern ihren Kindern moderne Technik und intensives Homeschooling ermöglichen konnten, mussten andere erst einmal ein öffentlich zugängliches Wlan-Netz für ihre Hausaufgaben finden. Gleichzeitig fehlen Lehrerinnen und Lehrer – und das nicht erst seit Corona.

Was also tun für mehr Bildungsgerechtigkeit, was braucht es für eine gleichberechtigte Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler? Eine Diskussion mit Gökay Akbulut, Isabell Fuhrmann und Jori Fesser.




KIM TV: Podiumsdiskussion Kita und Schulöffnungen … und jetzt?

Wie gestalten sich die Schul- und Kita-Öffnungen für die Lehrkräfte, für die Eltern und auch für die Schülerinnen und Schüler? Was braucht es an den Schulen an Unterstützung (Stichpunkt Digitalisierung) und wie sieht es für Kinder aus nicht-akademischen Haushalten aus, denen es womöglich bereits an der Ausstattung mangelt (Stichpunkt Bildungsgerechtigkeit)?

Podiumsdiskussion mit Nalan Erol (StR DIE LINKE Mannheim), Harald Leber (GEW Mannheim, Rektor der Humboldt-Werksrealschule), Alice van Scoter (Stadtelternbeirat KiTas) und Gökay Akbulut (MdB, Moderation).

Am Freitag, 19. Juni 2020 ab 19:00 Uhr bei Facebook Live: https://www.facebook.com/KommunalinfoMannheim/live_videos/

…und anschließend auch hier auf unserer Webseite.




Die Kinder-Abschiebungen aus Kitas und Schulen sind in Mannheim kein Einzelfall

Symbolbild: Kundgebung des Bündnis gegen Abschiebungen

Im Artikel „Schockierende Abschiebung in der Neckarstadt-West – Wer ist verantwortlich?“ wird die Frage gestellt, ob die am 10.12. in Mannheim erfolgte Abschiebung von Kindern aus einer Kita und einer Schule (k)ein Einzelfall sei. Der Staatssekretär des baden-württembergischen Innenministeriums Martin Jäger hatte nämlich 2017 behauptet, dass solche Abschiebungen „grundsätzlich auch zukünftig nicht geplant“ seien.

Inzwischen wissen wir, dass die Abschiebung am 10. Dezember kein Einzelfall war. Vielmehr gehören solche Abschiebungen in Baden-Württemberg offensichtlich zur Normalität und stehen damit in Widerspruch zur Aussage des Staatssekretärs.

Auch in Mannheim hat es mindestens in einem zusätzlichen Fall am 28. August 2018 (KIM berichtete) eine solche Abschiebung gegeben.

Auch hier sind die Umstände schockierend und skandalös.

Eine Mutter, gebürtig aus Gambia, wird mit ihren drei Kindern abgeschoben. Der Vater, aus Libyen stammend, wird nicht abgeschoben, da er ein anderes Asylverfahren hat. Mit der Abschiebung wird die Familie auseinandergerissen. Die Familie lebt seit über einem Jahrzehnt in Mannheim. Alle drei Kinder sind in Deutschland geboren und haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Sowohl der Elternbeirat als auch die Leitung der Kita Neckarstadt-West bestätigen, dass die Kinder und ihre Eltern bestens integriert gewesen seien. Trotzdem wurden die Kinder von der Polizei aus dem Kindergarten abgeholt.

In einer Pressemitteilung vom 28.08.2018 schreiben die Eltern des Kinderhauses Neckarstadt-West: „Das System muss verändert werden. Wozu sich sonst integrieren, wozu die Sprache lernen, Freundschaften entwickeln, wenn alles umsonst ist. Welchen Anreiz bietet man den Menschen, die aus Not zu uns kommen, wenn sie auch nach Jahren bester Integration, wieder rausgerissen werden?“

Die Eltern haben weiterhin Kontakt zur Mutter der abgeschobenen Familie in Gambia. Eine Geldspende machte es möglich, dass die Familie von einer Baracke in eine 1-Zimmer-Wohnung ziehen konnte. Die Probleme aber bleiben groß. Die Umgebung und die dort gesprochene Sprache Englisch ist den Kindern zum Teil fremd. Es ist kaum zu verstehen, dass diese Abschiebung rechtens gewesen sein soll.

Auch zur Mutter der am 10.12. nach Albanien abgeschobenen Familie gibt es Kontakt. Die Mutter hat sich inzwischen an den baden-württembergischen Flüchtlingsrat gewandt. In einem beeindruckenden Brief schildert sie die Umstände der Abschiebung und die traumatisierende Wirkung auf die Kinder.

In beiden Fällen hätte die Abschiebung von den Behörden nicht durchgeführt werden dürfen. Eltern, Lehrer*innen und Erziehr*innen sind deshalb zu unterstützen, wenn sie die Rückabwicklung der Abschiebungen fordern.

(Roland Schuster)




Schockierende Abschiebung in der Neckarstadt-West – Wer ist verantwortlich?

Johannes-Kepler-Gemeinschaftsschule in K5 | Bild: cki

Die Frage der Verantwortlichkeit wird im zweiten Teil des Artikels erörtert. Zunächst zum Hergang der Abschiebung selbst, die nicht allen Leser*innen bekannt sein dürfte, die aber im Mannheimer Morgen vom 15. und 17. Dezember relativ ausführlich beschrieben worden ist.

Am 10. Dezember wird eine fünfköpfige albanische Familie, die in Mannheim wohnt, mit einer Polizeiaktion, die viele Menschen schockiert, abgeschoben. Ohne vorher Bescheid zu wissen, werden die Familienangehörigen von zu Hause, von der Arbeit, von der Schule und aus dem Kindergarten abgeholt.

Besonders die Polizeiaktion in der Gemeinschaftsschule in K5 und im Kinderhaus St. Michael in der Neckarstadt-West sorgten für Aufregung. Aus einer 6. Klasse der K5-Schule wurde der 11-jährige Schüler mitten aus dem Unterricht von uniformierten Polizisten „in voller Montur“ geholt. „Ich sollte ein Kind aus der Klasse nehmen – wovon ich vorher noch gar nichts wusste“, berichtet die fassungslose Schulleiterin Brigitta Hillebrandt. Das Kollegium sei empört. Der Junge habe geweint, die Klasse sei sehr betroffen. Zwei Lehrer und die Sozialarbeiterin seien zwei bis drei Tage damit beschäftigt, die Kinder zu beruhigen. Ein Teil der Aufarbeitung bestand darin, einen Protestbrief an Ministerpräsident Kretschmann zu schreiben. Empörung auch im Kinderhaus. „Ich habe vorher sowas noch nicht erlebt“, das war für uns ein schock“, so der Leiter des Kinderhauses, Jörg Ohrnberger.

Sowohl Hillebrandt als auch Ohrnberger können nicht verstehen, warum gerade diese Familie abgeschoben worden ist. Die Eltern würden beide im Pflegebereich arbeiten. Der Junge sei seit der 5. Klasse im der K5-Schule, sehr fleißig und spreche sehr gut deutsch. „Das ist ein Beispiel für eine gelungene Integration“, so die Schulleiterin.

Ähnliches hört man vom Kinderhaus. Der Leiter habe sogar in einem Gutachten, für die Bundesaußenstelle für Migration und Flüchtlinge bescheinigt, das das sechsjährige Mädchen schnell und gut gelernt habe. Die Familie habe sich im Kinderhaus sehr engagiert.

Protest

Gegen die Umstände der Abschiebung haben sich inzwischen einige Politiker der Grünen und der SPD gewandt. Der grüne Landtagsabgeordnete Uli Skerl aus Weinheim fordert, dass künftig keine Kinder aus Schulen und Betreuungseinrichtungen abgeschoben werden dürfen. Das Vorgehen sei nicht zu akzeptieren. Ähnlich äußerten sich die Mannheimer Landtagsabgeordneten Elke Zimmer (Grüne) und Boris Weirauch (SPD). Ministerpräsident Kretschmann müsse Stellung beziehen, so Weirauch. (MM 17.12.2018)

Rechtfertigung der Polizeiaktion

Die Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen unter anderem damit, das der Zugriff ohne Ankündigung erfolge, damit ein Abtauchen der Personen verhindert wird. Zur Entschuldigung der Polizei sei von unserer Seite angemerkt, dass die Bundespolitik durch eine Gesetzesänderung dieses Vorgehen explizit ermöglicht hat. Vorher sind Abschiebungen im Vorfeld angekündigt worden. Nicht immer waren die Abzuschiebenden zu einer freiwilligen Ausreise bereit und daheim anzutreffen. Norbert Schätzle, der Polizeisprecher, erwähnt, dass der Mannheimer Fall „kein Einzelfall“ sei.

Wer ist verantwortlich?

Johannes-Kepler-Gemeinschaftsschule in K5 | Bild: cki

„Kein Einzelfall“ – diese Aussage ist insofern interessant, weil sie im Gegensatz zu Äußerungen des baden-württembergischen Staatssekretärs Martin Jäger (CDU) stehen. Dieser hatte gegenüber der Öffentlichkeit schon vor über einem Jahr behauptet, dass keine Kinder durch die Polizei aus dem Unterricht abgeholt werden würden, um sie abzuschieben. Das sei „grundsätzlich auch zukünftig nicht geplant“, so Jäger gegenüber der Lehrergewerkschaft GEW (epd 06.08.2017). Diese Äußerung ist Teil eines Briefes. Darin protestiert er gegen eine „Handlungsanleitung bei drohender Abschiebung eines Kindes oder eines Jugendlichen“, gemeinsam herausgegeben von der GEW und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. In dieser Handlungsanleitung geht es um die Frage, inwieweit Schulen bei der Abschiebung helfen müssten. Die Broschüre kommt zu dem Ergebnis, dass keine Kooperationspflicht der Lehrer gegeben sei. Im Gegenteil, §87 Aufenthaltsgesetz, in dem die Übermittlung von Daten an die Ausländerbehörden geregelt ist, nimmt öffentliche Schulen und Bildungseinrichtungen ausdrücklich aus. Die GEW schließt daraus, dass Abschiebungen aus dem Unterricht heraus nicht vorgenommen werden dürfen. Lehrer und Schulleitungen sind befugt, von Abschiebung bedrohte Schüler entsprechend zu warnen, ggf. Rechtsanwälte und die Öffentlichkeit zu informieren.

Ein ähnlicher Leitfaden gegen Abschiebungen aus Schule und Betrieb hat auch die GEW in Bayern verfasst. Gegen diesen „Aufruf zum Rechtsbruch“ sind sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg Politiker vor allem aus der CDU/CSU Sturm gelaufen. Worin dieser „Rechtsbruch“ besteht, wurde trotz Aufforderung durch die GEW allerdings nie konkretisiert. Anscheinend geht es hier nur um die Einschüchterung der Lehrerschaft.

Bezogen auf das Mannheimer Ereignis stellt sich nun aber die Frage: Wenn die Abschiebung in Mannheim kein Einzelfall war, dann gibt es die Rechtspraxis der Abschiebungen aus Schulen auch anderswo in Baden-Württemberg.

Wer sagt hier die Wahrheit? Der Polizeisprecher Norbert Schätzle oder der Innenstaatssekretär Martin Jäger?

Abschiebung alternativlos?

Bzgl. des Protests aus Reihen der Politiker von Grünen und SPD ist kritisch anzumerken: Wer glaubwürdig eine andere Asylpolitik vertritt, sollte gegen gängige Praxis im Bund und im Land vorgehen. In Berlin ist die SPD an der Bundesregierung beteiligt, in Baden-Württemberg stellen die Grünen mit Winfried Kretschmann sogar den Ministerpräsidenten.

In NRW durfte in einem ähnlichen Fall eine nach Nepal abgeschobene Schülerin nach Protesten von Schülern, Eltern und Lehrer und der Politik mit einem Schüleraustauschvisum wieder einreisen, die Eltern durften aus humanitären Gründen ihre Tochter begleiten. Warum sollte in Mannheim sowas nicht möglich sein? Auch wenn Albanien als sicheres Herkunftsland gilt. Die Familie hat sich gut integriert und ist offensichtlich eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Hier muss der Härtefall gelten!

Die Handlungsanleitung der GEW und des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg erfährt durch die Ereignisse in Mannheim eine Bestätigung. Abschiebungen aus Schulen und Bildungseinrichtungen sind unrechtens und inhuman und folglich auch nicht zu unterstützen.

Hier hat auch die Stadt Mannheim eine Verantwortung, da sie laut Schulgesetz Träger der öffentlichen Schulen in Mannheim ist.

(Roland Schuster)




Neckarstadt-West: Ein Stadtteil in langsamer Veränderung

Traurige Nachricht: Etwa ein Drittel des Pappelbestands am Neckarufer wird gefällt

Veränderungen wird es geben, soviel ist sicher. Aber die Entwicklungen im Stadtteil gehen mit kleinen Schritten voran. Das war eine Erkenntnis aus der Bezirksbeiratssitzung, die am Mittwoch, 31. Januar 2018 im Bürgerhaus Neckarstadt-West tagte. Den Anwesenden wurde von Vertreter*innen der Stadtverwaltung viel Positives zur Quartiersentwicklung aus den Bereichen Bildung, Kultur und Stadtgestaltung berichtet. Doch große Sprünge gibt es bisher nicht. Auch Rückschläge, wie die Absage zur Ansiedlung der Stadtbibliothek am Alten Messplatz waren Thema und die ganz schlechte Nachricht kam zum Schluss: Der Baumbestand am Neckarufer wird drastisch reduziert. Wegen Pilzbefall muss etwa ein Drittel der Pappeln zwischen Kurpfalz- und Jungbuschbrücke gefällt werden, in Zukunft möglicherweise sogar noch mehr. Immerhin: Neue Bäume sollen ab Herbst nachgepflanzt werden.

Drei große Themen bestimmten die Tagesordnung der gut zwei Stunden dauernden Bezirksbeiratssitzung: Die Vorstellung der Aktivitäten der neu gegründeten Arbeitsgruppe „Lokale Stadterneuerung“, die Entwicklung der Schullandschaft und der aktuelle Stand zum Marchivum, das zur Zeit am Neckarufer, östlich der Jungbuschbrücke gebaut wird.

Initiativen der Stadt: „Lokale Stadterneuerung“

Zentraler Ort der Neckarstadt-West: Der Neumarkt. Links der Kulturkiosk, im Hintergrund die Neckarschule

Zuerst berichteten die Leiter der Arbeitsgruppe „Lokale Stadterneuerung“ Achim Judt (Geschäftsführer MWSP) und Petar Drakul (Referent des Oberbürgermeisters) von bisherigen Aktivitäten. Zur Umsetzung der Ziele Stabilisierung und Aufwertung des „lebenswerten Stadtteils“ seien zahlreiche Gespräche mit Akteuren der Neckarstadt geführt und Projekte angestoßen worden, beispielsweise in den Bereichen Bildung, Kunst und Kultur. Die Orte Neckarvorland, Neumarkt, Mittelstraße, Altes Volksbad, ehemaliges Sparkassen-Gebäude, Marchivum und Kaisergarten seien Schwerpunkte in den Bemühungen zur Weiterentwicklung. Für das Sparkassen-Gebäude in der Mittelstraße sei eine Nachnutzung durch den städtischen Bürgerservice vorgesehen. Mit der Kirche, Besitzerin des Kaisergartens, habe es konstruktive Gespräche zur Nutzung des traditionsreichen Gebäudes gegeben. Allerdings sei mit erheblichem Renovierungsaufwand bei geschätzten Kosten von mehr als 1 Million zu rechnen.

Aus dem Bereich Jugendförderung wurde das Projekt „Rock the block“ vorgestellt, das von der Alten Feuerwache in den Räumen des Bürgerhauses am Neumarkt durchgeführt wird. Bei dieser offenen Tanzwerkstatt werden Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil zur Teilnahme animiert. Die integrative Hip Hop Kultur soll Zugänge zu jungen Menschen schaffen, die bisher schwer erreichbar waren und damit neue Netzwerke knüpfen, beispielsweise auch zu den Eltern. „Das gelingt sehr gut. Wir haben bei der Lichtmeile Werbung gemacht und seitdem kommen regelmäßig Kinder und Jugendliche zu den Trainings, darunter auch Zaungäste, die uns durch die Fenster des Bürgerhauses sehen. Die Eltern holen die Kinder ab, da kommen wir ins Gespräch“, berichtete die Leiterin des Projekts, das Teil eines 3-Bausteine-Plans ist.

Die Arbeitsgruppe „Lokale Stadterneuerung“ strukturiert diese aufgrund einer Bedarfsanalyse in A „Kultur, Tanz, Musik“, B „Sport, Bewegung, Gesundheit“ und C „Vernetzung, Jugendbüro, Verein“. Von große Sprüngen konnten Drakul und Judt allerdings noch nicht berichten. Sie betonten, dass die Aufwertungsmaßnahmen Zeit bräuchten, bis sie wirken und Stadtentwicklung ein Projekt über Jahre sei.

Fortschritte in der Bildungslandschaft: Ganztagsschule auf dem Tankstellengelände und ambitionierte Ideen für das Marchivum

Auf dem ehemaligen Tankstellengelände soll ein Neubau für die Humboldtgrundschule entstehen. Im Hintergund das renovierungsbedürftige Stammgebäude.

Nächster großer Punkt auf der Tagesordnung war das Schulentwicklungskonzept im Stadtteil. Die Verwaltung nahm insbesondere zur Humboldtschule, Hans-Zulliger-Schule und Marie-Curie-Schule Stellung. Kern der Planungen in den nächsten Jahren sei der Ausbau der Humboldtgrundschule zur Ganztagsschule und zwar in einem Neubau auf dem Gelände der ehemaligen Tankstelle in der Waldhofstraße, berichtete Lutz Jahre, Leiter des Fachbereich Bildung. Die weiterführende Humboldtschule und die Marie-Curie-Schule könnten in einer fusionierten, noch zu bestimmenden Schulform – denkbar seien Realschule oder Gemeinschaftsschule – im sanierten Gebäude (Altbau/Stammgebäude) der Humboldtschule zusammen kommen. Eine solche Entwicklung sei realistischerweise aber nicht vor 2025 umgesetzt. Für den Neubau werden Kosten von 15 Millionen, für die Sanierung des Stammgebäudes 30 Millionen Euro geschätzt. Die Neckarschule spricht sich zum aktuellen Zeitpunkt gegen eine Ganztagesschulform aus. Hinsichtlich der Hans-Zulliger-Schule gäbe es keinen (baulichen) Erweiterungsbedarf.

Rund ums Marchivum wird noch fleißig gebaut. Der Vorplatz soll öffentlicher Treffpunkt werden.

Ebenfalls als Bildungseinrichtung versteht sich das Marchivum, das neue, erweiterte Stadtarchiv, das zur Zeit im Hochbunker an der Jungbuschbrücke gebaut wird. Der Neubau schreitet zügig voran, es wird bereits Archivmaterial vom alten Stadtarchiv ins Marchivum umgezogen. Einer Eröffnung sieht Dr. Christoph Popp in den nächsten Monaten entgegen. Begeistert berichtete er von den teils schon umgesetzten, teils noch geplanten baulichen Maßnahmen, die das Marchivum mit seiner unmittelbaren Nachbarschaft in Verbindung setzen. Ein großzügiger Vorplatz mit Integration des Baumbestands soll zum Aufenthalt vor dem Gebäude einladen. Der Platz soll gleichzeitig eine offene Verbindung des Stadtteils zum Neckarvorland werden. An der Ecke Fröhlichstraße soll ein weiterer Außenbereich mit Aufenthaltsqualität entstehen, der zudem Bildungsort sein wird, beispielsweise ein Startpunkt für Schülergruppen, die ins Marchivum kommen. Bisher lediglich geplant und noch nicht realisiert ist ein offener Ausstellungs- und Veranstaltungsbereich im Erdgeschoss, der auch Gastronomie, Proberäume und Co-Working-Space bietet und sich damit explizit an Externe aus dem Stadtteil richtet. „Das können Sie noch gar nicht kennen, da es heute zum ersten mal der Öffentlichkeit präsentiert wird“, berichtete Popp. Ebenfalls bisher lediglich als Wunsch existiert das sogenannte „Lichtband“, mit dem die Unterführung unter der Jungbuschbrücke künstlerisch aufgehellt und freundlich gestaltet werden könnte. „Die 700 000 Euro dafür haben wir leider nicht, unser Leiter ist aber sehr engagiert dabei, das Geld bei privaten Spendern einzuwerben.“ Der Stadtteil wurde in diesem Rahmen jedenfalls bereits ins neue Marchivum eingeladen und der Bezirksbeirat könne gerne auch zukünftige Sitzungen im dortigen Tagungsraum abhalten. „Wir freuen uns auf die Eröffnung. Für uns ist die Neckarstadt-West jedenfalls keine No-Go-Area, sonst hätten wir uns nicht für diesen Standort entschlossen“, schloss der Stadtarchivar seinen Bericht in Anspielung auf die populistischen Entgleisungen in den reißerischen Berichten über den Stadtteil der vergangenen Jahre.

Aufwertung ja, aber für wen?

Ein künstlerisches „Lichtband“ soll die Unterführung unter der Jungbuschbrücke nachts erhellen. Noch fehlen dafür die 700 000 Euro.

Die Aufwertung eines abgehängten, benachteiligten Stadtteils mit vielfältigen Problemlagen ist selbstverständlich im Sinne aller Bewohner. Die Stadt geht bei vielen Projekten in die richtige Richtung, fördert Bildung, Kultur, Netzwerke der Bewohnerschaft und die Idee der Vielfalt und des gegenseitigen Respekts. Doch eine langfristige Entwicklung ist schwer abzusehen. Die Instrumente der Stadt, der politischen und gesellschaftlichen Akteure greifen nur in manchen Bereichen. In der Wohnungspolitik hat die Stadt weniger Möglichkeiten und keines der genannten Projekte hat dieses Thema bisher im Fokus. Dabei ist es bereits heute wichtig, die Weichen so zu stellen, dass aus der Neckarstadt-West kein zweiter Jungbusch wird. Vieles was die Menschen heute in der Neckarstadt schätzen, prägte den Jungbusch vor zehn, zwanzig Jahren: Günstige Mieten, vielfältige, junge Bewohnerschaft, Leben auf der Straße, Kneipen und Kultur, Multikulti-Image, zwanglose Nachbarschaft und urbane Prägung.

Im Jungbusch wurde der Stadtteil mit gezielten Maßnahmen aufgewertet. In einigen Bereichen wurden ähnliche Konzepte verfolgt, wie es die Stadt heute in der Neckarstadt-West versucht. Die Folgen im Jungbusch waren rasant steigende Mieten, ein familienunfreundliches Umfeld durch die Entwicklung zur Partymeile und eine Ausbeutung der Stärken und des Image des Stadtteils, durch Zugezogene auf dem Rücken der angestammten Bewohnerschaft – von denen viele den Stadtteil mittlerweile verlassen haben.

Wenn die Neckarstadt ein „lebenswerter Stadtteil“ bleiben will, wie es die Leiter der Arbeitsgruppe Stadtentwicklung betonten, und zwar für die Menschen, die heute hier leben, dann dürfen nicht die gleichen Fehler, wie im Jungbusch gemacht werden.

(Text & Bilder: cki)




Schülerkundgebung „Together we stand“ [mit Video]

Die Mannheimer Schülervertretungen hatten in den Tagen vor dem Sommerferien zu einer Aktionswoche „Together we stand“ eingeladen, um ein Zeichen für Gemeinschaft, Vielfalt und Toleranz zu setzen. Zahlreiche Schulen beteiligten sich mit Projekten zum Thema „Gemeinschaft“, darunter Podiumsdiskussionen, Kunstprojekte oder ein Sponsorenlauf. Den Abschluss der Reihe machte eine große Kundgebung auf dem Alten Messplatz am Freitag, 21.07.2017.

Als Ziele der Aktionstage nannten die VeranstalterInnen die Anerkennung aller Identitäten und Lebensweisen und gleiche Chancen für alle. Zudem wurde sich klar gegen Diskriminierung aller Art und den Aufruf zu Hass und Gewalt positioniert.

Gegen Diskriminierung im Alltag

Gegen 12 Uhr trudelten die ersten SchülerInnen auf dem Messplatz ein. Für manche war es eine schulische Pflichtveranstaltung – die LehrerInnen kamen mit. Bei manchen Schulen war die Teilnahme freiwillig, andere Schulen beteiligten sich gar nicht. Die Kundgebung eröffneten Mitglieder der Schülervertretungen mit Musik. In der ersten Rede wurde klar gestellt, bei Personen wie Trump oder Ereignissen wie dem G20 Gipfel habe man einfach etwas machen und die Schüler zu einer toleranten Gemeinschaft aufrufen wollen. Dafür gab es lauten Applaus aus der Menge, die mittlerweile auf viele hundert Jugendliche angewachsen war.

„Wir haben ein Grundgesetz und im Artikel 1 steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist“, wurde gleich zu Beginn betont. Auch das aktuelle Beispiel einer Studentin, der wegen ihres Kopftuchs ein Praktikumsplatz abgesagt wurde, sorgte für Empörung. „Wir haben Religionsfreiheit, das muss für alle gelten“, war dazu ein Kommentar.


Darstellungprobleme? Link zur youtube: https://youtu.be/1zNPDR7E1ao

Open Mic und Menschenkette zum Abschluss

Neben den vorbereiteten Redebeiträgen gab es die Möglichkeit im Rahmen des Open Mic spontan auf die Bühne zu kommen und zu sprechen. Das nutzen einige Schüler, die sich ihren Vorrednern anschlossen oder einfach positive Stimmung verbreiten wollten.

Zum Abluss der Veranstaltung forderten die Redner dazu auf, der Kundgebung mit einer Menschenkette ein starkes Bild zu geben. Auch wenn dies in wildes Durcheinander und einen chaotischen Kreis über den ganzen Messplatz ausartete, war es ein deutlicher Ausdruck des immer wieder geforderten Gemeinschaftssinns – spontan und selbstorganisiert.

Die Kundgebung wurde unterstützt von 68DEINS! Schule und Demokratie und dem 68DEINS! Jugendbeirat. Das Bündnis Mannheim gegen Rechts stellte eine Tonanlage, das Jugendzentrum in Selbstverwaltung Friedrich Dürr eine Bühne zur Verfügung. „Was ein Hammer Tag! Knapp 1000 Schüler haben sich auf dem alten Messplatz versammelt, um der Welt zu zeigen für was wir stehen!“ war später das Fazit der VeranstalterInnen.

cki




DIE LINKE: Bildungsreform weiterentwickeln statt Gemeinschaftsschulen schlechtreden

Bernd Riexinger weist CDU-Kritik an Gemeinschaftsschulen entschieden zurück

PM – Bernd Riexinger, Bundesvorsitzender der LINKEN und Spitzenkandidat bei der Landtagswahl, weist die CDU-Kritik an der Gemeinschaftsschule entschieden zurück. Die CDU-Landtagsfraktion hatte auf eine Anfrage an das Kultusministerium hin die Abschaffung der Gemeinschaftsschule gefordert.

Bernd Riexinger: „Wir müssen die Bildungsreform weiterentwickeln statt die Gemeinschaftsschulen jetzt wieder zu zerschlagen. Diese Schulart muss besser ausgestattet werden, damit sie ein Erfolg wird. Wir wollen kein Kind auf dem Bildungsweg verlieren, daher wollen wir die gut ausgestattete flächendeckende Gemeinschaftsschule. Doch das muss die nächste Landesregierung mit Elan und Schwung weiterentwickeln. Wer regieren will, muss gerade in der Bildung gute Ansätze verbessern statt sie jetzt im Wahlkampf schlechtzureden.“

DIE LINKE tritt für einen schnellen und qualitativ hochwertigen Ausbau der Gemeinschaftsschulen ein. In der Gemeinschaftsschule kommen mehr Kinder zu besseren Abschlüssen und leistungsstarke Kinder werden nicht zurückgehalten: Sie ist die einzige Schulart, die soziale Unterschiede abfedert. Keine andere Schulart kann die soziale Auslese der Schule besser zurückdrängen, denn Gemeinschaftsschulen tragen zur Chancengleichheit bei. In einer solchen inklusiven Gemeinschaftsschule lernen alle Schülerinnen und Schüler bis zum 10. Schuljahr gemeinsam. Dabei gilt ein wichtiger Grundsatz: Schule darf nicht krank machen! DIE LINKE will den Druck und die Auslese zurückdrängen und das sinnlose Sitzenbleiben abschaffen. Kinder müssen gefördert statt bestraft werden.

Presseerklärung vom 28. Oktober 2015 / DIE LINKE. Baden-Württemberg




Werkrealschule an der Geschwister-Scholl-Schule steht zur Schließung an

ttr – Gegen heftigen Widerstand der Lehrerschaft und der Schulkonferenz der Werkrealschule (WRS) Geschwister Scholl auf der Vogelstang wird der Gemeinderat im Rahmen der Etatberatungen einen in 2014 aufgeschobenen Beschluss vollziehen: Die WRS wird geschlossen, die Realschule und das Gymnasium bleiben.

Hintergrund ist der Mannhemer Schulentgwicklungsplan, der für 6100 GymnasiastInnen 9 Gymnasien vorsieht, und für die anderen 8.150 SchülerInen weiterführeder Schulen 16 Schulen der Typen Integrierte Gesamtschule, Realschule und Werkrealschule. Von letzterem Typ sieht der Plan nur noch 5 Schulen vor. Die anderen noch existierenden Werkrealschulen sollen sukzessive geschlossen werden. Sie befinden sich jeweils an Verbund-Standorten, so dass die Standorte erhalten bleiben. Die WRS Scholl ist von den Schließungsplänen betroffen. Es soll – so der Plan der Verwaltung und der Schulentwicklungskommission – eine ganztägige, integrative Realschule bestehen bleiben. Ohne die in die Vogelstang verwiesenen SchülerInnen, die in der IGMH mangels Kapazitäten nicht aufgenommen werden können (ca. 100 pro Jahr), wäre, so die Verwaltung, die WRS Scholl nicht mehr zweizügig zu halten und würde von der Schulaufsichtsbehörde dann ohnehin geschlossen.

Die Entwicklung der Schülerzahlen gibt der Verwaltung Recht. Neuerdings bieten im übrigen die Realschulen in Baden-Württemberg auch den Hauptschulabschluss an. Die meisten Eltern der Vogelstanag werden deshalb ihre Kinder auf diese Schulen unter dem gleichen Dach wie die WRS schicken, weil die Kinder dort beide Abschlüsse machen können.

Schulschließungen sind bitter. Aber es eröffnet sich die Perspektive, aus den Werkreal- und Realschulen (unechte) Gemeinschaftsschulen zu bilden.

Die Schulkonferenz der WRS wehrte sich mit folgender Erklärung:

Gesamtlehrerkonferenz und Schulkonferenz der Geschwister-Scholl-Werkrealschule lehnen die geplante Schließung der Schule aus folgenden Gründen ab:

    • Die Geschwister-Scholl-Werkrealschule ist mit aktuell 380 Schülerinnen und Schülern eine der größten Werkrealschulen in Mannheim. Auf Grund der Schülerzahl in der Eingangsklasse besteht keine Veranlassung die Schule zu schließen
    • Ab Klassenstufe 8 ist die Schule 3zügig, ab dem nächsten Schuljahr in den Klassen 9 und 10 sogar 4 zügig. D.h. ab Klasse 8 kommen vermehrt Schülerinnen und Schüler durch Zuzug, Schulwechsel nach §90 Schulgesetz und Rückschulung aus Realschulen hinzu. Aktuell haben wir jede Woche 1 Neuzugang in Klasse 8.
    • Unter den 35 Schülerinnen und Schülern der Vorbereitungsklasse sind 12 Flüchtlingskinder, die alphabetisiert werden müssen, eine Aufgabe, die an einer Realschule derzeit nicht geleistet werden kann. Die Zahl der Flüchtlingskinder ist steigend, Ausgang ungewiss.
    • Das Schülerklientel der Werkrealschule benötigt eine persönliche Beziehung und ein gutes Vertrauensverhältnis zu seinen Lehrerinnen und Lehrern, das wir im Klassenlehrerprinzip dieser Schulart gewährleistet sehen.
    • Die je 7 zusätzlichen Wochenstunden pro Klasse (entspricht 4,5 Lehrer- deputaten) des Alterlasses gehen durch eine Schulschließung verloren.
    • Es wird eine Schule geschlossen, die bei der Fremdevaluation eine hervorragende Beurteilung erhielt, was nur für wenige Schulen in Baden-Württemberg zutrifft.
    • Ein Lehrerkollegium, das hervorragende Arbeit leistet, bleibt nicht am Standort Vogelstang erhalten. Je nach Bedarf und Wunsch werden diese Lehrerinnen und Lehrer an Grund- und Werkrealschulen versetzt werden, an denen Lehrerbedarf besteht. Erst wenn der Bedarf an Grund- und Werkrealschulen abgedeckt ist, kann auf Lehrerwunsch eine Versetzung an eine Realschule oder Förderschule erfolgen.

     

    Aus oben genannten Gründen stimmen wir für einen Erhalt der Geschwister-Scholl-Werkrealschule.

    Schulleitung und Lehrerkollegium sind weiterhin offen für Gespräche über die Einrichtung einer Verbundschule oder Gemeinschaftsschule am Standort Vogelstang.

Das Oberschulamt hat inzwischen zugesagt, die Lehrer mit ihren besonderen Kompetenzen am Standort zu belassen.

Aus Sicht der LINKEN führt an der Schließung kein Weg vorbei. Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich die beiden Kollegien der WRS und Realschule Scholl zu einer Gemeinschaftsschule „zusammenraufen“ könnten.

Erschwerend kommt hinzu, dass das gesamte Schulgebäude dringend saniert werden muss. Ohne Klarheit, wie es an der Schule weitergeht, ist eine solche Sanierung nicht machbar. Inzwischen hat die Verwaltung zugesagt, Planungskosten der Sanierung in den neuen Doppelhaushalt nachzuschieben. Deshalb wurde die Entscheidung auf die Etatberatungen verschoben. Die SPD-Fraktion hatte im Fachausschuss der Schließung widersprochen und den Verwaltungsvorschlag beinahe zu Fall gebracht. Man vertagte sich. Nun zeichnet sich eine Mehrheit aus SPD, Grünen, LINKEN und (in diesem Fall) der FDP ab. Die Konservativen möchten die Dreisäuligkeit erhalten. Der Vertreter der Familienpartei, wie sich der als Linker gewählte J. Ferrat neuerdings bezeichnet, lehnt die Schließung an, weil er eine Ganztages-Realschule ab, weil er das über alles geschätzte freie Wahlrecht der Eltern verletzt sieht.