Abschiebung: „Das System funktioniert nicht!“

Aus dem Kinderhaus Neckarstadt-West wurden letzte Woche zwei Kinder zwecks Abschiebung polizeilich abgeholt – zuvor schon die Mutter und ihr 10-jähriger Sohn. Die Kinder und Erzieher*innen verzweifelt, ebenso die Mutter. Sowohl die Erzieher*innen, wie der Elternbeirat organisierten sofort Hilfe für die noch am selben Tag in Gambia abgesetzte Familie. Inzwischen ist auch eine vom Flüchtlingsrat empfohlene Anwältin eingeschaltet ebenso wie die zugänglichen Landtags- und Bundestagsabgeordneten aus Mannheim und Region. Es geht darum, die Familie in Deutschland wieder zusammenzuführen. Es muss auch geklärt werden, wie die Ausländerbehörde zu einer derart krassen Entscheidung kam. Die Solidarität im Kinderhaus ist enorm; es gibt eine Spendensammlung, um der mittellos abgeschobenen Mutter und ihren Kindern zunächst das Überleben in Gambia zu sichern und die Kommunikation mit ihrem Mann und den Unterstützer*innen aufrechtzuerhalten.

(Red.)

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung der Kinderhaus-Eltern

Mannheim, 28.08.2018. Gestern Vormittag wurde eine Mutter mit ihren drei Kindern (10, 6 und 2) gewaltsam von der Polizei abgeholt und in ein Flugzeug nach Gambia gesetzt. Der Vater (ein Libyer; Red.) durfte in Deutschland bleiben, so dass die Familie nun über zwei Kontinenten zerrissen ist. Alle drei Kinder sind in Deutschland geboren, sprechen Deutsch, gehen hier zur Schule und in den Kindergarten oder freuten sich in zwei Wochen eingeschult zu werden. Die Familie lebte seit über einem Jahrzehnt hier und hatte sich ihre Leben hier aufgebaut. Die Mutter besuchte regelmäßig Veranstaltungen des Kindergartens und der Schule, der Vater hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag hier. Die Kinder waren auf Geburtstage eingeladen und haben Freunde hier. Als die Kinder von der Polizei aus dem Kindergarten abgeholt wurden, fragten andere Kinder erstaunt, warum sie denn als Deutsche plötzlich nach Afrika müssten. Eine verständliche Antwort gibt es darauf nicht.

Die Abschiebung war legal. Sie war rechtens. Aber moralisch war sie Unrecht. Die Eltern hatten bestimmt einige Fehler gemacht, sich nicht ausreichend mit den Briefen in Behördensprache auseinander gesetzt, nicht jeden möglichen Rechtsweg ausgeschöpft, aber die Kinder, die vormittags aus dem Kindergarten abgeführt wurden und abends ohne ihren Vater in einem Land ankamen, das sie nicht kannten, nie gesehen hatten, hatten nichts Falsches gemacht.

Auch die Polizisten und der Rechtsstaat mit seinen Behörden haben nicht Falsches gemacht und trotzdem geschah gestern Unrecht, weil das System nicht funktioniert!

Die Familie hat genau das gemacht, was jeder von Flüchtlingen, Migranten fordert, sich zu integrieren. Sie haben Deutsch gelernt, haben Schule und Kindergarten besucht, am kulturellen Leben teilgenommen, deutsche Freunde gefunden. Sie haben über zehn Jahre hinweg sich etwas aufgebaut und sich hier verwurzelt. Und dann kam das jähe Ende, plötzlich war alles weg, alle Bindungen, alles was sie sich erarbeitet hatten, verschwunden, die Sprache, die sie gelernt hatten, nutzlos.

Es ist Unrecht, Menschen jahre-, jahrzehntelang in Deutschland leben zu lassen, sie immer und immer wieder aufzufordern sich zu integrieren und sie dann rauszuschmeißen. Es ist legal, und trotzdem Unrecht. Das System muss verändert werden. Wozu sich sonst integrieren, wozu die Sprache lernen, Freundschaften entwickeln, wenn alles umsonst ist. Welchen Anreiz bietet man den Menschen, die aus Not zu uns kommen, wenn sie auch nach Jahren bester Integration, wieder rausgerissen werden.

Für diese Familie ist es vielleicht zu spät. Was wird aus den Kindern werden, die gewaltsam aus ihrem Umfeld in ein ihnen völlig unbekanntes Land geworfen wurden? Die durch die deutsche Polizei von ihrem Vater getrennt wurden? Aber für andere Familien muss das System geändert werden! Jetzt! Um aus legalem Unrecht moralisches Recht zu machen.