Gegen rechte Haushaltspolitik – Gegenmacht von unten bauen!

Der Mannheimer Gemeinderat 2024 ohne linke Mehrheit. Das Erstarken der bürgerlich-konservativen bis rechtsradikalen Seite bedeutet für viele progressive Projekte in der Stadt, die auf kommunale Fördermittel angewiesen sind, eine existenzielle Bedrohung. | Archivbild: KIM

Ein Diskussionsbeitrag des Linken Zentrums Ewwe longt’s.

Was seit der Wahl des CDU-Kandidaten Christian Specht wohl von Vielen befürchtet wurde, zeigt sich so langsam: Die rechten und konservativen Parteien in Mannheim nutzen ihre neuen Mehrheiten dazu, linke, alternative und progressive Projekte gezielt zu schwächen. Die Diskussion kam spätestens auf als am 1. Oktober im Mannheimer Gemeinderat von der AfD ein Antrag eingereicht wurde, der auf die Streichung der Fördermittel des JUZ Mannheim abzielt. Die Streichung dieser Fördermittel käme einer faktischen Schließung des JUZ Mannheim gleich, würde
es mindestens erheblich in Bedrängnis bringen.

Die CDU unterstützte die AfD dabei während der Gemeinderatssitzung mit Rechtshilfe und Tipps für das Erstellen eines erfolgreichen Antrags – entzog letzlich aber aufgrund öffentlichen Drucks schnell die Unterstützung und verkündete die Absicht, einen solchen Antrag selbst einbringen zu wollen. Dass die CDU zum Erfolg dieses Antrags auf die Stimmen der AfD angewiesen sein wird, ist ihr wohl bewusst, und das öffentliche Verneinen einer Zusammenarbeit damit bloße Augenwischerei.

Das Ganze ist insgesamt wenig überraschend, so versuchte die CDU Mannheim schon 2017 einen Antrag mit dem gleichen Ziel durchzusetzen, scheiterte aber letztlich an öffentlichen Protesten und fehlender Mehrheiten für den Antrag im Gemeinderat. Seit dem Sieg der CDU in der letzten OBWahl in der traditionellen SPD-Hochburg Mannheim, haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat verschoben und der Moment für einen weiteren Angriff auf das bei Rechten unliebsame Projekt scheint gekommen.

Doch wir sollten nicht bei der Empörung über den Angriff auf das JUZ stehen bleiben, sondern anlässlich der Haushaltsverhandlungen für 2025/26 im Dezember einen Blick über den Tellerrand werfen. Der im November vorgelegte Haushaltsentwurf für die Stadt Mannheim und die Reden der rechten und konservativen Kommunalpolitiker*innen zeigen deutlich: Die rechte Haushaltspolitik betreffen bei Weitem nicht nur das JUZ: Seit der OB-Wahl von Specht bangen viele kulturelle und alternative Initiativen um ihre Fördermittel und Budgettöpfe, und es zeigt sich schon an einigen Stellen, dass diverse langjährige Angebote und Projekte unter dem konservativen Bürgermeister konkret in Gefahr sind, wie zum Beispiel auch das ALTER am alten Messplatz. Das Queere Zentrum Mannheim (QZM) muss ohnehin jedes Jahr aufs Neue bangen, ob es weitere Gelder zur Verfügung gestellt bekommt.

In den öffentlichen einsehbaren Reden der Parteien zu der Etatverhandlung, übertrifft die AfD natürlich die CDU und fordert nochmal weitreichendere Kürzungen als die CDU. So sollen neben ersatzloser Streichung von Geldern für JUZ, QZM, des Aktionsfonds gegen Rechts und  Einsparungen beim Nationaltheater Mannheim auch der Klimafonds in Höhe von 10 Millionen Euro ersatzlos gestrichen werden. Zitat von Jörg Finkler der AfD dazu: „Wir als AfD wollen sichergehen, dass die Mannheimer Steuergelder für Mannheimer Belange ausgegeben werden. Also nicht für Wirtschaftsflüchtlinge, nicht für verfassungsfeindliche Vereine und schon gar nicht zur angeblichen „Rettung des Weltklimas“

Auch wenn sich CDU und AfD in Härte und in einzelnen Punkten unterscheiden, ist die inhaltliche Stoßrichtung aber die Gleiche. Was wir hier spüren ist ein rechter Sozialabbau auf kommunaler Ebene, der sich mit als Erstes auf (inter)kulturelle und progressive Projekte ausrichtet. Der Kampf ums JUZ ist von daher nicht nur der Kampf ums JUZ sondern auch der Kampf gegen eine rechte Haushaltspolitik und nicht isoliert, sondern im Kontext des allgemeinen Rechtsrucks zu betrachten.

In der Praxis bedeutet der Rechtsruck und rechte Mehrheiten nämlich nicht zwangsläufig die Einführung des Faschismus über Nacht, sondern vielmehr den stückweisen Umbau unserer Gesellschaft: Zurückdrängen progressiver und linker Handlungsspielräume, Rücknahme von Errungenschaften wie Arbeitnehmer*innen- und Sozialrechten oder Klimaschutzmaßnahmen und den schrittweisen Ausbau des autoritären Staates.

Zusammenarbeit CDU und AfD

Die Zusammenarbeit von CDU und AfD mag viele erst mal schockieren, und das auch völlig zurecht. Am Ende ist die Gemeinderatssitzung am 1. Oktober jedoch einfach ein Blick hinter den Vorhang gewesen: Die CDU und AfD verfolgen faktisch auf kommunaler wie auf bundesweiter Ebene oft die selben oder sehr ähnliche Ziele. Die AfD und ihre gesteigerten Wahlerfolge geben der CDU perspektivisch die Möglichkeit ihre Ziele gegen die Parteien der Ampel durchzusetzen. In der Öffentlichkeit ziert sich die CDU noch vor der Zusammenarbeit mit der AfD, auch im konkreten Fall in Mannheim. Das hat jedoch nichts mit einer überzeugten Ablehnung der AfD-Positionen zu tun, sondern kommt aus der Angst um die negative öffentliche Reaktion. Das zeigt uns, dass es sich weiter lohnt jede Form von Annäherung der CDU an die AfD zu skandalisieren und damit einer Normalisierung von solchen Bündnissen entgegenzuwirken. Wir machen uns aber keine Illusionen, dass diese Maske früher oder später fallen wird.

Linke Freiräume erhalten

Das JUZ Mannheim ist fester Bestandteil der jüngeren linken und antifaschistischen Bewegung in Mannheim. Nicht nur die aktuell viel hervorgehobene Sozialarbeit mit Jugendlichen und Geflüchteten ist wichtig und erhaltenswert. Gerade auch der Umstand, dass das JUZ politischen Initiativen wie dem OAT einen Raum bietet und selbst einen klaren linken Standpunkt vertritt ist in den heutigen Zeiten viel wert und nicht selbstverständlich. Dass das JUZ trotz seiner städtisch unterstützten Finanzierung hier nicht einknickt und seinen Werten treu bleibt – und diese Angesichts rechter Angriffe auf das Projekt auch offensiv politisch verteidigt, ist wichtig und richtig.

Für uns ist also vollkommen klar, dass wir als linkes Zentrum und als Teil der linken Bewegung in Mannheim solidarisch an der Seite des JUZ stehen und uns gegen die Streichung von Fördermitteln für das JUZ, aber auch für andere kulturelle und alternative Initiativen oder diverser Klimaschutzmaßnahmen in Mannheim stark machen.

Gegenmacht von unten bauen

Wenn wir uns die politische Entwicklung in Deutschland und speziell in Mannheim anschauen, zeigt sich, dass unser Kampf gegen rechte Sparpolitik weder beim JUZ anfängt noch beim JUZ aufhört. Es ist natürlich richtig und notwendig, solche gezielten Angriffe von rechts auf einen linken Freiraum gemeinsam abzuwehren. Gleichzeitig dürfen wir das nicht als ein isoliertes Ereignis begreifen, sondern als Ausdruck des anhaltenden gesellschaftlichen Rechtsrucks. Deshalb dürfen wir als linke Bewegung nicht beim reinen Verteidigen und Abwehren stehen bleiben, dies gilt sowohl in Bezug auf Schließungsversuche von linken Räumen, aber auch beispielsweise beim Umgang mit rechten Akteuren wie der AfD im öffentlichen Raum.

Wir müssen mit unserer Politik und Praxis wieder relevant für den Großteil der Gesellschaft werden. Wir müssen die aktuell weit verbreiteten Zweifel und Sorgen der Bevölkerung angesichts sich zuspitzender Krisen praktisch aufgreifen und linke Antworten sichtbar und greifbar machen. Es gibt genug Themen, die sich dafür anbieten und von einer organisierten linken und klassenbewussten Praxis enorm profitieren würden. Beispielhaft genannt sind aktuelle Arbeitskämpfe, Proteste gegen Kriege und Aufrüstung, Widerstand gegen anhaltende Mietsteigerungen und andere Preiserhöhungen sowie der Kampf um Klimagerechtigkeit. Dabei dürfen wir nicht den Blick aufs Große Ganze verlieren: Unser Ziel bleibt die Abschaffung des Kapitalismus, genau wie der Kapitalismus die Wurzel der Probleme unserer Gesellschaft bleibt. Trotzdem müssen wir uns in reale Kämpfe einmischen und antikapitalistische Standpunkte im Alltag greifbar machen. Das erfordert mitunter Kompromisse, schwierige Bündnisverhältnisse und Arbeiten mit politischen Widersprüchen – ist aber der einzige Weg, eine tatsächliche Relevanz jenseits von abstrakter und nicht greifbarer Revolutionsrhetorik zu entwickeln. Denn natürlich sind wir weit davon entfernt eine Revolution in unserem Sinne umzusetzen. Das müssen wir realistisch anerkennen und damit arbeiten. Was wir aber tun können, ist möglichst viele Menschen von linken Ideen, wie sozialer Gerechtigkeit, Feminismus, Antirassismus, Antimilitarismus und vielem mehr, zu überzeugen und damit gleichzeitig eine stabile linke Gegenmacht aufzubauen, die möglichst unabhängig von städtischen oder staatlichen Mitteln funktioniert und trotz voranschreitenden Rechtsrucks und perspektivisch noch stärkeren rechten Mehrheiten eine eigenständige linke Praxis und antifaschistischen Widerstand aufrecht erhalten kann.

Die Herausforderung liegt darin, all diese Phrasen und guten Vorsätze tatsächlich in die Realität umzusetzen. Der Weg liegt im konkreten Tun und in der kontinuierlichen politischen Praxis – möglichst nah an der Lebensrealität der Menschen.

Ewwe longt’s – Linkes Zentrum Mannheim




Inflation: Alles wird teurer und irgendwie ist die EZB Schuld…

Das hört sich irgendwie zu einfach an? Ist es auch. Aber so oder so ähnlich lassen sich die Aussagen einiger politischer Kommentator:innen in den letzten Wochen und Monaten zusammenfassen. Da es sich bei Inflation um ein komplexes gesamtwirtschaftliches Phänomen handelt, was über die reine Geldmenge hinausgeht und eine gewisse Preissteigerung bei wachsender Wirtschaft sogar erwünscht ist, geht neben vielem anderen schnell mal unter.

Zu verlockend scheint die Möglichkeit das Thema populistisch und demagogisch aufzuladen, um die vielbeschworenen „kleinen Leute“, die ja tatsächlich am stärksten von steigenden Lebenshaltungskosten betroffen sind, auf seine Seite zu ziehen. Dass Rechte hier besonders auffallen ist nur all zu verständlich. Die berechtigten Sorgen und realen Bedrohungen vieler, lassen sich schließlich leicht mit dem Versagen derer da oben verknüpfen, ohne das weitere Erklärungen notwendig scheinen. Die EZB dient dann zusätzlich als Zielscheibe und stellvertretend für eine ohnehin verhasste EU.

Grundsätzlich ist eine Vereinfachung komplexer Sachlagen zur politischen Kommunikation gegenüber dem Demos auch nicht verwerflich. Die daraus abzuleitenden politischen Forderungen und Maßnahmen sollten allerdings auf wahren Grundlagen beruhen. Gerade deshalb ist es wichtig sich mit dem Phänomen der Inflation auch differenzierter auseinanderzusetzen und sich nicht in einen Wettbewerb der Plattitüden mit rechten Akteur:innen zu begeben. Die ökonomischen Grundlagen der Inflation scheinen bei näherer Betrachtung zwar komplex, aber nicht unbedingt kompliziert, auch wenn bei vielen Detailfragen in den Wirtschaftswissenschaften noch Uneinigkeit herrscht. Dass die Inflation allein mit dem Leitzins zusammenhängt, kann zum Beispiel dadurch widerlegt werden, dass sich dieser im Euro-Raum über zehn Jahre auf Rekordtief befand und trotzdem keine Inflation über Maßen eintrat. Die Verteuerung von Geld durch einen höheren Leitzins, könne sogar dazu führen das Wirtschaftswachstum zu drosseln, da Kapitalerträge nun wieder lukrativer werden und Geld von Investitionen abgezogen werden könnte. Da die Inflationsrate über einen Warenkorb berechnet wird, kann zudem schon die Teuerung einiger Produkte (z.B. durch Missernte) zu einer erhöhten Inflation führen, wobei viele andere Produkte davon unberührt bleiben können. Es ist also durchaus ein wenig mehr, als nur der Leitzins der EZB, der die Inflation „steuert“. Was jedoch sicher ist, dass Geringerverdienende und Haushalte ohne Vermögen am stärksten davon betroffen sind. Fragen der Inflationsbekämpfung sind also auch Fragen der Gerechtigkeit und über die Verteilung von Wohlstand.

Quelle: Linkes Zentrum Ewwe Longts

Einen Versuch, die Inflation sowie ihre Ursachen und Auswirkungen verständlich zu machen, unternimmt die Initiative Soziale Kämpfe (ISK) am kommenden Dienstag, den 12.07.2022 um 19:00 Uhr im Linken Zentrum Ewwe Longts in der Kobellstraße 20, Neckarstadt/Ost.

Spannend dürfte vor allem die Frage sein, wie linke Kräfte auf die ökonomischen Entwicklungen reagieren und damit über eines ihrer Kernthemen an politischer Schlagkraft gewinnen können. Schließlich gehört die Bekämpfung de ökonomischen Verletzbarkeit des Großteils der arbeitenden Bevölkerung seit je zum Kern linker Politik. Die Gegenseite bringt sich bereits in Stellung, wenn Arbeitgeberverbände schon darauf hinweisen, dass Lohnerhöhungen in dieser wirtschafltichen Lage nicht möglich seien. Mit dem Mythos einer „Lohn-Preis-Spirale“ wird die Angst vor weiteren Preissteigerungen geschürt, sollten Arbeitnehmer:innen in den anstehenden Tarifverhandlungen zu viel fordern. Diese sogenannte Spirale ist nicht nur historisch und ökonomisch kaum belegt, sondern lässt der Name zudem außer Acht, dass auch Löhne Preise sind- nämlich die Preise für Arbeit. Und gerade die Löhne sind in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland kaum über Inflationsniveau hinaus gestiegen. Besonders absurd stellt sich das Vorgehen der Konzerne dar, wenn in wirtschafltich starken Zeiten keine Lohnerhöhungen möglich sein sollen, um den Aufschwung nicht zu gefährden, um dann in der Krise mit offenene Armen nach staatlichen Subventionen wie dem Kurzabeitergeld zu greifen, um selbst in der Corona- Krise noch Rekordgewinne für Management und Aktionär:innen einzufahren. Die diesjährigen Tarifverhandlungen dürften demnach Signale setzen, wie es um die Machtverhältnisse zwischen Konzernen und Arbeitnehmer:innen steht.

 

Zu den Ursachen der aktuellen Inflation zählen auch die Folgen der Corona-Pandemie, welche immernoch nicht überwunden ist und sich durch Lockdowns in China deutlich auf die Weltwirtschaft auswirkt. Auch der Krieg in der Ukraine sowie die damit verbundenen machtpolitischen Spiele mehrerer Nationen, werden uns vermutlich noch mehrere Jahre beschäftigen und sich auf die Inflation, zum Beispiel in Form steigender Energiekosten auswirken. Eine Auseinandersetzung mit Inflation und dem politischen Umgang damit, scheint für eine Linke aktuell unumgänglich.

 

Text: DeBe




Ewwe Longts Sommerkino: Umsont & draußen

Das erste Sommerkino am 23. Juni – entspannte Stimmung beim Sonnenuntergang am Neckar

Das Linke Zentrum Ewwe Longts veranstaltet in der Neckarstadt kostenloses Sommerkino. Im Freien werden politische Filme und Dokumentationen gezeigt, eine erste Veranstaltung fand am 23. Juni am Neckarufer statt. Als zweiter Film wird „Wem gehört die Stadt“ am Freitag 6. August am Neumarkt gezeigt.

Im Dokumentarfilm „Wem gehört die Stadt“ geht um es den Immobilienboom und die dramatischen Folgen, die auf die Mieter*innen in den Ballungsregionen zu kommen. Der Film ist zwar bereits ein paar Jahre alt, hat aber kaum etwas an Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil: Die Entwicklung nimmt immer mehr Fahrt auf – gerade auch in Mannheim – und zunehmend organisieren sich Mieter*innen in den Städten gegen die Spekulant*innen.

Beim ersten Sommerkino wurde der gewerkschaftliche Film „Luft zum Atmen“ gezeigt, der die rebellischen Arbeitskämpfe bei Opel in Bochum analysiert. Die Gruppe Oppositioneller Gewerkschafter (GoG) hatte auch gegen den Willen der IG Metall wilde Streiks organisiert und beinahe die weltweite Produktion von General Motors lahm gelegt. Im Film geht es um Erfolg und Scheitern betrieblicher Arbeitskämpfe.

Das Linke Zentrum Ewwe Longts will „den gebeutelten Pandemieseelen etwas Gutes zu tun“ und da im eigenen Laden wegen beengter räumlicher Verhältnisse kaum etwas lost ist, kam die Idee des Open Air Kinos auf. Getränke und Popcorn können selbst mitgebracht werden oder gibt es gegen eine kleine Spende ans Ewwe Longts direkt vor Ort.

Ewwe Longts Sommerkino „Wem gehört die Stadt“
am Freitag 6. August ab 21 Uhr (Achtung, neue Uhrzeit!)
am Neumarkt, Neckarstadt-West
Linkes Zentrum Ewwe Longts bei Facebook

(cki)




Kretschmann: „Impfen ist eine tolle Sache“ – Ministerpräsident auf Stippvisite in Mannheim

Auf Einladung der Mannheimer Stadtspitze besuchte MP Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) am 02.07.2021 den Stadtteil Neckarstadt-West. Auf dem Programm standen das Impfzentrum im Bürgerhaus, die Baustelle „Kaisergarten“ und das Kulturprojekt ALTER. Konfrontiert wurden der Ministerpräsident und der OB Dr. Kurz (SPD) mit Kritiken und Forderungen von GentrifizierungsgegnerInnen. In dieser Diskussion machte der Mannheimer Oberbürgermeister keine gute Figur.

Impfzentrum Bürgerhaus

Dr. Tobias Vahlpahl, Impfkoordinator und Koordinator Quartiermanagement in Mannheim, führte den Ministerpräsidenten durch das Impfzentrum. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor, wenn nicht der entscheidende, so die Verantwortlichen, ist das ehrenamtliche Engagement. Ohne dieses, so würdigten es auch MP und OB, könne man die Menschen in diesem Stadtteil nicht erreichen und von der Wichtigkeit einer freiwilligen Imfpung überzeugen. Hervorgehoben wurde auch die Relevanz von sozialem Status und Gesundheitsvorsorge. Dort wo es sich anbietet, ist es sinnvoll in die Quartiere zu gehen. MP Kretschmann: „Mannheim kann mit diesem Ansatz für Baden-Württemberg ein gutes Beispiel sein“.

Dr. Vahlpahl sagt dem KIM auf Nachfrage: „Im Bürgerhaus wird das Covid19-Vakzin des Herstellers Moderna verimpft. Zwischen 20. Juni und 04. Juli 2021 konnten 4.500 Personen aus dem „Kiez“ auf freiwilliger Basis geimpft und geschützt werden. Dies zeige den hohen Bedarf an Gesundheitsschutz in Pandemiezeiten in diesem Stadtteil.“ Mit dieser hohen Impfbereitschaft hatten Vahlpahl und sein Team zu Beginn der Aktion nicht gerechnet.

„Kaisergarten“ wird Kinder- und Jugendzentrum

Ab 2022 soll das ehemalige und aus der Kaiserzeit stammende Veranstaltungsgebäude in neuem Glanz erstrahlen. Vor Ort lies sich MP Kretschmann über den Umbaufortschritt und die künftige Nutzung informieren. Künftig soll es in dem neuen Zentrum für junge Menschen in diesem Stadtteil sowohl kulturelle Angebote, als auch Betreungsmöglichkeiten geben. Die Kosten für den Umbau tragen Land und Stadt.

Zwischenstopp Neumarkt

Hier finden aktuell umfangreiche Sanierungsarbeiten statt, die der Neugestaltung dienen. Hier vor allem der großen Grünfläche. Diese hatte in den letzten Jahren ziemlich „gelitten“ und sah optisch nicht mehr gut aus. Man darf auf das Neue gespannt bleiben.

Projekt ALTER und Wohnen in der Neckarstadt-West

Bei der Ankunft am Neckarufer warteten schon dutzende GentrifizierungsgegnerInnen auf den grünen Landesvater.

Kretschmann und Kurz stellten sich bereitwillig den DemonstrantInnen, um deren Forderungen und Kritiken zu hören. Bemängelt wurden von den AktivisitInnen beispielsweise, dass die Stadt zu wenig von ihrem Vorkaufsrecht bei Immobilien gebrauch machen würde und dass die Mietpreise insgesamt zu hoch seien. OB Dr. Kurz zog sich auf den Punkt zurück, dass oft Preise aufgerufen würden, bei denen die GBG einfach nicht mitbieten würde. Kapitalstarke Investoren haben damit die Oberhand. Defensiv sagte der OB, dass man sich gezielt, auch im Stadtteil Jungbusch, gegen weitere Gentrifizierungstendenzen einsetze. Auch und um u.a. bulgarischen Migranten bessere Wohnmöglichkeiten bieten zu können. Oft habe die Stadt aber gar keine Möglichkeiten ihr Vorkaufsrecht auszuüben.

„Mietpreise für knapp 1.000,- Euro im Monat für ein Studi-Zimmer“ war ein weiteres Reizthema. Darauf konnte OB Dr. Kurz nur sagen, dass dies etwas mit Abfindungszahlungen zu tun hätte und die Stadt in diesem Fall nicht tätig werden konnte. Was dies auch immer heißen mag? Es schien so, dass der MP „gute Miene zum bösen Spiel“ machte.

ALTER rockt. Das noch recht frische Kultur- und Kunstprojekt wird – pandemiebedingt – erst jetzt durchstarten können. Ausgehen tut dies vom allbekannten Einraumhaus. Nun erweitert um die Flächen des ehemaligen Eichbaum-Biergartens entsteht dort ein neues Kunst-/Kulturangebot gepaart mit Sport und urbaner Mobilität. Plus kleiner Gastronomie. Finanziert wird das Projekt auch mit Mitteln der Stadt.

 

(Bericht und Fotos: Christian Ratz)

Weiterführende Links:

https://www.alter-mannheim.de/

https://www.mannheim.de/de/seiten?fulltext=impfzentrum+neckarstadt

https://www.mannheim.de/de/nachrichten/kaisergarten-wird-saniert




Demo auf Fensterbrettern und Balkonen: Housing Action Day in der Neckarstadt [Videobeitrag]

„In den letzten 10 Jahren sind die Mieten um 37% gestiegen, doch niemand von uns hat eine solche Gehaltserhöhung bekommen“, beschreibt Ursula die Problematik im Stadtteil Neckarstadt. Irgendwann könne man sich das einfach nicht mehr leisten. Gegen Immobilienspekulation und den „Ausverkauf der Neckarstadt“ richtete sich eine Protestaktion, an der sich neben Ursulas Initiative FairMieten auch das Linke Zentrum Ewwe Longt‘s und viele Mieter*innen und Initiativen, wie das Hausprojekt Viertel 8 in der Waldhofstraße, beteiligten.

Mit Transparenten, die von Balkonen und aus Fenstern der Wohnungen gehängt werden, wolle man zeigen, dass man geeint gegen Mieterhöhungen und Verdrängung protestiere. Und tatsächlich waren an vielen Häusern in Ost und West die Banner mit den rot-weißen Händen zu sehen. Eine eigentlich für den selben Tag geplante Kundgebung auf dem Neumarkt musste wegen der Corona-Krise abgesagt werden.

Im Videobeitrag erläutern die Aktivist*innen, warum das Aufwertungsprogramm der Stadtverwaltung Probleme mit sich bringt. Kritik wird an der Zusammenarbeit mit Immobilienspekulant*innen geübt. Ein aktuelles Beispiel sei ein Gastronomieprojekt am Neckarufer, das für ein junges, zahlungskräftiges Publikum geplant werde. Stattdessen gibt es die Forderungen nach einem Mieterhöhungsstopp, ähnlich wie es in Berlin beschlossen wurde, und den Ausbau des Bestands von Wohnungen in öffentlicher Hand. 

(cki)

Videobeitrag

YouTube Video

Direktlink zu Youtube: https://youtu.be/CiffpZIJiGQ

 

Bildergalerie




Hände weg von Venezuela: Reisebericht von Andrej Hunko (MdB DIE LINKE) im Ewwe longt‘s

Gut besucht war das linke Zentrum Ewwe longt’s in der Neckarstadt am 4. September 2019: Rund 50 Besucher*innen drängten sich in den Raum, um Andrej Hunkos Reisebericht über Venezuela zu lauschen und mitzudiskutieren.

 

 

Andrej Hunko reiste im April 2019 als erster deutscher Bundestagsabgeordneter seit Beginn der politischen Krise in das südamerikanische Land. Begonnen hat diese am 23. Januar diesen Jahres, als der Parlamentspräsident Juan Guaidó der konservativen Oppositionspartei Voluntad Popular sich selbst zum Interimspräsidenten ausgerufen hatte. Hintergrund waren innenpolitische Auseinandersetzungen zwischen Staatspräsident Maduro und v.a. rechten Oppositionsparteien, die die letzte Parlamentswahl im Mai 2018 teilweise boykottierten. Maduro wurde 2013 als Nachfolger von Hugo Chávez zum Staatspräsidenten gewählt und 2018 wiedergewählt. Zu jener Wahl waren Wahlbeobachter aus der ganzen Welt nach Venezuela eingeladen, um den korrekten Ablauf der Wahl zu prüfen. Von der LINKEN waren Heike Hänsel und Michel Brandt vor Ort. Sie bestätigten, wie die Wahlbeobachtung insgesamt, einen transparenten und rechtmäßigen Verlauf.

Direkt nach dessen eigener Ernennung wurde Guaidó von USA und deren verbündeten Staaten als rechtmäßiger Staatspräsident anerkannt. Scharfe Wirtschaftssanktionen wurden im Laufe der darauffolgenden Wochen gegen Venezuela verhängt. Auch die deutsche Bundesregierung erkannte Guaidó an, was ein absolutes Novum in der deutschen Politik darstellte: Denn eine vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestags erstelltes Gutachten kam zum Schluss, dass die Anerkennung Guaidós nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Somit verstößt Deutschland gegen das Völkerrecht. Entgegen des durch die Presse erzeugten Eindrucks erkennen nur etwa 54 Staaten weltweit Guaidó als Staatspräsidenten an – die meisten Staaten auf der Welt tun dies nicht. Die Begründung der Bundesregierung lautet Hunko zufolge: Im Krankheitsfall des gewählten Staatspräsidenten kann der Interimspräsident, in diesem Fall Guaidó, als rechtmäßiger Präsident anerkannt werden. Maduro ist jedoch nicht krank, so dass diese Begründung unhaltbar ist.

Die Gefahr eines gewaltsamen Regime Changes war und ist Hunko zufolge hoch akut, weshalb er bereits Ende Februar nach Venezuela reisen wollte, um die Lage vor Ort zu eruieren. Etwa eine Stunde nachdem er den hierfür notwendigen und internen Dienstreiseantrag beim Bundestag gestellt hatte, erhielt er einen Anruf von der BILD-Zeitung. Vom Journalisten am Telefon wurde Hunko zur geplanten Reise ausgefragt, u.a., was er denn bei dem Diktator Maduro wolle. Wer aus der Bundestagsverwaltung den Dienstreiseantrag der Presse weitergegeben hatte, ist nicht bekannt.

Krankheitsbedingt verschob Hunko seine elftägige Venezuela-Reise auf April. In Kooperation mit den Botschaften und mit Unterstützung einer seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter vereinbarte er 30 Gesprächstermine mit Personen unterschiedlicher Organisationen. Auch Guaidó und Maduro waren darunter. Das Gespräch mit Guaidó war wenig aufschlussreich. Er forderte immer wieder ein militärisches Eingreifen der USA und noch schärfere Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela, wofür er jedoch selbst bei anderen Oppositionellen zunehmend auf Kritik stieß. Verhandlungsangebote mit der Regierung Maduro lehnte Guaidó stets ab mit der Begründung, dass die Regierung so nur Zeit gewinnen wolle. Seiner Auffassung nach müsse sie aber schnellstmöglich gestürzt werden.

Maduro betonte bei ihrer Zusammenkunft, dass seine Regierung stets zum Dialog mit der Opposition und mit Guaidó, sogar mit dem „Teufel“, bereit ist. Verhandlungen mit Guaidó seien aber derzeit sinnlos, wenn diese auf Druck der USA immer wieder abgebrochen würden. Der humanitären Krise in Venezuela sei sich die Regierung bewusst, wolle aber eine militärische Intervention von außen verhindern. Das Treffen mit Maduro nutzte die deutsche Presse, insbesondere Springer, um gegen Hunko zu hetzen.

Hunko erläuterte, dass Venezuela schon seit Langem unter wirtschaftlichen Problemen leidet, was u.a. an der politischen Fokussierung auf Erdöl und dessen gesunkenem Preis liegt. Diese Sanktionen wurden und werden durch die Wirtschaftssanktionen nochmals zunehmend verschärft. Auf Druck der USA wurde das venezolanische Kapital bei ausländischen Banken eingefroren, so dass der Staat darüber nicht verfügen kann. Einer Studie zufolge sind haben die Sanktionen zu 40.000 Toten in Venezuela geführt, obwohl laut Hunko die humanitäre Krise sich kaum im Straßenbild bemerkbar gemacht hat. Letztendlich seien die völkerrechtswidrigen Wirtschaftssanktionen aber Teil einer internationalen Strategie, um das südamerikanische Land zu destabilisieren und einen politischen Umsturz hin zu einer wirtschaftsliberalen Ausrichtung zu ermöglichen. Als erdölreiches Land befindet sich Venezuela im Fokus transnationaler Unternehmen und anderer Staaten, die wirtschaftliche Interessen verfolgen.

Staatspräsident Maduro stützt sich Hunko zufolge nicht auf das Militär, das dennoch hinter ihm steht, sondern auf die arme und weniger wohlhabende Bevölkerung Venezuelas. Gerade deshalb könnte es zu einem Bürgerkrieg kommen, wenn das Militär sich von Maduro abwenden würde: Denn er hat noch immer eine große Anhängerschaft in der Zivilgesellschaft. Nicht aber, weil diese nicht unbedingt Maduro als Person, sondern die durch ihn immer noch verkörperte Idee des Chavismus unterstützen und sie den Einfluss der rechten und neoliberalen Opposition eindämmen wollen.

Zum Schluss berichtete Hunko über die Lateinamerika-Karibik-Konferenz Ende Mai, zu der Bundesaußenminister Heiko Maas eingeladen hatte; Venezuela wurde jedoch als einziger Staat dieser Region nicht eingeladen. Diese Gelegenheit nutzte die norwegische Regierung, um Maduro und Guaidó zu einem Vermittlungsgespräch nach Oslo einzuladen. Die norwegische Regierung hat somit die Bundesregierung vorgeführt und gleichzeitig die Rolle eines neutralen Vermittlers eingenommen. Guaidó wird nach wie vor durch die Bundesregierung als rechtmäßiger Präsident Venezuelas anerkannt. Mit den Forderungen der LINKEN schloss Hunko seinen umfangreichen Bericht ab, nämlich die Rücknahme der Anerkennung Guaidós, die Unterstützung von Vermittlungsgesprächen, die Auszahlung von den bisher blockierten 5 Millionen Euro humanitäre Hilfsgelder, die Einhaltung des Völkerrechts und die Beendigung der Wirtschaftssanktionen.

Im Anschluss an den Bericht erfolgte eine etwa einstündige Diskussion mit den Teilnehmenden im Ewwe longt’s, in der noch tiefer auf diverse Aspekte Hunkos Reise und der politischen Situation in Venezuela eingegangen wurde. So wurde u.a. von einem Zuhörer die Vermutung geäußert, dass die deutsche Industrie die neoliberale Opposition unterstützen würde, um von Unternehmensprivatisierungen profitieren zu können. Es wurde auch Kritik an der Regierung Maduro geäußert, die viele Fehler gemacht habe und auch Privatisierungen betrieben hätte, so eine andere Zuhörerin. Hunko bestätigte dies und betonte, dass auch aus Sicht der LINKEN die venezolanische Politik Kritikpunkte aufweist; dennoch gelte es, durch westliche wirtschaftliche Interessen getriebene Umsturzversuche gegen eine rechtmäßig demokratisch legitimierte Regierung zu verhindern und somit weitere gewaltsame Versuche der Regime Changes von außen zu unterbinden. Auch wenn über Venezuela in den vergangenen Monaten kaum noch in der deutschen Presse berichtet wird, so hat sich die Situation dort noch lange nicht gebessert – Guaidó ist ein großer Unterstützer des rechtspopulistischen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro, welcher bei den Deutschen einen schlechten Ruf hat. Daher würde bewusst nicht mehr wie noch Anfang des Jahres so umfassend über Guaidó berichtet werden, so Hunko.

 

(Bericht und Fotos: Dennis Ulas)




Ein Raum für solidarische Perspektiven – Interview zur Eröffnung des Linken Zentrums „Ewwe longt’s“ [mit Video]

An diesem Samstag schien trotz winterlicher Kälte die Sonne. Bestes Wetter also zur Eröffnung des „Ewwe longt’s- Linkes Zentrum Mannheim“ in der Kobellstraße. Doch wie es für Ladenlokale in der Neckarstadt üblich ist, verschwanden die Sonnenstrahlen schnell hinter den Häuserschluchten. Hohe Gebäude, knapper Wohnraum, wenig Ladenfläche. So ist auch unser Eindruck, als wir das erst Mal einen Fuß ins „Ewwe longt’s“ setzen.

Nach dem Eingang kommt gleich der Hauptraum. Dieser soll für kleinere Veranstaltungen, wie zum Beispiel Lesungen oder Gruppentreffen genutzt werden. Nebenan gibt es ein Büro mit Arbeitsplatz. Dort wurde auch das Buffet aufgebaut: Kuchen, Salate, Gemüse, Fisch, vegane Hackbällchen und natürlich Sekt – für jeden Geschmack schien etwas dabei zu sein.

Klein aber gemütlich

Weiter hinten im „Linken Zentrum“ geht es zur Bar mit einer kleinen Kochecke. Dort wurde Geld gezählt, Knabberkram in Schüsseln angerichtet und Kaffee gekocht. Deneben führt eine Tür in einen kleinen Lagerraum. In der anderen Richtung geht es zur einzigen Toilette. Über den Hinterausgang geht es sogar zu einer kleinen Terrasse im Hinterhof – das macht Vorfreude auf den Sommer.

Es ist zwar recht eng und düster im Erdgeschoss eines Hauses in der Kobellstraße, aber die Aktivist*innen des „Ewwe longt’s“ haben für eine freundliche Atmosphäre gesorgt: Helle Wände, dezent geschmückt mit politischen Plakaten und einer großen roten Fahne, dazu einige Pfänzchen und wenige Möbel. Vieles ist sicher noch im Aufbau, aber der Betrieb kann beginnen. Und so kommen gegen 14 Uhr auch die ersten Gäste.

Einige der ersten Besucher*innen waren gleich mal ungebetene. Rechte Störer*innen liefen ein, wurden wieder heraus gedrängt und als es vor dem Laden zum Streit kam, wurden Gäste des „Ewwe longt’s“ mit Pfefferspray angegriffen. Die Polizei konnte später neun Rechte kontrollieren (KIM berichtete).

Nach diesem Zwischenfall, bei dem nach Auskunft der Veranstalter*innen drei Personen verletzt wurden, konnte die eigentliche Veranstaltung ohne weitere Probleme verlaufen. Nach und nach wurde es immer voller. Als um 15 Uhr das Programm begann, war kaum mehr ein Durchkommen durch die Räume möglich.

Solidarische Perspektiven, unabhängige Finanzierung

Die Sprecher des Zentrums begrüßten die Gäste und stellten ihr Konzept vor. Das „Ewwe longt’s“ soll ein politischer Laden für die Neckarstadt sein. Ein Ausgangspunkt für politische Aktivitäten, beispielsweise das Engagement gegen Gentrifizierung, also die Verdrängung der angestammten Bewohnerschaft durch steigende Mieten. Es soll aber auch ein Raum für Theorie und Utopie sein. „Wir wollen gemeinsam mit unserer Klasse Perspektiven entwickeln für eine Welt in der die Solidarität an die Stelle der Konkurrenz und Kollektivität an die Stelle der Ausbeutung tritt.“

Der Raum ist durch seine Nutzer*innen selbstverwaltet. Sie sind stolz darauf, dass die Finanzierung ohne staatliche Fördergelder gestemmt wird: „So erhalten wir unsere inhaltliche und organisatorische Unabhängigkeit“. Natürlich sucht das „Ewwe longt’s“ weitere finanzielle Unterstützer*innen.

Woher kommt eigentlich der Name des linken Zentrums „Ewwe longt’s“? Was hat es damit auf sich? Diese Antwort und weitere erfahrt ihr in unserem Videobeitrag. Das Interview führten wir am Samstag, kurz vor der Eröffnung.

Videointerview mit Aktiven vom „Ewwe longt’s“


Direktlink zu Youtube: https://youtu.be/lKalo2fm4Q0

Das offizielle Programm zur Eröffnung beinhaltete einige weitere Grußworte. Die Redner*innen kamen dabei von nah und fern. Karl-Heinz-Royen vom benachbarten Bücherladen erzählte nicht nur von der Geschichte der Räume. Vor dem linken Zentrum hatte der Künstler Walter Günderoth den Laden als Atelier gemietet. Er verstarb 2017 und blieb vielen Menschen – nicht nur in der Neckarstadt-Ost – als engagierter, kritischer und politischer Mensch in Erinnerung. Weiter berichtete Karl-Heinz-Royen auch von den Aktivitäten der Initiative Fairmieten, die sich seit Jahren gegen den Mietwucher und die Gentrifizierungsprozesse einsetzt und seinerzeit das Atelier als Treffpunkt nutzen durften.

Kneipe, Leseabende, politische Filme und feministische Veranstaltungen

Grußworte kamen auch von Vertretern von anderen Linken Zentren aus Baden-Württemberg. Ähnliche Läden gibt es beispielsweise in Stuttgart, Freiburg und Villingen-Schwenningen, die alle ein ähnliches antikapitalistisches Programm verfolgen.

Ein frisch gegründeter Arbeiterliederchor sang und spielte bekannte Lieder, wie das Einheitsfrontlied, Bandiera Rossa, die Internationale, das Solidaritätslied und die Moorsoldaten, begleitet von Gitarre und Trommel. Das Publikum sang mit, die Kinder tanzten und die Stimmung war bestens. Später trat Bernd Köhler, Musiker und Mitinitiator der Initiative „Bunte Vielfalt statt völkischer Einfalt“ auf.

Als endlich das Buffet eröffnet wurde, entspannte sich die Enge im Raum ein wenig und die Besuchermassen – für das Linke Zentrum definitiv zu viele – verteilten sich bis auf die Straße. Viele Gäste blieben bis zum Abend und ließen die Veranstaltung bei einem Getränk und lockeren Gesprächen ausklingen.

Mit der Eröffnungsfeier hat das Linke Zentrum sein Programm offiziell begonnen. Ab sofort soll es jeden Freitag einen Kneipenabend und zweiwöchentlich montags ein Café geben. Dazu kommen weitere Veranstaltungen, wie der SDAJ Lesekreis, eine Filmvorführung oder die Auftaktveranstaltung der feministischen Gruppe „Rosen unterm Beton“ zu ihrer Reihe zum Frauentag 2019.

Weitere Infos gibt es auf der Facebookseite von „Ewwe longt’s“

(cki)

 

Siehe auch: Angriff rechter Störer*innen auf Eröffnungsfeier des „Ewwe longt’s“ – Funktionär der AfD-Jugend mit dabei

Infolge der versuchten Störaktion durch Rechte, bei der drei Gäste des „Ewwe longt’s“ durch Pfefferspray verletzt wurden, kam es zu zahlreichen Solidaritätsbekundungen, darunter auch von Politiker*innen von Linken und Grünen. Beim Neujahrsempfang Neckarstadt-West verurteilte der SPD-Stadtrat Thorsten Riehle die rechte Störaktion.

Uns erreichten zwei schriftliche Solidaritätserklärungen von Gökay Akbulut (MdB, Die Linke) und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), die wir an dieser Stelle veröffentlichen.

 

VVN Mannheim solidarisch mit Linkem Zentrum

Wir sind als Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten empört über den provokatorischen Übergriff auf Teilnehmer der Eröffnung eines Linken Zentrums in der Neckarstadt-Ost und versichern den Teilnehmern und Anhängern dieses Zentrums unserer vollen Solidarität.

Es ist nicht akzeptabel, wenn Angst und Einschüchterung von rechts als normaler Vorgang betrachtet werden, wenn Linke und Antifaschisten sich treffen und für ihre Ziele eintreten.

Wir wissen von den Widerstandskämpfern, die vor 1933 die Nazis aktiv bekämpften und vor den faschistischen Gefahren warnten, wie der Naziterror klein angefangen hat und wie sich Angst, Hass und Terror immer weiter verbreiteten. Das Ende der Naziherrschaft ist bekannt.

Deshalb dürfen wir es nie mehr zulassen, das kleine Nazis und kleine Rassisten wieder groß werden. Wehret den Anfängen.

VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Kreisvereinigung Mannheim

 

Solidarität mit Ewwe longt‘s

Liebe politisch Engagierte bei Ewwe longt‘s,

vorab freue ich mich sehr, dass ihr ein Linkes Zentrum in der Neckarstadt in Mannheim eröffnet habt! Das war sicher ein Stück Arbeit und ihr habt das toll hinbekommen. Gerade heute ist ein Linkes Zentrum wichtiger denn je. Ich verfolge die Gespräche in der Straßenbahn, die politischen Debatten, lese ganze Spalten mit Hasskommentaren unter Artikeln, die sich mit Geflüchteten be-schäftigen. Das politische Klima in Deutschland hat sich verän-dert. Es kocht hoch, was vorher noch unter der Decke gehalten wurde. Es wurden wieder Dinge sagbar, die noch vor einigen Jah-ren undenkbar gewesen wären.

Ihr musstet das am eigenen Leib erfahren, als eure Eröffnungsfeier letzten Samstag angegriffen wurde. Die Angriffe auf Linke Einrich-tungen mehren sich und die Identitäre Bewegung ist da ganz of-fensichtlich eine treibende Kraft. Ich hoffe, dass dieser Angriff zeitnah aufgearbeitet wird und wünsche den Verletzten eine gute Genesung.

Ich bin mir sicher, ihr lasst euch davon nicht einschüchtern. In Zeiten der politischen Verrohung seid ihr ein Gegengewicht, ein Ort, um sich ohne kommerziellen Zwang zu treffen und gemein-sam zu diskutieren, wie eine solidarische Welt aussehen könnte.

Die Menschenrechte im Herzen und eine fundierte Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse im Kopf – so schreiten wir voran!

Mit solidarischen Grüßen
Eure Gökay Akbulut

 




Angriff rechter Störer*innen auf Eröffnungsfeier des „Ewwe longt’s“ – Funktionär der AfD-Jugend mit dabei

Ein Angreifer sprühte Pfefferspray auf Gäste des „Ewwe longt’s“

Die Vorbereitungen waren abgeschlossen, rund 30 junge Menschen rückten noch einmal die Tische zurecht und warteten auf die ersten Gäste. Am Samstag, 19. Januar sollte die Eröffnungsfeier des „Ewwe longt’s – Linkes Zentrum Mannheim“ um 14 Uhr in der Kobellstraße beginnen. Die ersten Gäste waren bereits vor Ort, darunter auch einige Kinder. Doch plötzlich liefen 13 junge Menschen in den Laden, viele mit schwarzen Regenjacken und Kapuzen, die offenbar nicht zum feiern kamen.

Unter den Personen, darunter eine Frau, waren einige bekannte Gesichter. Bei der Störung einer Kundgebung für Seenotrettung in Heidelberg hatte eine ähnlich zusammengesetzte Gruppe für Tumulte gesorgt. Unter dem Label „Identitäre Bewegung“ (IB) erregen Personen aus diesem Spektrum immer wieder Aufsehen. Mit dabei: Leon Stockmann, Mitglied im Landesvorstand der AfD-Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“. Erst gestern hatte KIM über ihn berichtet.

Die „Identitären“ zündeten ein bengalisches Feuer

Pfefferspray und bengalische Feuer

Die Verantwortlichen des „Ewwe longt’s“ erteilten sofort Hausverbote, doch die Gruppe wollte nicht gehen. Vor dem Laden kam es auf der Straße zu Wortgefechten und Schubsereien. Dann begannen Personen aus den Reihen der Rechten mit Pfefferspray auf Besucher*innen des „Ewwe longt’s“ zu sprühen und zündeten ein bengalisches Feuer. Auch auf den Mitarbeiter des KIM, der das Geschehen beobachtete, wurde Pfefferspray gesprüht.

Leon Stockmann, Funktionär im Landesvorstand der „Jungen Alternative“ wurde kontrolliert und durchsucht

Mittlerweile kam eine Gruppe der Bereitschaftspolizei die Kobellstraße aus Richtung Käfertaler Straße entlang gerannt. Dort waren zwei Mannschaftswagen postiert – die Polizei hatte bereits im Vorfeld einen Verdacht. Die Störergruppe rannten davon, nur Leon Stockmann und ein weiterer blieben stehen. Offenbar wartete er auf seine Freundin, die alleine zurück geblieben war.

In der Neckarstadt-Ost kam es nun zu einer Verfolgungsjagd. Bereitschaftspolizisten rannten hinter den vermeintlichen „Identitären“ her und konnten einige ergreifen. Vor Ort berichtete Revierleiter Ralph Hartmannsgruber gegenüber dem KIM, dass die Polizei fünf Personen erwischen konnte und nun Personenkontrollen und Durchsuchungen durchgeführt würden. Leon Stockmann wurde wenige Meter neben dem „Ewwe longt’s“ von der Polizei kontrolliert. Sein Rucksack wurde durchsucht.

Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz

Ein Angreifer wird abgeführt

Im „Ewwe longt’s“ kehrte so langsam wieder Ruhe ein. Der gesamte Vorfall dauerte nur wenige Minuten. Einige Gäste wurden durch Pfefferspray verletzt. Die Kinder waren glücklicherweise alle im Gebäude und bekamen den Vorfall kaum mit. Nach und nach kamen mehr Gäste und das Programm zur Eröffnungsfeier konnte wie geplant um 15 Uhr beginnen.

Am Abend erklärte die Polizei auf Nachfrage gegenüber dem KIM, dass wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz gegen die Angreifer ermittelt werde. Im Zuge der weiteren Fahndung seien insgesamt neun Personen kontrolliert worden. Sie bekamen anschließend Platzverweise. Einer sei zur Personalienfeststellung mit auf die Wache genommen worden. Bei den Durchsuchungen wurden zwei Pfeffersprays gefunden. Die Ermittlungen dauerten am Abend noch an.

Ein Bericht über die Eröffnungsfeier des „Ewwe longt’s“ folgt im KIM.

(red)

Redaktioneller Hinweis: Einige Formulierungen und Inhalte wurden im Zuge von Nachrecherchen geändert. Was genau, ist hier erklärt: Identitäre Bewegung, AfD-Nachwuchs oder rechte Störer*innen? Redaktionelle Anmerkungen zum Vorfall am Samstag

 

Video: Identitäre Bewegung versucht Eröffnungsfeier des „Ewwe longt’s“ zu stören


Direktlink zu Youtube: https://youtu.be/Esjli0esmNA

 

Stellungnahme des „Ewwe longt’s – Linkes Zentrum Mannheim“

Was war denn da los, Samstags in der Kobellstraße ?

Heute Mittag war einiges los in der Kobellstraße. Zum Eröffungsfest des neuen Linken Zentrums „ewwe longt´s“ kamen nicht nur Zahlreiche Interessierte aus Nah und Fern sondern auch unerwünschte Störer. Ein Gruppe von etwa 10 Mitgliedern der „Identitären Bewegung“- einer in mehreren europäischen Ländern agierenden faschistischen Organisation – sowie der „Jungen Alternative“ – die Jugendorganisation der AfD versuchten sich direkt nach Eröffnung unseres Festes Zutritt zu unseren Räumlichkeiten zu schaffen. Nachdem sie daran von Besucher*innen des Festes gehindert wurden provozierten sie noch weiter auf der Straße, sprühten mit Pfefferspray um sich und zündeten eine Signalfackel. Als dann schlussendlich auch noch die Polizei hinzukam nahm der Großteil der Störer die Beine in die Hand und leiferte sich ein kleines Räuber und Gendarme Spiel in den Straßen der Neckarstadt.

Wir lassen uns nicht einschüchtern! Der versuchte Angriff auf unserer Eröffnungsfeier zeigt uns eines ganz klar: Unser Projekt und der Kampf gegen rechte Hetzer und Faschisten ist richtig und wichtig insbesondere in Zeiten wie diesen!




„Ewwe longt’s“: Neues linkes Zentrum in der Neckarstadt

Im Januar eröffnet in der Kobellstraße in der Neckarstadt-Ost das „Ewwe longt’s – Linkes Zentrum Mannheim“. Unter den Stichworten „solidarisch, organisiert, antikapitalistisch“ sollen in den ehemaligen Atelierräumen in Zukunft politische Veranstaltungen stattfinden.

„Das „ewwe longt’s!“ ist ein von seinen Nutzer*Innen selbstverwalteter Raum in der Neckarstadt. (…) Uns ist es wichtig mit unserem Projekt aus der teilweise selbstverschuldeten Isolation antikapitalistischer Bewegungen in Deutschland auszubrechen“

schreiben die künftigen Betreiber*innen in einer Gründungserklärung. Dazu soll ein Raum geschaffen werden,

in dem sich politisches Potential neu bündeln kann und durch den politische Bewegungen in die Gesellschaft hinweinwirken können anstatt sich eigene Rückzugsräume zu schaffen. Denn während der Alltag der Menschen weltweit wieder immer stärker bestimmt wird von Krieg und Vertreibung, rassistischer und sexistischer Unterdrückung und während unser Planet in den letzten Atemzügen liegt, sind gesellschaftliche Alternativen zur kapitalistischen Wirtschaftsweise kaum noch wahrnehmbar und höchstens noch als Träumerei vorhanden. Das „ewwe longt’s“ soll ein Ort sein in dem Kämpfe gegen diese Missstände zusammenlaufen, insbesondere auch der Kampf gegen die zunehmende „Aufwertung“ der Neckarstadt und des gesamten Mannheimer Innenstadtbereichs.

Was konkret im „Ewwe longt’s“ geplant ist, wird noch nicht verraten. Am 19. Januar soll zunächst einmal Eröffnung gefeiert werden. Mit „Sekt, Gesang und Klassenkampf“ soll es um 14 Uhr in der Kobellstraße 20 losgehen. Die Räume befinden sich im ehemaligen Atelier des Künstlers Walter Günderoth, der im November 2017 verstorben ist.

Ihm hätte das Engagement gegen Gentrifizierung sicher gefallen, denn er war selbst aktiver Kämpfer gegen die Entwicklung der Neckarstadt-Ost und Mitglied der Initiative „FairMieten“, die sich in seinem Atelier treffen konnte. Ob er mit der Politik des „Ewwe longt’s“ d’accord ginge? In einem Nachruf schreibt Karl-Heinz Royen vom benachbarten Bücherladen:

Deshalb war es ihm wichtig, dass zunächst die Menschen sprechen, um die es geht und erst dann die Intellektuellen. Die Engagierten stehen schnell mit ihren Vorstellungen parat, wie man sich zu wehren habe (…). Walter wollte, dass niemand – auf welche Art und Weise auch immer – bevormundet wird, dass alle gleichberechtigt sind. Das war sein anarchistisches Selbstverständnis von Mit- und Füreinander.

Zumindest den Namen des „Ewwe longt’s“ müssen die Betreiber*innen sicher noch öfter erklären. Es soll die Mannheimer Variante traditionsreicher linker Parolen sein, wie „¡Ya basta!“ oder „Enough is enough!“ (hochdeutsch: „Es reicht!“) – für nicht-Kurpfälzer*innen ist das vermutlich nicht ganz selbsterklärend.

Ob sich das „Ewwe longt’s“ in der Neckarstadt behaupten kann, wird auch von der weiteren Entwicklung des Stadtteils abhängen. Denn natürlich sind die Kämpfer*innen gegen die Gentrifizierung auch selbst davon betroffen, vor allem von den seit Jahren rasant steigenden Mietpreisen. Und an Konkurrenz mangelt es in der Neckarstadt wahrlich nicht. In keinem anderen Stadtteil gibt es so viele Veranstaltungsorte für Politik und Kultur.

Infos zum „Ewwe longt’s“ bei Facebook @ewwelongts

(cki)