Neuer Gemeinderat: Bündnis Mannheim gegen Rechts warnt vor Zusammenarbeit mit der AfD

Kundgebung vor der konstituierenden Sitzung des neuen Gemeinderats

Auch Mannheim folgte bei der Kommunalwahl im Juni dem bundesweiten Trend: Es kam zum Rechtsruck. Die AfD Fraktion vergrößert sich von vier auf sieben Sitze. Eine grün-rot-rote Mehrheit gibt es im neuen Gemeinderat nicht mehr. Die neuen Verhältnisse ermöglichen einem „rechten“ Bündnis aus Bürgerlichen, Konservativen und Rechtsextremen mit der Stimme des Oberbürgermeisters auf eine knappe Mehrheit zu kommen – ob und wie diese Mehrheit in der Zukunft genutzt wird, ist offen. Das Bündnis Mannheim gegen Rechts warnt jetzt vor einer Kooperation demokratischer mit rechtsextremen Parteien.

Warnung vor informellen Absprachen und „Hinterzimmergesprächen“

Das Bündnis Mannheim gegen Rechts ist ein Zusammenschluss von über 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen und wird auch von Parteien unterstützt, die im Gemeinderat vertreten sind. Zur Kundgebung am Dienstagnachmittag zeigten auch einige Gemeinderät*innen von Grünen, SPD, Linke und Klimaliste ihre Unterstützung und hörten sich die Reden von.

Ein Sprecher des Bündnisses warnte davor, sich aus parteitaktischem Kalkül mit der AfD auf informelle Absprachen einzulassen. Mehrheiten müssten jenseits der AfD gefunden werden und das sei auch möglich, so Stadtrat Reinhold Götz (SPD). Fritz Reidenbach Sprecher der VVN-BdA Mannheim erinnerte daran, weshalb die AfD gewählt wurde: Massive Stimmung gegen Asylsuchende und Muslime und eine allgemeine Unzufriedenheit mit der politischen Großwetterlage. Er wolle aber Mut machen und erinnerte deshalb an die vielen tausend Menschen, die auch in Mannheim dieses Jahr für Demokratie und gegen Faschismus auf die Straße gegangen sind: „Diese große Breite für ein Zusammenleben in Würde und in Vielfalt gilt es weiter auszubauen und aktiv zu leben.“

Stadträte von ML und AfD beobachten die Kundgebung

„Brandmauer“ nichts weiter als ein „moralischer Gartenzaun“

Ein Sprecher des Offenen Antifaschistischen Treffens (OAT) formulierte es so: „Eine Ära der Kompromisse und Mehrheitsfindungen steht bevor.“ Konservative Kräfte könnten ihre Ziele nur mit Unterstützung der AfD durchsetzen. „Hinterzimmergespräche“ seien bereits Praxis. Die „sogenannte Brandmauer“ gegen rechts sei nichts weiter als ein „moralischer Gartenzaun“. Daher müsse man klar Stellung gegen jede Form rechter Politik beziehen, eben auch gegen unsoziale Sparkurse, strukturelle Benachteiligungen oder Diskriminierung.

Die neue Sitzordnung im Gemeinderat: Holger Schmid, Fraktionschef der Freien Wähler/Mannheimer Liste, wurde zusammen mit Jörg Finkler, Vorsitzender der AfD Fraktion an einen Tisch gesetzt

Die AfD Stadträte sahen sich die Kundgebung vom Stadthaus Balkon an, bevor sie um 16 Uhr zum ersten Tagesordnungspunkt der Gemeinderatssitzung verpflichtet wurden. Wie sich die AfD als viertgrößte Fraktion mit sieben Sitzen weiterentwickeln wird und welche neuen Seilschaften möglicherweise entstehen, wird das Bündnis gegen Rechts genau beobachten.

Passend zum Thema: Die neue Sitzordnung im Gemeinderat: Holger Schmid, Fraktionschef der Freien Wähler/Mannheimer Liste, wurde zusammen mit Jörg Finkler, Vorsitzender der AfD Fraktion, an einen Tisch gesetzt. So können sich die beiden ausgiebig über ihre Ansichten zum Thema Gendern, Straßennamen für Kolonialverbrecher, Asyl und Islam oder die Förderung des PKW Verkehrs in der Stadt unterhalten. (am)

 

Siehe auch

Europa- und Kommunalwahl: Rückblick auf den Wahlsonntag mit Rechtsruck

Eine kleinteilige Betrachtung der Wahlergebnisse kann nicht schaden

Welche Schlussfolgerungen lässt das Panaschierungsergebnis bei der Gemeinderatswahl zu?


Dokumentation: Rede der VVN-BdA zur Kundgebung vor der Konstituierung des neugewählten Mannheimer Gemeinderates am 23. Juli 2024

Verehrte Anwesende. Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Ich grüße alle Menschen, die wie wir in großer Sorge sind über die weitere Rechtsentwicklung in Europa und konkret in Mannheim.

1. Was sind die Gründe für diesen Stimmenzuwachs? Oder besser gesagt, was waren mit Sicherheit nicht die Gründe für den Zuwachs.

Eine wirklich soziale und gerechte Alternative zur Politik in Berlin und Stuttgart war Fehlanzeige bei der AfD.

Beiträge zum respektvollen und würdigen Zusammenleben in der Stadt waren es auch nicht.

Beiträge zum Ausbau der Erinnerungs- und Gedenkkultur für NS-Opfer und den Widerstand gegen den NS waren es auch nicht.

2. Wirkliche Gründe können da schon eher sein:

-Massive Stimmung gegen Kriegsflüchtlinge und Asylsuchende, für eine Remigration und eine radikale Abschiebung von Gewalttätern in ihre Heimatländer.

-Massive Stimmung gegen Muslime, angesichts der Messerattacke auf einen Polizisten mit Todesfolge auf dem Mannheimer Marktplatz. Die AfD hat dies für ihre Zwecke missbraucht und dabei an Zustimmung gewonnen.

-Eine hohe und weiter gewachsene Unzufriedenheit mit der politischen Großwetterlage im Land und in Europa. Davon hat die AfD massiv profitiert, aber keine erkennbaren Alternativen aufgezeigt, die unsere Gesellschaft sicherer und die soziale Lage vieler Menschen verbessern könnten. Stimmen aus Frust und Enttäuschung hat die AfD bekommen, für eine menschenverachtende und auf Hetze und Hass gegen Andersdenkende, anders Lebende und anders Liebende orientierte Politik. Und sie hat damit im Umfeld ermutig Menschen aus diesen Gruppen zu verleumden und mit Gewalt zu bedrohen und Gewalt anzuwenden. Zahlreiche Übergriffe auf Geflohene, immer wieder Mordanschläge, wie in München, Halle und Hanau.

3. Dieses Wahlergebnis, die AfD mit 7 Sitzen im Gemeinderat, bereit vielen Menschen Sorgen und Ängste, weil Schlimmes zu befürchten ist, wenn bürgerliche Parteien die Brandmauern einreisen, weil es ja um „Sachthemen“ gehen würde.

4. Was tun?

In unserer Gesellschaft gibt es ein großes Potential für ein friedliches, vielfältiges und sozial gerechtes Leben. Dies wurde besonders in diesem Jahr in Mannheim immer wieder bei Kundgebungen und Demonstrationen sichtbar. Tausende Menschen zeigten Gesicht gegen rechts und die AfD, viele Menschen zum ersten mal und aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen. Auch wir von der VVN haben diese Aktivitäten unterstützt.

Diese große Breite für ein Zusammenleben in Würde und in Vielfalt gilt es weiter auszubauen und aktiv zu leben.

Die Mehrheit der Zivilgesellschaft hat ihre Potentiale noch lange nicht ausgeschöpft. Dies bleibt aber dringend geboten, wenn wir den weiteren Vormarsch der in Teilen faschistischen AfD aufhalten und stoppen wollen.

Auch ein Verbot der AfD muss hierbei in Erwägung gezogen werden, denn anders als beim NPD-Verbotsverfahren 2017 ist die AfD in Teilen verfassungswidrig und hat erheblichen gesellschaftlichen Einfluss, der unser Zusammenleben und unsere Demokratie massiv bedroht.

Abwarten ist auch hier keine Lösung!

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!


Dokumentation: Rede des Offenen Antifaschistischen Treffen Mannheim zur Kundgebung vor der Konstituierung des neugewählten Mannheimer Gemeinderates am 23. Juli 2024

Keine neue Normalität: Gegen AfD und rechte Politik!

Heute, am 23. Juli, tritt der neue Mannheimer Gemeinderat erstmals zusammen. Nach der Kommunalwahl stand eine alarmierende Realität fest: Die rechtsradikale AfD hat in unserer Stadt über 14 % der Stimmen erhalten und hält ab diesem Tag nun 7 Sitze im Gemeinderat – ein Anstieg um ganze 3 Mandate. Wir müssen uns fragen: Was bedeutet dieser Erfolg für uns als Mannheimer Antifaschist*innen und für unsere Stadt?

In der vergangenen Legislaturperiode glänzte die AfD-Fraktion im Gemeinderat nur durch zuverlässige Abwesenheit. Auch ganze sieben Anträge und Anfragen in fünf Jahren reichten nicht aus, um den Eindruck zu entkräften, dass die AfDler ihre Aufgaben mit bemerkenswerter Gleichgültigkeit wahrnahmen. Ein Beispiel der durchweg unsinnigen Beschäftigungen: Die Anfrage an die Stadt Mannheim, ob sie denn über das JUZ Linksextremisten finanziere – gemeint war natürlich das OAT. In den wenigen Momenten, in denen die AfD in Erscheinung trat, tat sie dies durch ihre bekanntermaßen rassistische, spalterische und arbeiter*innenfeindliche Hetze. So forderte sie bei den Etatverhandlungen die Kürzung – oder gleich ganz Streichung – verschiedener gemeinnütziger Posten, darunter auch Mittel für Integration und gesellschaftliche Teilhabe. Ihre heuchlerische Begründung: unterfinanzierte Obdachlosenheime. Das mag stimmen, ist aber ein Paradebeispiel für die perfide Strategie der AfD: Sie spielt die verschiedenen vulnerablen Gruppen der Mannheimer Bevölkerung gegeneinander aus, um eine nutzlose und ideologische Sparpolitik durchzusetzen. Dabei besitzt das reichste 1%  ein Drittel des Gesamtvermögens in Deutschland, 100 Milliarden für die Bundeswehr sind nur eine Frage von Tagen – es gibt also mehr als genug Geld in unserem Land, man muss es sich nur holen wollen und den Wille haben es für die einzusetzen, denen es zusteht: Uns allen. Es ist kein Geheimnis: Die AfD tritt nach unten und zur Seite, aber nach oben – niemals.

Besonders perfide ist, dass mehrere internationale Studien den Zusammenhang zwischen neoliberaler Sparpolitik, mangelnden öffentlichen Investitionen und dem Erstarken rechter Kräfte belegen. In Deutschland zeigt sich: Die Regionen, die besonders unter der Agenda 2010 litten, wählen heute vermehrt rechte Parteien. Auch in Mannheim erzielte die AfD besonders in den Stadtteilen hohe Ergebnisse, in denen die Probleme groß und die Perspektiven klein sind. Während vergessene Arbeiter*innen und eine verarmende Bevölkerung sich den Lügen der Rechten zuwenden, verschärfen sich laufend soziale und ökologische Krisen. Davon profitieren diejenigen, die ohnehin schon viel haben. Eine Änderung ist nicht in Sicht – und die Rechten werden sie nicht bringen. Linke Lösungen, die die Probleme der bestehenden Verhältnisse erkennen und lösen können, haben kaum wahrnehmbare Stimmen in der breiten Öffentlichkeit.

Aber lasst uns die entscheidende Frage stellen: Wie gehen wir mit rechter Politik – sowohl der AfD wie auch abseits davon – um und wer könnte im Gemeinderat mit der AfD kooperieren? Nach dem 9. Juni steht fest: Die Mehrheit der sogenannten Fortschrittsfraktion ist dahin. Eine Ära der Kompromisse und Mehrheitsfindungen steht bevor, und dabei muss klar sein, dass rechte und konservative Kräfte ihre Ziele nur mit Unterstützung der AfD durchsetzen können – und das z.T. auch gar nicht anders wollen. Es dürfte niemanden schockieren, dass die AfD und die Mannheimer Liste sich bei vielen Forderungen einig sind und dass das besonders bei der Haushaltspolitik auch auf die CDU zutrifft. Neben den von der AfD selbst berichteten „Hinterzimmergesprächen“ mit CDU- und ML-Stadträten hat die CDU auch öffentlich nicht ausgeschlossen, mit der AfD zu stimmen – wenn es denn die „richtige Sache“ sei. Bereits vor der Wahl Christian Spechts zum Oberbürgermeister sprachen sich AfD-Gemeinderäte für die Wahl des CDUlers aus – in der Hoffnung, dass nach den Gemeinderatswahlen ein „konservativer Block“ nur durch Kompromisse mit der AfD regieren könne. Ihre Hoffnung? Leider bestätigt. Die sogenannte Brandmauer gegen rechts? Nichts weiter als ein morscher Gartenzaun.

Als Antifaschist*innen müssen wir kritisch reflektieren, was bei einer möglichen Zusammenarbeit zwischen AfD, CDU, der Mannheimer Liste oder anderen Parteien der wahre Skandal ist, denn es sind nicht die Risse in der herbeifantasierten Brandmauer. Die Doppelmoral der bürgerlichen Parteien zu rechter Politik zeigt sich immer wieder: Während Ampel und Co. die Deportationsfantasien der AfD verurteilen, verabschieden sie zeitgleich harte Abschiebegesetze und wollen diese „im großen Stil“ umsetzen. Parallel dazu fährt die CDU einen Kurs, getrieben von Angst vor der Abwanderung ihrer Wählerschaft und bestärkt von den Erfolgen der AfD, der sie immer rechter, rassistischer und hetzerischer macht. Auch rufen rechte Parteien immer wieder den Kampf gegen eine vermeintliche „Identitätspolitik“ auf – so forderte die Mannheimer Liste ein Verbot des Genderns in der Stadtverwaltung, das sie als Ausdruck elitärer Bevormundung betrachtet. Und natürlich treibt die AfD all diese Forderungen radikal auf die Spitze – doch sie stehen eben nicht isoliert. Ihre Gedanken sind kein Tabu mehr und ihre Politik längst alltägliche Realität, denn umgesetzt wird sie auch von anderen. Die Mannheimer Liste wollte bereits in der Etatrede 2023 Sachleistungen für Geflüchtete – eine Forderung, die lange nur von der AfD kam. Jetzt gibt es die Bezahlkarten und es hat dafür keine AfD an der Macht gebraucht: Alle Parteien von Ampel bis CDU waren sich einig. Die Linie steht: Anstatt von den Vermögendsten oder großen Konzernen an Bedürftige umzuverteilen, wird gespart, wo es nur geht – selbst wenn es die Ärmsten, die Schwächsten, die Wehrlosesten trifft. Diese Art von neoliberaler Sparpolitik ist ein gefährlicher Trugschluss: Weniger Geld für Geflüchtete oder Bürgergeld-Empfänger*innen bedeutet nämlich nicht, dass dieses Geld nun auf einmal gemeinnützig investiert wird oder zur Verbesserung unserer Lebensumstände zur Verfügung steht. Es bleibt dabei: Die dringenden Probleme der Menschen werden ignoriert. Wenn
also in Zukunft AfD, Mannheimer Liste, CDU oder wer auch immer für denselben Vorschlag im Gemeinderat stimmen sollten, darf der Skandal nicht nur darin bestehen. Der Skandal, die Empörung und die Wut müssen konstant sein – darüber, dass rechte Vorstellungen Stück für Stück umgesetzt werden, selbst ohne direkte Beteiligung der AfD und die Probleme der Menschen, die rechte Politik zugänglich machen, in den bestehenden Umständen quasi keine Rolle spielen.

Selbstverständlich nimmt die AfD eine Sonderstellung ein: Immer wieder fällt sie durch die gröbsten Grenzüberschreitungen auf, fordert die abscheulichsten Dinge und ist das Gesicht und die vorderste Front des Rechtsrucks – auf Bundesebene und lokal. Nur weil bei den Mannheimer AfD-Kandidat:innen nicht so leicht rassistische Zitate oder eine rechtsradikale Vergangenheit zu finden sind wie bei bekannteren Personen der Partei, ist das kein Grund, sie für gemäßigter oder weniger gefährlich zu halten. Der Ortsverband der AfD lädt immer wieder führende Hetzer:innen der Partei nach Mannheim ein. Bei diesen „Bürgerdialogen“ waren z.B. Erika Steinbach oder Markus Frohnmeier zu Gast, die selbst innerhalb der AfD zum rechten Flügel gehören. Während die AfD sich bürgernah gibt und Besserung verspricht, verschwendet sie im Gemeinderat Steuergelder, glänzt durch Abwesenheit und gibt sich bei Veranstaltungen menschenfeindlichen und hasserfüllten Ideen hin. Dem müssen wir entgegentreten – gemeinsam und entschlossen. Ein starkes antifaschistisches Bündnis gegen rechts, verankert in der Bevölkerung und vereint im Ziel, kann das erreichen. Aber es kann nur funktionieren, wenn wir neben dem Fokus auf die AfD auch die möglichen Unterstützer:innen rechter Politik im Blick behalten. Dabei dürfen wir uns nicht damit begnügen, es zu skandalisieren, wenn andere Parteien mit der AfD abstimmen. Nein, wir müssen klar Stellung gegen jede Form rechter Politik beziehen, und das heißt auch nicht anzunehmen, die AfD sei die einzige Partei, die unsoziale Sparkurse fährt, Politik gegen die strukturellen Benachteiligten macht oder diskriminierende und rechte Themen einbringt und umsetzt. Unseren konsequenten Protest müssen wir in der kommenden Legislaturperiode erst recht und unermüdlich auf die Straße bringen. Wir müssen ebenso alles dafür tun, dass unsere Stimmen gehört werden und unser Kampf unermüdlich geführt. Die Zeiten werden in den nächsten Monaten und Jahren gewiss nicht einfacher. Also lasst uns als Antifaschist:innen zusammenrücken und handeln – solidarisch, entschlossen und geeint.

 




MdB Melis Sekmen verlässt die Grünen und wechselt zur CDU

Ex-Grüne Melis Sekmen wechselt zur CDU | KIM-Archivbild

Die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen hat ihren Austritt aus der Grünen Partei bekannt gegeben und einen Wechsel zur CDU angekündigt. Seit 2021 war sie für die Grünen im Bundestag vertreten, davor war sie Fraktionsvorsitzende ihrer Partei im Gemeinderat. Die 30-jährige begründete ihren Wechsel per Videobotschaft in den sozialen Medien.

„Für mich ist es ein Schritt nach vorne“, sagt Sekmen und hält sich mit Kritik und allzu deutlichen Positionierungen zurück. Zwischen den Zeilen kann man ihre Haltung dennoch gut heraus lesen. Menschen im multikulturellen Mannheim seien „fleißig“, hätten „viel gearbeitet und damit gesellschaftlichen Aufstieg geschafft“. Auch sie selbst sieht sich als Teil dieser Leistungsgesellschaft. Das sei ihr politischer Antrieb und diesen „Geist“ habe sie im neuen Grundsatzprogramm der CDU gefunden.

Am Ende kommt dann doch noch eine verklausulierte Kritik an den Grünen. Man dürfe Menschen nicht in „Schubladen stecken“. Die guten Stimmen müssten aus der „Mitte“ und nicht von „extremen Rändern“ kommen. Mit Friedrich Merz habe sie ein gutes Gespräch gehabt. Ja, so hört es sich an.

Mannheimer Grüne reagieren zurückhaltend

In der Nacht auf Dienstag veröffentlichte der Mannheimer Kreisverband der Grünen, der Sekmen als Bundestagskandidatin aufgestellt hatte, eine kurze Stellungnahme. Man „akzeptiere“ den Schritt, sei aber „enttäuscht“.

Da Sekmen nicht direkt gewählt, sondern über die Landesliste in den Bundestag eingezogen sei, wird sie aufgefordert, ihr Mandat an den nächsten Listenplatz abzugeben. Für ihre „persönliche Zukunft“ wünschte der Grüne Kreisverband der Abtrünnigen alles Gute.

Wechsel sind die Grünen gewohnt

Auf kommunaler Ebene sind Parteiwechsel hin zu und weg von den Grünen keine Seltenheit. Ex-Grüner Thomas Hornung wechselte 2017 zur CDU, was damals besonders bitter war, da er das Gemeinderatsmandat des verstorbenen Wolfgang Raufelder mitnahm. Hornung ergatterte damit einen Job beim mittlerweile politisch gescheiterten CDU Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel.

2021 dann die „Revanche“: Chris Rihm wechselte von der CDU zu den Grünen, wo er mittlerweile als Fraktionsvorstand im Gemeinderat fest etabliert ist.

2023 ein weiterer Wechsel. Der enttäuschte Grüne Markus Sprengler wechselte zur SPD Fraktion, was für seine politische Karriere weniger von Vorteil war. Ein erneuter Einzug über die SPD Liste gelang ihm nicht.

Die Beispiele zeigen, dass Wechsel zwischen den politischen Lagern nicht unbedingt außergewöhnlich sind. Auch jahrelange Mitgliedschaften in Parteien sind kein Garant für ewige Loyalität.

„Dieser angekündigte Wechsel bestärkt leider den Eindruck derjenigen, die Politikern immer wieder unterstellen, ihr Engagement nur zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen.“
Melis Sekmen zum Wechsel des Ex-Grünen Thomas Hornung zur CDU, 16. Oktober 2017 

Grüne keine dezidiert linke Partei mehr

Bei den Grünen kommt erschwerend hinzu, dass sie sich über die Jahrzehnte von einer linken bis linksradikalen Partei zur Volkspartei entwickelt haben. Wie alle sogenannten Volksparteien geht mit der gesellschaftlichen Breite eine politische Beliebigkeit einher. Profilschärfe geht verloren und Karrierist*innen werden angezogen, denen es in erster Linie um das persönliche Weiterkommen geht. Löbel ist hier ein typisches Beispiel, Sekmen vielleicht auch.

Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg ist ein Ausdruck davon, dass neoliberale Wirtschaftspolitik und wertkonservative Vorstellungen einer Gesellschaft mit vermeintlich modernen, multikulturellen Einsprengseln trotz aller Widersprüche gut zusammen funktionieren kann.

Neoliberale Ideologie prägte schon vor Jahren Sekmens politische Statements, womit sie innerhalb der Partei immer wieder aneckte. Doch war das im Rahmen eines Modernisierungs- und Erweiterungsprozesses bei den Grünen in dieser Zeit vermutlich gewünschter Teil der inhaltlichen Vielfalt.

Wenn man sich Sekmens Statements der letzten Wochen anhört, wäre sie eigentlich besser bei der FDP aufgehoben. Da die liberale Partei in den letzten Umfragen jedoch immer wieder an der 5-Prozent-Hürde kratzte, ist im Sinne einer opportunistischen Polit-Karriere die CDU auf jeden Fall die bessere Wahl. (cki)




Endspurt gegen Rechts bei der OB-Wahl

In den OB-Wahlkampf ist vor der Stichwahl lebhafte Bewegung gekommen. Das Mitte-Links-Lager ist mehrheitlich über seinen jeweiligen Partei-Schatten gesprungen und versammelt sich hinter dem erfolgreichsten Kandidaten links von der CDU, Thorsten Riehle (SPD). Bis auf den weit abgeschlagenen Ugur Cakir haben alle weiteren Kandidatinnen und  Kandidaten ihre Kandidatur zurückgezogen. Nun geht es also um die Abstimmung mit klarer Alternative: Specht oder Riehle.

Die Grünen haben nach einigem Zaudern ihre Unterstützung für Riehle bekannt gegeben. Sie hatten zuvor nach eigenen Angaben „vertrauensvolle“ Gespräche mit Specht und Riehle geführt. Mit Riehle stellten sie mehr gemeinsame politische Zielsetzungen fest als mit Specht. Sie gaben bekannt:

 „Wir haben uns letzte Woche dazu entschieden als grüner Kreisverband Thorsten Riehle im zweiten Wahlgang der OB Wahl zu unterstützen, weil es uns in Gesprächen mit ihm und der SPD gelungen ist uns auf gemeinsame konkrete inhaltliche Punkte für ein zukunftsfestes Mannheim zu einigen. Vor kurzem hat Thorsten Riehle zusammen mit uns in einer Pressekonferenz diese gemeinsame Vereinbarung vorgestellt. Gemeinsam stehen Thorsten Riehle, wir GRÜNE und die SPD Mannheim für deutlich höhere Investitionen in Klimaschutz und Klimafolgenanpassung, eine Innenstadt ohne Durchgangsverkehre und mit verkehrsberuhigten Bereichen im gesamten Innenstadtgebiet und für Investitionen in Bildung (bspw. Stadtbibliothek) und Soziales (bspw. Erweiterung des Angebotes der Jugendtreffs). Wir glauben, dass diese inhaltlichen Punkte Mannheim ökologisch und sozial weiterbringen und bitten euch deshalb in den letzten Tagen des Wahlkampfes nochmal alles für diese gemeinsamen Ziele zu geben. Solltet ihr Fragen zum Inhalt des Papiers haben, könnt ihr euch gerne jederzeit bei uns melden.“   (Unter dem obigen Link ist die gesamte Vereinbarung nachzulesen.)

 

Schwieriger stellte sich die Situation offenbar für DIE LINKE dar, deren Kandidatin Isabell Belser als Erste ihre Kandidatur zurückgezogen hatte. Die Partei äußerte sich gemeinsam mit den beiden anderen Parteien des bisherigen Wahlbündnisses Isabell Belser, Klimaliste und Tierschutzpartei. Man ruft auf, Christian Specht keinesfalls zu wählen, über den Mannheimer Morgen ergänzte man, dass Ugur Cakir keine Option sei, womit nur noch Thorsten Riehles Wahl als Alternative bleibt, weil man auch dringend und berechtigterweise zur Wahrnehmung des Wahlrechts aufruft. Da aber Thorsten Riehle und seine SPD-Fraktion nicht immer einer Meinung mit der LINKEN seien, wolle man nicht positiv für Riehle werben. Man überlässt es quasi dem / der Wähler:in, die einzig denkbare Konsequenz zu ziehen: Riehle wählen. Im Folgenden der Wortlaut der Erklärung des bis dato Wahlbündnisses Isabell Belser:

 

Bündnis für Isabell Belser gegen Wahl von Christian Specht

Die ehemalige OB-Kandidatin Isabell Belser, die im ersten Wahlgang am 18. Juni 5 Prozent der Stimmen erhielt, und ihr Unterstützer-Bündnis aus DIE LINKE Mannheim, Klimaliste Mannheim und Tierschutzpartei rufen dazu auf, bei der Stichwahl für das Amt des Oberbürgermeisters am 9. Juli unbedingt wählen zu gehen. Dieses demokratische Recht ist auch eine Verpflichtung, die Demokratie mit der Wahrnehmung dieses Rechts zu stärken und über die Geschicke unserer Stadt Mannheim für die nächsten acht Jahre mitzuentscheiden. Es ist nicht egal, wer Oberbürgermeister wird!

Isabell Belser, die selbst nicht zur Stichwahl antritt, und ihr Bündnis empfehlen, am 9. Juli nicht Christian Specht, CDU, zu wählen. Herr Specht hat in seiner langjährigen Amtszeit als Erster Bürgermeister und Dezernent keine Akzente gesetzt, die für fortschrittliche Politik stehen. Er und seine Partei stehen für eine verhängnisvolle Verzögerung der Klimaschutzmaßnahmen, einen Stopp in der Verkehrswende und eine unsoziale Politik, die in der Teilhabe und Bildungspolitik die ohnehin Bessergestellten bevorzugt und die von finanziellen Sorgen und Existenzängsten Betroffenen weiter benachteiligt.  Für Belser und Bündnis gibt es grundlegende Forderungen an die verbleibenden OB-Kandidaten:

– Wohnen: Systematisch mehr preiswerter und geförderter Wohnungsbau, überwiegend in gemeinnütziger Hand, durch höhere Sozialquote und verstärkten Ankauf von Grundstücken und Immobilien durch die Stadt

– Klima: Zügiges und striktes Hinarbeiten auf Klimaneutralität bis 2030, u.a. mehr Geld für den Klimaschutz, Infragestellung des Flughafens und der MVV-Strategie mit Altholzkraftwerk etc.

– Verkehr: Zügige Verkehrswende, u.a. Aufenthaltsqualität durch nahezu autofreie Innenstadt, weniger Privilegien für den Autoverkehr, massiver Ausbau des ÖPNV und Radverkehrs

– Bildung: Eine „zweite IGMH“ oder mindestens eine Gemeinschaftsschule mit Oberstufe im Mannheimer Süden und Kita-Bauten nicht in der Hand profitorientierter Investoren, sondern städtisch oder gemeinnützig

– Arbeit: „Ein Haus, ein Tarif“ für Beschäftigte städtischer Gesellschaften und Anwendung Tariftreuegesetz bei Auftragsvergaben

– Gesellschaft: Mehr Engagement der Stadt als „Sicherer Hafen“ für Geflüchtete

– Tierschutz: Kastrationspflicht in der Katzenschutzverordnung

Isabell Belser und ihr Bündnis rufen die Wähler*innen auf zu vergleichen, welche Forderungen sie bei den verbleibenden OB-Kandidaten am besten erfüllt sehen, und sich daran bei ihrer Wahl zu orientieren. Ihre Fraktion LI.PAR.Tie. (u.a. DIE LINKE, Tierschutzpartei) in dieser Wahlperiode und ihre Nachfolge-Fraktion in der nächsten werden die Erfüllung dieser Ziele aktiv im Gemeinderat einfordern.

DIE LINKE Mannheim, die Klimaliste Mannheim, die Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) und Isabell Belser hoffen auf eine hohe Wahlbeteiligung, auf die Verhinderung eines CDU-Oberbürgermeisters sowie auf eine fortschrittliche und soziale Politik in den kommenden Jahren.

Unterstützer-Bündnis OB-Kandidatin Isabell Belser, Mannheim, 24.06.2023

Das Wahlbündnis macht seine Position mit ein einer kleinen Serie von Sharepics deutlich, welche sie nach eigenen Angaben der Presseerklärung beigefügt habe. Zwei Beispiele:

       

Das Mitte-Links-Lager ist unterdessen in lebhafter Bewegung, um der Stadt Stillstand und Rückschritt unter Christian Specht zu ersparen.

Am 1. Juli versammelten sich ca. 100 Mitglieder der Grünen, der SPD und vereinzelte auch der LINKEN unterhalb des „ALTER“ am Neckar zu einer Unterstützungsaktion für Thorsten Riehle. Viele machten sich danach auf in den Haustürwahlkampf.

(Bild: René van der Voorden)

Eine abschließende Aktion wird am Samstag, 8. Juli in der Max-Josef-Straße stattfinden:

JETZT GILT‘S- Kundgebung zur OB Wahl Das Aktionsbündnis „Jetzt gilt’s“ lädt am Samstag, 8.7.2023, zu Livemusik und Reden zur OB-Wahl ein. Die Kundgebung findet in der Max-Joseph-Straße in der Neckarstadt-Ost statt. Musik: Gero Fei (Drums/Voc), Blacky P. Schwarz (Keys/Voc), Markus Sprengler (Voc) und Gäste, ab 19 Uhr.

Bernd Köhler schreibt:

Nach dem unsäglichen Geziere und Gezerre in Folge der Ergebnisse des ersten Wahlgangs hat das politische Mannheim links von der CDU gerade mal noch so die Kurve gekriegt und könnte jetzt mit einer Mobilisierung ihrer Klientels doch noch dafür sorgen, dass es auch in den kommenden acht Jahren wieder einen OB gibt, der die demokratischen Werte vertritt für die Mannheim in der Vergangenheit stand:
Konsequente antifaschistische und antirassistische Positionen, Priorität für nachhaltige und spürbare Klimapolitik, Unterstützung gesellschaftskritischer Kultur-Initiativen und -Einrichtungen wie der freien kulturellen Szene oder dem selbstverwalteten JUZ. Außerdem, grundlegende Solidarität mit den gewerkschaftlichen Kämpfen um Arbeitsplätze, höhere Löhne und gegen die Verarmung breiter gesellschaftlicher Schichten.
Alles Mannheimer Markenzeichen die weit über die Stadt hinaus eine Ausstrahlung haben. Mannheim, die lebendige demokratische Stadt in der 12.000 Menschen gegen den Hass von Rechts auf die Straße gingen.
Bei all dem wurde ein Herr Specht eher nicht gesehen, zu all dem hat er nichts oder nur heiße Luft zu sagen. Specht vertritt das Mannheim der Mittelschicht und der Reichen und ist im MM-Interview vom 30. Juni noch nicht mal willens oder fähig sich mit einer eigenen Meinung von der möglichen Unterstützung seiner Kandidatur durch die AfD konsequent abzugrenzen.
Der nächste OB wird 8 Jahre Mannheimer Politik wesentlich beeinflussen und vertreten. 8 JAHRE DIE ENTSCHEIDEND SEIN WERDEN für wichtige Weichenstellungen in Sachen Klima, Kultur, Bildung und Soziales.
Ein Wahlaufruf der Kultur-Initative „BUNTE VIELFALT” (Schillerplatz-Ini) in der ich zusammen mit Bettina Franke, Einhart Klucke und Monika-Margret Steger beteiligt bin, bringt es so auf den Punkt:

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Thomas Trüper




Grün-Schwarz macht ernst: Verschärfung des Polizeigesetz in Baden-Württemberg offenbar kurz vor Beschlussfassung [mit Video]

„Grüne zeigt Rückgrat – kein Polizeistaat“ klang als Forderung aus den Kehlen hunderter Fußball-Ultras bei einer Demo im Oktober etwas unerwartet. Die Hoffnung, dass die Grünen im Landtag die Freiheit verteidigen, war wohl auch etwas naiv. Zumindest meldet das Bündnis gegen die Verschärfung des Polizeigesetzes, dass sich CDU und Grüne weitgehend geeinigt hätten und die Gesetzesinitiative im Landtag kurz vor dem Abschluss steht:

Was von vielen Seiten befürchtet wurde, scheint sich zu bewahrheiten: Noch vor Jahresfrist planen die baden-württembergischen Grünen die Zustimmung zur umstrittenen Polizeigesetzverschärfung. Bereits am kommenden Donnerstag, 12. Dezember 2019, soll der neuerliche Abbau der Freiheitsrechte vom grün-schwarz Koalitionsausschuss beschlossen werden. In der Woche darauf soll dann, mitten in der Vorweihnachtszeit, das Landeskabinett seinen Segen geben. Die notwendige Abstimmung im Landtag Anfang 2020 ist damit reine Formsache.

Geht es nach Grün-Schwarz steht ein weiterer massiver Angriff auf die Freiheitsrechte unmittelbar bevor. Zwar scheint die präventive Online-Durchsuchung vom Tisch, dennoch lesen sich die Maßnahmen des Kompromisses wie der Wunschkatalog eines sicherheitspolitischen Hardliners. Beschlosse Sache scheint der Einsatz von Bodycams in Wohnungen und die anlasslose Durchsuchung von Teilnehmenden bei Großveranstaltungen, wie politischen Versammlungen oder Fußballspielen, zu sein. Auch die Ausweitung der sogenannten “Schleierfahndung” und die präventive DNA-Untersuchung ohne Richtervorbehalt könnten kommen.


Erklärvideo der Piratenpartei | CC BY | Direktlink zu Youtube: https://youtu.be/0V5QxOhjcjU

Die neuerliche Gesetzesverschärfung trägt die Handschrift des CDU-Innenminsters Strobl, der offenbar das extrem weitgehende bayrische Polizeiaufgabengesetz in puncto Grundrechtsabbau noch überbieten möchte. Die Landes-Grünen machen sich mit ihrer geplanten Zustimmung zum Gesetzesentwurf zu offensiven Befürwortern einer Law-and-Order-Politik. Das Ettiket “Bürgerrechtspartei” scheint damit ein für alle mal vom Tisch. 

“Sollten die Grünen ihre Zustimmung tatsächlich mit dem Verweis auf die Bekämpfung häuslicher Gewalt durch Polizei-Bodycams in Wohnungen begründen, dann ist das an Zynismus kaum zu überbieten. Wer Frauen wirklich vor Gewalt schützen will investiert in den Ausbau von Frauenhäusern.” so Jonas Branbacher für das NoPolGBW-Bündnis. Auch die scheinbar beschlossene, anlasslose Durchsuchung bei Großveranstaltungen kritisiert Branbacher: “Mehr Rechte für die Polizei bedeutet nicht mehr Sicherheit. Im Gegenteil. Wie fahrlässig und tendenziös die Behörden schon jetzt mit ihren Rechten umgehen, zeigt nicht zuletzt die willkürliche und massenhafte Ingewahrsamnahme von Fußballfans vor dem baden-württembergischen Derby vor knapp zwei Wochen.” Branbacher ergänzt: “Wer grundlos einer Ganzkörperdurchung unterzogen wird, überlegt sich den nächsten Demonstrationsbesuch vielleicht fünfmal. Mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung hat das nichts mehr zu tun. Branbacher kündigte im Namen des Bündnisses Aktivitäten an. “Ohne unseren Widerstand wird kein Gesetz beschlossen!”

(Quelle: nopolgbw.de)

Mehr zum Thema

Im oben verlinkten Video und auf der Webseite des Bündnis gegen das Polizeigesetz finden sich zahlreiche Hintergrundinformationen zum Polizeigesetz und Berichte über bisherige Aktionen dagegen: http://nopolgbw.org




Schockierende Abschiebung in der Neckarstadt-West – Wer ist verantwortlich?

Johannes-Kepler-Gemeinschaftsschule in K5 | Bild: cki

Die Frage der Verantwortlichkeit wird im zweiten Teil des Artikels erörtert. Zunächst zum Hergang der Abschiebung selbst, die nicht allen Leser*innen bekannt sein dürfte, die aber im Mannheimer Morgen vom 15. und 17. Dezember relativ ausführlich beschrieben worden ist.

Am 10. Dezember wird eine fünfköpfige albanische Familie, die in Mannheim wohnt, mit einer Polizeiaktion, die viele Menschen schockiert, abgeschoben. Ohne vorher Bescheid zu wissen, werden die Familienangehörigen von zu Hause, von der Arbeit, von der Schule und aus dem Kindergarten abgeholt.

Besonders die Polizeiaktion in der Gemeinschaftsschule in K5 und im Kinderhaus St. Michael in der Neckarstadt-West sorgten für Aufregung. Aus einer 6. Klasse der K5-Schule wurde der 11-jährige Schüler mitten aus dem Unterricht von uniformierten Polizisten „in voller Montur“ geholt. „Ich sollte ein Kind aus der Klasse nehmen – wovon ich vorher noch gar nichts wusste“, berichtet die fassungslose Schulleiterin Brigitta Hillebrandt. Das Kollegium sei empört. Der Junge habe geweint, die Klasse sei sehr betroffen. Zwei Lehrer und die Sozialarbeiterin seien zwei bis drei Tage damit beschäftigt, die Kinder zu beruhigen. Ein Teil der Aufarbeitung bestand darin, einen Protestbrief an Ministerpräsident Kretschmann zu schreiben. Empörung auch im Kinderhaus. „Ich habe vorher sowas noch nicht erlebt“, das war für uns ein schock“, so der Leiter des Kinderhauses, Jörg Ohrnberger.

Sowohl Hillebrandt als auch Ohrnberger können nicht verstehen, warum gerade diese Familie abgeschoben worden ist. Die Eltern würden beide im Pflegebereich arbeiten. Der Junge sei seit der 5. Klasse im der K5-Schule, sehr fleißig und spreche sehr gut deutsch. „Das ist ein Beispiel für eine gelungene Integration“, so die Schulleiterin.

Ähnliches hört man vom Kinderhaus. Der Leiter habe sogar in einem Gutachten, für die Bundesaußenstelle für Migration und Flüchtlinge bescheinigt, das das sechsjährige Mädchen schnell und gut gelernt habe. Die Familie habe sich im Kinderhaus sehr engagiert.

Protest

Gegen die Umstände der Abschiebung haben sich inzwischen einige Politiker der Grünen und der SPD gewandt. Der grüne Landtagsabgeordnete Uli Skerl aus Weinheim fordert, dass künftig keine Kinder aus Schulen und Betreuungseinrichtungen abgeschoben werden dürfen. Das Vorgehen sei nicht zu akzeptieren. Ähnlich äußerten sich die Mannheimer Landtagsabgeordneten Elke Zimmer (Grüne) und Boris Weirauch (SPD). Ministerpräsident Kretschmann müsse Stellung beziehen, so Weirauch. (MM 17.12.2018)

Rechtfertigung der Polizeiaktion

Die Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen unter anderem damit, das der Zugriff ohne Ankündigung erfolge, damit ein Abtauchen der Personen verhindert wird. Zur Entschuldigung der Polizei sei von unserer Seite angemerkt, dass die Bundespolitik durch eine Gesetzesänderung dieses Vorgehen explizit ermöglicht hat. Vorher sind Abschiebungen im Vorfeld angekündigt worden. Nicht immer waren die Abzuschiebenden zu einer freiwilligen Ausreise bereit und daheim anzutreffen. Norbert Schätzle, der Polizeisprecher, erwähnt, dass der Mannheimer Fall „kein Einzelfall“ sei.

Wer ist verantwortlich?

Johannes-Kepler-Gemeinschaftsschule in K5 | Bild: cki

„Kein Einzelfall“ – diese Aussage ist insofern interessant, weil sie im Gegensatz zu Äußerungen des baden-württembergischen Staatssekretärs Martin Jäger (CDU) stehen. Dieser hatte gegenüber der Öffentlichkeit schon vor über einem Jahr behauptet, dass keine Kinder durch die Polizei aus dem Unterricht abgeholt werden würden, um sie abzuschieben. Das sei „grundsätzlich auch zukünftig nicht geplant“, so Jäger gegenüber der Lehrergewerkschaft GEW (epd 06.08.2017). Diese Äußerung ist Teil eines Briefes. Darin protestiert er gegen eine „Handlungsanleitung bei drohender Abschiebung eines Kindes oder eines Jugendlichen“, gemeinsam herausgegeben von der GEW und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. In dieser Handlungsanleitung geht es um die Frage, inwieweit Schulen bei der Abschiebung helfen müssten. Die Broschüre kommt zu dem Ergebnis, dass keine Kooperationspflicht der Lehrer gegeben sei. Im Gegenteil, §87 Aufenthaltsgesetz, in dem die Übermittlung von Daten an die Ausländerbehörden geregelt ist, nimmt öffentliche Schulen und Bildungseinrichtungen ausdrücklich aus. Die GEW schließt daraus, dass Abschiebungen aus dem Unterricht heraus nicht vorgenommen werden dürfen. Lehrer und Schulleitungen sind befugt, von Abschiebung bedrohte Schüler entsprechend zu warnen, ggf. Rechtsanwälte und die Öffentlichkeit zu informieren.

Ein ähnlicher Leitfaden gegen Abschiebungen aus Schule und Betrieb hat auch die GEW in Bayern verfasst. Gegen diesen „Aufruf zum Rechtsbruch“ sind sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg Politiker vor allem aus der CDU/CSU Sturm gelaufen. Worin dieser „Rechtsbruch“ besteht, wurde trotz Aufforderung durch die GEW allerdings nie konkretisiert. Anscheinend geht es hier nur um die Einschüchterung der Lehrerschaft.

Bezogen auf das Mannheimer Ereignis stellt sich nun aber die Frage: Wenn die Abschiebung in Mannheim kein Einzelfall war, dann gibt es die Rechtspraxis der Abschiebungen aus Schulen auch anderswo in Baden-Württemberg.

Wer sagt hier die Wahrheit? Der Polizeisprecher Norbert Schätzle oder der Innenstaatssekretär Martin Jäger?

Abschiebung alternativlos?

Bzgl. des Protests aus Reihen der Politiker von Grünen und SPD ist kritisch anzumerken: Wer glaubwürdig eine andere Asylpolitik vertritt, sollte gegen gängige Praxis im Bund und im Land vorgehen. In Berlin ist die SPD an der Bundesregierung beteiligt, in Baden-Württemberg stellen die Grünen mit Winfried Kretschmann sogar den Ministerpräsidenten.

In NRW durfte in einem ähnlichen Fall eine nach Nepal abgeschobene Schülerin nach Protesten von Schülern, Eltern und Lehrer und der Politik mit einem Schüleraustauschvisum wieder einreisen, die Eltern durften aus humanitären Gründen ihre Tochter begleiten. Warum sollte in Mannheim sowas nicht möglich sein? Auch wenn Albanien als sicheres Herkunftsland gilt. Die Familie hat sich gut integriert und ist offensichtlich eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Hier muss der Härtefall gelten!

Die Handlungsanleitung der GEW und des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg erfährt durch die Ereignisse in Mannheim eine Bestätigung. Abschiebungen aus Schulen und Bildungseinrichtungen sind unrechtens und inhuman und folglich auch nicht zu unterstützen.

Hier hat auch die Stadt Mannheim eine Verantwortung, da sie laut Schulgesetz Träger der öffentlichen Schulen in Mannheim ist.

(Roland Schuster)




Jusos: Kritik am Entwurf zum Landeshochschulgesetz

Uni Mannheim im Schloss | Symbolbild wikimedia

Die baden-württembergische Landesregierung bringt am Mittwoch, 7. März, einen neuen Entwurf für das Landeshochschulgesetz in den Landtag ein. Dabei soll unter anderem aus Paragraph 65 des bisherigen Gesetzes der Satz „Im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben nimmt die Studierendenschaft ein politisches Mandat wahr. Sie wahrt nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen die weltanschauliche, religiöse und parteipolitische Neutralität“ gestrichen werden. 

Die Streichung dieses Paragraphen sehen die Juso-Hochschulgruppe Mannheim und der Mannheimer Juso-Kreisverband als Versuch an, bewusst Rechtsunsicherheit bei Studierenden zu erzeugen und studentische Selbstverwaltung durch Verfasste Studierendenschaften in ihrer Arbeit zu behindern. „Dieser Gesetzesentwurf ist ein erneuter Beleg für die Geringschätzung und kategorische Missbilligung studentischer Selbstvertretungen in Baden-Württemberg durch die CDU. Dass das Gesetz in den Aufgabenbereich des Grün geführten Ministeriums für Wissenschaft fällt, ist umso enttäuschender und ein Verrat an der eigenen grün-roten Politik noch vor sechs Jahren“, so Hochschulgruppen-Vorsitzender Alexander Schreiber. Die stellvertretende Vorsitzende der Jusos Mannheim, Katharian Vasilakis fügt hinzu: „Durch die Novellierung des Landeshochschulgesetzes wird Studierenden ihr politisches Mandat genommen. Damit wird die Arbeit von Verfassten Studierendenschaften nicht nur stark eingeschränkt sondern es werden auch Hürden errichtet, die ein Engagement für Studierende immens erschweren.“

In der vorherigen Regierungskoalition mit der SPD hatten die Grünen 2012 Verfasste Studierendenschaften an den Hochschulen des Landes nach jahrzehntelangem Verbot überhaupt erst wieder zugelassen. Die Hochschulgruppe und der Kreisverband unterstützen den geplanten Änderungsantrag der SPD-Landtagsfraktion, nach welchem der Satz im Gesetz erhalten bleiben soll.

(Pressemitteilung der Juso-Hochschulgruppe Mannheim und der Jusos Mannheim)




Kommentar zur Personalie Thomas Hornung: Stimmenkauf – Kaufen und sich gerne kaufen lassen

Gemeinderat Mannheim (Foto: Thomas Tröster © Stadt Mannheim)

Man sollte vorsichtig sein mit solchen Aussagen. Aber das ist Stimmenkauf: Thomas Hornung, Nachrücker für den verstorbenen Wolfgang Raufelder in die Grünenfraktion des Mannheimer Gemeinderates, wechselt nach 10 Monaten ohne Vorwarnung in die CDU-Fraktion. Die gibt sich happy.

Hornung war seit 30.9. arbeitslos – er kündigte als Pressesprecher grünen Landtagsfraktion. Jetzt wird er im MdB-Büro von CDU-Jungstar Nikolas Löbel einen neuen Job bekommen. Angeblich in Berlin. Aber er behält sein Gemeinderatsmandat. Auf dass es tatsächlich mal wieder so scheint: „Die Politiker kennen nur das Eine: die persönliche Karriere“. Dieser Seitenwechsel empört zu Recht sehr viele Menschen. Er wirft aber auch ein Licht auf Nikolas Löbel, der mit solchen Aktionen offenbar keinerlei Problem hat. Sein Weg nach oben ist nicht mit Verlässlichkeit, Vertrauen und empathischer Positionierung gepflastert. Da hilft es auch nicht, wenn heute in der Pressekonferenz laut Mannheimer Morgen von langfristiger Planung und dem Wunsch nach Stärkung der politischen Mitte geredet wurde. Redlich geht anders. Die jetzige Erzählung legt allerdings ein langfristiges Komplott nahe, das erst mal das Ergebnis der Poker-Kandidatur von Löbel zum Bundestag abwarten musste.

Gemeinderat in neuer Zusammensetzung

Für den Gemeinderat heißt dies vor allem auch, dass die hauchdünne Mehrheit „links von rechts“ nun nicht einmal mehr mit der Stimme des SPD-Oberbürgermeisters zustande kommen kann. Der hier mitgerechnete „Vertreter der Familienpartei“, der auf dem Ticket der LINKEN gegen deren Willen in den Gemeinderat kam, war ohnehin schon kein verlässlicher Teil dieses „Blocks“. Zwar gibt es im Gemeinderat relativ selten solche Blockabstimmungen; wechselnde Mehrheiten und in vielen Sachfragen Einstimmigkeit oder große Mehrheiten sind vorherrschend.

Aber es gibt entscheidend wichtige politische Projekte, die nur blockhaft durchzusetzen waren: 12-Punkteprogramm Wohnen, diverse Umwelprojekte wie Radweg Bismarckstraße und viele soziale Entscheidungen (gerade in den Haushaltsberatungen) verdanken sich der hauchdünnen rot-rot-grünen Mehrheit, die nun durch die Privatentscheidung eines Stadtrates verloren ist. Die Menschen hatten einen anderen Gemeinderat gewählt.

Für die Grünen wird allerdings auch Eines deutlich: Das Grün-schwarze oder schwaz-grüne Kuscheln, das im baden-württembergischen Landtag sicherlich auch den Überläufer Hornung inspirierte, zehrt gewaltig an der alten grünen Substanz

(Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE)