Montagsdemos: „Solidarisch durch die Pandemie“ gegen die „Corona-Paranoia“ von rechts

Aus Anlass einer weiteren Montagsdemo der Querdenker-Szene am 24. Januar 2022 organisierte das Offene Antifaschistische Treffen eine Kundgebung mit dem Motto „Solidarisch durch die Pandemie“. Etwa 100 Menschen kamen am Paradeplatz in Mannheim zusammen. Zeitgleich sammelten sich die Querdenker*innen und Impfgegner*innen am Schloss, um von dort mit einer großen Demonstration durch die Quadrate zu ziehen.

„Freiwillige Entscheidung für ein rücksichtsvolles Miteinander“

Kritik an der Corona-Politik aus linker Perspektive | Bild: KIM

Ein Sprecher des Offenen Antifaschistischen Treffens kritisierte in seiner Rede die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als ungeeignet. Sie schützten nicht etwa Menschenleben, sondern „die Profite der Bonzen“. Im Lockdown habe man sein Privatleben eingeschränkt, während in den Fabriken die Arbeiter*innen weiter ran mussten.

Politische Entscheidungen würden im Sinne einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung getroffen. Konzerne bekommen Staatshilfen trotz fetter Gewinne, Angestellte in Gesundheitsberufen würden dagegen immer noch viel zu schlecht bezahlt. Viele Arbeitnehmer*innenrechte habe man so nebenbei weggewischt. „Umso bezeichnender ist es, dass die Corona-Leugner*innen und Impfskeptiker*innen diese offensichtlichen Missstände und Widersprüche nie auch nur im Entferntesten thematisieren. Hier zeigt sich der wirkliche Charakter der Proteste – es wird nicht quer gedacht, sondern systemkonform.“

Auch wenn Corona-Leugner*innen und Impfskeptiker*innen ein großes Ärgernis und ein Gesundheitsrisiko darstellten, dürfe man nicht den Eindruck erwecken, dass deren Protest das Hauptproblem der aktuellen Krise sei.

Man halte sich an Hygienemaßnahmen und Impfempfehlungen nicht weil es die Politik vorschreibe, sondern weil die Wissenschaft Belege für deren Sinnhaftigkeit liefert und man so die Schwächsten der Gesellschaft schützen könne. Der ganze Redebeitrag kann im Anhang dieses Artikels weiter unten nachgelesen werden.

 

Montagsdemo der „Offenen Gesellschaft Kurpfalz“ | Bild: OGK | CC BY-SA 4.0.

 

Erstmals angemeldete Montagsdemonstration gegen Corona-Maßnahmen

Rednerin zum Thema Impflicht bei der „Offenen Gesellschaft Kurpfalz“ | Bild: KIM

Währenddessen füllte sich der Schlosshof um 18 Uhr zunehmend mit Menschen. Zur angemeldeten Kundgebung mit anschließender Demonstration hatte die „Offene Gesellschaft Kurpfalz“, ein Ableger innerhalb der Querdenken-Szene aufgerufen. Das Motto der Demo war Solidarität zeigen mit ungeimpften Beschäftigten in der Pflege. Es wurde ein Redebeitrag zum Thema Impflicht gehalten. Die Rednerin stellte sich als Mitarbeiterin eines Gesundheitsamts vor. Anschließend zogen laut Veranstalter bis zu 2000 Personen über den Ring, durch die westlichen Quadraten, über Marktplatz und zurück durch die Breite Straße zum Schloss. Eine auf dem Marktplatz angekündigte Kundgebung fand nicht statt.

Der harte Kern der Querdenker-Szene nahm ebenso teil, wie viele weitere, bunt zusammen gewürfelte Personen, denen die angemeldete Versammlung erstmals Gelegenheit für ein stressfreies Demonstrationserlebnis bot. Die Polizei hielt sich im Hintergrund. Der Veranstalter war mit seinen Durchsagen auf Kooperation bemüht. Im Laufe der Versammlung entledigten sich immer mehr Teilnehmer*innen der bei vielen verhassten Gesichtsmasken.

Im Vorfeld hatte es in der Szene Diskussionen gegeben, ob man sich auf die behördlichen Regeln einlasse oder doch lieber weiter die unangemeldete „Spaziergänge“ veranstalte. Letztlich gab es beides: eine nicht angemeldete Demonstration (der sogenannte „Spaziergang“) in den Planken, so wie auch in den letzten Wochen, und die angemeldete Versammlung am Schloss. Die erste Demo stieß dann zur zweiten hinzu.

Exkurs: Offene Gesellschaft Kurpfalz

Veranstalterin der angemeldeten Demonstration am 24.01. und der angekündigten Demonstration am 31.01. ist die Gruppierung „Offene Gesellschaft Kurpfalz“, die bisher Demonstrationen mit Corona-Thema in Heidelberg, Schwetzingen und Rauenberg organisiert hatte. Die Gruppierung sieht sich als Kritikerin der staatlichen Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen, beruft sich dabei auf Grundrechte und neoliberale Ideen. Ihre Texte prägt ein intellektueller Duktus, der so gar nicht an rechte Organisationen erinnert. Dennoch mobilisieren sie zu ihren Veranstaltungen vom Neonazi bis zum linksalternativen Jugendlichen eine buntes Sammelsurium an Menschen – ganz im Sinne der Strategie der Neuen Rechten. Die Sprecher der „Offges“ (so die Abkürzung) sagen, bei ihnen dürfe jeder mitlaufen. Daher spielt die „Offges“ den Neuen Rechten den Ball zu, auch wenn sie sich selbst öffentlich von „radikalen“ Positionen distanzieren. Die „Offene Gesellschaft Kurpfalz“ kann als gemäßigter Flügel der Querdenken-Bewegung eingeordnet werden. Sie vermeiden radikale Parolen und bemühen sich um Kooperation mit Versammlungsbehörden und den etablierten Medien.

Imagewandel – aber die Inhalte bleiben gleich

Gegenwind bekommen die Querdenker*innen – die wegen schlechter Presse übrigens nicht mehr gerne mit diesem Namen auftreten – nur noch wenig. Nach den gewaltsamen Ereignissen Ende letzten Jahren haben sie, ebenso wie die Polizei, ihre Strategie geändert. Die Aktionen werden weichgespült, Parolen harmloser formuliert und Regeln vermehrt eingehalten. Von Polizei und Presse gibt es dafür lobende Worte.

Doch inhaltlich hat sich nichts geändert. Die Menschen laufen weiterhin den wissenschaftsfeindlichen Gurus und Verschwörungsideolog*innen hinterher. Sie verbreiten Gerüchte und Falschinformationen über die Gefahren der Covid-Erkrankung und die Folgen der Impfung. Die Radikalisierung findet nun weniger auf der Straße, aber weiterhin ungebremst in den einschlägigen Telegram-Kanälen statt, auf die staatliche Behörden keinen Einfluss haben.

Man darf sich die Szene der „Spaziergänger*innen“, ehemals „Querdenker*innen“, nicht so vorstellen, dass im Hintergrund AfD- oder NPD-Mitglieder die Strippen ziehen würden. Die Sache ist komplexer.

Die Proteste von Bürger*innen gegen Corona-Maßnahmen sind tatsächlich Bürgerproteste. Die Inszenierung und Lenkung wird aber vielerorts von einer Kerngruppe gesteuert, die nach den Strategien der Neuen Rechten handelt. Die Massen laufen einfachen und anschlussfähigen Parolen hinterher – so wie es schon immer funktioniert hat. Selbst wenn sich vor Ort keine Rechten beteiligen, werden die Aktionen in den einschlägigen Telegram-Gruppen inszeniert, so beispielsweise von den „Freien Sachsen“ oder den „Freien Pfälzern“. Es soll der Eindruck eines homogenen, immer größer werdenden Volksaufstand entstehen. Die Bewegung wird mit rechten Parolen und Inhalten gefüttert.

Von der Angst zum Aufstand

So wird aus der ursprünglichen Angst vor Impfnebenwirkungen eine Angst vor Zwangsimpfung und im nächsten Schritt kommt der Aufwand gegen eine vermeintliche Diktatur. Der Chefideologe der Neuen Rechten Götz Kubitschek hat das so formuliert: Es brauche einen polarisierenden Vorwand, „das Türöffner-Thema“, „und unsere Themen kommen hinterdrein gepoltert“. So funktionierte es mit der islamfeindlichen Pegida-Bewegung, dann mit den Protesten gegen Flüchtlingsunterkünfte und nun mit Corona und dem Impfen.

NPD Mitglieder voller Begeisterung bei der Demo der „Offenen Gesellschaft Kurpfalz“ | Bild: Screenshot Facebook-Seite NPD Mannheim

Eine Webseite, die der „Identitären Bewegung“ zugerechnet wird, kommentiert die aktuellen Corona-Proteste so: „Die nächste kritische Stufe der Massenproteste ist damit erreicht: Unüberschaubarkeit.“

In Mannheim sieht es aktuell nicht so aus, dass organisierte Rechte die Zügel der Montagsdemos fest in den Händen haben, wohl aber mischen sie dort fleißig mit. In vielen Städten, vor allem in Ostdeutschland, ist dies aber längst der Falls. Daher ist auch die Entwicklung in Mannheim alles andere als geklärt. AfD- und NPD-Mitglieder liefen am 24. Januar bei der „Offenen Gesellschaft Kurpfalz“ mit und waren von der großen Demo sehr begeistert.

Unüberschaubarkeit auflösen

Nachdem die Ausschreitungen in Mannheim kurzfristig für überregionale Aufmerksamkeit gesorgt hatten, gibt es Berichterstattung mittlerweile fast nur noch durch den Mannheimer Morgen. Der würdigte in seinem Beitrag die Demo der „Offenen Gesellschaft Kurpfalz“ mit lobenden Worten. „Friedliche Corona-Demo“ hieß es und „Es wirkt fast gemütlich, ja heimelig.“ Der Autor stellte fest: „Polizei und Teilnehmer der Demonstration sind an diesem Abend keine Gegner. Im Gegenteil“

Die Rezeption hat sich völlig geändert. Während vor wenigen Wochen noch erschrocken über Fackelmärsche vor dem Privathaus einer Gesundheitsministerin berichtet wurde, gibt es nun Lob dafür, dass Demonstrationen angemeldet und Masken getragen werden. Die Szene der Querdenker*innen hat es zumindest in Mannheim geschafft, mit einfachen Mitteln ihr Image aufzupolieren. Wer naiv ist und nicht genau hin sieht, fällt darauf rein. Dabei sind es natürlich weiterhin die selben Leute, die montags „spazieren“ gehen.

Was hilft gegen die Strategie der Unüberschaubarkeit? Dem Offenen Antifaschistischen Treffen ist ein inhaltlich stimmiger Gegenpol gelungen: Kritik der staatlichen Corona-Maßnahmen auf Basis eines humanistischen Weltbildes – Wissenschaftlichkeit und Menschenrechte als Grundlage politischer Forderungen. Eine solche Kritik ist glaubwürdiger, als wenn man Querdenker*innen nur dafür kritisiert, dass sie ihre Demos nicht anmelden und „Krawall“ machen. Doch angekommen ist die Botschaft wohl nur bei wenigen.

Die Initiative Uffbasse, die als Gegenaktion Menschenketten am Rathaus organisiert hatte, will zur Aufklärung beitragen und lädt am Donnerstag, 3. Februar zu einer Online-Veranstaltung ein, Motto „Nach rechts schauen!“ ISO Rhein-Neckar lädt zu einer weiteren Diskussionsveranstaltung am Feritagabend ein, Thema: „Wem nützen die ‚Corona-Proteste‛?“ (cki)

 

Termine

„Wem nützen die ‚Corona-Proteste‛?“
Diskussionsveranstaltung von ISO Rhein-Neckar am Freitag, 28.01.2022
Infos bei Facebook

„Uffbasse – nach rechts schauen!“
Online-Veranstaltung der Initative Uffbasse am Donnerstag, 03.02.2022
über Facebook Live bei den Grünen Mannheim

 

Rückblick

Bericht zur Montagsdemo am 17.01.2022

Bericht zur Montagsdemo und Gegenaktion am 03.01.2022

Bericht zur Montagsdemo und Gegenaktion am 27.12.2021

Bericht zur Montagsdemo am 20.12.2021

 

Redebeitrag des Offenen Antifaschistischen Treffen vom 24.01.2022

Heute findet hier in Mannheim eine Demonstration statt – eine Demonstration von Menschen, die ein immer noch tödliches Virus verharmlosen. Menschen, die in ihrem wissenschaftsfeindlichen Wahn die Wirksamkeit von Impfstoffen leugnen. Aber auch Menschen die rassistische, häufig antisemitische Verschwörungsideologien propagieren.

Kundgebung des Offenen Antifaschistischen Treffen Mannheim | Bild: KIM

Die Proteste der Corona-Leugner*innen sind keine homogene Bewegung. Nach unserer Einschätzung kann von einer rechten Führerschaft der Proteste in Mannheim nicht die Rede sein. Die Mehrheit bilden esoterische Kleinbürger*innen. Organisierte Rechte treten meist im Hintergrund auf und haben es bislang nicht geschafft, die Bewegung zu vereinnahmen, zumal die bisherige Protestform der sogenannten »Spaziergänge« einen wirklichen politischen Ausdruck erschwerte. Die Gefahr einer Vereinnahmung besteht jedoch weiterhin. Rechtes Gedankengut bleibt gefährlich, auch wenn es von Nicht-Rechten ausgeht.

Wir Antifaschist*innen vom OAT Mannheim haben uns entschlossen, heute aktiv für linke Standpunkte und Analysen einzutreten, statt einem Haufen wissenschaftsfeindlicher Kleinbürger*innen nachzutraben und uns an ihnen abzuarbeiten. Auch wenn Corona-Leugner*innen und Impfskeptiker*innen ein großes Ärgernis und ein Gesundheitsrisiko für uns alle darstellen, dürfen wir an keiner Stelle den Eindruck erwecken, dass deren Protest das Hauptproblem der aktuellen Krise ist.

Das Hauptproblem ist dieser Staat, der mit seiner sogenannten »Pandemiebekämpfung« vor allem eine Sache schützt: nicht etwa Menschenleben, sondern die Profite der Bonzen.

Das haben wir gesehen, als mit Lockdowns so gut wie alle Bereiche unseres Privatlebens stillgelegt wurden aber Farbrikarbeiter*innen weiterhin jeden Morgen in überfüllten Bussen und Bahnen an ihren Arbeitsplatz fahren mussten. Das haben wir auch gesehen als der Daimler-Konzern, der im Jahr 2020 durch Kurzarbeitergeld Einsparungen in Höhe von 700 Millionen Euro machte, Anfang 2021 1,4 Milliarden Euro Dividende an seine Aktionär*innen ausschüttete. Auch Adidas, BMW und VW gingen so vor. Es handelt sich hierbei um staatlich durchgeführte Umverteilung von unten nach oben.

Kundgebung des Offenen Antifaschistischen Treffen Mannheim | Bild: KIM

Derweil wurde vor kurzem in Niedersachsen die 60 Stunden Woche für Beschäftigte in der kritischen Infrastruktur ermöglicht. Historisch erkämpfte Errungenschaften der Arbeiter*innenbewegung werden mal eben kurz weggewischt! Im besten Fall bekommen die Betroffenen dafür dieses Mal sogar etwas länger Applaus im Bundestag.

Es scheint fast so, als wolle dieser Staat uns ständig daran erinnern, dass er nicht in unserem Interesse, sondern in dem, der herrschenden Klasse handelt. Umso bezeichnender ist es, dass die Corona-Leugner*innen und Impfskeptiker*innen diese offensichtlichen Missstände und Widersprüche nie auch nur im Entferntesten thematisieren. Hier zeigt sich der wirkliche Charakter der Proteste – es wird nicht quer gedacht, sondern systemkonform. Die Freiheit, die bei diesen Protesten verteidigt werden soll, war schon immer bloß die Freiheit derer, die es sich leisten konnten. Die Bewegung ist durch und durch bürgerlich und bleibt verbalradikal.

Denn der Beginn der Pandemie war kein plötzlicher Bruch mit dem Bestehend,en sondern ein konsequentes »Weiter-so«, neoliberaler Profitlogik. Daran wird sich auch mit einem Ende der Pandemie nichts ändern – im Gegenteil! Es ist mit weiterem Sozialstaatsabbau und sonstiger arbeiter*innenfeindlicher Politik zu rechnen um den wirtschaftlichen Aufschwung nach der Krise weiter anzukurbeln. Doch wir wissen; die Krise heißt nach wie vor Kapitalismus und sie wird nach wie vor auf dem Rücken der arbeitenden Klasse ausgetragen!

Das hat zur Folge, dass immer größere Teile der Bevölkerung von akuter Armut betroffen sind oder von Abstiegsängsten gequält werden. In dieser Entwicklung ist die Hinwendung zu reaktionärem Gedankengut indirekt angelegt. Wenn wir es nicht schaffen diesen Personengruppen glaubhafte Perspektiven zu bieten, dann haben rechte Agitator*innen leichtes Spiel. Es ist unsere Aufgabe als radikale Linke, das Bewusstsein der Massen für die Ungerechtigkeiten und Widersprüche dieses menschenverachtenden Wirtschaftssystems zu schärfen um es letztendlich zu überwinden. Das schaffen wir am besten, indem wir an den akuten Problemen der Menschen ansetzen. Ob steigende Mieten, oder Hungerlöhne, diese Probleme müssen wir in politisch-ökonomische Kämpfe übersetzen. Solche Kämpfe sind wichtig. Nicht weil wir uns langfristige Lösungen aus ihnen erhoffen, sondern weil sie uns als Klasse zusammenschweißen und uns als Lehrstück dienen, gegen wen unsere Kritik, unser Protest sich wenden muss. Wir können uns dabei weder auf die im Parlament sitzenden, bürgerlichen Parteien, noch auf rechte Verschwörungspropheten verlassen. Die einen machen Politik für die herrschende Klasse, die anderen bieten uns pseudorevolutionäre Lösungen.

Wir dürfen uns nicht von den einen einspannen lassen um die anderen zu bekämpfen. Gegen den Kapitalismus und gegen Corona-Leugnung – für solidarische Krisenlösungen jenseits dieses Systems!




Heidelberg und die Schwurbler*innen: Weder befreundet noch verbündet

In der letzten Zeit häuften sich – trotz oder gerade wegen Veranstaltungen mit Corona-Thematik – Annäherungsversuche von Schwurbler*innen an Heidelberger Antifaschist*innen. Zu diesem Anlass wollen sie klar stellen:

„Warum wir nicht mit „Die Basis“, „Offene Gesellschaft Kurpfalz“ oder Ulrich Becker zusammen arbeiten werden, sondern weiterhin gegen sie.“

Eine Stellungnahme der Antifaschistische Initiative Heidelberg.

Durch Kundgebungen und regelmäßige „Spaziergänge“ treten in Heidelberg wieder vermehrt Gruppen von Menschen zusammen auf, die nicht einfach zu definieren sind. Auch wenn es einfacher ist, anderes zu behaupten: Selbstverständlich sind nicht alle Teilnehmer*innen dieser Veranstaltungen überzeugte Rechte oder Nazis. Wir sagen das nicht aus Respekt oder Rücksicht gegenüber irgendwem, sondern aus der Notwendigkeit einer angemessenen politischen Analyse heraus. Das heißt nicht, dass der unsolidarische, menschenverachtende Kern der Bewegung nicht unsere Ablehnung verdient hat. Es muss lediglich klar sein, dass wir unsere Strategien, Parolen und Aktionsformen auf einer anderen Analyse aufbauen müssen.

Nichts davon rüttelt aber an unseren antifaschistischen Grundüberzeugungen. Wer nachhaltig mit Leuten läuft, die vom „Impfholocaust“ schwadronieren, sich für „die neuen Juden“ halten oder einem NPD-Kader zuklatschen, wenn dieser „den Baum der Freiheit mit dem Blut der Patrioten düngen“ will, der stimmt dem zu und unterstützt es. Das ist, ob es die Teilnehmer*innen in ihrem grenzenlosen Verständnis jeder Meinung gegenüber akzeptieren oder nicht, eine klare politische Positionierung.

Nachdem die Mobilisierung der bürgerlichen Gegner*innen der Corona-Maßnahmen im Sommer stark abflaute und seltener wurde, trieben Diskussionen um eine Impfpflicht und erneute Verschärfungen der Maßnahmen wieder mehr Menschen zu Versammlungen. Dabei taten sich die Partei „Die Basis“ und die Gruppe „Offene Gesellschaft Kurpfalz“ (ab hier OGK) organisatorisch hervor. An größeren Veranstaltungen beteiligen sich auch AfD und andere stadtbekannte Rechte offen, halten sich dort jedoch im Hintergrund. Wir möchten den Blick auf die lokalen Veranstalter*innen werfen und erneut begründen, dass es mit diesen keine Zusammenarbeit geben kann.

Im Gegensatz zu vielen anderen süddeutschen Städten gibt es in Heidelberg keinen aktiven Ableger von „Querdenken“, dafür aber mehrere Akteur*innen, die inhaltlich kaum davon zu unterscheiden sind. Die aktivsten davon sind die Kleinstpartei „Die Basis“, Kreisverband Heidelberg, und die „Offene Gesellschaft Kurpfalz“. „Die Basis“, die aus der Kleinstpartei „Widerstand 2020“ hervorging, kann als parteipolitische Vertretung der „Querdenken“-Bewegung bezeichnet werden. Immer wieder behaupten „Basis“-Sprecher*innen, mit „Querdenken“ habe die Partei nichts zu tun. Diese Aussage ist faktisch falsch, was auch daran zu sehen ist, wie viele bekannte „Querdenken“-Aktivist*innen Listenplätze bei „Die Basis“ ergattert haben [1]. Ulrich Becker, der 2020 für „Die Basis“ kandidierte, meldete in letzter Zeit einige Veranstaltungen als Privatperson an, tritt aber auch bei solchen von „Die Basis“ in Heidelberg auf. Sein jetziges Verhältnis zur Partei ist uns nicht ganz klar, interessiert uns aber auch nicht. In letzter Zeit bestand sein Aktivismus jedoch vor allem darin, mit seiner aufmerksamkeitssuchenden Neonjacke und seinem Lastenrad nutzlos am Rand von Kundgebungen herumzustehen.

Die seit Sommer 2021 aktive „Offene Gesellschaft Kurpfalz / Antihygienistische Aktion“ wird maßgeblich von Achim Kupferschmitt geprägt und geleitet. Auch Gianna „Gigi“ Fox, die noch vor einigen Monaten als „Grundgesetz Guerilla“ in Rauenberg Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen organisiert hatte, mischt bei der OGK mit. Die Gruppe kämpft gegen einen vermeintlichen „Hygienismus“, das „2G-Apartheidsregime“ und die „Corona-Diktatur“. „Die Basis“ und die „Offene Gesellschaft Kurpfalz“ arbeiten offen zusammen. Sie unterstützen und bewerben gegenseitig ihre Veranstaltungen und tauschen sich organisatorisch aus.

Gleicher Scheiß, anderes Etikett

Auf den von ihnen organisierten Kundgebungen und Demonstrationen war und ist Verharmlosung des Corona-Virus Standard. Ulrich Becker sagte im Mai 2020 auf dem Heidelberger Marktplatz, es sei völlig sinnfrei, sich überhaupt auf das Virus testen zu lassen, denn wenn er krank wäre, würde er das schon merken und einfach zu Hause bleiben. Die Impfungen werden stattdessen dämonisiert und als eigentliche Todesfolge ausgemacht. Ein besonderer Tiefpunkt war eine von Becker organisierte Kundgebung am 9. November 2021: Ausgerechnet am Jahrestag der deutsch-faschistischen Novemberpogrome zitierte eine Rednerin auf einem von „Die Basis“ ausgerichteten Schweigemarsch den Verschwörungstheoretiker und Antisemiten Sucharit Bakhdi [2], der angesichts angeblich zahlreicher Impftoter einen „neuen Holocaust“ feststellt. Quarantäne-Einrichtungen bezeichnete sie als Konzentrationslager. Auf derselben Veranstaltung trug eine Teilnehmerin ein Schild mit der Aufschrift, dass auch Auschwitz mit Ausgrenzung begonnen habe [3]. Eine Antifaschistin machte die Teilnehmer*innen auf die unerträglichen Shoah-Relativierungen und -Trivialisierungen aufmerksam und wurde dafür beleidigt und angeschrien. Eine besonders energische Gegenrede hielt Ralph Bühler, ein bekannter rechter Aktivist aus Nußloch, gegen den derzeit ein Verfahren wegen Volksverhetzung läuft [4]. Ulrich Becker, der in solchen Situationen diplomatisch aufzutreten versucht, bekräftigte danach, er selbst würde „von 1933 aus vorwärts denken“, denn „es“ sei ja noch nicht vorbei und niemand wüsste, wo „es“ hinführe. Eine weitere Rednerin brachte es danach fertig, Antisemitismus auf den „importierten Islam“ abzuwälzen. Alle diese Aussagen wurden beklatscht.

Anwanzende AfD

An diesen und weiteren Veranstaltungen nahmen mehrfach AfD-Politiker*innen und -Aktivist*innen teil. Diese bereiteten ihre Teilnahmen jeweils medial auf. Sie treffen dort auf Sympathisant*innen und Wähler*innen und müssen keine Ausgrenzung fürchten. Andere bekannte Rechte tummelten sich auch in der Menge, ohne dabei aufzufallen. Wenn Teilnehmende darauf aufmerksam gemacht wurden, dass sie mit „Reichsbürgern“ oder Nazis auf der Straße stehen, reagierten sie mit Unverständnis oder Gleichgültigkeit. Andererseits verstehen sich anscheinend nicht wenige von ihnen tatsächlich als „liberal“, „freiheitlich“, „alternativ“ etc. Nachdem es der AfD im letzten Jahr trotz zahlreicher personeller Überschneidungen und Verbindungen nicht gelang, die Corona-Proteste zu prägen, versucht sie immer wieder, auf kleinerer Ebene an die einzelnen Strömungen anzudocken. In Hinblick auf Veranstaltungen von „Die Basis“ und „Offene Gesellschaft Kurpfalz“ twitterte AfD-Stadtrat Timethy Bartesch kürzlich: „Es ist höchste Zeit, dabei zu sein“. Der Heidelberger Ableger von „Die Basis“ wiederum teilte auf Twitter vermehrt Statements verschiedener AfD-Accounts, unter anderem vom evangelikalen AfD-Politiker Malte Kaufmann. Die Partei „Die Basis“ hat keinerlei Berührungsängste mit Faschist*innen. Ulrich Becker selber sagte auf einer Podiumsdiskussion auf dem Bismarckplatz (von der er später zu seinem Missfallen „basisdemokratisch“ ausgeschlossen wurde), dass er sich nicht von Nazis distanziere, weil das auch nur Menschen seien: er „grenze“ sich grundsätzlich nicht von Menschen ab …

Die rechte Box aufgedreht

Durch Gruppierungen wie Querdenken etablierte sich im vorletzten Jahr das „offene Mikrofon“, das auch bei „Die Basis“ & Co. seit längerem im Sinne eines vermeintlichen Meinungspluralismus dazugehört. Daran erfreute sich beispielsweise schon der Neonazi Jonathan Stumpf (alias Johannes Scharf), der auf dem Universitätsplatz eine aufhetzende nationalistische Rede hielt, für die er viel Zuspruch erntete. Für welche Meinungen dieses Mikrofon also wirklich offen ist, zeigte sich an den wenigen aufklärerischen Beiträgen, die sich gegen Verschwörungsmythen aussprachen: Den Redner*innen schlug, sobald sie nicht den bekömmlichen Müll predigten, Hass und Aggression entgegen. Nach rechts gibt es dagegen scheinbar keine Toleranzgrenze, wie sich an Redebeiträgen von Neonazis und Antisemit*innen zeigt.

„Ihr seid doch eigentlich gegen Faschismus!!?“

Becker und manche Teilnehmer*innen versuchen immer wieder zu betonen, dass wir ja „im Grunde alle das Gleiche wollen“. Das ist schlichtweg nicht der Fall. Es stellt sich ohnehin die Frage, wen diese noch als politischen Gegner ausmachen, wenn sie doch in Corona-Maßnahmen den Faschismus drohen sehen und gegen diesen mit Faschist*innen und Antifaschist*innen gleichermaßen auf die Straße gehen wollen. Eigentlich wähnen sie scheinbar alle auf ihrer Seite. Wenn dann doch offensichtlich die große Mehrheit keinen Bock auf die Schwurbelei hat, muss diese ja „fehlgeleitet“ oder „fremdgesteuert“ sein. Wer dann wiederum dahinter stehen soll, wollen wir nicht mutmaßen.

Ihre Vermutung, wir wären mit ihnen auf einer Seite, zeugt indes nur von völliger politischer Unkenntnis. Unsere politischen Standpunkte sind weit entfernt von dem willkürlichen und in sich widersprüchlichen Potpourri an Verschwörungen, Menschenfeindlichkeit und Naivität, das auf ihren Veranstaltungen zelebriert wird.

Im Gegensatz zu den meisten von ihnen sind wir nicht staatskritisch, um uns beim Essen mit Bekannten oder beim Elternabend in der Schule an unseren tollen radikalen Sprüchen laben zu können. Wir sind staatskritisch, weil der bürgerliche Staat keinen anderen Zweck hat, als die Herrschaft des Kapitals zu sichern und diese Herrschaft Unterdrückung, Elend und Zerstörung des Planeten bedeutet. In Zeiten einer Pandemie bedeutet diese Herrschaftssicherung jedoch eine Erhaltung eines Mindestmaßes an Infrastruktur, die mit einem Gesundheitsschutz der Gesamtbevölkerung verbunden ist. Natürlich sind die Maßnahmen aus dem genannten Grund – auf die Lohnarbeit bezogen – völlig unzureichend, und stattdessen wird versucht, dies über Eingriffe in die „Freizeit“ auszugleichen. Aber wenn wir trotzdem die Notwendigkeit von Maßnahmen sehen, dann ist es nicht unsere Staatskritik, die verwässert wird, sondern unser Humanismus, der bestehen bleibt. Andernfalls müssten wir auch sozialdemokratische Dinge wie die gesetzliche Krankenversicherung oder Arbeitszeitbegrenzung bekämpfen, anstatt sie zu verteidigen.

Bei den Schwurblern ist das genaue Gegenteil der Fall. Mit der Begründung, sich gegen staatliche Unterdrückung zur Wehr setzen zu wollen, sollen Menschen Krankheit und Tod schutzlos ausgeliefert werden. Das ist Staatskritik zugunsten von Menschenfeindlichkeit.

Bezeichnend ist auch, was die eine zentrale Forderung ist, unter der sich alle sammeln können: Sofortige Zurücknahme aller Corona-Maßnahmen. Die dringlichste und einheitlichste Forderung ist also die des Wiedereinsetzens des Status quo ante, also der Rechtslage von Februar 2020. Als ob nicht genau das Davor das eigentliche Problem des Jetzt sei! Die pandemische Krise ist doch letztlich nur ein Brennglas, das sämtliche Missstände, die davor bestanden haben, massiv verschärft. Wir haben uns schon Jahre vor Corona aktiv in die Proteste gegen die Missstände im Gesundheitswesen eingebracht, gegen Polizeigesetze, Überwachungsgesellschaft und soziale Ungleichheit gekämpft und und und, während die versammelte Schwurbelei sich noch bestenfalls damit beschäftigt hat, ob nun Dinkel oder Quinoa das bessere Superfood sei. Wir wollen nicht zurück zum Davor. Natürlich müssen alle getroffenen Einschränkungen von Versammlungen und privaten Aktivitäten unverzüglich beendet werden, aber eben erst, sobald es die pandemische Lage zulässt. Wer denkt, dass damit das eigentliche Problem beendet sei, mit dem*der haben wir politisch nichts gemein. Wir stehen für einen solidarischen Ausgang aus der Krise.

Und hier zeigt sich ein weiteres Kernproblem der genannten Proteste von „Die Basis“, „Querdenken“ & Co. Im bürgerlichen Nest ging es dem absoluten Großteil von ihnen gut. Das Elend der Welt war sicherlich bekannt, und bestimmt wurde hier und da mal gespendet, vielleicht auch fair eingekauft und mit Sicherheit das Leid der Welt moniert … Erst kam das Fressen und dann die Moral. Die Corona-Pandemie hat dann jedoch unvermittelt eine Situation erfordert, dass zugunsten vulnerabler Gruppen Einschränkungen bei denjenigen getroffen wurden, die von der Krankheit direkt vielleicht gar nicht sonderlich bedroht waren. Und die indirekte Bedrohung ist scheinbar für bestimmte Hirne zu abstrakt. Erst als die eigenen Privilegien bedroht wurden, schien das Unrecht der Welt plötzlich apokalyptische Züge anzunehmen. Das, wofür sie einstehen, ist also nichts anderes als ein egoistischer Erhalt ihrer Privilegien. Ein Erhalt ihrer Herrschaftsposition im globalen und nationalen Machtgefüge. Wenn wir auf die Straße gehen gegen Unrecht und Unterdrückung, ist dies solidarisch, verbunden mit einem Gedanken von Kollektivität – und progressiv. Die Schwurbelproteste hingegen sind egoistisch und reaktionär.

Es ist eigentlich jedes Wort zu viel, wenn darauf hingewiesen werden muss, dass der Faschismus mit antisemitischen und anderen Verschwörungserzählungen nicht bekämpft, sondern nur unterstützt wird. Dass diejenigen, die mit Vereinigungen wie der AfD, den Identitären, NPD oder „Der Dritte Weg“ auf die Straße gehen, den Faschismus nicht bekämpfen, sondern unterstützen.
Wenn auf Versammlungen und Schwurbel-Veranstaltungen Parallelen gezogen werden zu den frühen Jahren des deutschen Faschismus (zur Erinnerung: 1933 wurden bewaffnet Gewerkschafts- und Parteihäuser gestürmt und deren Mitglieder gefoltert, ermordet oder in „wilde KZs“ gesteckt) oder sogar zur industriellen Massenvernichtung von Jüd*innen, dann spucken nicht nur diejenigen, die es aussprechen, sondern auch alle anderen, die dem zustimmen oder es mittragen, den Opfern des deutschen Faschismus nochmals ins Gesicht. Das ist für uns kein Anlass für eine Diskussion, sondern bestenfalls wiederum eine Zielscheibe für unsere Spucke.

(Text: Antifaschistische Initiative Heidelberg)

Quellen und Nachweise:

Zitate Becker & Co., nachzuhören in der Telegramgruppe von dieBasis Heidelberg:

„Wir, das Volk, dürfen uns nie wieder von einem Angst-Narrativ durch ein Tor treiben lassen“ Ulrich Becker 09.05.20

„Find‘ ich menschlich schade“ Becker an störende Antifas 06.12.21 hehehe

[1] https://netzpolitik.org/2021/die-basis-eine-schrecklich-nette-partei/

[2] Bhakdi sagte unter anderem auch: „Das Volk, das geflüchtet ist aus diesem Land, aus diesem Land, wo das Erzböse war, und ihr Land gefunden haben, haben ihr eigenes Land in etwas verwandelt, was noch schlimmer ist, als Deutschland war. (…) Das ist das Schlimme an den Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt“

[3] siehe PE der AIHD vom 10.11.2021

[4] Bühler teilte auf Facebook ein antisemitisches Bild, das Jüdinnen und Juden als Ursprung alles Bösen dämonisiert: https://twitter.com/DasRoteSignal/status/1465943418056716290 / RNZ Artikel: https://www.rnz.de/nachrichten/wiesloch_artikel,-buergermeisterwahl-walldorf-ermittlungen-der-staatsanwaltschaft-gegen-kandidat-buehler-_arid,692272.html