Eine kleinteilige Betrachtung der Wahlergebnisse kann nicht schaden

Sitzverteilung im Mannheimer Gemeinderat nach der Kommunalwahl 2024 | Grafik: KIM

Bei der Europa- und insbesondere der Gemeinderatswahl in Mannheim (und an vielen anderen Orten) war Vieles verstörend. Insbesondere das (allerdings nicht überraschend) gute Abschneiden der AfD.

25% der Gesellschaft sind für Rechtsradikalismus offen, 75% derzeit nicht.

Die Frage von einem humanistischen, demokratischen, liberalen und vor allem sozialen Standpunkt aus erhebt sich natürlich: Wie kommt’s zu den 25% und wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken. Zunächst muss man festhalten, dass die Gedankenwelt von ca. 25% der Menschen in Deutschland seit Langem für rechte bis rechtsradikale und faschistische Erklärmuster und Bestrebungen offen ist, teils auch verfestigt und militant bis hin zu Mord und Totschlag. Das haben die Studien von Prof. Heitmeyer schon seit zwei Jahrzehnten immer wieder bestätigt. Und der aktuelle Aufreger AfD darf ja nicht vergessen machen, dass es einmal eine gerade in Baden-Württemberg oder auch in Sachsen im Landtag sitzende und dort auch die Straßen und das gesellschaftliche Leben in ländlichen Regionen prägende NPD gab, ebenso wie die „Republikaner“. Der über deren Erfolge hinausgehende Höhenflug der AfD verdankt sich vor allem der erfolgreichen sammelnden Parteibildung aus der bürgerlichen Mitte heraus mit erheblicher Radikalisierungsentwicklung , mit fortwährenden Tabubrüchen und mit einem großen Talent, über die neuen Medien viele Menschen anzusprechen und in ihren Vorurteilen zu bestätigen und sie in eine braune Blase hineinzuziehen. Unbestritten profitiert die AfD auch mit ihren simplen Erklärmustern und verschlimmernden politischen Rezepten von den großen Weltkrisen, die zur Verunsicherung vieler Menschen beitragen, die die Erklärungen der AfD begierig aufnehmen, wie ein Betäubungsmittel.

Wenn über diese Feststellungen auch in der einen oder anderen Art weithin Konsens besteht, herrscht doch Ratlosigkeit, wie dieser rechtsradikalen Partei erfolgreich entgegengetreten werden kann. Die schiere Dämonisierung der AfD wird von vielen Rat suchenden Menschen gerade als Bestätigung für die Richtigkeit der AfD-Masche begriffen. Motto: Viel Feind, viel Ehr, eine echte „Alternative“.

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob nicht gerade auf der überschaubaren kommunalen Ebene Erkenntnisse gewonnen werden können, wo Ansatzpunkte für eine Gegenstrategie liegen.

Was tun?

Zunächst muss festgestellt werden, dass die AfD stark vom Ruf der Führungsfiguren auf Bundes- und vielleicht noch Landesebene lebt einschließlich Höcke. 14,2% bei der Kommunalwahl bekommt sie in Mannheim ohne viel Werbung und ohne, dass sie laut vernehmlich Positionen und konkrete Forderungen erheben würde, außer am liebsten ein Viertel der Bevölkerung abzuschieben und das GKM auf Zeit und Ewigkeit mit Kohle befeuern zu lassen. Weithin unbekannte Leute wie auch der einstige Landtagskandidat Kloß sammeln problemlos die Stimmen ein. Stimmenführer in Mannheim ist der von Platz 4 hochgewählte Ex-Polizist Finkler. Der Beruf brint’s.

Eine wichtige Frage ist sicherlich, wie sich Spitzenwerte von über 40% in manchen Stadtteilen bzw. Quartieren erklären lassen.

Da wäre z.B. „die Schönau“ – berüchtigt seit dem Landtags-Direktmandat für die AfD im Mannheimer Norden. „Die Schönau“ hat der AfD in Urnen- und Briefwahl 29,2% der gültigen Stimmen gebracht, deutlich über dem Mannheimer Durchschnitt. Die Wahlbeteiligung lag in dem Stadtteil Schönau bei 41%. Im Wahlbezirk 07111 im Nordwesten der Schönau gingen jedoch nur 377 der 1.968 Wahlberechtigten in ihr Wahllokal. Von denen bekam die AfD 44,95 der gültigen Stimmen. Es ist die Gegend auf der Schönau, wo überwiegend die Mietshaus-Riegel der GBG stehen mit vergleichsweise günstigen Mietpreisen. In diese Häuser wird von der GBG viel investiert. Der ganze Norden wird auf Vordermann gebracht. Es gibt eine verhältnismäßig gute soziale Infrastruktur. Ein Gesundheitskiosk wurde gerade jüngst eingeweiht, von der Linken maßgeblich angestoßen. Die Menschen auf der Schönau sind nicht „die Abgehängten“, von denen es natürlich trotzdem einige gibt. Wer sind nun die mindestens 132 Wähler*innen, die da der AfD einen Stimmzettel mit 48 Stimmen abgegeben haben oder vielleicht 200 Leute, die panaschiert haben? Was bewegt diese Menschen? Worüber ärgern sie sich, was erwarten sie Fulminantes von einer AfD in „Regierungsverantwortung“? Wie informieren sie sich? Wen beeinflussen sie? Aus der Ferne der City oder Neckarstadt-Ost lässt sich das schwer beurteilen und vor allem kann man ihnen so kaum entgegentreten.

Was die politische Diskussion sicherlich nicht befördert, ist die Tatsache, dass von 12.630 Bewohner*innen der Schönau nur 67,4% überhaupt das Wahlrecht haben. Berücksichtigt man noch die 20% unter 18-Jährigen (die Zahl der unter 16-jährigen liegt leider nicht vor), dann sind es immer noch 13% der Bevölkerung, die teilweise schon lange im Stadtteil leben aber nicht wählen dürfen.

In Schönau Süd liegt das Ergebnis um die 30% bei fast doppelter Wahlbeteiligung. Das sind die Bewohner*innen der Siedlungshäuschen und sonstiger kleinteiligen Bebauung. Die haben sicher ein paar krisenhafte Monate hinter sich, in denen es um das zunächst sehr schräge „Heizungsgesetz“ ging. Fernwärme ist im Stadtteil kaum vorhanden. Aber sicher haben sie auch andere Beschwerden. Die großen „Kümmerer“-Aktivitäten der SPD im Stadtteil werden nicht honoriert. Wird über Politik gesprochen?

Die „Sinus-Milieus“ der Schönau, die die Stadt seit Jahren für die Stadtteile ermitteln lässt, damit sie weiß, mit wem sie es jeweils zu tun hat, kann man der vom privaten Sinus-Institut Heidelberg herausgegebenen Grafik entnehmen. Dazu muss man wissen, dass diese Studien keine faktische Datensammlungen sind, sondern auf Befragungen und entsprechenden Hochrechnungen beruhen (Demoskopie). Trotzdem geben sie ein nachvollziehbares Bild ab:

Quelle; https://web2.mannheim.de/statistikatlas/pdf/07_sch%C3%B6nau.pdf

Auffällig ist der große Anteil des „Prekären Milieus“, sprich in Armut lebender Menschen, und derer, die knapp besser gestellt sind, sich vielleicht einen großen Fernseher auf Pump kaufen können und deswegen leicht zynisch „Konsum-Hedonistisches Milieu“ genannt werden. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund beträgt 55% mit einer großen türkischstämmigen Community (Zahlen der Meldebehörde).

Anders sieht es beispielsweise auf der Vogelstang aus, die aber zu ähnlichen Wahlergebnissen kommt: Hier hat die AfD inkl. Briefwahl 27,29% bei einer Wahlbeteiligung von 45,6%. Spitzenwert für die AfD ist der Nordwesten mit 44,5%. Hier stehen zahlreiche Wohnhochhäuser neben kleinteiliger Bebauung. Es haben sich dort 432 Menschen an der Urnenwahl beteiligt.

Quelle: https://web2.mannheim.de/statistikatlas/pdf/13_vogelstang.pdf

Die klassische Armut beträgt hier – wenn man den Zahlen Glauben schenken darf – „nur“ 5,6%. Hier scheint der Fundus der AfD aus dem „Nostalgisch-Bürgerlichen“ bis hin zum „Konservativ Gehobenen Milieu“ zu kommen. Sind diese Milieus einer politischen Informations- und Debattenkultur zugänglich? Und wer würde mit ihnen diskutieren?

Käfertal insgesamt erbrachte der AfD 21% (plus Briefwahl). Erstaunlich ist allerdings, dass der neue Stadtteil Franklin mit 16,5% auch über dem städtischen Durchschnitt liegt. Wohnen hier nicht junge, aufgeklärte Familien (Kinder- und Jugendanteil von 28%!), die über einiges Geld verfügen können müssen, wenn sie sich dort eine Wohnung gekauft oder gemietet haben? Hier mag der tagtägliche Ärger über mangelnde Kita- und Schulplätze, über die Verkehrsverhältnisse und die empfundene Parkplatz-Not, die immer noch fehlende „Mitte“ mit Supermarkt etc.pp. ein Motiv sein. Ob die AfD das besser richten würde, glauben diejenigen von den 904 Wählerinnen, die dieser Partei ihre Stimme gegeben haben, wahrscheinlich selber nicht. Aber es gibt ja auch die Anderen dort, die etwas Nützliches für sich und ihre Umgebung machen…
Ganz ähnlich sind die Ergebnisse im sozial gemischten Siedlungsgebiet Exerzierplatz und auf den Konversionsflächen Centro Verde und Turley.

Da die Kommunalpolitik an der Basis stattfindet, können kommunalpolitisch interessierte und aktive Menschen, die die AfD für überhaupt keine Alternative halten, sicher etwas bewirken, wenn sie aus ihrer vertrauten Blase dann und wann mal heraustreten. Gegen die AfD kann sich nur eine ganze Stadtgesellschaft wehren – auf unterschiedlichste Weise, aber auch streitbar und diskursiv.

Thomas Trüper

 

Siehe auch:

Europa- und Kommunalwahl: Rückblick auf den Wahlsonntag mit Rechtsruck




Gesundheitscafé in Mannheim-Schönau eröffnet – Innovativer Impuls für gerechtere Versorgung in der Fläche

Eröffnung des Gesundheitscafé in Mannheim-Schönau | Bild: Stadt Mannheim

Im Mannheimer Stadtteil Schönau ist das erste Gesundheitscafé der Stadt eröffnet worden. Anders als eine Arztpraxis ist das Gesundheitscafé eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Menschen aus dem Stadtteil aller Altersgruppen. Es bietet Beratung und Weitervermittlung bei gesundheitlichen Fragen, aber auch Präventionsangebote und einen sozialen Treffpunkt in Form eines offenen Café-Treff.

Gesundheitsversorgung ist ungleich verteilt

Dass gerade auf der Schönau eine solche Einrichtung entsteht, ist kein Zufall, denn zuletzt gab es immer mehr Kritik an der ungleichen Gesundheitsversorgung in der Stadt. Auch KIM berichtete zum Thema mit der Überschrift „Was hat meine Postleitzahl mit meiner Gesundheit zu tun?

Während in eher wohlhabenden Stadtteilen (Sozialraum 1-3) meist ausreichend Arztpraxen vorhanden sind, mangelt es in sozial benachteiligten Stadtteilen (Sozialraum 4-5), wie Neckarstadt-West, Wohlgelegen, Luzenberg, Waldhof, Hochstätt oder auch Schönau oft an niedergelassenen Arzt*innen. Besonders auffällig ist dies auch bei den Kinderarztpraxen. Ärzt*innen haben „Niederlassungsfreiheit“ bei der Standortwahl ihrer Praxis und natürlich ist es bequemer, eine Arbeitsstelle in der Nähe des eigenen Wohnortes zu haben.

Dieses Ungleichgewicht wirkt sich sogar auf die Lebenserwartung aus. Bewohner*innen der Neckarstadt West werden im Durchschnitt nur 69 Jahre alt, wohingegen die meisten Bewohner*innen des Lindenhofs Ihren 81ten Geburtstag feiern.

Veranstaltung „Menschen vor Profit: Gesundheit“ | Bild: Helmut Roos

Gesundheitscafé für mehr soziale Gerechtigkeit

Bei einer Veranstaltung von DIE LINKE mit dem Titel „Menschen vor Profit“ wurde dieses Thema öffentlich diskutiert. Lisa Baumann und Dmitri Zeleni von der Linksfraktion Bremen lieferten Einblicke in erfolgreiche Modelle kommunaler Gesundheitsversorgung, die noch einen Schritt weiter gehen: Polikliniken als medizinische Versorgungszentren in den Stadtteilen. Jasmin Zart, Leiterin der Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung, berichtete von ihrer Arbeit in der Neckarstadt-West und Ralf Heller, Betriebsratsvorsitzender der Universitätsmedizin Mannheim, erläuterte die Probleme eines profitorientierten Gesundheitssystems.

Das Gesundheitscafé Schönau ist eine Maßnahme für mehr soziale Gerechtigkeit auf kommunaler Ebene. Die Stadt Mannheim setzt viele gute Projekte um, die politisch vom rot-grün-roten Bündnis im Gemeinderat erkämpft wurden. Von Trinkwasserspendern auf öffentlichen Plätzen über Angebote für Kinder und Jugendliche, Hebammen in den Stadtteilen, Aktionen gegen Hitzebelastung und die Durchführung von kommunalen Gesundheitskonferenzen. Das Gesundheitscafé ist ein wichtiger Schritt auf dem noch weiten Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit. (cki)


Die Stadt Mannheim hat viele Informationen zum Gesundheitscafé Mannheim-Schönau in einer Pressemitteilung zusammengefasst.

Erstes Gesundheitscafé in Mannheim eröffnet

Im Rahmen der 3. Schönauer Gesundheitswoche, die noch bis 17. Mai 2024 ein vielfältiges Gesundheitsprogramm im Stadtteil bietet, wurde am 15. Mai das neue Gesundheitscafé im Bromberger Baumgang 12, 68307 Mannheim, eröffnet.

Die ca. 250 qm große, barrierefreie Fläche bietet unter anderem Platz für ein Beratungszimmer, ein Bewegungszimmer, einen Kursraum, einen Café-Bereich mit offener Küche sowie einen Außenbereich mit Terrasse.

Es wird eine niedrigschwellige Anlaufstelle in Mannheim sein, in der die Bürger*innen des Stadtteils Schönau Antworten auf ihre Fragen rund um das Thema Gesundheit erhalten. Neben kostenlosen Kursen und Vorträgen zur Gesundheitsförderung und Prävention soll künftig ein regelmäßiger offener Café-Treff stattfinden. Die Mitarbeiter*innen sind Lots*innen im Gesundheitssystem, sodass die Bürger*innen dort Informationen über bereits bestehende Angebote in Mannheim erhalten und bei der Vermittlung dorthin unterstützt werden. Langfristig soll das Gesundheitscafé dazu beitragen, verschiedene weitere Gesundheitsangebote ins Quartier zu bringen.

Interessierte können sich bezüglich eines ehrenamtlichen Engagements oder zwecks Durchführung eigener Angebote im Gesundheitscafé gerne an die Mitarbeiter*innen des Gesundheitscafés wenden (siehe Kontakt unten).

Informationen und Veranstaltungshinweise sind als Aushang und perspektivisch in einem Schaukasten vor dem Gesundheitscafé einsehbar und werden kurzfristig auch über das Beteiligungsportal (mannheim-gemeinsam-gestalten.de) geteilt.

„Das neu etablierte Gesundheitscafé Schönau ist eine wichtige Initiative des Fachbereichs Jugendamt und Gesundheitsamt, die Gesundheitsförderung direkt in das Quartier zu bringen“, freute sich der Gesundheitsbürgermeister Dirk Grunert bei der Eröffnung. „Es ist mehr als nur ein Café – es ist eine zentrale Anlaufstelle, ein niedrigschwelliger Treffpunkt für Menschen jeden Alters, um sich über Gesundheitsthemen zu informieren, Beratung zu erhalten und präventive Maßnahmen zu entdecken. Mit dem Gesundheitscafé möchten wir die gesundheitliche Chancengleichheit fördern und Ihnen, liebe Bewohner*innen, gesundheitsbezogene Angebote quasi direkt vor die Haustür bringen.“

Um die Bürger*innen von Anfang mitzunehmen, war der Stadtverwaltung die Beteiligung der Menschen vor Ort besonders wichtig, deshalb wurden beispielsweise die Kinder aus den Kitas und Grundschulen sowie die Besucher*innen des Jugendhauses mit einem Malwettbewerb beteiligt und die Bürger*innen sowie verschiedenen Kooperationspartner*innen konnten Wünsche zu den Öffnungszeiten und Angeboten einbringen. Diese finden nach und nach bei den neuen Angeboten und Programmen Berücksichtigung.

Umrahmt wurde die offizielle Eröffnung durch unterschiedliche Angebote, wie einen Kinderfitness-Test oder Kräftigungsübungen für den Alltag. Im Gesundheitscafé konnten sich Interessierte auch am Infostand des Gesundheitstreffpunktes beispielsweise über Selbsthilfegruppen und Patientenberatung informieren. Im Rahmen der Gesundheitswoche gab es am Infostand GESUNDHEIT auf dem Lena-Maurer-Platz unter anderem Informationen zu Saison-Gemüse, Ernährung und Bewegung, zum Seniorennetzwerk und zu Lastenrädern.

Die 3. Schönauer Gesundheitswoche läuft noch bis zum 17. Mai 2024. Eine Übersicht über das Programm und die Angebote ist auf www.caritas-mannheim.de unter Aktuelles – Termine zu finden.

Das Gesundheitscafé wird neben städtischen Mitteln mit einer Förderung in Höhe von 85.000 Euro durch das Förderprogramm „Quartiersimpulse“ unterstützt. Das Förderprogramm „Quartiersimpulse“ der Allianz für Beteiligung und des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration ist Teil der Landesstrategie „Quartier 2030 – Gemeinsam.Gestalten.“ und wird finanziert aus Landesmitteln.

 

Erste Termine:

  • ab 16.05.2024: Begegnungscafé des Quartierbüros Schönau der Caritas, donnerstags 18.00 – 20.00 Uhr, zunächst ist die Teilnahme mit einer Anmeldung über das Quartiersbüro (0621/7 88 92 50 bzw. qb-schoenau@caritas-mannheim.de) verbunden.
  • ab 22.05.2024: Offener Café-Treff (zum Zusammenkommen und Austauschen, für alle Menschen, keine Anmeldung erforderlich), mittwochs 09.30 – 12.00 Uhr, donnerstags 14.30 Uhr – 17.00 Uhr.
  • ab 05.06.2024: Pflegeberatung durch Roll In e.V., mittwochs von 11.00-12.00 Uhr, bei Bedarf länger, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

 

Kontakt:

Gesundheitscafé Schönau
Bromberger Baumgang 12
68307 Mannheim

Frau Hannah Leonhardt

Tel.: 0621/293-3457, Mobil: 0151/52776285, 580gescafe@mannheim.de

 




Auch nach Schönau stellt sich die Frage: Darf man Polizeieinsätze filmen?

Polizeieinsatz am 23. Dezember in Mannheim-Schönau aus Anwohner*innensicht | Screenshot Augenzeug*innenvideo: Facebook | Bildmontage: KIM

Am 23. Dezember 2023 wurde bei einem Polizeieinsatz in Mannheim-Schönau Ertektin Ö. erschossen (KIM berichtete). Das Geschehen fand auf offener Straße, mitten im Wohngebiet statt. Zahlreiche Augenzeug*innen beobachteten und filmten den Polizeieinsatz. Kurze Zeit später machte sich eine öffentliche Empörung breit und Fragen wurden gestellt: Musste Ertektin Ö. sterben? Oder kam es hier zu unverhältnismäßiger Polizeigewalt? Ohne die Videos, die über die sozialen Medien verbreitet wurden, hätte es die Debatte wahrscheinlich nicht gegeben.

Gegenüber der Zeitung Mannheimer Morgen (MM) berichteten mehrere Augenzeug*innen, dass Polizist*innen nach den tödlichen Schüssen Handys von Passant*innen einsammeln wollten, um Videoaufnahmen zu löschen. Das LKA, das die Ermittlungen übernommen hatte, konnte dies nicht bestätigen und nannte es gegenüber dem MM eine „Fehlinformation“. Denkbar wäre aber auch, dass beteiligte Polizist*innen diesen Vorgang dem LKA verschwiegen hatten.

Wieder einmal stellt sich die Frage: Darf man Polizeieinsätze überhaupt filmen? Und wenn ja, unter welchen Umständen und mit welchen Einschränkungen?

Die Macht der Videos

Das Thema ist nicht neu. KIM hatte 2020 Interviews mit Pfarrerin Ilka Sobottke und Rechtsanwalt Günter Urbancyk geführt, als das Handyvideo der Tötung von George Floyd weltweite Proteste ausgelöst hatte.

Der Tod von George Floyd löste nicht nur in den USA große Bestürzung aus. Ein Polizist hatte den Afroamerikaner solange mit dem Knie den Kopf auf den Boden gedrückt, bis er erstickte. Massive antirassistische Proteste folgten, aber auch Konsequenzen für die Polizeiarbeit und ganz konkret für die beteiligten Polizisten. Sie wurden aus dem Dienst entlassen und zu langen Haftstrafen verurteilt.

Ohne das Video der 17-jährigen Passantin Darnella Frazier, die fast 10 Minuten die ganze Brutalität filmte, wäre das nie möglich gewesen, so lautete die Einschätzung von Pfarrerin Ilka Sobottke. Die Gewalt zu bezeugen, sei nun mal die einzige Möglichkeit gewesen, etwas zu ändern. Rechtsanwalt Günter Urbancyk vermutete damals, dass es ohne das Video nicht zur Anklage gegen die Polizisten gekommen wäre.

Bildaufnahmen sind grundsätzlich erlaubt

Auch in Mannheim gab es damals Diskussionen um Handyvideos von brutalen Polizeieinsätzen. Schaut man sich die Rechtslage hierzulande an, so muss zwischen Bild- und Tonaufnahme unterschieden werden – auch wenn das bei Handyvideos mit Bild und Ton zunächst unlogisch erscheinen mag. Es ist eine mit der Zeit gewachsene und keine vernünftige Regelung, sagt Rechtsanwalt Urbancyk dazu.

Bildaufnahmen werden im Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) geregelt. Einschränkungen ergeben sich erst mit der Veröffentlichung von Bildern. Das bedeutet, dass die Anfertigung der Bilder zunächst einmal grundsätzlich erlaubt ist.

Einschreiten darf die Polizei also nur, wenn durch das Filmen selbst der Einsatz gestört wird oder es den begründeten Verdacht einer Rechtsverletzung gibt, beispielsweise weil der Fotograf in der Vergangenheit bereits unrechtmäßig Bilder veröffentlicht hat. Ansonsten muss die Polizei die Bildaufnahmen hinnehmen.

Bei der Veröffentlichung ist einiges zu beachten. Grundsätzlich müssen abgebildete Personen zustimmen, es gibt jedoch Ausnahmen. Bilder aus dem Bereich der Zeitgeschichte, von öffentlichen Versammlungen oder im Interesse der Kunst dürfen auch ohne Einwilligung der abgebildeten Personen veröffentlicht werden.

Die Bildaufnahme eines Polizeieinsatzes, über den die Öffentlichkeit diskutiert, dürfte einen solchen zeitgeschichtlichen Kontext haben. Beteiligte Polizist*innen müssen dann die Veröffentlichung von Bildern hinnehmen, auf denen sie zu sehen sind. Hier muss jedoch beachtet werden, dass es zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen kann und jeder Fall individuell betrachtet werden muss. Wenn in den Zeitungen über das Ereignis berichtet wird, ist dies jedoch ein deutlicher Hinweis auf die zeitgeschichtliche Relevanz.

Tonaufnahmen sind problematisch

Ganz anders ist die rechtliche Lage bei Tonaufnahmen. Hier ist nämlich die besonders geschützte Vertraulichkeit des nichtöffentlich gesprochenen Worts zu beachten. Das regelt Paragraf 201 Strafgesetzbuch (StGB). Nicht erst die Veröffentlichung, sondern bereits die Aufnahme kann strafbar sein, warnt Urbancyk.

Im konkreten Fall kann eine Videoaufnahme des Polizeieinsatzes mit Ton bereits problematisch werden. Wenn ein Polizist in der Öffentlichkeit laut ruft „Alle hinter die Absperrung“ ist das sicherlich kein vertraulich gesprochenes Wort. Wenn er sich aber mit einem Kollegen über das weitere Vorgehen bespricht, wäre die Tonaufnahme höchstwahrscheinlich illegal und könnte bestraft werden. Auch die Beschlagnahme des Handys, mit dem gefilmt wurde, wäre zur Strafverfolgung möglich.

Fazit: Filmaufnahmen von Polizeieinsätzen sind grundsätzlich erlaubt

Die Filmaufnahmen, die Passant*innen vom Polizeieinsatz am 23. Dezember angefertigt haben, dürften größtenteils erlaubt gewesen sein. Vor allem diejenigen, die von den Fenstern filmten, werden die nichtöffentlich gesprochenen Worte auf der Straße auf Grund der Entfernung nicht aufgenommen haben.

Auch die Veröffentlichung der Videos in den sozialen Medien dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein, da es sich um ein Ereignis der Zeitgeschichte handelt. Würde über den Vorfall nicht öffentlich diskutiert und in Zeitungen berichtet, wäre das ganze anders zu beurteilen.

Somit bedingt das eine das andere. Erst die Videos der Augenzeug*innen ermöglichten die öffentliche Debatte, die wiederum dazu führte, dass der Polizeieinsatz zu einem Ereignis der Zeitgeschichte wurde. (cki)

 

Videobeitrag: Polizeieinsätze filmen – darf man das … sollte man das?
Interview mit Pfarrerin Ilka Sobottke und Rechtsanwalt Günter Urbancyk

Hinweis zum Video: Es werden Aufnahmen gewalttätiger Polizeieinsätze gezeigt. Deshalb hat das Video eine Altersbeschränkung und muss direkt bei YouTube angesehen werden. Videobeitrag bei YouTube: https://youtu.be/M5fJmqw555g

 




Wut und Trauer in Mannheim-Schönau: Wieder ein Toter nach einem Polizeieinsatz und wieder gibt es viele Fragen

Blumen, Kerzen und Botschaften am Tatort in der Johann-Schütte-Straße

Im Mannheimer Stadtteil Schönau ist am 23. Dezember 2023 der 49-jährige Ertekin Ö. durch Schüsse bei einem Polizeieinsatz getötet worden. Er soll Polizist*innen mit einem Messer bedroht haben. Nach der Veröffentlichung mehrerer Videos, auf denen der Vorfall zu sehen ist, wurde Kritik am Polizeieinsatz laut. Es ist bereits der zweite Fall von Polizeigewalt mit Todesfolge, der für öffentliches Entsetzen sorgt.

Am Mittwoch, 27. Dezember fand am Tatort eine Mahnwache statt. 15 Personen waren angemeldet, hunderte sind gekommen. Viele Menschen aus dem Stadtteil hatte der Vorfall sichtlich aufgewühlt. Am Tatort in der Johann-Schütte-Straße wurden Kerzen und Blumen niedergelegt. Auf Schildern war zu lesen „Sie sollen uns beschützen nicht töten“. Die Initiative 2. Mai stellte mit ihrer Veranstaltungsankündigung die Frage „Wie viele sollen noch von der Polizei getötet werden?“

Zunächst eine Zusammenfassung, was bisher zum Geschehen bekannt ist und warum Kritik am Polizeieinsatz geäußert wird.

Ein Video zeigt das Geschehen kurz vor den tödlichen Schüssen | Screenshot: Facebook

Die Sicht der Polizei

Die erste Meldung der Polizei kommt am Samstag, 23. Dezember um 13:28 Uhr: „Aktuell kommt es in in der Johann-Schütte-Straße zu einem größeren Polizeieinsatz. Eine Gefahr für die Bevölkerung besteht nicht.“ Gegen Abend wird eine weitere Pressemitteilung gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft veröffentlicht. Ein 49-Jähriger Mann habe über Notruf die Polizei gerufen und mitgeteilt, er habe ein Verbrechen begangen. Vor Ort habe die Polizei den Mann, der mit einem Messer bewaffnet war, vor dem Wohngebäude angetroffen. Er habe die Beamten bedroht und die Einsatzkräfte hätten im Verlauf des Einsatzgeschehens von ihrer Schusswaffe Gebrauch gemacht.

Nach einer Reanimationsmaßnahme sei der Mann in ein Krankenhaus gebracht worden, wo er verstarb. Die weitere Bearbeitung des Falls werde vom Landeskriminalamt übernommen. Videos des Vorfalls könnten über ein Hinweisportal an das LKA übermittelt werden.

Die Sicht der Augenzeug*innen

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits zahlreiche Videos des Vorfalls in den sozialen Medien verbreitet. Das Geschehen fand im Wohngebiet in der Johann-Schütte-Straße statt. Aus den umliegenden Häuser filmten zahlreiche Menschen aus den Fenstern. Auf der Straße waren Passant*innen und Familienmitglieder des Mannes anwesend.

Durch die Videoaufnahmen des Ereignisses aus unterschiedlichen Perspektiven bekommt man einen guten Blick auf das, was passiert ist. Der Mann, der ein Messer in der Hand hält, läuft mit nacktem Oberkörper langsam und ziellos auf der Straße umher, vor und wieder zurück. Ihm gegenüber stehen zunächst vier, dann drei Polizist*innen mit gezogenen Schusswaffen. Weitere Polizist*innen sind vor Ort, es treffen immer mehr mit Polizeiautos und Blaulicht ein. Polizist*innen versuchen Passant*innen aus dem Bereich fern zu halten. Man hört Rufe „Bleib stehen“ und „Messer weg“.

So geht es eine Weile. Der Mann läuft hin und her, dreht sich herum, kniet, steht wieder auf. Geht zwei Schritte in Richtung der drei Polizist*innen. Plötzlich fallen vier Schüsse kurz nacheinander. Der Mann sackt zusammen. Passant*innen schreien. Mehrere Polizist*innen gehen zu dem am Boden liegenden, schwer verletzten Mann, drehen seine Arme nach hinten und fesseln ihn.

Die Sicht der Familie

Mehrere Familienmitglieder waren vor Ort und mussten den Vorfall mit ansehen. Eine Tochter und eine Schwester hatten nach dem Vorfall mit verschiedenen Medien gesprochen und von psychischen Problemen des Mannes berichtet. Es habe in der Vergangenheit bereits einen ähnlichen Vorfall gegeben. Am Tag selbst sei es zu psychischen Auffälligkeiten und Selbstverletzungen gekommen, berichtet die Schwester. Ihr Bruder sei der Polizei bekannt gewesen. Es habe im Vorfeld Probleme mit der Wohnsituation gegeben. Mehrere Familienmitglieder hätten vor Ort versucht, den Mann zu beruhigen. Sei seien aber von Polizist*innen weg geschickt worden.

Mahnwache am 27. Dezember in Mannheim-Schönau

Gesellschaftliche und politische Reaktionen

Der Vorfall hatte in kurzer Zeit zu Diskussionen in sozialen Medien und Berichten in lokalen und überregionalen Medien gesorgt, insbesondere auch in türkischsprachigen, da die Familie eine türkische Migrationsgeschichte hat. Für die aufgeheizten Diskussionen dürften vor allem die veröffentlichten Videos gesorgt haben.

Viele Menschen äußerten Unverständnis, warum gleich mehrfach auf den Mann geschossen und kein milderes Mittel angewendet wurde. Das sei eine regelrechte „Hinrichtung“ gewesen, äußerte jemand bei Facebook. Da kein Angriff mit dem Messer, nicht einmal eine schnelle Bewegung in Richtung Polizei erkennbar gewesen sei, äußern viele ihr Unverständnis über die tödliche Gewalt. „Warum gleich vier Schüsse direkt in die Brust?“ fragt eine Frau in den sozialen Medien.

Tage danach sind in der Johann-Schütte-Straße noch die Spuren des tödlichen Polizeieinsatzes zu sehen

Der Vorfall wird auch deshalb so kritisch diskutiert, da bei vielen noch die Erinnerung an den 2. Mai 2022 wach ist. Damals wurde ein Psychiatriepatient von Polizisten verfolgt, mit Pfefferspray attackiert und so massiv geschlagen und fixiert, dass er infolge innerer Verletzungen an seinem Blut erstickte. Der Prozess gegen zwei beteiligte Polizist*innen beginnt im Januar.

Damals hatte sich die Initiative 2. Mai gegründet und Demonstrationen gegen Polizeigewalt organisiert. Die Initiative lässt weiterhin nicht locker, will den Prozess kritisch begleiten und erinnert regelmäßig an das damalige Opfer.

Nun gibt es einen weiteren Fall tödlicher Polizeigewalt. Wieder ein Mann mit psychischen Auffälligkeiten, wieder ein Mann mit Migrationsgeschichte.

Die Initiative stellt die Frage „Wieviele noch? Wieviele sollen noch von der Polizei getötet werden?“ Sie erinnert an ähnliche Fälle in anderen Städten: Christy Schwundeck, Mareame Ndeye Sarr, Hussam Fadl, Matiullah J., William Tonou- Mbobda, Mohamed Idrisse, Sammy Baker und Mouhamed Dramé. „Menschen, die Unterstützung bräuchten, die von struktureller Gewalt und Armut betroffen und in migrantischen Vierteln leben, häusliche und sexualisierte Gewalt erfahren, werden als Täter:innen kriminalisiert, misshandelt und getötet. Das zieht sich von der Polizei bis in die Justiz!“

Mahnwache am 27. Dezember in Mannheim-Schönau

Die Mahnwache

Am Mittwochabend nach der Tat fand in der Johann-Schütte-Straße in Schönau eine Mahnwache statt, die von der Initiative 2. Mai angemeldet worden war. Hunderte Menschen versammelten sich. Das Medieninteresse war groß, vor allem türkischsprachige Sender hatten Kamerateams geschickt.

Auf der Straße waren noch die Kreidemarkierungen zum Schusswaffengebrauch zu sehen. An einer Hauswand stand frisch gesprüht „Polizist? Mörder!“

Kinder und Erwachsene trugen Schilder, auf denen zu lesen war „Ertekin Ö. wurde ermordet!“, „Stoppt Polizeigewalt“ und „Reden statt schißen“. Am Tatort wurden Kerzen, Blumen und Schilder mit Botschaften abgelegt.

Viele Teilnehmer*innen der Mahnwache trugen auf ihren Jacken Aufkleber mit einem Bild von Ertekin Ö.

Nach vielen Interviews und emotionalen Gesprächen eröffnete eine Sprecherin der Initiative 2. Mai die Veranstaltung und äußerte ihr Bestürzen, dass nach den Ereignissen vom 2. Mai 2022 schon wieder ein Mensch sterben musste.

Emrah Durkal

Emrah Durkal, selbst in der Nachbarschaft aufgewachsen, zeigte sich fassungslos über die tödlichen Schüsse. Er fragte: „Wo waren die Sozialpsychologen?“ Im Namen der Nachbarschaft forderte er von der Mannheimer Polizei und dem LKA eine Erklärung und eine lückenlose Aufklärung, auch ob Rassismus eine Rollte gespielt haben könnte. Er wisse nicht, wie er den Kindern in der Nachbarschaft erklären soll, dass die Polizei der Freund und nicht der Feind ist.

Nalan Erol

Nalan Erol, Stadträtin und Sprecherin von DIDF, rief dazu auf, auch die Hintergründe zu betrachten. Rassismus in Polizei und anderen Behörden, Drohschreiben, NSU V-Leute, all das hätte das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden schwer beschädigt.

Gerhard Fontagnier

Gerhard Fontagnier, Stadtrat für Bündnis 90/Die Grünen und Sprecher im Verein „Mannheim sagt Ja!“ betonte, nun sei es wichtig, Fragen zu stellen und Antworten einzufordern. Er versprach, sich mit seinen Kolleg*innen im Stadtrat dafür einzusetzen. Fontagnier wies auch auf eine Spendensammlung für die Beisetzung des Toten hin. Es sei nun wichtig, der Familie beizustehen.

Dennis Ulas

Denis Ulas, Stadtrat für DIE LINKE fragte, ob es nicht auch andere Mittel gebe, um einen gefährlichen Mensch zu stoppen. Er könne es nicht verstehen, warum auf den Mann mehrfach geschossen wurde. Ulas ging auch auf die Stellungnahme von OB Specht ein, der am Nachmittag der Presse sagte „Eine Bewertung der Ereignisse, bevor die dafür berufenen Institutionen ihre Ermittlungen abgeschlossen haben, verbietet sich“. Ulas entgegnete darauf, ein Mensch sei von der Polizei getötet worden. Das sei nun mal Fakt.

Offene Fragen und wenig Hoffnung auf Antworten

Öffentlichkeit, Politik, Presse, Familie, Freund*innen stellen nun Fragen. Warum musste Ertekin Ö. sterben? Gab es kein milderes Mittel, um die Gefahr abzuwenden? Warum wurde nicht zuerst Pfefferspray eingesetzt? Warum werden Schusswaffen statt Tasern eingesetzt? Warum wurde geschossen, obwohl kein erkennbarer Angriff mit dem Messer erfolgte? Warum wurde in die Brust geschossen? Warum wurde gleich vier mal geschossen? Wie werden Polizist*innen für solche Einsätze geschult? Gibt es Einsatzstrategien zum Umgang mit psychischen Krisen? Sieht die Polizeiführung Anlass zur Kritik oder wurde ihrer Meinung nach alles richtig gemacht?

Ausführliche Antworten dürften jedoch kaum zu erwarten sein. Polizei ermittelt wieder gegen Polizei. Pressemitteilungen erfolgen im Interesse der Behörde. Eine unabhängige Untersuchungsstelle ohne Interessenskonflikt gibt es nicht. Der Fall 2. Mai hat bereits gezeigt, dass Fragen nur sehr langsam und für die Betroffenen oft unbefriedigend und zu knapp beantwortet werden. Polizist*innen schweigen, um sich selbst und ihre Kolleg*innen vor juristischen Folgen zu schützen.

Eine weitere Kundgebung ist für Samstag, 30. Dezember in der Innenstadt geplant (Treffpunkt 15 Uhr Plankenkopf, gegenüber Wasserturm) Die Initiative 2. Mai ruft dazu auf, „gegen Polizeigewalt und im Gedenken an Ertekin!“ (cki)

 

Weitere Bilder der Mahnwache am 27. Dezember

 




Bundestagswahl – nochmal näher hingeschaut, besonders auf die Rechten

Zwei Aspekte sollen hier untersucht werden:
1.) Welche Dynamik der Meinungsbildung kurz vor der Wahl ergibt sich aus den Brief- und Urnen-Wahlergebnissen in Mannheim?
2.) Welche Entwicklung nehmen die äußersten Rechten in Mannheim?

Dynamik der Meinungsbildung

Wir haben noch alle sicher das teils dramatische Auf und Ab der Wahlprognosen in diesem Jahr nach 10 Jahren Großer Koalition und zum Ende der Ära Merkel in Erinnerung. Zur Illustration möge die folgende Grafik dienen. Sie zeigt das bundesweite Wahlergebnis von 2017, eine Prognose aus dem September 2020, drei Prognosen aus diesem Jahr und das Ergebnis 2021. Sichtbar wird der stufenweise Absturz der CDU/CSU seit letztem Jahr, der Hype der Grünen um das 2,5-fache, der dann kontinuierlich zurückging, der stabile Höhenflug der SPD zwischen Juni und September, das Abschmelzen der AfD von 12,6% auf 10,3%, die Erholung der FDP von 10,8% auf 11,5% und die nahezu Halbierung der LINKEN von 9,2% auf 4,9%. Die letzten Prognosen lagen dann durchaus im Bereich der Ergebnisse, außer dass die CDU zu niedrig taxiert wurde und damit die Dramatik eines Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen ihr und der SPD die Szene beherrschte. Nicht ganz unwichtig war, dass im Sommer ein Institut die LINKE bei 5% und damit in der Zone der Ungewissheit des Wiedereinzugs in den Bundestag verortete.

Es wird ja viel diskutiert über die Seriosität der Demoskopie, die sich manchmal in der Vergangenheit erheblich vertan hatte – diesmal nicht so sehr. Noch intensiver wird über die möglicherweise die manipulierende Wirkung der Meinungsumfragen auf die Öffentliche Meinung vor Wahlen diskutiert.

Bei der Bundestagswahl 2021 haben u.a. aufgrund der Pandemie erstmals über die Hälfte der Wählenden ihre Stimme über die Briefwahl abgegeben. Auf diese Weise gibt es zwei getrennt ausgewiesene Wahlergebnisse, die dann erst zum Gesamtergebnis zusammengeführt werden: Die Brief- und die Urnenwahl. Die Briefwahl konnte erst nach Zustellung der Wahlbenachrichtigungen am 5. September beantragt werden und lief dann aber schon sehr lebhaft an. Somit liegt ein Teilwahlergebnis aus der Zeit vor dem eigentlichen Wahltag vor (schwerpunktmäßig 10 bis 14 Tage vor dem Stichtag 26. September) und ein Ergebnis vom Wahltag selbst. Gibt es zwischen dem früheren und dem Stichtagsergebnis Unterschiede? Unterschiedlich.

Zunächst ist zu klären, welche Faktoren für eine mögliche Unterschiedlichkeit sprechen könnten. Die Briefwählenden gehören wohl eher zu den Menschen mit einer klaren und frühzeitig gefassten Wahlentscheidung. Möglicherweise haben sie eine engere Parteibindung. Auf jeden Fall sind sie eher nicht die „Kurzentschlossenen“. Letzte Tendenzen und Wendungen des Wahlkampfes können nicht mehr in ihre Stimmabgabe eingehen.  Wohl aber bei den Urnen-Wähler*innen, die den Wahlkampf bis zum bitteren Ende verfolgen können und unter denen es wohl viele lange Unentschiedene gibt. Spekulativ, aber nicht ganz auszuschließen differiert zwischen beiden Gruppen die durchschnittliche Einstellung gegenüber eine Gefährdung durch Corona: „Ich bleibe lieber zu Hause und mache Briefwahl“ versus „Die sollen sich nicht so haben!“. Es gibt aber natürlich auch die Wählenden, denen der Gang zur Urne eine geschätzte „Bürger*innen-Pflicht“ mit ritueller Bedeutung ist, so lange sie nicht an der Teilnahme objektiv verhindert sind.

Die folgende Tabelle listet die Zweitstimmen-Ergebnisse im Wahlkreis 275 Mannheim auf und lohnt ein genaueres Hinsehen. Zunächst sieht man die Zahl der Walberechtigten und derer, die erfolgreich von ihrem Wahlrecht gebraucht gemacht haben, unterschieden nach Brief- und Urnenwahl. Sodann die absoluten Stimmenzahlen der größten sechs Parteien, die im alten wie im neuen Bundestag vertreten sind. Die Wahlbeteiligung lag bei 71,61%, fast auf dem Niveau vor vier Jahren (73%) und etwas über dem Niveau von 2013 (69,4%).

Das Verhältnis zwischen dem Briefwahl- und dem Urnenergebnis ist bei den einzelnen Parteien durchaus unterschiedlich. Wenn das Verhältnis unter 100 liegt, ist die Zustimmung am Wahltag geringer als in den zwei Wochen vorher. Liegt sie über 100, hat es offensichtlich in der Wählerschaft der jeweiligen Partei noch einen Schub gegeben.

Auffällig ist bei der SPD mit 99,9% eine große Stabilität zu verzeichnen, was dafür steht, dass ihre Wählerschaft schon frühzeitig zu dieser Partei, ihrem Programm und ihrem Kandidaten stand. Anders bei der CDU, bei der die Erosion – gerade auch in Mannheim als einem besonderen Sumpfloch – sich noch bis zuletzt fortsetzte. Noch dramatischer war die negative Dynamik bei den Grünen: Nur 71,4% vom Briefwahlergebnis betrug die Zustimmung am Wahltag selbst.  Besonders auffällig ist die gegenteilige Dynamik bei der AfD. Sie liegt zwar in Mannheim insgesamt mit 9,1% 3,7 Prozentpunkte unter ihrem Ergebnis von 2017. Jedoch gab es offenbar eine große Schlussmobilisierung für die extreme Rechte. Ihr Urnenergebnis liegt 211,8% über dem Briefwahlergebnis. Die sich demoskopisch abzeichnende Ampelkoalition hat alles was derzeit rechts ist offensichtlich an die Urne getrieben, einschließlich abgewanderter CDU-Anhänger*innen. Bei der LINKEN gab es einerseits gegenüber 2017 den riesigen Einbruch, der auch auf den Wegfall taktisch Wählender (Nähe zur 5%-Hürde!) zurückzuführen ist. Andererseits hat sie im Urnenergebnis 120,5% des Briefwahlergebnisses erreicht, weil der eine die andere ein mögliches Scheitern dann wohl doch verhindern wollte.

Der obere Tabellenteil zeigt die absoluten Zahlen der für die jeweiligen Parteien abgegebenen Stimmen aus der Urnen- und der Briefwahl sowie die Summen aus beiden an. Der untere Teil die prozentualen Anteile der Parteien an der Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen. Die unterste Zeile zeigt für jede Partei das Verhältnis der Stimmanteile bei der Urnen- und der Briefwahl an. Daraus werden Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Urnen- und Briefwahl deutlich. (Quelle: Amtliches Ergebnis der Bundestagswahl WK 275, eigene Berechnungen).

 

Entwicklung der äußersten Rechten in Mannheim

Seit der Schockwahl 2016 zum Landtag, bei der die AfD eines von zwei Direktmandaten im Mannheimer Norden (Wahlkreis 35) bekam, schaut man auf die Schönau. Dort hatte diese Partei in einem Stimmbezirk der Schönau Nord-West 35,4% der Stimmen bekommen. Die Stimmführerschaft ging in den Folgewahlen auf einen benachbarten Stimmbezirk über, in das jetzige Sanierungsgebiet Schönau nordwestlich der Endstelle der Linie 1.

Während für die Schönau insgesamt, die ja keinesfalls ein einheitlicher Sozialraum ist, das AfD-Ergebnis seit jener Landtagswahl von 30,1% auf aktuell bei der Bundestagswahl 18,6% gesunken ist, steht Schönau Nord nach wie vor mit 33,7% AfD-Stimmen an der Spitze – bei einer Wahlbeteiligung von 25,2%. Bei der Landtagswahl 2021 kam in diesem Stimmbezirk die AfD immer noch auf 34,7%. Und das, obwohl die fünf Jahre zuvor auf der Schönau wohl kaum jemand den in Mannheim Nord gewählten AfD-MdL Klos jemals zu Gesicht bekommen hatte. Er verbrachte seine Zeit hauptsächlich mit juristischen Auseinandersetzungen mit seinem Kreisverband Mannheim. Die Wahlbeteiligung lag bei der letzten Landtagswahl in Schönau Nord bei 16,5%.

Der Zuschnitt und die Anzahl der Stimmbezirke ändern sich leider von Wahl zu Wahl, worunter die Vergleichbarkeit leidet. Dennoch ergibt sich ein aussagekräftiges Bild. (Quellen: Amtliche Ergebnisse der Bundestagswahlen 2013, 2017 und 2021 im Wahlkreis 275 sowie der Landtagswahlen 2016 und 2021 zusammengefasst aus den Wahlkreisen 35 und 36, eigene Berechnungen).

Leider ist der hohe Anteil der AfD in einzelnen Stimmbezirken nicht auf die Schönau beschränkt. Sie grassiert auch auf der Vogelstang, im Waldhof und Sandhofen, sowie im Mannheimer Süden in Casterfeld und Hochstätt, sowie knapp unter der 20%-Marke besonders in Rheinau.


Bundestagswahl 2021 WK 275, Stadtteilergebnisse der AfD mit 20% und mehr

In Gesamtmannheim hat sich der Stimmenanteil gegenüber dem Stimmenanteil der Landtagswahl 2016 von 18,2% auf 9% halbiert. Jedoch sollte man nicht vergessen, dass der AfD eine kleine Konkurrenz in Form der Partei dieBasis Stimmen gekostet hat (1,31%). Auch diese Partei gibt sich gut bürgerlich und „basisdemokratisch“, kann viele Akademiker aufweisen und ist ansonsten das Segelboot eines großen Teils der Querdenkerszene. Sie ist die Fortsetzung der von dem Schwindelarzt Bodo Schiffmann gegründeten und dann verlassenen Partei Widerstand2020.

Bleibt der Vollständigkeit halber zu erwähnen, dass die LKR („liberal-konservative Reformer“), die Abspaltung von der AfD, zu der fast die gesamte AfD-Fraktion im letzten Mannheimer Gemeinderat übergetreten war, in Mannheim insgesamt nur noch 23 Stimmen verbuchen konnte. Die NPD, die wahrscheinlich nur zwecks Aufrechterhaltung ihres Parteienprivilegs kandidierte, erhielt 146 Stimmen. Damit erweist sich die AfD auch als willkommene Heimat ehemaliger NPD-Wähler*innen – stramm auf Rechtskurs, völkisch und rassistisch. Die liberal-konservativen Kräfte, die mit Bernd Lucke die AfD verlassen hatten, spielen als eigene Formation keine Rolle mehr.

Thomas Trüper




Von Feudenheim nach Schönau: Protest gegen AfD-Veranstaltungen

Die AfD Mannheim lud am 29.1.20 wieder zu ihrem Stammtisch ein, diesmal unter dem Motto „ist die grüne Politik eine Gefahr?“. Ein Bündnis aus verschiedenen antifaschistischen Gruppen wie dem Offenen Antifaschistischen Treffen Mannheim, Antifa Jugend Walldorf, Aufstehen gegen Rassismus, IL, VVN, Omas gegen Rechts, Fridays for Future und mehreren Parteien mobilisierte am Mittwoch Abend gegen 18 Uhr zum eigentlich veröffentlichten Veranstaltungsort, dem bekannten Schützenhaus in Feudenheim.

Dieses hat seit September letzten Jahres einen neuen Pächter, das Restaurant „Antica Sicilia“, doch auch der neue Betreiber zeigt sich offen für rechte Hetze und lässt die AfD weiterhin ihre Veranstaltungen dort durchführen. Am Schützenhaus zeigte sich allerdings wenig Polizei und ein leeres Restaurant. Nach kurzem Abklären war klar warum: Der Stammtisch wurde kurzfristig auf die Schönau ins Siedlerheim „Da Camelo“ verlegt.

Die rund 80 Teilnehmer der Gegenkundgebung beschlossen nach kurzer Entscheidungsfindung mit Bahn und Auto auf die Schönau zu fahren. Noch vor Beginn der AfD Veranstaltung, trafen sich mehr als 50 Antifaschist*innen am Eingang vom Restaurant „Da Camelo“ ein und machten ihren Unmut kund. Mit Redebeiträgen und lauten Parolen wurde eine Spontankundgebung abgehalten. Am eigentlichen Stammtischort befand sich dann auch die zu erwartende Polizei und wartete bereits auf die Teilnehmer*innen des Gegenprotestes.

Wir werten den gestrigen Abend trotzdem als Erfolg, da wir nicht nur der AfD zeigen konnten, dass in Mannheim kein Platz für Rechte Hetze ist, sondern auch noch dem neuen Besitzer des Schützenhauses zeigen konnten, dass wir viele sind und weiterhin nicht zulassen werden, dass die AfD ihre Veranstaltungen ungehindert abhalten kann – egal wo!

(Offenes Antifaschistisches Treffen Mannheim)

 

Bildergalerie




Spiegel-TV: Reißerischer und tendenziöser Bericht über die Neckarstadt-West und die Schönau

Blick vom Marchivum auf die Dächer der Neckarstadt-West

Am 3. Dezember strahlte „Spiegel TV“ auf RTL in seiner „Spiegel TV Reportage“ einen halbstündigen Bericht über die Neckarstadt-West und die Schönau aus. In der Aufmachung einer Art „Reality Show“ kamen Bewohner oder angebliche Bewohner, so genau weiß man das nicht, zur Sprache, um genau dieses defätistische Bild dieser Stadtteile zu zeigen.

In der Ansage kommt die Moderatorin Maria Gresz gleich zur Sache: „Sozialhilfekosten, Drogenkriminalität, Verwahrlosung, Armutszuwanderung, Schwarzarbeit. Mannheim hat von allem zu viel. Nicht erst seit gestern und nicht überall, aber in den Stadtteilen Schönau und Neckarstadt-West haben die Probleme die Zumutbarkeitsgrenze der Bewohner längst überschritten.

Die folgende Reportage von Yasmin Javuz soll dann genau dieses kaputte Milieu beschreiben.

Von der Schönau ist dies ein Möchtegern-Gangster-Rapper mit bosnischen Wurzel, der gerne mit anderen Typen rumhängt, vom großen Geld träumt und dieses – zumindest was seine Luxuskarosse angeht – auch zu haben scheint. Ein Auto, das „wohl nicht nur mit ehrlicher Arbeit“ verdient ist.

Dann gibt es einen Dealer und Konsument von Drogen, der beim Gespräch als Vermummung eine schwarze Maskerade trägt und mit einem Revolver herum hantierend ebenfalls vom großen Geld spricht, da ehrliche Arbeit sich sowieso nicht lohnen würde.

Dann wird auf der Schönau die Wohnung eines Mannes gezeigt, der seit Jahren arbeitslos ist und Hartz IV bezieht. Die Wohnung ist messimäßig total zugemüllt.

Den Höhepunkt unseriöser journalistischer Arbeit erreicht die Sendung mit einer Reportage über den Einsatz einer Polizeistreife in der Neckarstadt-West. Im Schlepptau einer Polizeistreife geht das Fernsehteam von „Spiegel-TV“ dem akuten Notruf einer Frau nach, die in der eigenen Wohnung gestürzt ist und sich im hilflosen Zustand befindet. Der Lebenspartner ist kurz vorher verstorben. Die Polizei erlaubt den Eintritt in die Privatsphäre. Die Kamera hält voll drauf, man sieht die Beine eines leblosen Körpers auf dem Fußboden. Es wird von einer verwahrlosten Wohnung berichtet, die Polizeibeamten bestätigen dies, dies sei in der Neckarstadt-West nun mal normal. Nach uns vorliegenden Informationen ist die Frau vom Besuch des Fernseh-Teams total überrumpelt worden. Sie habe inzwischen einen Rechtsanwalt beauftragt.

Nächste Szenen: In Begleitung eines größeren Polizeieinsatzes wohnt „Spiegel TV“ einer Razzia gegen die bulgarisch/rumänische Kneipenszene in der Neckarstadt-West bei. Es bleibt allerdings nur ein mutmaßlicher Schwarzarbeiter im Netz, der Chef ist nicht da, die Kneipe wird geschlossen. Immerhin gibt es vor der Kneipe einen Falschparker, der sich uneinsichtig bei der Feststellung seiner Personalien zeigt. Der wird vor laufender Kamera dann auch mal schnell von den Polizeibeamten zu Boden gebracht und mit Handschellen gefesselt.

Die Botschaft ist überall gleich: Die Menschen und ihr Stadtteil sind verloren, in der Darstellung des „Spiegel TV“ werden die Menschen letztlich als sozial unfähig d.h. als asozial gezeigt. Eine Würde wird diesen Menschen abgesprochen. Aufgemacht als reißerische Darstellung, Hintergrunddarstellungen oder soziale Recherchen sind nicht gefragt. Bei einigen Szenen hat man den Eindruck, dass diese gestellt sein könnten, Geschichten vielleicht sogar aus Sensationsgier aufgepeppt worden sind. Wie viel Geld hat „Spiegel TV“ für die Erzeugung dieser Geschichten bezahlt? Zweifel über die Echtheit bestehen. Die Geschichten sind zumindest gnadenlos einseitig.

Dass es von diesen Stadtteilen und seinen Menschen auch ganz andere, nämlich positive Geschichten zu erzählen gibt, kommt in dieser Reportage nicht vor. So bleibt dieser Film eine weitere „No-Go-Area“-Geschichte, wie es auch schon einmal von der Sensationsjournalistin Düzen Tekkal über die Neckarstadt-West in einer Anne-Will-Talkshow behauptet worden ist.

Gegen diese Darstellung gab es vielfältigen Protest aus Teilen der Politik und der Bürgerschaft. Das scheint auch diesmal notwendig.

Kritische und notwendige Fragen an die Polizei

Besonders delikat ist diesmal allerdings der Part der Polizei. Es steht der Vorwurf im Raum, dass bei dem möglicherweise nicht angekündigten Betreten privater Räumlichkeiten Hausfriedensbruch begangen worden ist. Beim Filmen der Personen liegt möglicherweise eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte dieser Personen vor. Gibt es hierfür jeweils eine glaubhafte Einwilligung der betreffenden Personen?

Der Einsatz von „Spiegel TV“ war offensichtlich mit der Polizei abgesprochen.

Welche Vorbesprechungen hat es hierzu gegeben?

Wer hat davon gewusst und wer ist ist hierfür letztlich verantwortlich?

Wie wird der Einsatz von der Polizeibehörde beurteilt?

Welche Konsequenzen werden aus diesem Einsatz gezogen?

Im Gegensatz zum Mannheimer Morgen hat die Rhein-Neckar-Zeitung das Thema der skandalösen Spiegel-TV-Reportage in zwei Artikel aufgegriffen. Danach hat die Polizei zu kritischen Fragen inzwischen Stellung bezogen und „hinterfragt sich kritisch“. Verabredungen mit Spiegel-TV seien nicht eingehalten worden. Offensichtlich war man da zu blauäugig und ist überrumpelt worden. Gegen einige der Darsteller soll sogar jetzt ermittelt werden wie z.B. gegen den maskierten vermeintlichen Drogendealer mit dem Revolver in der Hand. Über Positivbeispiele wie die Präventionsarbeit der Polizei an den Neckarstadt-Schulen, die Spiegel-TV offensichtlich auch begleitet hat, sei nicht berichtet worden. Ja, offensichtlich ist da mächtig etwas schief gelaufen.

Aber auch Fragen an die Politik und an die Stadtverwaltung

Die Reportage von „Spiegel TV“ hat die Menschen und die Stadtteile Schönau und Neckarstadt-West in einem äußerst negativen und einseitigen Bild gezeigt. Die Reportage ist geeignet, das friedliche Zusammenleben der Bürgerschaft zu stören. Es wurden möglicherweise geltendes Recht und Persönlichkeitsrechte verletzt.

Sehen politische Vertreter und die Stadtverwaltung die Möglichkeit, solchem Sensationsjournalismus Einhalt zu gebieten?

Wird eine Beschwerde beim deutschen Presserat in Erwägung gezogen?

Sollten die Polizeibehörden eine Mitverantwortung tragen, welche Konsequenzen hätte dies im Verhältnis zur Polizei?

Wie kann in diesem Fall das Vertrauen zur Polizei wiederhergestellt werden?

(Roland Schuster, Bezirksbeirat Neckarstadt-West DIE LINKE)

 

Siehe auch

Das Recht des Stärkeren: Stadt, Polizei, Parkplatz- und Gewaltprobleme in der Neckarstadt-West




Dem AfD-Erfolg bei der Landtagswahl im Stadtgebiet Mannheim auf der Spur

Während in der letzten Ausgabe des Kommunal-Info speziell die Schönau untersucht wurde, soll hier das gesamte Stadtgebiet beleuchtet werden. Die vielen Zahlen und wirr erscheinenden Linien lohnen der näheren Betrachtung.

Diese Grafik versucht die Frage zu klären: Gibt es irgend welche annähernd systematische Tendenzen, die proportional oder umgekehrt proportiTabelle 1: Die stärksten und die schwächsten AfD-Stimmbezirkeonal dem Wahlerfolg der AfD plus ALFA folgen. Wie verhalten sich die Ergebnisse der anderen Parteien zu dem der AfD, wie die Wahlbeteiligung? Gibt es eine Beziehung zwischen den zwei Sozialkriterien „Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund“ und „Anteil der Langzeitarbeitslosen an den Arbeitslosen insgesamt“ der jeweiligen Stadtteile? Die Grafik ordnet die Stadtteile in der Reihenfolge des Wahlerfolgs der AfD, von Jungbusch (Minimum) bis Schönau (Maximum).

Zunächst fällt auf, dass eine große Wirrnis zu herrschen scheint. Die Ergebnisse der einzelnen Parteien verhalten sich wie eine zackige Fieberkurve; das gilt besonders für die Sozialkriterien und die Wahlbeteiligung. Also Fehlanzeige? Nicht ganz: Eine deutliche Aussage lässt sich beispielsweise über das Verhältnis Grünen-Wähler zu AfD-Wähler sagen. Ihre Anzahl ist deutlich gegenläufig. Wo die Grünen stark sind, ist die AfD schwach und umgekehrt. Das wird nochmals deutlicher, wenn man der „Fieberkurve“ eine statistische Trendgerade hinterlegt.

Bei der SPD läuft der Trend in den Stadtteilen eher parallel zum AfD-Trend. Wo die SPD relativ stark ist, ist es die AfD auch. Das deutet darauf hin, dass die SPD tatsächlich viele Wähler an die AfD verloren hat. Der CDU-Trend ist ganz leicht gegenläufig zur AfD. Auch der der LINKEN.

Die Wahlbeteiligung sinkt in der Tendenz ganz leicht mit steigendem AfD-Wahlerfolg. Tatsächlich aber verhalten sich die Werte extrem sprunghaft. Luzenberg beispielsweise ca. 15 Prozentpunkte unter Schönau Süd bei fast gleichen AfD-Stimmenanteilen.

Sozialdaten und Wahlergebnisse nicht in eindeutigem Bezug

Sehr sprunghaft verhalten sich auch die Sozialdaten. Die zwei ausgewählten Parameter oszillieren gewaltig. Das weist sehr stark darauf hin, dass die immer wieder gehörte These der AfD als einer v.a. von den „Abgehängten“ gewählten Partei nicht schlüssig ist.

Die Präsenz von Menschen mit Migrationshintergrund steigt zwar trendmäßig mit dem Wahlerfolg der AfD an, woraus man schließen könnte, die AfD-Wähler reagieren auf diesen Migrationsanteil. Aber im Konkreten von Stadtteil zu Stadtteil bewahrheitet sich dies nicht.

Das offenbart auch Tabelle 1: Die schwächsten AfD-Gebiete sind einerseits Jungbusch und andererseits gut bürgerliche Bezirke. Die stärksten AfD-Bezirke sind durchaus keine „schlechten“ Wohngebiete. Hochstätt ist nicht dabei.

Die Verluste der beiden Volksparteien ergeben etwa den Gewinn der AfD

Tabelle 2 zeigt für alle Stadtteile die Verluste der beiden großen der Volksparteien gegenüber der Wahl 2011. Sie entsprechen im Großen und Ganzen dem Anteil der AfD. Natürlich gibt es aus dem Bereich der Nichtwähler und auch von den kleineren Parteien Abfluss zur AfD. Die Liste ist nach den Verlusten der SPD sortiert, die ja den dramatischsten Einbruch zu verzeichnen hatte.

Fazit: Das Mannheimer Wahlergebnis (wie auch das der anderen Städte und Gemeinden) führt nicht direkt und eindeutig zu einfachen Erklärungen. Die Dimension des AfD-Erfolges macht auf jeden Fall deutlich, dass es um eine regelrechte Umwälzung des Wahlverhaltens geht. Ob dies mit einer Umwälzung der Grundeinstellungen gleichzusetzen ist, bedarf weiterer Überlegungen.

Thomas Trüper

 

Tabelle 1: Die stärksten und die schwächsten AfD-Stimmbezirke

Tabelle 1: Die stärksten und die schwächsten AfD-Stimmbezirke

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tabelle 2: Ergebnisse 2016 minus Ergebnisse 2011 (Prozentpunkte)

Tabelle 2: Ergebnisse 2016 minus Ergebnisse 2011 (Prozentpunkte)




Politik-Streik von SPD-, Grünen- und Linken-Bezirksbeiräten auf der Schönau

Die Nerven liegen bloß. Die Bezirksbeiräte der Schönau links von der CDU machen sich erst mal Luft. Eine zu Herzen gehende aber doch etwas hilflos erscheinende Geste. Letztlich müssen wir uns alle fragen: Was ist da los und wie begegnen wir dieser Entwickung?

 Die Schönauer BezirksbeirätInnen von SPD, Die Linke und den Grünen haben aus Protest die gestrige öffentliche Sitzung verlassen – nach Verlesung einer Stellungnahme zum Wahlausgang der Landtagswahl im Stadtteil. Anbei der Text der Stellungnahme. Von Protest- Wählerinnen und – wählern wurde uns als Vertreterinnen und Vertreter der „etablierten Altparteien“ so manches vorgeworfen: Es werde nicht genug getan, die Parteien würden sich um nichts kümmern – und wenn überhaupt, nur um sich selbst.

 Wir nehmen dazu – über Parteigrenzen hinweg – wie folgt Stellung:

Die Bezirksbeirätinnen und Bezirksbeiräte fast aller Parteifarben sind im Stadtteil Schönau und darüber hinaus in meistens mehreren Vereinen aktiv tätig. Sie gestalten das öffentliche und kulturelle Leben im Stadtteil maßgeblich aktiv mit.

Jede Verbesserung im Stadtteil, wie z.B. die Umgestaltung des Lena- Maurer- Platzes, das Großprojekt Schönau Mitte und viele andere relevante Veränderungen, die den Stadtteil betreffen, z.B. die Zukunft des Coleman- Areals, werden mit viel Herzblut und Lebenszeit der aktiven Bezirksbeirätinnen und Bezirksbeiräte begleitet, gestaltet und kommentiert. Daneben beschäftigen uns aber auch viele „kleine“ Dinge wie lose Gehwegplatten, falsch parkende Lastwagen, unsichere Radwege und Ähnliches. Diese Arbeit geschieht ehrenamtlich in unserer Freizeit, „fette Diäten“ gibt es für diese freiwillige Arbeit nicht. Die „Protestwahl“ unserer Stadtteilmitbewohnerinnen und – mitbewohner hat uns deshalb sehr getroffen. Natürlich werden wir in Zukunft unsere Arbeit, die im Übrigen nie von parteipolitischen Spielchen zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der einzelnen Parteien geprägt war, weiterführen. Dennoch sagen wir heute den Protest- Wählerinnen und – wählern: Wendet Euch doch gerne einmal an die Vertreter der im Protest gewählten Partei. Wenn ihr sie ansprechen könnt.

Denn bislang sind sie im Stadtteil nie aktiv in Aktion gewesen – bis auf Plakate wissen wir nichts von irgendwelchen Aktivitäten. Und wir sagen auch, daß WIR heute protestieren. Wir protestieren gegen den Vorwurf, nichts getan zu haben und tun deshalb heute genau dies:

Wir verlassen nun diese Sitzung und beenden sie somit, ohne die Tagesordnungspunkte abgearbeitet zu haben.

Wir meinen aber auch:
Wenn man wählt, hat man nicht nur ein Wahlrecht, sondern auch eine Wahlpflicht, nämlich die, sich darüber zu informieren, wen oder was man wählt. Den Protestwählern legen wir nahe, sich in Zukunft direkt an ihre neuen Volksvertreter zu wenden.

Den vielen anderen stehen wir natürlich gerne weiterhin zur Verfügung, wenn sie Fragen, Anregungen und Vorschläge haben, wie wir unseren Stadtteil noch besser gestalten können.

Ihre aktiven Bezirksbeirätinnen und Bezirksbeiräte

Pressemitteilung 7.4.2016




Landtagswahl auf der Schönau im Wahlkreis Mannheim Nord

Was im Wahlkreis 35 (Mannheim Nord) bei er Landtagswahl 2016 passierte, erregte bundesweit Aufsehen: Der Inhaber des einzigen, des letzten SPD-Direktmandats in Baden-Württemberg konnte es nicht verteidigen. Doch damit nicht genug: Er verlor es ausgerechnet an einen No-name von der AfD. Die hat nun insgesamt Zwei Direktmandate im Südwest-Staat. Es ging um 0,8 Prozentpunkte bzw. 405 Stimmen.

Tabelle 1

Der Schock saß und sitzt tief. Der Mannheimer Norden umfasst wahltechnisch 17 Stadtbezirke. Einer davon ist die Schönau, die wiederum aus 4 Stimmbezirken besteht. In einem dieser Stimmbezirke erzielte die AfD 35,4% – den höchsten Wert eines Stimmbezirkes in ganz Mannheim. Zusammen mit der ALFA kamen die „Rechtspopulisten“ sogar auf 37,4%. Es lohnt sich also, die Ergebnisse auf der Schönau etwas genauer anzuschauen, ebenso die sozialen Verhältnisse, soweit man diese statistisch erfassen kann. Das Luftbild zeigt die unterschiedlichen Strukturen dieses Stadtteils. Im Norden überwiegen Wohnblöcke. Im Westen solche der städtischen GBG-Wohnungsbaugesellschaft aus den 50er und 60 Jahren, im Osten Wohnbauten der 80er und 90er Jahre, auf ehemaligen Kasernerngeländen. Im Süden stehen überwiegend die „Siedler-Häuschen“, einstige NS-„Volkswohnungen“.

Etwas Sozialstatistik

„Die Schönau“ ist, obwohl in Mannheim meistens als „Brennpunkt“ empfunden, in sich ziemlich unterschiedlich. Eigentlich kann man gar nicht unterschiedlicher sein: Die Sinus-Milieu-Studien unterteilen die Schönau in „Nord“ und „Süd-West“ und „Süd-Ost; der Mannheimer Sozialatlas kennt nur Nord und Süd. Er verarbeitet die Sinus-Milieu-Studien zu sieben „Planungsräumen“. Nach dieser Klassifizierung liegt Nord in der untersten und Süd und der obersten Kategorie.

„Die Schönau“ ist also keineswegs der Stadtteil der Abgehängten. Das stimmt von der Sozialstruktur nicht, und das stimmt auch nicht vom Zustand der Wohngebiete. Von der GBG und aus der Stadtsanierung (z.B. Zuschüsse aus „Soziale Stadt“) sind in den letzten zehn Jahren zusammen weit über 100 Mio. EUR in den Stadtteil investiert worden. Am bedürftigsten ist jetzt noch der Nordwesten.

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Wie hat die Schönau gewählt?

Wahlergebnisse Schönau

 

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Die Prozentzahlen sind nach dem Erfolg der AfD sortiert. Die Bandbreite der den einzelnen Stimmbezirken zuordenbaren Ergebnissen der AfD beträgt zwischen 27,2% und 35,4%.

Somit kann man einerseits sagen: Die am wenigsten gut Situierten wohnen in Gebieten, in denen die AfD ihre Spitzenwerte hat und die SPD mittlerweile der AfD deutlich unterlegen ist. Die CDU unterliegt den Grünen, die beide aber für ihre Verhältnisse eher bescheiden abschneiden. Die Linke ist überall etwa gleich bescheiden vertreten, außer in Süd-West: dort sehr bescheiden. Hier schlägt die Sozialstruktur offensichtlich durch.

Andererseits muss man feststellen: Gemessen an den oben aufgezeigten Unterschieden ist das Wahlverhalten „der Schönauer“ überraschend homogen (geringe Bandbreite der AfD). Es legt sich die These nahe, dass die Wahlergebnisse der AfD nicht so ohne weiteres den Sozialprofilen folgen. Dies Bild ergibt sich auch bei Betrachtung der Mannheimer Wahlbezirke insgesamt, was noch genauer zu untersuchen und darzustellen wäre.

Die Briefwahlergebnisse (s. Tabelle 2) sind durchaus interessant: Briefwähler stimmen oft sehr früh ab und sie gehören eher zu den entschiedenen Wählenden, die vielleicht auch etwas mehr traditionelle Parteibindung aufweisen. Wenn ein Wahlkampf überhaupt Dynamik entwickelt, dann dokumentiert diese sich in den Briefwahlergebnissen eher weniger. So wundert es nicht, dass der Hype der AfD bei den BriefwählerInnen aus Gesamt-Schönau noch nicht so angekommen zu sein scheint wie auch die SPD hier noch ein überdurchschnittliches Ergebnis aufweist.

 

Wahlergebnis mit Geschichte

Wahlergebniss mit Geschichte - Stadtteil Schönau

Wahlergebniss mit Geschichte – Stadtteil Schönau

„Flüchtlingskrise“? Reagieren die WählerInnen „der Schönau“ besonders auf die Flüchtlingskrise, obwohl sie davon kaum betroffen sind? Man erinnert sich an 1992: Damals gab es auch eine große „Flüchtlingskrise“ v.a. wegen des Jugoslawienkrieges mit brennenden Asylunterkünften und „besorgten“ Äußerungen allenthalben über die angebliche „Überfremdung“ und „Überlastung“. Damals gab es auf der Schönau in der ehemaligen Gendarmeriekaserne eine Asylunterkunft. Erst nach der Wahl im April kam es zu den bekannten rassistischen Exzessen und Krawallen von Teilen der Schönauer Bevölkerung gegen die Asylbewerber. Die REP holten auf der Schönau über 16%. Auch damals ein Schock. Es ist wenig trostreich, wenn man auf die folgende Abwärtsentwicklung der REP schaut. Die AfD ist nicht einfach eine Wiederholung der REP – wie die Zahlen schon deutlich machen. Heute leben viele SchönauerInnen in guten Häusern auf dem konvertierten Kasernengelände. Das Wahlverhalten ist aber kaum anders als damals.

„Persönlickeitswahl“? Der mit Abstand fleißigste Wahlkämpfer im Mannheimer Norden war mit Sicherheit Stefan Fulst-Blei (bisher Fraktionsgeschäftsführer der SPD). Er hatte sich in seiner ersten Landtagsamtszeit zumindest nicht besonders unbeliebt gemacht. Er wusste, dass es für die Landes-SPD um das Direktmandat und damit um die Ehre im Mannheimer Norden geht. Sein persönliches Ergebnis ist niederschmetternd. Er musste sich der AfD geschlagen geben wegen acht Zehntel Prozentpunkten bzw. 405 Stimmen. Der AfD-Mann Klos ist bis heute nicht in seinem Wahlkreis aufgetaucht um sich seinen WählerInnen und NichtwählerInnen vorzustellen. Er ist ein unbeschriebenes AfD-Blatt. Aber gerade er wird gewählt.

Was ist die Botschaft der WählerInnen? Auf jeden Fall eine Delegitimierung der „etablierten Parteien“. Mit Vertrauensbekundungen an eine Partei, die den Rassismus in den Vordergrund stellt, aber ansonsten ein zum Wahlzeitpunkt noch weithin unbekanntes, derb neoliberales Programm verfolgt. Mindest ebenso wichtig wie die „Persönlichkeit“ (man denke an Dreyer und Kretschmann) scheint das Bedürfnis zu sein, angesagte Trends zu unterstützen und in Zeiten geahnter oder auch schon eingetretener Unsicherheit Macht „anders“ zu verteilen – in diesem Fall unter der Devise: „Macht die Schotten dicht“.

Wie dem auch sei: Man wird nicht umhinkommen, „die Schönauer“ nun zu fragen, was sie sich eigentlich vorstellen? Es wäre gut, wenn die deprimierten Bezirksbeiräte hier vorangingen. Aber auch die Parteien müssen sich und die Schönauer das fragen.

Thomas Trüper, Stadtrat DIE LINKE