Vieles klar – einiges zu klären: Prozessauftakt gegen den „Todesfahrer“ von Mannheim

Blumen am Paradeplatz, wenige Tage nach der Todesfahrt | Bild: cki

Am 3. März 2025 gegen 12:15 steuerte der 40-jährige Deutsche Alexander S. aus Ludwigshafen seinen Kleinwagen mit hoher Geschwindigkeit durch die Mannheimer Fußgängerzone, mit der Absicht Menschen zu verletzen oder zu töten. Zwei Menschen starben und 14 weitere wurden schwer verletzt. Ein Taxifahrer konnte die Fahrt stoppen. Bei der späteren Festnahme forderte der Täter die Polizeibeamten auf, ihn zu erschießen, nachdem er vorher versucht hatte, sich mit einer Schreckschusspistole selbst zu töten.

Am kommenden Freitag, den 31. Oktober, beginnt am Landgericht Mannheim der Prozess wegen zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes. Während der Tathergang und die Täterschaft recht klar belegt sein dürften und in diesen Bereichen eher Detailfragen zu klären sein werden, wird dem Prozess vor allem die Aufgabe zukommen, Fragen zu den äußeren Umständen der Tat und den Hintergründen und Motiven zu analysieren.

Die politische Dimension des Motivs

Nahezu zeitgleich mit den ersten offiziellen Nachrichten und den Meldungen in digitalen Netzwerken über die sogenannte „Todesfahrt“, begannen die Spekulationen über deren Hintergrund. Während die Opfer noch auf der Straße lagen, waren sich rechte Akteure und ihre Gefolgschaft schnell einig darin, dass es sich um eine islamistische Tat handeln müsse und die bekannten Eskalations-Strategien wurden aktiviert. Das gefälschte Bild eines Führerscheines eines Mannes mit arabischem Namen, der für die Tat verantwortlich sein sollte, machte auch auf AfD- Accounts schnell die Runde. Auch nach Bekanntwerden der Identität des Täters, wurde die Tat als Beweis einer allgemein zunehmenden Unsicherheit in Deutschland bewertet, der auch mit einer härteren Abschiebepolitik begegnet werden müsse. Ein Motiv, das auch weit bis in die sogenannte Mitte tragfähig scheint.

Aus Sicht der Ermittlungsbehörden waren zunächst keine Hinweise auf einen politischen Hintergrund für die Tat ersichtlich. Erst die veröffentlichten Ergebnisse des Recherche-Kollektivs EXIF brachten hervor, dass der Tatverdächtige mindestens bis 2018 Kontakt zur konspirativen neonazistischen Organisation „Ring Bund“ hatte und mehrfach auf Veranstaltungen gesehen wurde, die unter anderen von der NPD organisiert wurden.

Das Originalfoto (unverpixelt) zeigt Alexander S. (ganz links) bei der rechten Demo „Wir für Deutschland“ | Bild: EXIF Recherche

Auch die Ermittlungsbehörden ermittelten in diese Richtung. Nach und nach kamen mehr Details zur Vergangenheit von Alexander S. heraus. Wegen des Facebook-Kommentars „Sieg Heil from Germany“ unter einem Hitler-Bild bekam er im Jahr 2019 eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 20 Euro. Zeugen sollen ihn als „sehr konservativ“ und vielleicht „ein bisschen“ rechts beschrieben haben. Er soll judenfeindliche Witze von sich gegeben und bei der Arbeit NS-Lieder gesungen haben. Am Tattag soll S. bei einem Musikstreamingdienst das Lied „SS marschiert in Feindesland“ abgerufen und wenige Minuten vor der Todesfahrt das Lied „Feuer frei“ der Band Rammstein ausgewählt haben. Im Songtext heißt es „Dein Glück / Ist nicht mein Glück / Ist mein Unglück“.

Wann ist eine Tat politisch motiviert?

Trotz dieser Erkenntnisse geht die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft Mannheim nicht von einer „politisch motivierten Tat“ aus . Die Ermittlungsbehörden sehen vielmehr einen „psychischen Ausnahmezustand“ als ursächlich an. Fraglich ist allerdings, ob das eine das andere ausschließt? Kann eine psychische Erkrankung und ein ideologischer Hintergrund parallel existieren? Könnte die in rechten Ideologien verankerte Menschenfeindlichkeit dazu beigetragen haben, dass sich Alexander S. in seinem Ausnahmezustand gegen eine bloße Selbsttötung und für die nach außen gerichtete Tat – die Jagd auf Menschen mit einem Auto – entschieden hat? Gibt es Personen in seinem Umfeld, die ihn und seinen Ausnahmezustand vielleicht gezielt in eine solche Richtung gelenkt haben? Und welche Rolle hat es gespielt, dass Alexander S. eine Vergangenheit in der rechten Szene hat?

Zwar deutet die Wahl des Tatortes nicht darauf hin, dass gezielt „nicht-deutsche“ Menschen getroffen werden sollten – außer man betrachtet Mannheim mit seiner Migrationsgeschichte grundsätzlich als Symbol einer vermeintlichen „Überfremdung“ – aber für rechte Akteure spielt die Wahl der Opfer auch nicht die entscheidende Rolle, sondern sie versuchen unabhängig davon ein Gefühl des Kontrollverlustes zu nähren und für sich zu nutzen.

Landgericht Mannheim | KIM Archivbild

Aufarbeitung der Tat ist Aufgabe des Prozesses 

Was zu der prominenten Frage führt, ob diese konkrete Tat, beziehungsweise ähnliche Vorgehensweisen, verhindert werden können? Auch hier kann das Gericht eine Perspektive über die individuelle Verantwortlichkeit des Täters hinaus einnehmen und danach fragen, welche strukturellen Bedingungen zu einer solchen Tat beigetragen haben. Liegen Hinweise vor, dass ökonomisch-existenzielle Ängste solche Taten begünstigen? Kann eine bessere medizinische und soziale Versorgung von Menschen in „Ausnahmesituationen“ solche Taten verhindern? Welche Bedeutung haben rechte Ideologie und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit beim Entschluss zu solchen Taten?

Die nach einer solchen Tat über politische Lager hinweg formulierten Forderungen nach mehr Überwachung, besserer Ausstattung und erweiterten Befugnissen für Sicherheitsbehörden oder konsequentere und härtere Strafen, sollten Linke und traditionelle Liberale jedoch auch vor die Frage stellen, ob wir eine Gesellschaft wollen, die unbedingte Sicherheit zum obersten Leitprinzip erhebt und deswegen einen Staat hervorbringt, der zu immer umfassenderen Eingriffen in unser aller Leben in der Lage sein wird. Wenn Freiheitsrechte leichtfertig geopfert würden, hätten rechte Kräfte einen weiteren Sieg errungen, selbst wenn sich herausstellt, dass Alexander S.‘ Todefahrt nicht politisch motiviert war.

(DeBe/cki) 




Stadtbild-Diskussion: 600 Töchter bei Kundgebung in Mannheim [mit Bildergalerie und Video]

Die Diskussion um rassistische Aussagen des Bundeskanzlers hat auch in Mannheim viele Menschen zu einer Kundgebung bewegt. Auf dem Marktplatz trafen sich am Sonntag nach Angaben der Veranstalterinnen 600 „Töchter“ und deren Unterstützer, um gegen die rassistische Stimmungsmache der CDU/CSU und die Instrumentalisierung von Frauen zu demonstrieren.

Rückblick: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte vergangene Woche seine Politik der Abschiebungen gelobt und in diesem Zusammenhang gesagt: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem“. Viele in Deutschland lebende Migrant*innen fühlten sich davon angesprochen, als Problem im Stadtbild dargestellt zu werden. Später bekräftigte Merz seine Aussage zum Stadtbild noch einmal mit der Aussage „Fragen Sie mal Ihre Töchter“, die wüssten schon wer damit gemeint sei.

In Mannheim hatte sich daraufhin eine Initiative mit dem Motto „Wir sind die Töchter“ gegründet, die zur Kundgebung mobilisierte – mit dabei die Parteien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mannheim, Grüne Jugend Mannheim, SPD Mannheim, Jusos Mannheim, Die Linke Mannheim, [‘solid] sowie Deutscher Gewerkschaftsbund, DGB Jugend, Fridays For Future Mannheim, Seebrücke Mannheim und Queeres Zentrum Mannheim.

Videobeitrag beo YouTube: https://youtu.be/SkVXjp4Khho

Mitveranstalter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schreibt zur Veranstaltung:

„Wir haben Friedrich Merz gezeigt: Das Stadtbild in Mannheim ist vielfältig und divers. Wir lassen uns nicht instrumentalisieren für rassistische Aussagen. Gerade in Mannheim wissen wir, was das Stadtbild ausmacht: Menschen aus rund 170 Nationen, mit verschiedensten kulturellen, religiösen und sprachlichen Hintergründen. Ein Bundeskanzler sollte für ALLE Bürger*innen sprechen und nicht einzelne Bevölkerungsgruppen diffamieren und als Problem im Stadtbild darstellen.“

Bereits am Freitag wurde auf Initiative von Die Linke eine Resolution verabschiedet in der es heißt:

„In Zeiten, in denen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit jährlich steigende Fallzahlen verzeichnet, gießen falsche, pauschalisierende und diskriminierende Aussagen Öl ins Feuer und erfordern eine laute Antwort der Zivilgesellschaft. Hasskriminalität hat im Jahr 2024 einen bisherigen Höchststand erreicht. Gewaltdelikte unter Hasskriminalität waren zu 68 % politisch rechts motiviert. Aber anstatt sich gegen die größte Gefahr für unsere Gesellschaft zu wenden, tritt der Kanzler auf ohnehin schon benachteiligte Gruppen ein und stellt sie unter Generalverdacht.“

Veranstalterinnen und Rednerinnen der Kundgebung „Wir sind die Töchter“

Auf der Kundgebung sprachen als Rednerinnen neben Vertreterinnen der Parteien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Tamara Beckh), SPD (Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori) und Die Linke (Bezirksbeirätin Isabell Fuhrmann und Mitglied des Kreisvorstands Isabell Iusco) auch die Vorsitzende des Migrationsbeirats, Andrea Chagas López, vom Landesverband der kommunalen Migrantenvertretung BW, Zahra Alibabanazhed Salam, für den Internationalen Frauentreff Fouzia Hammoud, Annahita Azizi von Frauen Leben Freiheit, Ezo Özlem vom Feministischen Bündnis, Yasmin Shabani vom Mannheimer Frauenbündnis und Marija Mavrak vom Frauenhaus Mannheim.

In den Redebeiträgen wurde immer wieder gefordert, den Töchtern zuzuhören. Probleme gebe es und Lösungen müssten gefunden werden. Anstatt pauschaul Migrant*innen für Probleme verantwortlich zu machen und damit auf Stimmenfang am rechten Rand zu gehen, solle sich der Kanzler besser um echte Lösungen kümmern. Gewalt gegen Frauen von Tätern aller Nationalitäten, Einkommensunterschiede, Wohnungsnot, steigende Lebenshaltungskosten, heruntergekommene und vermüllte Innenstädte – es gibt viele Baustellen und Frauen haben gute Lösungsvorschläge für Probleme. Dem Kanzler täte es gut, wenn er den Frauen zuhören würde, anstatt sie für seine Stimmungsmache zu instrumentalisieren.

Zum Ende der Kundgebung kamen auch noch zwei Männer auf die Bühne: Ein Songwriter hatte ein Lied über „Fritzes“ Stadtbild geschrieben und ein Zumba Trainer sorgte für einen sportlich-motivierenden Abschluss der Veranstaltung. (cki) 

 

Bildergalerie 




Protest gegen die „Bezahlkarte“ – Tauschbörsen für Geflüchtete

Bei Tauschbörsen an verschiedenen Orten – wie hier beim Stadtteilfest Nachtwandel – können Geflüchtete und solidarische Menschen Einkaufsgutscheine gegen Bargeld tauschen | Bild: Initiative Bezahlkarte Stoppen

Seit Ende 2024 wird deutschlandweit die Bezahlkarte für geflüchtete Menschen, die unter das ‚Asylbewerberleistungsgesetz‘ fallen, eingeführt. Die Einführung der Bezahlkarte führt sowohl auf Seiten der Geflüchteten, als auch auf der der Verwaltung zu enormen Problemen und wird von Flüchtlingsorganisationen insgesamt als rassistisches Instrument beschrieben. In Mannheim hat sich deswegen die Initiative ‚Bezahlkarte Stoppen Mannheim‘ gegründet, die Tauschbörsen organisiert, um den Geflüchteten zu helfen.

Was ist die Bezahlkarte? 

Geflüchtete, die unter das ‚Asylbewerberleistungsgesetz‘ fallen, bekommen das Geld, das ihnen zusteht über die Bezahlkarte, statt Bar oder auf ein Konto. Die Bezahlkarte sieht aus wie eine normale EC-Karte, funktioniert aber ganz anders. Es können monatlich nur 50€ Bargeld abgehoben werden und Überweisungen sind nur sehr eingeschränkt möglich. Diese Einschränkungen sind massiv hinderlich für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und gelungene Integration.

Warum ist die Bezahlkarte problematisch? 

Egal ob auf dem Flohmarkt, auf dem Wochenmarkt oder für das Pausenbrot der Kinder in der Schule – Bargeld ist in Deutschland enorm wichtig und die Einschränkung von 50€ pro Person eine unnötige Erschwerung des Lebens und pure Diskriminierung. Zudem akzeptieren nicht alle Läden die Bezahlkarte als Zahlungsmittel. Auch Überweisungen sind in allen Lebensbereichen unumgänglich. Der Mitgliedsbeitrag in einem Verein, das Deutschlandticket, der Stromanbieter – um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, brauchen wir die Möglichkeit Überweisungen tätigen zu können, doch mit der Bezahlkarte ist dies – wenn überhaupt – nur nach expliziter Freigabe möglich und baut damit enorme Integrationshürden auf, statt ab. Ständige technische Fehler, datenschutzrechtliche Probleme oder rechtswidrige Gebühren sind nur ein paar von vielen Problemen, die es mit der Bezahlkarte gibt, ganz zu schweigen von einem enormen Mehraufwand der Verwaltungen.

Warum wurde die Bezahlkarte eingeführt?

Beschlossen wurde die Einführung der Bezahlkarte vom Bund und von den Ministerpräsidenten der Länder im November 2023. Für die Einführung gab es hauptsächlich zwei Begründungen, die beide nicht haltbar sind.

  1. „Durch die reduzierte Bargeldverfügbarkeit von Asylbewerber*innen, soll verhindert werden, dass sie Geld in ihre Heimatländer schicken.“         
    → Diese Annahme ist aber falsch, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, basierend auf repräsentativen Haushaltsbefragungen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), zeigt. Nur sieben Prozent der Geflüchteten senden Geld ins Ausland – Tendenz sinkend.
  2. „Es soll weniger Verwaltungsaufwand für die Kommunen sein, weil die bisherigen Bargeld-Auszahlungen wegfallen und das Geld stattdessen überwiesen wird.“     
    ­→ Sehr viele Kommunen lehnen die Einführung der Bezahlkarte ab, weil sie ein Mehraufwand für die Kommunen darstellt.
    → Manuela Skotnik aus dem Fachbereich Arbeit und Soziales in Mannheim sagt dazu im Interview mit dem Mannheimer Morgen: „Der Aufwand ist enorm. Unserer Einschätzung nach wird er auch auf Strecke höher bleiben als zuvor.“
    → Schätzungsweise wird die Bezahlkarte jährlich 68 Mio € an zusätzlichem Verwaltungsaufwand kosten.

Mit der Bezahlkarte werden Einkäufe kontrolliert, reglementiert und eingeschränkt | Symbolbild: Unsplash, Andrej Lisakov

Wie wird sich die Bezahlkarte perspektivisch entwickeln?

Die Einführung der Bezahlkarte ist nicht nur ein rassistisches Instrument, das Menschen, die vor Armut und Krieg geflohen sind, in ihrer Integration in Deutschland hindern soll, sondern sie muss auch generell im Kontext der immer weiter ansteigenden rechts-konservativen politischen Stimmung gesehen werden. In Hamburg soll die Bezahlkarte nun auch für andere Sozialleistungsempfangende ausgeweitet werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich dieses System immer weiter durchziehen wird. Wir sehen hier eine immer weitere Stigmatisierung von Menschen, die hilfsbedürftig sind. Statt Hilfe und Unterstützung anzubieten, wird immer weitere Ausgrenzung betrieben.

Was können wir gegen die Bezahlkarte machen? 

Die Initiative ‚Bezahlkarte Stoppen Mannheim‘ macht einmal im Monat eine Tauschbörse für Geflüchtete. Das Prinzip funktioniert folgendermaßen:

1. Geflüchtete kaufen mit der Bezahlkarte einen Wertgutschein eines Supermarktes (Aldi, Lidl, DM, Kaufland, Edeka, Marktkauf, REWE oder Tegut, meist für 50€)

2. Diesen Gutschein tauschen sie auf der Tauschbörse 1:1 gegen Bargeld ein. Somit haben sie mehr Bargeld zur Verfügung.

3. Unsere Aufgabe als Initiative ist es dann, solidarische Menschen zu finden, die diesen Supermarktgutschein wieder gegen Bargeld tauschen, damit wir für die nächste Tauschbörse wieder genug Bargeld zur Verfügung haben.

Wie kannst Du konkret helfen? 

1. Tausche an einem unserer Tauschorte Bargeld gegen einen Supermarktgutschein, damit der Kreislauf funktioniert.
Momentane Tauschorte sind:

ewwe longt’s!
Kobellstraße 20
Fr 19-22Uhr

Basement Bikes
Werftstraße 29
Di 10-13Uhr + 14-18Uhr & Do 10-13Uhr + 16-20Uhr

Wir sind noch im Aufbau! Sobald es weitere Tauschorte gibt, werden wir diese auf unserer (sich im Aufbau befindenden) Webseite veröffentlichen.

2. Um unsere Strukturen weiter Auf-/Auszubauen, sind wir auch auf Spenden angewiesen.

Spenden gerne an:
Röm. – Kath. Kirchengemeinde
IBAN DE77 6725 0020 0001 2061 76
Verwendungszweck: 2813-GU-MA

3. Wir können immer motivierte Mitstreitende brauchen, egal ob für die Planung, für den Aufbau unseres Onlineauftritts oder auf der Tauschbörse selbst. Meldet euch gerne.

Email: mannheim@bezahlkarte-stoppen.de
Instagram: bezahlkartestoppen_ma
Webseite: bezahlkarte-stoppen.de

Initiative Bezahlkarte Stoppen Mannheim

 




Die Linke Mannheim und die Fraktion LTK protestieren gegen die geplante Aussetzung der Mietpreisbremse für Mannheim

Stark Steigende Mieten in Mannheim – Kein Grund für eine Mietpreisbremse?

Die Landesregierung Baden-Württemberg plant, Die Mietpreisbremse ab 2026 für Mannheim auszusetzen. Laut einem von der Landesregierung beauftragten Gutachten sei der Wohnungsmarkt nicht mehr angespannt.

Diese Argumentation halten wir völlig abwegig. Von 2018 bis 2025 sind die durchschnittlichen Mieten um 19.2 % auf 9.19 Euro pro Quadratmeter gestiegen, die Angebotsmieten für Neuvermietungen nochmals um einiges mehr.

Von der Abschaffung der Mietpreisbremse wäre aber auch die bisher geltende Kappungsgrenze betroffen. Diese regelt, dass Mieten in einem laufenden Vertrag innerhalb von drei Jahren um maximal 15 % erhöht werden dürfen.  Auch das Verbot der Zweckentfremdung , wie es der Mannheimer Gemeinderat mit Unterstützung der Linken beschlossen hat, wäre damit gefährdet.

Wir fordern die Landeregierung auf, die geplante Abschaffung der Mietpreisbremse für Mannheim zurückzunehmen. Von Herrn Oberbürgermeister Christian Specht erwarten wir, dass er sich zum Wohle der Mannheimer Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt der Mietpreisbremse bei der Landesregierung einsetzt.

Stattdessen müssten die Regelungen der Mietpreisbremse erweitert werden. Bei Neuvermietungen und umfassenden Sanierungen z. B. gilt die Mietpreisbremse nicht. Nicht weniger sondern mehr Mietpreisbremse ist notwendig!

Richtig wirksam wäre vor allem die Einführung eines bundesweiten Mietendeckels. Dafür tritt Die Linke zusätzlich ein.

Roland Schuster für Die Linke Mannheim

Dennis Ulas für die Fraktion LTK


Anmerkung:

Grüne und CDU haben sich trotz aller Proteste letztlich auf die von der Landesbauministerin Nicole Razavi (CDU) avisierte Lösung geeinigt. Demnach soll die Mietpreisbremse für Neuvermietungen in angespannten Wohnlagen nun wie geplant zum 1. Januar 2026 um weitere vier Jahre verlängert werden. Mannheim und Konstanz bleiben aber außen vor. Die erklärte Absicht der Grünen, die Kriterien der Mietpreisbremse so zu verändern, dass Mannheim und Konstanz auch künftig unter den Schutzmechanismus fallen, wurde nicht berücksichtigt. Es soll aber noch eine Anhörung der Gutachter und der betroffenen Rathauschefs geben. Es ist unwahrscheinlich, dass OB Specht seinen Parteigenossen ins Handwerk pfuscht. Der bürgerliche Block in Mannheim mit CDU, FDP und dem Haus- und Grundeigentümerverband Haus und Grund hat sich ja schon pro Wegfall der Mietpreisbremse positioniert. Die Hoffnung stirbt aber bekanntlich zuletzt. (ros)




„Zukunfts“-Haushalt: Nächste Station am 21. Oktober der Nachtragshaushalt 2025. Kopf in den Sand?

Bild: LTK-Fraktion

Die im Kommunalinfo wie auch der Ortspresse dargestellte tiefe Finanzierungskrise des städtischen Doppelhaushalts 2025/26 lässt sich örtlich durch keinen „Königsweg“ auflösen. Selbst der Oberbürgermeister beklagt wie viele seiner Kolleg:innen in anderen Städten, die externen gravierend belastenden Faktoren, als da wären:

Verantwortung des Bundes

Permanente Verletzung des Grundsatzes: „Wer bestellt, der bezahlt“ (Konnexitätsprinzip): Wird z.B. vollkommen notwendig und sinnvoll das Recht aller Kinder auf einen Kitaplatz als kommunale Pflichtaufgabe bundesgesetzlich verankert, dann muss der Bund auch die dafür notwendigen zusätzlichen Finanzierungsmittel bereitstellen. Das tut er aber nicht oder kaum. Ähnlich bei dem hehren Bemühen, allen Menschen die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Schnell vom Bund bestellt und dann nicht finanziert. Diese ganze Problemfamilie weist auf die grundsätzlich und seit langem herrschende Unterfinanzierung der Kommunen hin. Zwischen den drei Ebenen Bund – Länder – Gemeinden beißen den letzten die Hunde.

10 Jahre der Entwicklung der Kommunalfinanzen im bundesdeutschen Durchschnitt. Es liegt ein gehöriger Knick in die Defizitzone vor. Die Bertelsmannstiftung, die diese Grafik veröffentlicht hat, spricht von einer erforderlichen Staatsreform. Von einer Finanzreform, von einer Umverteilung, von einer Steuerreform zu Gunsten der Gemeinden ist nicht die Rede.

Der Bund sagt: So viel Kohle haben wir nicht. Er sagt es, weil er ein auch nur halbwegs gerechtes Besteuerungssystem nicht angeht, für das er sich mit den Eigentümern von Großvermögen anlegen müsste. Also muss für die Umsetzung vor allem das Wahlvolk in Wahlkabine und auf der Straße sorgen. Immer noch gehen z.B. Milliarden-Erbschaften steuerfrei auf die Erben über (angeblich, um produktives Vermögen und damit Arbeitsplätze zu schonen). Es geht also um die Rückverteilung des gesellschaftlichen Vermögens von oben nach unten, an die Basis, wo es erarbeitet wird, und das heißt auch an die Kommunen.

Das sind die Megaaufgaben, die sich den Kommunen bzw. dem Wahlvolk stellen, und die – man muss kein Prophet sein – in den nächsten vier Jahren nicht erledigt sein werden.

Auf Ebene der Kommunen

Es stellt sich die spannende Frage, was auf kommunaler Ebene der Gemeinderat – wenn er denn will – an kleinen Mosaiksteinen finden kann, um die sich abzeichnenden sozialen Grausamkeiten und die ökologischen Rückschläge zu dämpfen, ohne einzelne Interessenträger gegeneinander auszuspielen.

Dazu bedarf es eines Diskurses über grundsätzliche Strukturen des Kommunalhaushaltes, der nicht beim „Sparen“ (an der Zukunft) verharrt und teilweise unter dem Deckmantel der krisenbedingten „Sachzwänge“ versucht, seit Jahren kritisierte Errungenschaften endlich wieder abzuräumen. Motto: „Die Stadt hat seit Jahren über ihre Verhältnisse gelebt“. Was meinen diese Auguren? Zu viele Kitas und Schulen, Schwimmbäder, Kultureinrichtungen und das Theater? Zu viele ökologische, dem Klimawandel geschuldete Programme?

Nettoneuverschuldungsverbot

Ein grundsätzlicher Punkt, der zu diskutieren wäre, ist das Nettoneuverschuldungsverbot. Dieses ideologische Verdikt hat besonders im Infrastrukturbereich die Kommune an die Wand gefahren. Ergebnis ist die allseits kritisierte Verrottung von Brücken, Straßen, Schul- und sonstigen öffentlichen Gebäuden. Der Staat, die öffentliche Hand konnte nicht schlank genug, die Staatsquote nicht niedrig genug sein.

OB Christian Specht, ein eiserner Verfechter des Nettoneuverschuldungsverbots, hat dieses Prinzip nun höchstpersönlich zu Grabe getragen, heimlich, still und leise. Er folgt damit dem „Deutschland-Investitionsfonds“ von einer halben Billion Euro, für den auf einmal dem Kanzler die verpönte Neuverschuldung kein Thema mehr ist.

Neuverschuldung: Übertragung des Universitätsklinikums Mannheim in einen Verbund mit der Uniklinik Heidelberg als Investition mit Neuverschuldung

Spätestens seit 2020 ist der Verwaltungsspitze der Stadt, damals unter OB Peter Kurz im Einverständnis mit dem Gemeinderat klar, dass das Städtische Klinikum als Haus der Maximalversorgung und als Standort der medizinischen Fakultät der Uni Heidelberg (ein bundesweit einmaliges Konstrukt) für die Kommune nicht mehr zu halten ist. Die Zeiten, da das Klinikum schwarze Zahlen schrieb, auf Kosten einer erheblichen Überlastung des Personals und der Qualität waren mit dem großen Kladderadatsch des „Hygieneskandals“ abrupt zu Ende gegangen. Das Klinikum erlebte einen finanziellen Zusammenbruch, der nur durch einen Notfallkredit der Stadt Mannheim mit einer 100%igen Bürgschaft aufgefangen werden konnte. Seither wurde viel investiert, repariert, umstrukturiert, Personal aufgestockt und besonders kostenträchtige Fehlentwicklungen minimiert. Trotzdem wurden immer wieder Betriebskostenzuschüsse von zuletzt prognostizierten 99 Mio EUR fällig, von denen das Land im Zuge des angestrebten Verbundes 60% auszugleichen bereit war.

Für eine wirtschaftliche und qualitätsvolle Krankenhausversorgung unerlässlich, ist die „Neue Mitte“ geplant, ein kompakter Neubau für OPs und Bettenräume, Kostenpunkt ca. 500 bis 600 Mio. EUR. All dies zusammen wäre unter herrschenden Finanzierungsbedingungen für die Stadt Mannheim der finanzielle Kollaps geworden. Es gab nur zwei Alternativen: Eine gute – die „Fusion“ mit der Uniklinik Heidelberg und eine so schlechte, dass sie eigentlich gar keine Alternative darstellt – Privatisierung und Verkauf.

Nun ist nach jahrelangen intensiven Verhandlungen der Klinikverbund Mannheim-Heidelberg unter Dach und Fach, er soll am 1.1.2026 starten. Die Stadt muss ab diesem Zeitpunkt nicht mehr für das weiter bestehende Defizit von ca. 40 Mio EUR pro Jahr aufkommen. Eine große Entlastung für den Stadthaushalt.

Allerdings muss die Stadt sich an den Baukosten der Neuen Mitte mit 205 Mio EUR in vier Jahresraten beteiligen. Ferner muss sie das restliche Schafweide-Gelände mit dem SWR-Gebäude im Wert von 7 Mio. EUR an die Uniklinik Heidelberg zur Errichtung von medizinischen Forschungsinstituten abtreten.

Und wie wird nun der Beitrag zur Neuen Mitte finanziert? Durch entsprechende Darlehen!

Hierzu machte OB Christian Specht z.B. in seiner Neujahrsrede am 6.1.25 interessante Ausführungen:

Gleichermaßen haben wir klargestellt, dass wir den Haushalt ohne neue Schulden aufstellen wollen. Hintergrund dieser Entscheidung war nicht ein ideologisch motiviertes Festhalten an einem ordnungspolitisch begründeten Neuverschuldungsverbot. Grund war, dass wir uns das Instrument einer Neuverschuldung zur Verfügung halten müssen, wenn wir in der Zukunft Finanzierungslasten zu tragen haben, die unsere finanziellen Möglichkeiten gänzlich überfordern. Das ist dann der Fall, wenn sich die Stadt Mannheim an der Finanzierung der Neuen Mitte unseres Universitätsklinikums zu beteiligen hat.“

An dieser Darlegung ist einiges interessant:

  1. Hier wird eine „Investition“ getätigt, die aus Sicht des Mannheimer Haushalts gar keine ist. Das Klinikum ist dann gar nicht mehr „unser Universitätsklinikum“, sondern das des Landes Baden-Württemberg.
  2. Somit ist die Zahlung ein Devestment, eine Abstandszahlung für die Abschaffung der nicht mehr tragbaren Belastung für die Stadt.
  3. Die Nicht-Neuverschuldung ist in den Augen des OB nicht ein ideologisch motiviertes Festhalten an einem ordnungspolitisch begründeten Neuverschuldungsverbot. Sondern ganz pragmatisch ein Instrument, wenn wir in der Zukunft Finanzierungslasten zu tragen haben, die unsere finanziellen Möglichkeiten gänzlich überfordern.
  4. Es fehlt das präzise Kriterium, wann genau die gänzliche Überforderung konstatiert werden kann oder muss. Ist nicht das Abgleiten in Notwendigkeit, Kassenkredite („Dispokredite“) aufnehmen zu müssen, weil die Liquidität aufgebraucht ist, ein solcher Fall? Dieser Fall ist schon durch den gültigen Doppelhaushalt samt mittelfristiger Planung eingetreten, ohne die Ablösesumme für das Universitätsklinikum.

Die Hauptsatzung der Stadt Mannheim sagt dazu in § 2 (3):

„Der Haushaltsplan und die Finanzplanung enthalten keine Nettoneuverschuldung.(…) Hiervon kann bei einer extremen Haushaltslage abgewichen werden, die der Gemeinderat feststellt. Eine extreme Haushaltslage liegt vor, wenn gegenüber dem Schnitt der letzten vier Haushaltsjahre per Saldo erhebliche (im Sinne von § 82 Abs. 2 Nr. 1 GemO), nicht durch die Stadt Mannheim steuerbare Einnahmerückgänge und Ausgabesteigerungen bestehen, die nicht durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden können.“

Wenn diese „anderen Maßnahmen“ bedeuten, dass die Stadt in eine trostlose Lage wie die Nachbarstadt Ludwigshafen absinkt, verbietet sich das und von einem ethisch fundierten Können kann nicht die Rede sein, bestenfalls von einem juristischen „Können“, welches durch Streichung aller „freiwilligen Aufgaben“ aus der Stadt eine soziale und kulturelle Wüste macht.

Besteht nicht seit der Ausgleichspflicht für Verluste des Klinikums eine solche „extreme Haushaltslage“ sowie auch durch die erhebliche Ausgabensteigerungen bei den Pflichtaufgaben im Sozialbereich? Wäre es nicht an der Zeit, dass der Gemeinderat sich über diese Fragestellungen Klarheit verschafft, anstatt schwammigen und unpräzisen Feststellungen des Oberbürgermeisters zu folgen?

Kreditfinanzierung in „extremer Haushaltslage“ die bessere Lösung

Hier wäre auch darüber zu sprechen, ob der nun letzte Verlustausgleich für das Klinikum-Wirtschaftsjahr 2025 logischerweise ebenfalls zu der Ablösesumme geschlagen und ebenfalls mit einem Kredit gezahlt wird? Diese Ablösekredite sind äußerst rentierlich, da sie dazu führen, dass Mannheim die nicht mehr tragbare Kostentragung für die jährlichen Defizite und die kommenden Investitionen des Klinikums loswird. Das wäre für die Liquidität eine deutliche Entlastung, wenn der letzte Defizitausgleich für das Klinikum von ca. 40 Mio EUR nicht voll zu Buche schlüge, sondern durch einen Kredit zeitlich gestreckt werden könnte. Dafür spricht, dass dieser Defizitausgleich nur auf Grundlage der zu Jahresbeginn geäußerten Willenserklärung der Landesregierung zur Aufrichtung des Klinikverbunds übernommen werden konnte mit der Aussicht auf ein Ende des Schreckens. Hätte das Vertrauen auf die jetzt gefundene Lösung nicht bestanden, hätte schon vor 2 Jahren die oben genannte Notbremse gezogen werden müssen.

Und könnte in einer „extremen Haushaltslage“ nicht die eine oder andere unabweisbare Investition in den verschiedenen Infrastrukturbereichen mit Kredit finanziert werden, jetzt, wo ein jahrelanger Investitionsstau angegangen werden muss, von diversen Zukunftsinvestitionen ganz abgesehen. Das belastet zwar auch künftige Haushalte über die Kreditlaufzeit, jedoch nur in Höhe der jeweiligen Zins- und Tilgungshöhe.

Investitionen nur aus den laufenden Einnahmen zu finanzieren, heißt: Wenn die Differenz aus laufenden Einnahmen und Ausgaben der „Verwaltungstätigkeit“ nicht ausreicht, unterbleibt ein Teil der notwendigen Investitionen, oder es es wird zu Gunsten der Durchführung des Investitionsprogramms Druck auf die „freiwilligen Leistungen“ der Stadt gemacht, um den Überschuss aus der laufenden Verwaltungstätigkeit zu erhöhen. Damit aber würde das Leben in der Stadt gerade für die Mehrheitsbevölkerung drastisch verschlechtert.

Die Aufnahme neuer Kredite in der „extremen Haushaltslage“ wäre ein gänzlich anderes Szenario, um sich mit sozialen und kulturellen Grausamkeiten sowie ökologischen Rückschritten auseinanderzusetzen, und auch mit dem Regierungspräsidium. Dazu muss sich auch die Bevölkerung wie am 30.9. vor dem Ratssaal vernehmbar machen

Thomas Trüper




„Mannheimer Zukunftshaushalt MZH²“ im ruck-zuck-Verfahren: In Beton gegossen?

Es ist mal wieder so weit: Die Konjunktur lahmt, die Gewerbesteuer sinkt um 20% oder 90 Mio EUR gegenüber dem Plan, Kostensteigerungen vor allem im Sozialbereich und bei Investitionen, die Liquidität der Stadt Mannheim sinkt auf Null, Kassenkredite müssen in Anspruch genommen werden bis zu über 100 Mio. EUR, um die Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Nach Jahren fetter überplanmäßiger Steuereinnahmen und hoher Investitionen nun also die Talfahrt. Es ist die wirtschaftliche Achterbahn. Nach aller menschlicher Erfahrung geht es nach dem Absturz auch wieder aufwärts, wie z.B. ziemlich rasch nach der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2007ff. Bei der Talfahrt werden von den Sachwaltern des ganz großen Geldes gerne die sozialen Standards, die über Jahre hart erkämpft wurden, abgeräumt, mit ganz langen Auswirkungen. Man verweist dabei gerne auf die „Sachzwänge“.

In der Mannheimer Kommunalpolitik gibt es nun auch wieder einen ganzen Sack voller Sachzwänge, denen ganz schnell gefolgt werden müsse. Die Sachzwangvorlage zum „Mannheimer Zukunftshaushalt“ V448/2025 wurde am 17.09. dem nicht öffentlichen Unterausschuss Haushalt vorgelegt, dann ebenfalls nicht öffentlich dem Jugendhilfeausschuss, am 25.09. öffentlich dem Hauptausschuss und am 30.09. soll der Hammer im Gemeinderat fallen.

Das Umfeld

Es gibt die diversen Transformationsprozesse mit Pleiten und Entlassungen, es gibt den Krieg in Europa, es gibt Trump, der die Weltwirtschaft durchrüttelt, und die nicht mehr wegzudiskutierende Klimakrise. Alle Zeichen stehen auf Tiefdruck. Da muss überall gespart werden, auch und gerade in den Kommunen. „Oberstes Ziel der Haushaltskonsolidierung ist es, die Handlungsfähigkeit der Stadt zu sichern. Dazu gehört unter allen Umständen eine Haushaltssicherung zu vermeiden, bei der eine externe Aufsichtsbehörde die Einsparziele und -maßnahmen vorgibt“, heißt es in der Vorlage. Specht warnt vor dem Durchgriff des Regierungspräsidiums (RP), der tatsächlich das Ende der kommunalen Selbstverwaltung wäre. Zum Umfeld der kommunalen Misere gehört natürlich auch die chronische Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden durch Bundes- und Landesgesetze, einschließlich der Steuergesetzgebung.

Anforderungen des Regierungspräsidiums

„Die Anforderungen des RPs an das strukturelle Einsparkonzept,(..)  sind sehr konkret. Die Stadt wird aufgefordert, sich insbesondere auf nachhaltig wirkende, strukturelle Maßnahmen zu konzentrieren und  in der Reihenfolge vorzugehen, die sich aus der unterschiedlichen Wertigkeit der kommunalen Aufgaben und aus den grundlegenden gemeindewirtschaftlichen Vorschriften ergibt.“

Unterschiedliche Wertigkeit der kommunalen Aufgaben? Sind Maßnahmen zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit weniger Wert als die Aufgabe (?), die Steuern gering zu halten?

Specht schafft hier Klarheit:

„Das bedeutet, die Stadt soll  nicht auf gesetzlichen Verpflichtungen beruhende Subventionen und andere freiwillige Leistungen abbauen,  Standards bei der Erfüllung von Pflichtaufgaben auf das unbedingt Notwendige hin untersuchen“ usw., bis zur Feststellung: „Steuererhöhungen kommen nur zuletzt in Betracht.“

Warum eigentlich? Es kommt doch wohl auf die Frage an: Welche Steuer trifft wen und wie sehr? Welche Auswirkung hat eine Steuer auf die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich? Wer beteiligt sie wie an den Kosten der Gesellschaft?

Denkt man da nicht sofort an die Auseinandersetzungen um die Erbschafts-, die Vermögens- und die Einkommenssteuer? Wir behalten diese Frage im Auge und schauen erst mal die konkreten Maßnahmen der Beschlussvorlage an, die der Gemeinderat beschließen soll und wohl auch mehrheitlich wird.

Sparkatalog

Da sind einige vernünftige Sachen dabei, wie die Vereinfachung und Verbilligung von Verwaltungsabläufen. Da geht immer was. Jedes Dezernat muss da liefern.

Aber dann bleibt das Auge an Maßnahmen hängen, die dem Dezernat III (Jugend, Bildung, Gesundheit) abverlangt werden (kleine Auswahl):

  • Umwandlung der Zweigstelle Friedrichsfeld in ein ehrenamtlich „betreutes Lesecafé“, also faktisch Schließung:  -83.000 EUR
  • Kürzung Schuletat um 5% (außer bei den Grundschulen): – 292.000 EUR
  • Tageseinrichtungen für Kinder: Verzicht auf Durchführung des Transports von Kindern mit inklusiven Bedarfen zu geeigneten heilpädagogischen Gruppen / Tageseinrichtungen: -55.000 EUR
  • Wegfall der Frühbetreuung: 7:30-9:00: Einsparung noch nicht errechnet und eingepreist
  • „Anpassung Betreuungsgebühr (Steigerung Kostendeckungsgrad) bereits ab 01.09.26, künftig jährlicher Rhythmus: anfangs -363.636 EUR bis -2.000.000 EUR in 2028.
  • Gebührenerstattung im Kiga-Bereich abschaffen (= Ende des Wegs zur gebührenfreien Kita). -3.000.000 EUR pro Jahr.

So nimmt es dann nicht Wunder, dass in 2028 allein der Bereich Bildung  8,8 Mio EUR einsparen  soll. Das macht fast 50% aller in diesem Jahr geplanten Einsparungen bzw. Gebührenerhöhungen aus. Ein bitterer Schlag gegen die Bildungsgerechtigkeit. Zwar sind Empfänger:innen von Grundsicherung von den Erhöhungen bei den Kitagebühren nicht betroffen – da zahlt die Stadt. Aber diese Maßnahmen werden Auswirkungen auf die Verbindung von Familie und Beruf haben und auf die Frage, ob sich das Arbeiten insbesondere für Frauen lohnt, wenn der Lohn gering und die Gebühren hoch und die Betreuungszeiten zu kurz sind. Wie das Sparen an der Jugend zu einem „Zukunftshaushalt“ führen soll, bleibt Spechts Geheimnis.

Ist das in Beton gegossen?

Wer immer nur die Ausgabenseite betrachtet, wird sagen müssen: Ja, so ist das. Es sei denn, er oder sie schlägt als Alternative vor, das Nationaltheater an einen Cinema-Konzern zu verkaufen.

Es gibt aber immer auch die Einnahmenseite, jenseits unsozialer Gebührenerhöhungen. Dazu zwei Gedankenexperimente:

1. Lasst uns die Grundsteuer z.B. um 10% erhöhen, das erbrächte 7,5 Mio EUR pro Jahr.
Da werden nun alle sozial eingestellten Menschen spontan und ein paar Vertreter großer Immobilienvermögen hinterlistig aufschreien: „Aber das erhöht doch die Mietnebenkosten noch weiter, die ohnehin schon viel zu hoch sind!“ Das stimmt, aber um wie viel geht es denn?

Die Belastung einer 3-4-Zimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus beträgt nach der Grundsteuerreform etwa 250 EUR pro Jahr. 10% Erhöhung wären 25 EUR oder 2 EUR pro Monat. Wenn damit z.B. die Abschaffung der Gebührenerstattung im Kiga-Bereich (105 EUR monatlich) entfiele oder auch nur die Erhöhung des Bäder-Eintritts, wäre das ein gutes Geschäft.

Die Hauptlast der Grundsteuer tragen in Mannheim Villen, auch Einfamilienhäuser, aber vor allem auch die großen Industriebetriebe. Ein Sonderproblem wären allerdings die großen Garten- oder Wiesenflächen hinter kleinen Siedlungshäusern, von denen es einige Eigentümer geben mag, die durch die Grundsteuerreform schon heftig be- oder überlastet sind. Hier könnte über einen Härtefall-Fonds aus der Grundsteuer-Mehreinnahme nachgedacht werden. (Die AfD will ja wegen dieser Härtefälle, demagogisch wie sie ist,  die Grundsteuer  überhaupt abschaffen.) Auch für personengeführte Läden wäre das eine echte Belastung; denn bei Bodenrichtwerten von 2.000 EUR/m² fällt die Grundsteuer so schon horrent aus.

2. Bessere Geldschöpfung des Nationaltheaters durch offensiven Förderticket-Verkauf: Unter den Menschen, die das Nationaltheater besuchen, gibt es gebildete Arme, Arbeitende und Rentner*innen mit eher bescheidenem Einkommen, wohlhabende Mittelschichtler:innen und Reiche. Der Speckgürtel und der Binnenspeck lassen grüßen. Denjenigen, die locker einen Zwanziger drauflegen könnten und trotzdem noch in der Pause ihren Schampus trinken und sogar dreimal im Monat ins Theater gehen können, denen könnte man doch eine Vorzugs-Förderkarte anbieten und ihnen mit geeigneter Öffentlichkeitsarbeit („Das gehört zum guten Ton!“) zusätzlich noch ein gutes Gefühl vermitteln. Spenden macht glücklich. Vereinzelt experimentiert das NTM wohl auch schon mit einer solchen Tarifgestaltung, z.B. im Juni bei der Vorstellung des Stücks „Geld ist Klasse“ mit der Millionenerbin Marlene Engelhorn („taxmenow!“).

Beide Gedankenexperimente haben etwas von Tax the Rich! bzw. Tax me Now!. Ohne soziale Phantasie ersticken wir und viele andere, die es nicht verdient haben, tatsächlich im antisozialen Gussbeton. Und soziale Phantasie ist die Voraussetzung für soziales politisches Handeln.

Thomas Trüper




Antikriegstag 2025 in Mannheim: Klare Worte gegen Krieg und Aufrüstung – Prof. M. Goldmann bei DGB-Veranstaltung über das Völkerrecht

Prof. Dr. Matthias Goldmann, Völkerrechtler an der privaten ESB Universität, spricht auf der Veranstaltung des DGB zum Antikriegstag im Haus der Evangelischen Kirche.

Der Antikriegstag ist mehr als ein Gedenktag – er ist ein politisches Signal gegen Krieg, Militarisierung und rechte Hetze. In Mannheim kamen am 1. September etwa 100 Menschen im Haus der Evangelischen Kirche zusammen, um dies zu unterstreichen.

Eingeladen hatten der DGB Rhein-Neckar, die DFG-VK Mannheim, der KDA Mannheim, die Katholische Arbeiterbewegung KAB, die Naturfreunde Mannheim,das Ökumenische Bildungszentrum sanctclara und die VVN-BdA. Umrahmt wurde die Veranstaltung durch die musikalischen Beiträge von Andreas Rathgeber mit seinem Akkordeon

Nach den einleitenden Worten von Vertreterinnen des DGB und der Kirche sprach Matthias Goldmann, Professor für internationales Recht an der EBS Universität für Wissenschaft und Recht in Wiesbaden. Der Völkerrechtler erinnerte daran, dass das Gewaltverbot der UN-Charta eigentlich die Grundlage des internationalen Rechts bildet – ein Prinzip, das jedoch in der Praxis sehr unterschiedlich angewandt wird. So sei der Angriff Russlands auf die Ukraine klar ein Bruch des Völkerrechts, werde auch weltweit geächtet und sanktioniert. Doch andere Fälle, etwa die jahrelange Besatzung palästinensischer Gebiete oder der völkerrechtswidrige Irakkrieg, hätten keine vergleichbaren Konsequenzen nach sich gezogen. Diese doppelten Standards, so Goldmann, untergraben die Glaubwürdigkeit des Völkerrechts und stärken den Eindruck, dass es letztlich den Interessen der Mächtigen dient.

Goldmann betonte, dass Außen- und Innenpolitik eng zusammenhängen: Eine militarisierte Außenpolitik begünstigt autoritäre Tendenzen im Innern. In den USA zeige sich das etwa in der Politik Donald Trumps, der internationale Abkommen kündige, die UNO und andere internationale Organisationen schwäche und zugleich im Inneren die demokratischen Institutionen unter Druck setze. In Deutschland wiederum würden Demonstrationen, insbesondere mit Bezug zum Nahostkonflikt, unter dem Vorwurf des Antisemitismus zunehmend verboten – ein Beispiel dafür, wie außenpolitische Konfrontationen ins Innere wirken und Grundrechte einschränken. Friedenspolitik bedeute daher immer auch den Einsatz für Demokratie und Bürgerrechte.

Goldmann forderte eine Rückbesinnung auf die Grundpfeiler des internationalen Rechts: kollektive Sicherheit, verbindliche Abrüstungsschritte und die konsequente Anwendung der Regeln auf alle Staaten. Notwendig seien eine Stärkung der Vereinten Nationen, ernsthafte Abrüstungsverhandlungen und der Abbau nuklearer Arsenale statt immer neuer Aufrüstungsschübe. Nur wenn internationales Recht nicht länger selektiv ausgelegt werde, könne es wieder Vertrauen schaffen und als Instrument der Friedenssicherung wirken.

An diesem Abend wurde unmissverständlich klar: Man darf sich mit Militarisierung und Kriegslogik nicht abfinden. Frieden fällt nicht vom Himmel, er muss erkämpft werden. Und dieser Kampf richtet sich auch gegen eine deutsche Außen- und Rüstungspolitik, die immer stärker auf militärische Stärke setzt – statt auf Verständigung und Abrüstung.

Text: Hans Marin | Foto: Doris Banspach

 




Familien ohne Kinderärzte im Sozialraum 5 – ein dickes Hartholzbrett zu bohren

Skandalös kann man den Zustand berechtigterweise bezeichnen. Nur leider ändert das erst mal nichts an der schlimmen Situation, in der sich Familien in den Stadtteilen der Sozialraum-Kategorie 5 („sozialstrukturell (sehr) auffällig“) befinden. Ausgerechnet in Stadtteilen, wo viele Kinder in sozial sehr schwierigen Verhältnissen leben, stehen keine Kinderärzt:innen zur Verfügung. Und nicht nur dies: Es fehlt auch an Psychotherapeuten für Kinder und Jugendliche, „Heilmittelversorgern“ in Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie für Kinder und Jugendliche. Hierüber berichtete das Jugend- und Gesundheitsamt der Stadt Mannheim differenziert in seinem umfangreichen Bericht zur gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen in Mannheim (September 2019). Diese Berichterstattung ergab sich aus einer neuen gesetzlichen Pflichtaufgabe der Gesundheitsämter als Grundlage für die Gesundheitsplanung.

Die Vertuschung der Durchschnitts-Statistiken

Im Durchschnitt mag die kinderärztliche Versorgung in der Stadt Mannheim leidlich sein:  694 Kinder und Jugendliche pro Arztpraxis. Der Verdacht liegt nahe, dass diese Rechnung der angenehmen Durchschnittstemperatur entspricht, in der sich jemand aufhält, wenn er sich mit dem Hintern auf der heißen Herdplatte und mit dem Kopf im Tiefkühlschrank befindet. Realistisch sieht die Versorgungssituation so aus:

Quelle: Stadt Mannheim, aaO

Ähnlich verhält es sich bei der Verteilung der Hebammen und Entbindungshelfer:

Quelle: Stadt Mannheim, aaO

Im Durchschnitt gab es 2015 pro Hebamme / Geburtshelfer (insgesamt auf 46 Praxen) 19 Geburten.

Neuere Zahlen gibt es für die Sozialräume, die sich auf die 48 Stadtteile beziehen, nicht. Zwar veröffentlichte die Stadt Mannheim im September 2024 einen weiteren „Bericht zur Kindergesundheit 2024“, der jedoch derlei Zahlenangaben nicht enthält. Der Mannheimer Morgen  zeigte in seiner Ausgabe vom 11.08.25 eine Statistik der Verteilung der einzelnen 32 Kinderärzt:innen auf die 17 Stadtbezirke. Danach gehen Hochstätt und Neckarstadt-West weiterhin leer aus, Käfertal, Neckarstadt-Ost/Wohlgelegen, Sandhofen, Rheinau und Wallstadt verfügen über je einen Kinderarzt.

Das Jugend- und Gesundheitsamt arbeitet in seinen Berichterstattungen heraus, dass sowohl die kinderärztliche Versorgung als auch alle Angebote, die das Jugend- und Gesundheitsamt selbst organisiert (z.B. „Willkommen im Leben“, Eltern-Kindzentren, Familien-Kitas, aufsuchende medizinische Fachkräfte) entscheidend sind für die gesunde Entwicklung der Kinder als Basis für Bildungsgerechtigkeit und eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einschließlich beruflicher Chancen.

Warum ist die kinderärztliche Versorgung derart ungleich und ungerecht?

Die ambulante kassenärztliche Versorgung generell unterliegt der Selbstverwaltung der Ärzteschaft in Gestalt der Kassenärztlichen Vereinigungen. „Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) organisieren auf regionaler Ebene die flächendeckende ambulante medizinische Versorgung der GKV-Versicherten. Ihre Mitglieder sind die Vertragsärztinnen und -ärzte sowie Vertragspsychotherapeutinnen und -therapeuten der jeweiligen Bundesländer.“ (https://www.kbv.de/kbv/die-kbv/kassenaerztliche-vereinigungen). Konkret heißt das: „Gemeinsam mit den Krankenkassen organisieren die KVen die Bedarfsplanung. Damit wird dafür gesorgt, dass überall eine ausreichende Zahl von Ärzten und Psychotherapeuten für die ambulante Versorgung zur Verfügung steht und auch in sprechstundenfreien Zeiten ein ärztlicher Bereitschaftsdienst vorhanden ist. Sie sorgen auch dafür, dass die Qualität der ärztlich erbrachten Leistungen gesichert ist.“

Damit sind die Akteure beschrieben. Die Kommunen sind nicht dabei. Die Leistenden und die zahlenden Organisationen machen das auf Landesebene unter sich aus. Sie schreiben ggf. freie Arztsitze aus. Für Mannheim sieht das so aus:

 

Alle Facharztsitze sind gesperrt, lediglich 2 Hausarztpraxen sind im August 2025 ausgeschrieben. (Quelle KVBW, aaO).

 

Diese Darstellung verrät den springenden Punkt: Die KVen kennen nur Regionen, Land- oder Stadtkreise, hier also Mannheim. Die Unterschiedlichkeit der Versorgung und der sozialen Verhältnisse innerhalb des Bezirks / der Region und damit der Ansatz für soziale Verantwortung, spielt keine Rolle. Innerhalb des Bezirks besteht Niederlassungsfreiheit, und damit ist wirtschaftlichen Gesichtspunkten für die Ärzt:innen als freien Unternehmer:innen freie Bahn gelassen. Dass eine Praxis auf der Hochstätt kaum Privatpatient:innen verspricht, dafür längere erforderliche Beschäftigung mit den einzelnen Patient:innen schon aufgrund von Sprachschwierigkeiten  und kultureller Diversität, trägt nicht zur Attraktivität dieses Arztsitzes bei.

Handlungsempfehlungen des Jugend- und Gesundheitsamtes 2019 (!)

Die Fachleute im Jugend- und Gesundheitsamt haben sich für ihren Bericht durchaus Gedanken gemacht über die Konsequenzen aus ihrem eher tristen Befund, besonders hinsichtlich der ärztlichen Versorgung. Diese „Handlungsempfehlungen“ seien im Folgenden zitiert:

„Ein wohnortnaher Zugang zur gesundheitlichen Versorgung ist für alle Kinder auch in sozial benachteiligtenGebieten und in Stadtrandlagen sicher zu stellen.

  • Wo unter Marktbedingungen der wünschenswerte Versorgungsgrad nicht erreicht wird, sind Anreize für Ärzte und Akteure der gesundheitlichen Versorgung zu schaffen, sich in Gebieten mit sozialen Problemlagen anzusiedeln oder Zweigstellen ihrer Praxen zu bilden. Ein solcher Anreiz kann durch kooperative Strukturen und integrierte Gesundheitszentren oder Medizinische Versorgungs-Zentren in den Sozialräumen entstehen.
  • Prüfung des Einsatzes nicht-ärztlicher Fachkräfte in Fragen der medizinischen/gesundheitlichen Versorgung als Reaktion auf den Fachkräftemangel.
  • Anbinden von Angeboten und Einrichtungen der Gesundheitsversorgung an soziale, kulturelle oder Bildungsangebote, wie z.B. Beratungsangebote für Menschen in schwierigen Lebenslagen
  • Frühzeitige Zusammenarbeit mit den für die Fortschreibung der Verhältniszahlen in der ambulanten Versorgung zuständigen Institutionen/Gremien bei neuen Siedlungsgebieten.
  • Ausbau der komplementären Leistungen, die den Zugang erleichtern können z.B. die schulärztliche Untersuchung, wo nachweislich keine privatärztliche Versorgung erfolgt, oder Standorte der Gesundheitsberatung ausbauen.
  • Ressourcen für gesundheitsförderliche Strukturen in den Lebenswelten Wohnen, Freizeit und Sport, wie sie gesetzlich als Aufgabe der GKV festlegt wurden, nutzen.
  • Feststellen von Lücken in der Versorgungskette von der Schwangerschaft über die Geburt bis zur Nachsorge und ein kommunales Versorgungsmanagement prüfen.“ (aaO S. 94; Hervorhebungen durch Verf.)

Alles Weitere muss „die Politik“, der Gemeinderat als Auftraggeber regeln, an die richtet sich die Handlungsempfehlung. Das Grundproblem des Ausschlusses der Kommunen aus der kommunalen ambulanten Gesundheitsversorgung kann die Kommunalpolitik allein nicht auflösen. Trotzdem muss sich die Kommune um die Gestaltung der ambulanten Versorgung kümmern.

Die Stunde (oder Jahre?) der Kommunalpolitik

Die Konsequenzen aus dem großen Kinder- und Jugendgesundheitsbericht 2019 zog als erste und lange Zeit als einzige Gemeinderatspartei Die Linke mit ihrer Fraktion Li.Par.Tie. Sie wurde dabei intensiv vom Gesundheitsarbeitskreis der örtlichen Linken unterstützt und mit input versorgt. Dieser Arbeitskreis ist auch in der kommunalen Gesundheitskonferenz vertreten und mit diversen Institutionen vernetzt.

Mit ihrem Antrag 182/2020 holte die Fraktion die Beschäftigung mit der prekären Materie in den Gemeinderat. Der hatte am 24.10.2019 den Gesundheitsbericht im Ausschuss für Jugend und Gesundheit lediglich „zur Kenntnis genommen“. Mit Antrag 421/2020 forderte sie „ein Konzept, mit dem eine gute gesundheitsrelevante Versorgungsstruktur für Kinder und Jugendliche in den Stadtteilen des Sozialraumtypus V gewährleistet werden kann“. Ferner forderte sie  die Einrichtung von Planstellen für Hebammen und Kinderkrankenschwestern in diesen Sozialraumgebieten. Schließlich greift sie die Idee des Jugend- und Gesundheitsamts auf, „unterstützende Maßnahmen zur zeitnahen Schaffung einer Kinderärztlichen “Zweigpraxis“ im Stadtteil Hochstätt zu ergreifen. Im Jahr darauf übernimmt die Verwaltung den Antrag 250/2021 der Li.Par.Tie., für den Sozialraum V ein Konzept für die Gesundheitsversorgung der Kinder und Jugendlichen zu entwickeln.

Im Dezember 2021 stellt die Fraktion zu den Etat-Beratungen den Antrag, „zunächst eine Gesundheitsfachkraft bzw. Familienhebamme“ in den Stadtteilen des Sozialraumtyps 5 einzurichten und die finanziellen Mittel dafür einzustellen. Diesem Antrag schließt sich die SPD-Fraktion an und gemeinsam mit den Grünen wird diesen Anträgen mehrheitlich zugestimmt (damals noch mit rot-grün-roter Mehrheit).

Im Februar 2025 schließlich greift auch die SPD das Thema der falschen Verteilung von Kinderarztpraxen in den Stadtteilen mit Anfrage 052/2025 auf, nachdem der Mannheimer Morgen kurz zuvor über Akteure berichtet hatte, die in Hochstätt Alarm wegen dieser Situation schlugen. Sie waren von dem ehemaligen BBR Ralf Kittel (SPD) zu einem Gespräch eingeladen worden. Dabei war auch Dr. Stefanie Schwarz-Gutknecht, eine City-Kinderärztin, die bereit wäre, auf der Hochstätt eine Teilzeit-Zweigniederlassung zu gründen. Im September könne sie eröffnen. Dazu benötige sie jedoch eine „Sonderbedarfszulassung“ der KV BW. Dieser Verband war auch zu dem Treffen eingeladen, sagte aber ab, da man darüber nicht öffentlich diskutiere. Der anwesende Leiter des Gesundheitsamtes Mannheim, Dr. Peter Schäfer, kritisierte die von der KV BW genannten Zahlen. Diese seien überhaupt nicht mehr aktuell, da sich die Work-Life-Balance der jüngeren Ärzteschaft sehr verändert habe. Er fordert von der KV BW eine Überarbeitung ihrer Zahlen. Die Akteure beschlossen, der KV BW zu schreiben und eine Sonderlösung für Hochstätt zu fordern. (MM 07.02.25)

Am 19.05.25 berichtet der Mannheimer Morgen über eine Sitzung des Ausschusses für Jugend und Gesundheit, der sich mit der Stellungnahme der Verwaltung zu der Anfrage der SPD befasste. Dort wird der aktuelle Versorgungsbericht der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KV BW) zitiert, der für den Planungsbezirk Mannheim einen Versorgungsgrad bei Kinderärzten von 131,5% nenne, so dass auch bei diesen Ärzten Mannheim insgesamt als Niederlassungsort „gesperrt“ sei (s.o.).

Gesundheitscafé Schönau

Gesundheitsdezernent Dirk Grunert habe jedoch deutlich gemacht, dass „die Stadt praktisch keine Möglichkeit hat, hier regulierend einzugreifen“. Man konzentriere sich auf die Dinge, die man als Kommune machen könne, also z.B. das Gesundheitscafé Schönau. Dieses wurde im Mai 2024 eingeweiht. Die Linke (Li.Par.Tie.) hatte in den Etatberatungen 2022 erfolgreich Mittel hierfür beantragt. Inzwischen geht es aber um die Sicherung der Mittel. Die Linke (LTK-Fraktion) hatte das notwendige Geld (77.900 EUR) beantragt. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Die SPD hatte keine Gelder gefordert, sondern: „Die Verwaltung erarbeitet ein Konzept, wie das Gesundheitscafé Schönau über das Jahr 2025 hinaus weitergeführt werden kann sowie ob und wie das Konzept dieser niedrigschwelligen Angebote perspektivisch auf andere Stadtteile übertragbar ist. Die Ergebnisse werden im zuständigen Fachausschuss vorgestellt.“ Dieser Antrag wurde mehrheitlich angenommen.

Die Ampel-Koalition hatte übrigens die bundesweite Förderung wenigstens von „Gesundheits-Kiosks“ in ihren Koalitionsvertrag geschrieben, bis schließlich der einstige Bundesfinanzminister, ein  Christian Lindner (FDP), dieses Projekt gecancelt hatte. Wahrscheinlich dachte er sich: Wer braucht auf Sylt schon ein Gesundheitskiosk.

Hochstätt: Weiter geht’s auf Landes- und Bundesebene

Quelle: https://www.facebook.com/borisweirauchspd, 12.11.25 10:15

Dr. Stefanie Schwarz-Gutknecht beklagt inzwischen Verzögerungen bei der von ihr  bei der KV BW beantragten Sonderzulassung für eine Kinderarztpraxis auf der Hochstätt. „Nach heutigem Stand wird der Zulassungsausschuss im September dazu entscheiden“, teilt Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, auf Anfrage des Mannheimer Morgen mit (MM 11.08.25). Die Ärztin steht nach wie vor zu ihren Planungen.

Mittlerweile hat sich der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch an die Landesregierung gewandt. Er fordert sie darin auf, „sich auf Bundesebene dafür starkzumachen, dass die Vergabe von Kassenarztsitzen auch an Stadtbezirke gekoppelt werden kann und nicht nur an einen Stadt- oder Landkreis.“ (MM a.a.O)

Das Landesgesundheitsministerium verweise auf die kommunalen Möglichkeiten, Anreize für eine Niederlassung zu geben. Dieser Hinweis greift jedoch ins Leere, wenn eine Stadt „gesperrt“ ist, wie Mannheim. Allerdings setzte man sich auf Bundesebene auch schon lange dafür ein, die Reform der vertragsärztlichen Bedarfsplanung endlich ernsthaft in Angriff zu nehmen.

Das harte Brett einer vernünftigen Gesundheitsversorgung ist also wirklich enorm dick.Aber in der Linken kursiert der Spruch: „Die Linke bohrt“.

Zu klären wäre ja auch noch das angespannte Verhältnis zwischen Patientenbehandlung durch klinische Ambulanzen, sowie ambulanter Weiterversorgung von entlassenen Patient:innen einerseits und der niederglassenen Ärzteschaft andererseits. Oder wie wäre es  mit der Zulassung kommunaler Polikliniken mit angestellten Ärzt:innen und mit Ausrichtung auf die Unterstützung „auffälliger Sozialräume“? Oh Gott? Vielleicht täten es ja auch „Ärztliche Versorgungszentren“ – jedoch nicht in der Hand von Hedgefonds und sonstigen Investoren, wie gerade en vogue, sondern unter kommunaler Regie?

Thomas Trüper




Gotham Ländle- Was mit dem Einsatz automatisierter Überwachungsmethoden bevorsteht.

Nachdem ein Staatssekretär des CDU-geführten Innenministeriums bereits im März diesen Jahres einen 25 Millionen Euro schweren Vertrag mit der US-Firma Palantir unterzeichnet hat, stellt die Grün-Schwarze Landesregierung nachträglich die Anpassung des Polizeigesetzes für eine eingeschränkte Nutzung der Analyse-Software „Gotham“ in Aussicht. Grüne „Bauchschmerzen“ ließen sich durch ein Angebot der CDU mildern, einen Nationalpark auszuweiten. Dabei ist nicht nur eine politische Praxis fragwürdig, die erst Tatsachen schafft, welche dann im Nachhinein mit einem Tauschhandel legitimiert werden. Auch die Software und das Unternehmen sowie deren Auswirkungen auf Freiheitsrechte müssen kritisiert werden.

Film & Diskussion: Algorithmenbasierte Kameraüberwachung @ Cinema Quadrat | Mannheim | Baden-Württemberg | Deutschland

Vertreter*innen von Sicherheitsbehörden rühmen sich schon lange mit Pilotprojekten zur Videoüberwachung in Mannheim, bei denen der Einsatz von Künstlicher Intelligenz erprobt wird. Eine KI soll mit Hilfe von über 60 Kameras an besonderen Punkten in der Stadt erkennen, ob sich Personen dort „verdächtig“ verhalten und dann direkt das Lagezentrum der Polizei informieren. Das Projekt läuft bereits seit 2018 und wurde 2023 um mehrere Jahre bis 2026 verlängert.

Nun soll auch in Baden-Württemberg eine Analyse-Software dazu genutzt werden polizeiliche Daten effizienter verarbeiten zu können. Hessen und Hamburg haben die Software bereits in ihrem polizeilichen Repertoire und planen sie zur Bekämpfung organisierter Kriminalität und islamistischen Terrorismus zu verwenden. In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 2023 (1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20) sind die rechtlichen Grundlagen für deren Einsatz jedoch als verfassungswidrig eingestuft worden, weil sie keine ausreichende Eingriffsschwelle enthalten. Bedenken im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die informationelle Selbstbestimmung wurden als Begründung herangezogen, wobei darauf verwiesen wurde, dass auch Unbeteiligte in den Fokus gelangen könnten. Während die Grundlage in Hamburg damit als nichtig angesehen wurde, wurde dem Land Hessen eine Frist zur Nachbesserung der Rechtsgrundlage gegeben. Eine verfassungskonforme Nutzung der automatisierten Datenanalyse hat das Gericht jedoch nicht ausgeschlossen. Damit bleibt das Tor für die Nutzung softwaregestützter und automatisierter Technologien offen und es ist davon auszugehen, dass die Zuständigen in Baden-Württemberg die Fehler ihrer Vorgänger berücksichtigen werden. Die KI-gestützte Überwachung in Mannheim könnte also bald um eine automatisierte Auswertung ergänzt werden, die vermutlich auch weitere Möglichkeiten der Gesichts- oder Profilerkennung mit sich bringt.

Die Software „Gotham“¹ soll in der Lage sein, Muster aus unterschiedlichen Datenbeständen erkennen und zusammenführen zu können. Dadurch soll automatisiert stattfinden, was bisher nur unter hohem Aufwand möglich gewesen sei, wie zum Beispiel Personen, Orte und Ereignisse über Bilder miteinander zu verknüpfen. Sicherheitsbehörden versprechen sich eine effektivere Bekämpfung und Vorbeugung von Straftaten. Datenschützer warnen vor intransparenten Prozessen und einer gefährlichen Bündelung von sensiblen Informationen.

Dass Gotham nur auf bereits polizeilich erfasste Daten zugreifen könne, ist dagegen nur ein schwacher Einwand, denn allein das Wissen um deren technologische Nutzbarkeit, wird den Daten-Sammelwahn von Sicherheitsbehörden weiter antreiben und nach weiteren Befugnissen verlangen. Es wäre ja schließlich unsinnig eine Technologie für viel Geld anzuschaffen, wenn sie dann nicht gefüttert werden würde. Ob es also bei den anberaumten fünf Jahren bleibt, wird sich zeigen. Droht doch eine klassische Sunk-Cost-Fallacy, also das Phänomen, dass man trotz erheblicher Bedenken an einer Entscheidung festhält, weil man bereits viel dafür investiert hat. Vor allem bei mutmaßlichen Sicherheits-Maßnahmen tritt ein weiterer Effekt hinzu, nämlich dass im Nachhinein niemand die Verantwortung übernehmen will etwas abgeschafft oder nicht verlängert zu haben, das der Sicherheit der Bevölkerung gedient haben könnte. Auch deswegen kennen Überwachungs- und Strafverfolgungsbelange oft nur eine Richtung: bessere Technik, tiefergehende Befugnisse und stärker aufgerüstetes Personal. Eine Steilvorlage für autoritäre Kräfte, die sich bereits ausmalen können, wie sie diese Instrumente für ihre Zwecke nutzen können.

Ein Anzeichen für das Augenverschließen vor dem möglichen Umschlagen in ein autoritäres Un-Sicherheitssystem, ist das Betonen der Kosten einer solchen Anschaffung, wie es die SPD vormacht, oder auch die Kritik, dass nicht auf die Software eines europäischen oder deutschen Unternehmens gesetzt wurde. In erster Linie ist zunehmende Überwachung an sich ein Problem, unabhängig davon ob nun ein deutsches oder US-amerikanisches Unternehmen davon profitiert. Allerdings muss in diesem Fall auch darauf hingewiesen werden, dass innerhalb der CDU wenig Bedenken zu bestehen scheinen, sich von einem Unternehmen abhängig zu machen, dessen Leitung nicht nur zum radikalsten Unterstützerkreis der Trump-Bewegung in den USA gehört.

Zur Geschäftsführung des Unternehmens Palantir gehören Vordenker einer rechts-libertären Ideologie, in der monopolistische Unternehmen „regieren“ und jegliche Ambitionen zur demokratischen Einhegung kapitalistischer Machtkonzentration bekämpfen. Sie fordern den Rückbau von Sozialstaatlichkeit auf ein Minimum und Privatisierung auf allen Ebenen, die Profit versprechen oder sich dementsprechend umbauen ließen. Einem Staat bliebe lediglich die Aufgabe Investor und Konsument von Überwachungs- und Repressionsdienstleistungen zu sein, um gesellschaftliche Konflikte möglichst klein zu halten und stets autoritärer werdenden Verhältnissen ein demokratisches Äußeres zu verleihen. Offensichtlicher kann sich Klassenkampf kaum gebärden.

Unterdrückung und Kontrolle werden seit Jahrhunderten mit Sicherheitsbegriffen gerechtfertigt. Wer als bedroht und wer als Bedrohung für die Sicherheit angesehen wurde und wer die Bestimmungsmacht darüber hat, lässt sich auch entlang der Klassenlage oder anhand soziökonomischen Kategorien analysieren. Man sollte also nicht leichtfertig annehmen, dass Sicherheit immer als gemeinwohlorientierter Begriff zu verstehen ist. Gerade in ökonomisch schwierigen Zeiten, scheint es nicht verwunderlich, dass sich die Herrschenden und Vertreter des Kapitals mit neuen Kontroll- und Überwachungsinstrumenten wie Gotham sicherer fühlen möchten.

Text: DeBe                      Bilder: cki

¹Namentlich angelehnt an Gotham City- eine dystopische Stadt im Comicuniversum von Batman, in der Kriminalität und Korruption überhand genommen haben.




Tauschaktion gegen die rassistische Bezahlkarte für Geflüchtete

Bezahlen nur noch ohne Bargeld? | Symbolbild: SumUp | Unsplash

Schritt für Schritt wird in Deutschland die sogenannte Bezahlkarte für Geflüchtete eingeführt. Menschen, die als Asylbewerber staatliche Leistungen erhalten, bekommen dann statt Bargeld eine Guthabenkarte und können nur noch elektronisch bezahlen. Asylrechtsinitiativen kritisieren das als Teil einer rassistischen Ausgrenzungs- und Abschreckungspolitik.

In Mannheim übte DIE LINKE bereits massive Kritik an der Einführung der Bezahlkarte. Diese stehe für „Misstrauen, Ausgrenzung und systematische Entrechtung“ (KIM berichtete). Schutzsuchende würden pauschal unter Generalverdacht gestellt und in ihrer Selbstbestimmung massiv eingeschränkt. Außerdem verhindere die Bezahlkarte den Zugang zu günstigen Lebensmitteln, Second-Hand-Waren, Flohmärkten oder privaten Hilfsstrukturen wie Sozialkaufhäusern.

Protest und praktische Hilfe – ein Aufruf zum Tauschen

Um dem System der Bezahlkarte etwas entgegen zu setzen, hat sich die Initiative „Bezahlkarte stoppen“ gegründet. In Mannheim und Heidelberg gibt es nun Tauschbörsen, bei denen Geflüchtete ihr digitales Guthaben gegen Bargeld eintauschen können.

Das funktioniert so: Inhaber*innen der Bezahlkarte kaufen in einem Supermarkt einen Einkaufsgutschein über 50 Euro. Diesen bringen sie zu einer Tauschbörse. Solidarische Menschen tauschen dann diesen Einkaufsgutschein gegen Bargeld.

In Heidelberg gibt es bereits einige Anlaufstellen und auch in Mannheim kommen die ersten dazu. Auf der Webseite der Initiative gibt es eine Übersicht mit Adressen und Zeiten. Für den Austausch gibt es auch einen Instagram Kanal und eine Signal Gruppe.

Ein erstes Treffen ist ebenfalls geplant: Am Donnerstag, 24. Juli trifft sich die Initiative um 19 Uhr im Linken Zentrum Ewwe Longts, Kobellstraße 20, 68167 Mannheim. Interessierte sind herzlich willkommen.

Mehr Infos: https://bezahlkarte-stoppen.de

(cki)