Silent Dance: Extrem auffälliges Verhalten auf dem Alten Messplatz [mit Videobeitrag]

Samstagnachmittag, es herrscht trügerische Ruhe auf dem Alten Messplatz. Scheibar zufällig kommen etwa 50 Menschen auf der Mitte des Platzes zusammen, der vor allem im Sommer beliebter Treffpunkt von Familien mit Kindern, Skater*innen und Boulespieler*innen ist.

Wer genau hinsieht, erkennt Kopfhörer in den Ohren der versammelten Menschen. Am Rande steht eine Polizeistreife und beobachtet das Geschehen aus einiger Entfernung. Wie unsichtbar gesteuert, formieren sich die Menschen, tanzen, verkleiden sich, führen ungewöhnliche Gesten auf – der Silent Dance beginnt.

In der Alten Feuerwache sitzt Moderatorin Laura Volk, die den Silent Dance über das Freie Radio Bermudafunk koordiniert. Deshalb haben die Teilnehmer*innen Kopfhörer im Ohr.

„Mit dem Silent Dance soll gegen die Videoüberwachung protestiert werden. Seit einem halben Jahr werden die Menschen auf dem Alten Messplatz von der Polizei rund um die Uhr überwacht“, teilen die Veranstalter in ihrem Aufruf mit mit, ein Bündnis, das von den George Orwell Ultras initiiert wurde. „Wir wollen mit dem Silent Dance die intelligente Videoüberwachung herausfordern“, sagt Laura Volk.

Zahlreiche Kameras beobachten den Platz aus allen Perspektiven. Hinter den Monitoren sitzen Beamte und beobachten das Geschehen. In Zukunft soll das eine Software übernehmen, die automatisch auffälliges Verhalten erkennt. „Das schränkt uns nicht nur in unserer Freiheit ein, mit dem Geld hätte man viel sinnvolles finanzieren können, zum Beispiel im Bereich Bildung“, meint Hanna Böhm, Kandidatin der Linken. Neben der Linksjugend ist die Grüne Jugend im Bündnis vertreten, außerdem außerparlamentarische Gruppen, wie die Interventionistische Linke oder Akut +C.

Videobeitrag

Direktlink zu youtube: https://youtu.be/NL9uQJyS17U

(cki)

 

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Infostand zum Thema Videoüberwachung – „Gegen den Angriff des Postfaktischen“

Am Samstag war die Gruppe George Orwell Ultras mit einem Infostand am Paradelatz vertreten. Kunterbunte „Antispy-Masken“ und Flugblätter zum Thema Videoüberwachung wurden an die Passantinnen und Passanten verteilt. Seit einigen Wochen wird der Paradeplatz, ebenso wie der Alte Messplatz, von Videokameras gefilmt. Mitarbeiter*innen der Polizei beobachten im „Lagezentrum“ auf Monitoren das Geschehen auf den öffentlichen Plätzen. In Zukunft soll die Auswertung von einer Software erledigt werden.

Laut George Orwell Ultras war „ganz schön was los“ am Infostand. Das Thema Sicherheit und Überwachung polarisiert. Die Stadtgesellschaft ist in ihrer Meinung gespalten. Gerade das Thema Videoüberwachung wurde in den letzten Monaten stark diskutiert (KIM berichtete mehrfach).

Im Flugblatt der George Orwell Ultras , das bereits im KIM veröffentlicht wurde, ist ein umfangreicher Rückblick zu lesen, wie es zur (Wieder-)Einführung der Videoüberwachung in Mannheim kam und wie die Diskussion darum politisch einzuordnen ist. Der von Stadt und Polizei entwickelte und u.a. von CDU, SPD und ML befürwortete „Mannheimer Weg“ der Videoüberwachung ist nach Sicht der George Orwell Ultras Ausdruck eines zunehmend autoritären Gesellschaftsverständnisses. Objektive Bewertungen gerieten in den Hintergrund. Stattdessen bestimme das „subjektive Sicherheitsgefühl“ das handeln der Behörden – der staatliche „Angriff des Postfaktischen“.

Die Gruppe George Orwell Ultras hat in den vergangenen Wochen zahlreiche Aktionen durchgeführt, die sich kritisch mit dem Thema Videoüberwachung auseinandersetzten.

Kurz nach dem Start der Videoüberwachung am Paradeplatz wurde der gemeinsam von Stadt und Polizei betriebene Sicherheitscontainer auf dem Paradeplatz abgebaut. Dort waren tagsüber Mitarbeiter*innen von Polizei und Ordnungsamt ansprechbar. Die Arbeitskraft eines menschlichen Mitarbeiters wurde nun auch hier im Zuge der Digitalisierung durch technisches Gerät ersetzt. Immerhin: „Der Sicherheitscontainer und die dort verorteten Kräfte unseres Ordnungsdienstes und der Polizei haben das subjektive Sicherheitsempfinden der Besucherinnen und Besucher des Paradeplatzes deutlich verbessert“, konstatierte Erster Bürgermeister und Sicherheitsdezernent Christian Specht – und darauf scheint es wohl anzukommen.

(Text: cki | Bilder: George Orwell Ultras)

 

Siehe auch

Flugblatt der George Orwell Ultras „Der Angriff des Postfaktischen“

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