Die Kontrolle funktioniert: Stadt und Polizei sind zufrieden mit den ersten Monaten der Videoüberwachung
“Absolut zufrieden” ist Polizeipräsident Thomas Köber mit den ersten Monaten der Videoüberwachung am Alten Messplatz und am Paradeplatz und auch Sicherheitsdezernent Christian Specht spricht von einem vollen Erfolg. Rund vier Monate filmen die Kameras bereits die beiden öffentlichen Plätze, dazu kommt der Bahnhofsvorplatz, der schön länger videoüberwacht wird. Nun zogen die gemeinsamen Betreiber Stadt und Polizei eine erste Bilanz und präsentierten diese im Rahmen einer Pressekonferenz.
In den ersten Wochen sei alles nach Plan gelaufen. Nach Montage und Inbetriebnahme sei zum Start im November die Videoüberwachung problemlos angelaufen und habe sich bereits bewährt, erklärte Christian Specht. Von den technischen und praktischen Erfahrungen aus Sicht der Polizei berichtete Thomas Köber, der sich in den letzten Wochen seiner Dienstzeit vor dem Ruhestand befindet. Die Kameras lernten aktuell fleißig Objekte und Bewegungen zu erkennen. Fahrzeuge von Menschen zu unterscheiden klappe schon ganz gut, dennoch sei man bisher auf die Beobachtung durch echte Menschen angewiesen. Sechs Polizeibeamte verrichten zur Zeit im Wechsel im Lagezentrum der Polizei ihren Dienst an den Monitoren, um auffällige Geschehnisse zu erkennen.
163 Einsätze nach “auffälligen” Ereignissen
Dies funktioniere gut, berichtete Köber. 163 “Entdeckungen” habe es bisher gegeben, die zu Einsätzen geführt hätten. Das laufe so ab: Gibt es eine auffällige Beobachtung am Bildschirm, wird über Funk Kontakt zu einer Polizeistreife in der Nähe aufgenommen, die dann vor Ort das Geschehen überprüft und gegebenenfalls einschreitet. Specht berichtete stolz, dass eine durchschnittliche Eingriffszeit von 2:30 min. errechnet wurde. Das ist der Zeitraum zwischen Entdeckung am Monitor und Eintreffen der Polizist*innen vor Ort.
Bei den 163 “Entdeckungen” sei alles mögliche dabei gewesen. Von “herrenlosen Koffern”, über scheinbar verwirrte Personen, Suche nach vermissten Kindern, mutmaßliche Ordnungswidrigkeiten bis zu Straftaten aller Art. Bei letzteren machen in der Polizeistatisktik Körperverletzungsdelikte (28) und Diebstähle (17) die größten Teile aus. Aber auch unerwartete Delikte, wie Betrug und Hausfriedensbruch tauchten dort auf. Auf die Frage, wie genau in solchen Fällen “Entdeckungen” ablaufen, gab es leider keine klare Antwort. Statt der konkreten Schilderung eines Beispiels wurde nur sehr allgemein erklärt, einen Hinweis auf einen Fahrradkorbdiebstahl könne man beispielsweise daran erkennen, dass jemand schnell von einem Fahrrad weg renne. Ermittlungsverfahren wurden aus den “Entdeckungen” vermeintlicher Straftaten übrigens eher wenige. Es gab demnach also des öfteren falschen Alarm.
Zur Zeit filmen 45 Kameras die öffentlichen Orte in der Stadt. Bis zum Sommer sollen es 68 werden, auch an weiteren Standorten in der Breiten Straße. Ob und wann der Plankenkopf dazu käme, sei bisher offen. Im Sommer sollen dann “die Maschinen übernehmen”, was bedeutet, dass die bisher von Menschen durchgeführte Überwachung durch lernfähige Software erledigt wird, die dann bei automatisch erkannten “auffälligem Verhalten” selbstständig Alarm schlägt.
Ob die Sicherheitsbehörden Wünsche hätten? Christian Specht fordert Rechtssicherheit für den Weiterbetrieb, auch wenn der Alte Messplatz statistisch gesehen kein “Kriminalitätsschwerpunkt” mehr wäre und somit die Grundlage zur Überwachung fehle.
Videokameras bei Demonstrationen und Veranstaltungen
Auf Nachfrage erklärte der Leiter des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung Klaus Eberle, dass es verboten sei, öffentliche Versammlungen, die vom Versammlungsgesetz geschützt sind, mit Kameras zu überwachen. Das betrifft politische Demonstrationen und Kungebungen. Daher würden die Kameras für den Zeitraum abgeschaltet, in dem es zu solchen Ereignissen in den entsprechenden Bereichen käme. Anders verhält es sich mit Infoständen, Volksfesten und privaten Veranstaltungen, die rechtlich anders zu bewerten seien. “Der Märchenwald am Paradeplatz wird überwacht. Das wollen die Leute ja auch.” erklärte Eberle. Auf die Frage, wie Veranstalter*innen darüber aufgeklärt würden, gab es keine Antwort.
Kritik hat es schwer
Die Zeit der großen Kritik an der Videoüberwachung scheint vorbei zu sein. Was soll nun auch noch weiter kritisiert werden? Alle Argumente sind ausgetauscht. Gegen alle Einwände und Widerstände wurde das Projekt durchgeboxt.
Diejenigen, die grundsätzliche Probleme mit der Videoüberwachung haben und den autoritären Überwachungsstaat prinzipiell ablehnen, lassen sich auch von polizeilichen Erfolgsmeldungen nicht beeindrucken. Darum geht es nicht.
Polizeipräsident Köber schließt mit dem Großprojekt seine berufliche Laufbahn ab und nutzte zuletzt jede Gelegenheit der öffentlichen Präsentation. Immer wieder betonte er das große Interesse anderer Städte am “Mannheimer Modell”. Heidelberg werde schon bald folgen. Er hat mit seinem Partner Christian Specht einen neuen Standard gesetzt, die maschinelle Überwachung der Bürger*innen im öffentlichen Raum – ein Szenario, das noch vor wenigen Jahrzehnten bis weit in bürgerliche Kreise als finstere Zukunftvision autoritärer Staatsvorstellungen verachtet worden wäre. Nun ist ein weiteres Stück Demokratieabbau zu Gunsten vermeintlicher Sicherheit und staatlicher Ordnung abgeschlossen. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen. In welche Richtung auch immer sich die Gesellschaft und der Staat entwickeln werden, die Kontrolle seiner Bürger*innen ist 2018 ein großes Stück voran gekommen. Das wird denen nutzen, die in der Zukunft die Mächtigen sind – wer auch immer das sein wird.
(cki)
KIM berichtete mehrfach zur Videoüberwachung
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