BUGA-Klage: verloren und doch gewonnen
Steven Kunz – Am 21. Dezember 2015 konnte man in der Rhein-Neckar-Zeitung und dem Mannheimer Morgen (MM) lesen, dass die von zwei Einzelpersonen, mit Unterstützung der „Bürgerinitiative“ „Mannheim 23 – keine BUGA 2023“, beim Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) eingereichte Klage gescheitert ist. Schon die sogenannte formelle Prüfung des VG hat ergeben, dass die Klage unzulässig ist.
Einen Bürgerentscheid könne man nicht anfechten, so das VG, da er wie ein Gemeinderatsbeschluss zu werten sei und daher mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt (VA) ist. Aber nur ein VA ist als nichtig oder fehlerhaft anfechtbar. Zuständig für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bürgerentscheids wäre das Regierungspräsidium in Karlsruhe als Aufsichtsbehörde gewesen.
Dem Rechtsanwalt, der die Kläger vertreten hat, müssten eigentlich die Ohren klingeln, wegen der Backpfeifen die ihm das VG sinnbildlich versetzt hat. Ihm wurde im Prinzip völlige Ahnungslosigkeit im Verwaltungsrecht attestiert.
Die Kläger hatten als Begründung für ihr Vorgehen im Wesentlichen angeführt, dass EU-Ausländer und 16- und 17-jährige an dem Entscheid teilnehmen durften, dass die Fragestellung unsachlich und tendenziös gewesen sei und dass in den Wahllokalen die amtliche Broschüre ausgelegen habe, die die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger bereits mit den Abstimmungsunterlagen zugesandt bekommen hatten.
Es wäre wirklich wünschenswert, wenn die Kläger nun beim Regierungspräsidium gegen den Bürgerentscheid vorgehen würden, damit auch materiellrechtlich die ganze Absurdität ihrer Vorwürfe und Behauptungen zu Tage treten würde.
Aber das erscheint unwahrscheinlich. Wie dem MM zu entnehmen war, sehen die Kläger ihr Ziel weitestgehend damit erreicht, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit keine BUGA geben wird, wie sie eigentlich gemäß Gemeinderatsbeschluss und Bürgerentscheid hätte stattfinden sollen.
Und damit sind wir beim eigentlichen Problem, nämlich dem, wie wir zukünftig mit demokratisch zustande gekommenen Entscheidungen umgehen.
Eines der Hauptargumente der BUGA-Gegner und der Kläger war ja, dass sich die Verwaltung und Teile des Gemeinderats nicht „neutral“ bei der Abstimmung verhalten hätten. Natürlich haben sich OB Kurz und die Verwaltung nicht neutral verhalten. Das konnten sie gar nicht. Es gab nämlich einen mit Dreiviertelmehrheit zustande gekommenen Gemeinderatsbeschluss, dass Mannheim eine BUGA 2023 durchführen soll. Die Verwaltung hatte also die Aufgabe, diesen Beschluss umzusetzen und in der Öffentlichkeit dafür einzustehen. Deshalb ist das Gejammer über die mangelnde Neutralität der Verwaltung nur ein weiterer Beleg für die groteske Wahrnehmung politischer Entscheidungsprozesse durch die BUGA-Gegner. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass die Gemeinderatsmehrheit sich zum Zeitpunkt ihres Zustandekommens auf eine ebenso breite Mehrheit in der Bevölkerung stützen konnte. Sogar die ML, die heute so tut, als sei sie von Anfang an gegen die BUGA gewesen, hatte im November 2011 einen vor Begeisterung sprühenden Antrag im Gemeinderat gestellt, eine BUGA auf Spinelli und der Au durchzuführen.
Es ist zwar richtig, dass die Mehrheitsentscheidung zur BUGA letztendlich knapp war. Aber waren die BUGA-Gegner tatsächlich bei Würdigung aller Umstände propagandistisch stark benachteiligt? Man tritt z. B. dem MM sicherlich nicht zu nahe, wenn man behauptet, dass dessen Berichterstattung durch die maßgeblichen Redakteure Martin Tangl und Thorsten Langscheid den BUGA-Gegnern sehr gewogen war und bis heute ist (siehe etwa die Berichterstattung zur Mitgliederbefragung der CDU und zur Gemeinderatsentscheidung Aubuckelstraße). Diese Berichterstattung hat mit Sicherheit ganz wesentlich zum hohen Stimmenanteil der BUGA-Gegner beigetragen.
Seit dem Bürgerentscheid vom September 2013 läuft ein einzigartiger Propagandafeldzug der BUGA-Gegner mittels Leserbriefen und Artikeln im MM, mit Internetkampagnen und allerlei Verschwörungstheorien und Falschbehauptungen. Zum Repertoire gehört es beispielsweise zu behaupten, man könne mit 15 bis 20 Millionen Euro in der gleichen Zeit und in der gleichen Qualität einen Grünzug Nordost entwickeln, wie mit 100 Millionen Investitionskosten (davon 40 Millionen Euro als Zuschuss) für die BUGA. Der „Erfolg“ hat sich eingestellt. Zahlreiche Mitglieder des Gemeinderats, vor allem aus der CDU, fühlen sich seit geraumer Zeit nicht mehr an die Mehrheitsentscheidung des Bürgerentscheids und selbst an ihre eigenen Entscheidungen im Gemeinderat gebunden. Populismus ersetzt Mehrheiten. Die Demokratie wird so lange verbogen, bis sie der Minderheit passt. Übrigens auch mit tätiger Mithilfe der Gemeinderatsfraktion der Grünen. Die – weil ihre Maximalforderung des kompletten Entfalls der Aubuckelstraße nicht erfüllt werden kann – lieber riskiert, dass in Sachen Grünzug alles dem Dornröschenschlaf anheim fällt, der Bürgerentscheid ausgehebelt und damit eine einmalige ökologische Chance verpasst wird.
Der Duktus des Prozesses ist demnach klar: Demokratie ist nur das, was bestimmte Kreise dafür halten. In den zahlreichen Leserbriefen im MM konnte man das nachlesen. Von Manipulation durch die Verwaltung und den OB wurde fabuliert. Und immer wieder war in ihnen davon die Rede, dass die Mehrheit für die BUGA nur durch „die Migranten“ zustande kam, oder auch, dass es ja unmöglich sei, dass die innerstädtischen Bezirke zu bestimmen hätten, was vor der Haustür der Feudenheimer und Käfertäler zu geschehen habe. Nicht immer wörtlich war das zu lesen, aber unverkennbar im Kontext. Diesem blanken Chauvinismus reden nicht nur noch zahlreiche Stadträtinnen und Stadträte das Wort und befördern ihn damit kräftig, sondern sie geben auch klar zu verstehen, dass ihnen offensichtlich alles egal wird, sobald sie etwas unter Druck geraten.
Alles Übertreibung? Wohl kaum, wenn BUGA-Gegner sogar gegen die Wahlberechtigung von EU-Ausländern gerichtlich zu Felde ziehen, obwohl Bürgerentscheide auf Grundlage des Kommunalwahlrechts abgehalten werden und bei Kommunalwahlen EU-Ausländer schon lange das aktive und passive Wahlrecht haben. Wie windelweich muss man als Gemeinderatsmitglied eigentlich sein, um zu so einem widerlichen Vorgehen nicht nur nichts zu sagen, sondern im Gegenteil, auch noch politisch davor zu kuschen? Ganz nebenbei sei noch darauf hingewiesen, dass der Gemeinderat selbst beschlossen hatte, den Bürgerentscheid abzuhalten. Die BUGA-Gegner mussten also noch nicht einmal aufwändig Unterschriften sammeln, um ihn überhaupt durchsetzen zu können.
Wir merken also an: Man kann in Mannheim bei Wahlen, Abstimmungen und vor Gericht verlieren. Aber durch jahrelange Impertinenz ist es trotzdem möglich, als meinungsstarke Minderheit aus mehreren Niederlagen einen Sieg zu kreieren.