Großes Lob für den Brandmauer-Specht OB Specht seitens der AfD-Fraktion – Offener Protestbrief an den Gemeinderat

Der OB-Wahlkampfspecht an der (Brand)-Mauer. Montage: KIM

Amtsblatt der Stadt Mannheim, 13. März 25: In dem Fraktionsbeitrag der AfD wird  der Coup von OB Christian Specht im Zusammenhang mit der Wahl des Migrationsbeirats in den höchsten Tönen gelobt: „Sternstunde der Demokratie im Mannheimer Gemeinderat.

Mit größter Selbstverständlichkeit stellt Stadtrat Rüdiger Ernst fest: „In der vergangenen Woche wurde die Vorsitzende des Migrationsbeirats mit den Stimmen der AfD-Fraktion abgewählt. Die Mehrheit der Stadträte war von der Arbeit der abgewählten Vorsitzenden in der vergangenen Legislaturperiode offensichtlich nicht überzeugt und brachte dies in der Wahl zum Ausdruck.“

Der Spezialist für Demokratiefeindlichkeit hat mehrfachen Grund zur Begeisterung.

  1. In dieser Abstimmung ging es nicht darum, ob man es hinnimmt, dass die AfD halt auch mit der Mehrheit stimmt, sondern darum, dass diese Mehrheit nur durch die AfD zustande kam. Ein undemokratischer Akt, wie ihn die AfD zuvor wie auch die gesamte rechte Seite des Gemeinderats dem OB gegenüber gefordert hatte („Mich hatten mehrere Gemeinderäte angesprochen…“; OB Specht) wurde von Specht auf die Tagesordnung gesetzt, obwohl er wusste, dass das nur zusammen mit der AfD geht. Eine veritable Durchlöcherung der „Brandmauer“, à la Friedrich Merz.
  2. Während Specht noch versucht, Verwirrung zu stiften als Voraussetzung für seinen Durchmarsch, indem er behauptet: Das haben wir immer so gemacht, nur en bloc statt in Einzelwahl, geht Ernst in die Vollen: Er nennt die Berufungskommission schlicht Auswahlkommission, die Kandidaten für den Migrationsausschuss dem Gemeinderat vorschlägt . Dass dieses Verfahren in einem „linksgrünen“ Protestschreiben (s. unten) kritisiert wird, und dass dem Gemeinderat „indirekt undemokratisches Verhalten“ vorgeworfen wird, findet er absurd: „Es sind einzig und allein die demokratisch und direkt von der Bevölkerung gewählten Stadträte, die am Ende die Entscheidung treffen, wer in dem Migrationsbeirat sitzen darf und nicht irgendeine Auswahlkommission, die überhaupt nicht von den Mannheimer Bürgern gewählt worden ist.“
  3. Er sieht sich also durch den OB und die rechten Parteien voll in der Grundauffassung seiner Partei bestätigt, dass die Menschen mit Migrationserfahrung eigentlich gar nicht zu den „Mannheimer Bürgern“ gehören: „Davon abgesehen finden wir von der AfD-Fraktion die Zusammensetzung der Berufungskommission als sehr fragwürdig und überhaupt nicht repräsentativ für die Stadtgesellschaft.“ Damit ist klipp und klar: Es braucht keinen Migrationsbeirat. Denn für die Repräsentation der Stadtgesellschaft gibt es ja den Gemeinderat. Und was ist mit den Zehntausenden, die kein kommunales Wahlrecht haben?
    Die AfD findet alle Gedanken an eine Interessenvertretung für Menschen mit besonderen Erfahrungen und Interessen absurd. Dass die Bäcker eine Bäckerinnung haben – o.K! Dass Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen in einer AG Barrierefreiheit dafür sorgen, dass ihre Anliegen und Bedürfnisse im Verwaltungshandeln berücksichtig werden – das wäre nach AfD-Logik schon viel zu viel. Denn hat den Vorstand dieser AG die Mannheimer Stadtgesellschaft direkt gewählt? Müsste  dann den Vorstand nicht  der Gemeinderat wählen? Die Idee einer Bürger*innenbeteiligung, worum es hier grundsätzlich geht, ist den Spezialisten für Demokratiefeindlichkeit ein Absurdum, welches sie niemals positiv in den Mund nehmen würden.

Wollen sich diese AfD-Logik die rechten Friktionen jenseits der AfD tatsächlich und grundsätzlich zu eigen machen? Dann sollten sie nochmals ihre Position zum Zustandekommen eines Migrationsbeirats überdenken, der diesen Namen auch verdient.

Drolliges am Rande: Ernst findet es besonders kritisierenswürdig, dass in der Berufungskommission „auch zwei Vertreter der DITIP, also der türkischen Erdogan-hörigen Religionsbehörde“ sitzen. Erdogan, Putin, Orban, Trump – sind das nicht Leuchtfiguren echter autokraticher Führerschaft? Hier geht der AfD noch der völkische Gaul durch, der alles „Türkische“ verabscheut. Scheinbar wurde Frau Weidel plus Anhang noch nicht nach Ankara zu einem „Demokratie“-kurs mit Wellness-Wochenende eingeladen.

Thomas Trüper

 

Offener Brief an den Mannheimer Gemeinderat

Wir sind zutiefst irritiert und erschüttert über die Tatsache, dass und wie Zahra Alibabanezhad Salem und Khalil Khalil als Migrationsbeirät*in durch den Mannheimer Gemeinderat „abgewählt“ wurden. Zahra Alibabanezhad Salem stach als Vorsitzende hervor durch kluge, kritische Gedanken, Fragen und Anregungen, die auf profundem Wissen basierten. Khalil Khalil hat sich jahrelang im Migrationsbeirat verdient gemacht. Ihr unermüdliches Engagement und ihre kritischen Stimmen werden fehlen. Der Vorgang dieser Abwahl ist für uns nicht nachvollziehbar. Wie kann es sein, dass eine Berufungskommission, bei der das Berufungsrecht seit 2009 liegt, ausgehebelt wurde?

Soweit wir wissen, wurde diese gravierende Änderung des Berufungsverfahrens weder vom Gemeinderat beschlossen noch durch eine Verwaltungsvorlage legitimiert, sondern von Oberbürgermeister Christian Specht in Gang gesetzt. Wir verstehen nicht, warum die Gemeinderät*innen diese plötzliche Verfahrensänderung offenbar widerstandslos hingenommen haben.

Die Berufungskommission setzt sich zu zwei Dritteln aus Menschen mit Migrationsgeschichte und zu einem Drittel aus Gemeinderät*innen zusammen. Die Mitbestimmung des Gemeinderats in der Berufungskommission ist also gewährleistet.

Die (geheime) Abstimmung im Gemeinderat über bereits berufene einzelne Mitglieder des Migrationsbeirats ist de facto eine Diskreditierung der Berufungskommission. Mehr noch: Es war ein Akt, der die Mitbestimmung von Menschen mit Migrationsgeschichte in unserer Stadt nicht ernst nimmt. Der Migrationsbeirat ist damit seiner Funktion, sich frei und unabhängig für die Belange migrantischer Mitbürger*innen einzusetzen, beraubt – da die Mitglieder gegebenenfalls um ihre Wiederwahl fürchten müssen. Der Eindruck, dass dies politisch gewollt ist, lässt sich schwer vermeiden. Denn mit der „Abwahl“ von Zarah Alibabanezhad Salem und Khalil Khalil sind zwei engagierte, kompetente „Streiter*innen“ mundtot gemacht worden.

Wir fordern den Gemeinderat auf, das Berufungsverfahren gemäß V488/2009 zu respektieren! Wir fordern alle demokratischen Kräfte im Gemeinderat auf, in stärkerem Maße als bisher zusammenzuarbeiten, um solchem „Versagen“ geschlossen entgegentreten zu können! Ein mutiges, engagiertes und vor allem gemeinsames Eintreten für Demokratie und Meinungsfreiheit ist in der gegenwärtigen Zeit unerlässlich!

Die Unterzeichner*innen:

Aktionsbündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise!“| Antidiskriminierungsbüro Mannheim e.V. |  Arbeitskreis Kolonialgeschichte Mannheim |  Asylcafé Mannheim  | FrauenLebenFreiheit Rhein-Neckar  | KulturQuer QuerKultur Rhein-Neckar e.V. |  Mannheimer Frauenhaus e.V. |  Mannheimer Institut für Integration und Interreligiöse Arbeit e.V. |  Mannheim sagt Ja! e.V. |  MediNetz Rhein-Neckar e.V. |  Omas gegen Rechts Mannheim u. Rhein-Neckar  |  Peer23 e.V. |  PLUS Psychologische Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar e.V. |  POW e.V. |  Save me Mannheim | Seebrücke Mannheim |  Stadtjugendring Mannheim e.V. |  Start with a Friend e.V.

 

Mannheim, im Februar 2025