Bombardier verkauft Bahnsparte an Alstom – Stellungnahmen von IG Metall und Betriebsrat

Bombardier in tiefer Finanzkrise

Verkauf der Eisenbahnsparte an Alstom – Anteile am Jet A220 an Airbus

Der kanadische Bombardier-Konzern hat zwei große Sparten: Der Flugzeugbau und der Bau von Schienenfahrzeugen. Beide Sparten sind in finanzieller Hinsicht seit mehreren Jahren im tiefroten Bereich. Die Abwicklung der Aufträge ist zum Teil mit mehreren Jahren im Verzug. Die Qualitätsmängel der Produkte sind von der Geschäftsleitung nicht in den Griff zu kriegen. Ohne Finanzspritzen im mehrfachen Milliardenbereich durch den kanadischen Staat hätte Bombardier wohl längst Insolvenz anmelden müssen. Intern ist es kein großes Geheimnis, dass Bombardier nicht einmal das Geld für eine radikale „Lösung“, zu dem Unternehmen gerne greifen, hat. Für Werksschließzungen und Massenentlassungen hat nämlich schlicht das Geld für Sozialpläne und damit verbundenen Restrukturierungskosten gefehlt.

Verkauf der Anteilen am Jet A220 an Airbus

Nun hat die Konzernleitung offensichtlich die Flucht nach Vorne angetreten. Einerseits soll die gesamte Eisenbahnsparte mit seinen weltweit rund 35.000 Beschäftigten verkauft, anderseits soll auch aus dem letzten großen Flugzeugprogramm ausgestiegen werden, um überhaupt wieder an liquide Geld-Mittel zu kommen.

Warnstreik bei Bombardier Mannheim am 15.01.2018 (Bild: Helmut Roos)

Der europäische Airbus-Konzern und die kanadische Provinz Québec übernehmen Bombardiers verbliebenen Anteil an den Gemeinschaftsunternehmen für den Kurz- und Mittelstreckenjet A220. Das Flugzeug vom Typ A220 war ursprünglich als Bombardier C-Serie entwickelt worden. Nachdem Bombardier in finanzielle Schieflage geraten war, übernahm Airbus die Mehrheit der Anteile an dem Flugzeugprogramm und vermarktet das Modell seither unter dem Namen A220. Es ist der bisher kleinste Flugzeugtyp in der Airbus-Modellpalette. Bombardier hielt zuletzt noch rund ein Drittel der Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen, der Rest gehört einem kanadischen Staatsfonds. Airbus will offenbar die Produktion des Flugzeugtyps deutlich nach oben fahren. Aber nun in eigener Regie, denn Bombardier fehlte das Geld für notwendige Investitionen. Airbus zahlt Bombardier für den Kauf rund 543 Millionen Euro. Bombardiers Ausflug in die Spähren von Airbus und Boeing ist hiermit Geschichte. Man wird sich wieder auf Kurzstrecken- und kleinere Mittelstreckenflugzeuge beschränken.

Verkauf der Eisenbahnsparte am Alstom

Noch viel einschneidender allerdings ist der nun angekündigte Verkauf der Eisenbahnsparte, ist das doch die Hälfte des gesamten Konzerns. Wirklich überraschen kommt dieser Schritt nicht , sind doch in den letzten Jahren immer wieder Gerüchte gehandelt worden über Fusionen bzw. Verkäufe mit der Eisenbahnsparte von Konzernen wie Siemens, Alstom oder auch dem chinesischen Eisenbahn-Primus CRRC.

Allerdings wird damit gerechnet, dass die Abwicklung des geplanten Verkaufs sich bis in nächste Jahr hinziehen könnte. Die europäische Kartellbehörde und das Bundeskartellamt werden sich auch damit auseinandersetzen, Auflage sind nicht ausgeschlossen. Man wird also sehen müssen, ob sich der Verkauf auch wirklich realisiert.

Gegenwehr der IG Metall und der Beschäftigten

Die Ängste der Belegschaften sind natürlich groß. Da sich die Geschäftsfelder von Alstom und Bombardier stark überschneiden, werden Zusammenlegen von Geschäftsfeldern, sog. Synergieeffekte verbunden mit massivem Belegschaftsabbau befürchtet.

Ein wesentliches Standbein von Bombardier sind die neun Werke in Deutschland mit ca. 6.500 Beschäftigten, davon allein 1.000 Beschäftigte im Werk in Mannheim-Käfertal. Das deutsche Werk von Alstom ist in Salzgitter und hat 2.600 Beschäftigte.

Zur Zeit finden in allen Werken Betriebs- und Protestversammlungen statt. Um einen Eindruck der Aktivitäten zu bekommen, dokumentieren wir nachfolgend zwei Dokumente: Einen Offenen Brief IG Metall und der Betriebsratsvorsitzenden der neun Werke von Bombardier und von dem Betriebsratsvorsitzenden von Alstom Salzgitter.

Außerdem dokumentieren wir ein „BR-Extra“ des Mannheimer Betriebsrats.


Offener Brief der IG Metall und der Betriebsratsvorsitzenden von Bombardier und Alstom an die Bundesregierung vom 21. Februar 2020

Sehr geehrter Herr Minister Altmaier,

sehr geehrter Herr Minister Scheuer,

sehr geehrter Herr Minister Dr. Braun,

sehr geehrter Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ferlemann,

mit der Ankündigung von Alstom am 17. Februar 2020, die gesamte Zugsparte von Bombardier kaufen zu wollen, ist ein neuer Anlauf für ein multinationales Unternehmen im Schienenfahrzeugsektor initiiert. Parallelen zur 2018 geplanten und 2019 kartellrechtlich gescheiterten Fusion von Siemens und Alstom liegen auf der Hand.

Einerseits kann die Ankündigung Alstoms als neuer Versuch gewertet werden, die sich im Umbruch befindende europäische Bahnindustrie wettbewerbsfähiger vor allem gegenüber den expansiven Unternehmen aus Asien aufzustellen. Andererseits könnte sich eine Übernahme stark negativ auf die Beschäftigten und Standorte von Bombardier und Alstom in Deutschland auswirken.

Im Zuge des geplanten Zusammenschlusses von Siemens und Alstom setzte die französische Regierung mit den französischen Arbeitnehmervertretern klare Regelungen zur Sicherung der Arbeitsplätze und Standorte durch. Es kann davon ausgegangen werden, dass die französische Regierung auch heute so handelt. Wir, Betriebsräte und IG Metall, werden nicht hinnehmen, dass eine Übernahme zu Lasten deutscher Standorte und Arbeitsplätze beider Unternehmen geht. Wir erwarten ein ebenso durchsetzungsstarkes Engagement und Handeln der politisch Verantwortlichen in Deutschland.

Klimaschutz und Mobilitätswende brauchen eine Bahnindustrie, die in Deutschland stark ist und bleibt! Die Umsetzung der politischen Ziele darf nicht durch einen Kahlschlag in der deutschen Bahnindustrie gefährdet werden. Im Gegenteil muss es darum gehen, die Betriebe und Standorte als wichtige Schlüsselindustrie zu erhalten und weiter zu entwickeln. Dafür muss die Bundesregierung auch ihren Einfluss auf den Großkunden der Branche, das Staatsunternehmen Deutsche Bahn, ausüben.

Betriebsräte und IG Metall unterstreichen eindringlich die Verantwortung der deutschen Politik für aktuell rund 10.000 direkte Industriearbeitsplätze bei Bombardier und Alstom sowie die nicht bezifferbaren Auswirkungen auf die Zulieferindustrie.

Wir erwarten ein schnelles politisches Handeln, um die Standorte von Bombardier und Alstom Deutschland zu erhalten und die Arbeitsplätze unserer Kolleginnen und Kollegen langfristig zu sichern.

Wir erwarten, dass sich die Bundesregierung zu den Beschäftigten von Alstom Deutschland und Bombardier Deutschland bekennt und uns einen Ansprechpartner nennt, mit dem wir Betriebsräte und IG Metall-Verantwortliche uns zeitnah über die aktuelle Situation, Szenarien, nächste Schritte und konkrete Aktionen austauschen können. Zur Abstimmung steht Ihnen das Büro von Jürgen Kerner, IG Metall Vorstand, zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Kerner, Hauptkassierer u. geschäftsführendes Vorstandsmitglied IG Metall,

und namentlich die Betriebsratsvorsitzenden der Werke von Bombardier und Alstom in Deutschland und die zuständigen regionalen IG-Metall-Verantwortlichen


BR-EXTRA 20.02.2020

Information des Betriebsrats für die Beschäftigten von Bombardier Mannheim

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist doch nur eine Unterschrift. So die Verlautbarung von Arbeitgeberseite, gefolgt von der klaren Botschaft: “Wir sind weiter Bombardier und haben klare Ziele!“

Bombardier sind wir noch, ohne Frage, aber wie?

Geht man heute durch den Standort, so blickt uns an vielen Stellen die nackte Not entgegen. Umstrukturierungen und Verlagerungen ziehen eine Spur des Halbfertigen quer durch viele Geschäftsbereiche. Der Weggang oder die Kündigung vieler Kolleginnen und Kollegen, die Preisgabe oder Verlagerung vieler Mandate und wichtiger Entwicklungsaufgaben. Alles begonnen, nichts richtig zu Ende gebracht. Gegen Gesetze und Verträge verstoßen, den Betriebsrat hintergangen. Auch das ist eine Handschrift von Bombardier!

Wird es diese Unterschrift unter eine Absichtserklärung jetzt richten?

Warnstreik gegen drohende Entlassungen bei Bombardier Mannheim  am  9.04.2013

Man müsste für die vor uns liegenden 10-15 Monate eine Einsicht der handelnden Akteure erkennen. Ein Bekenntnis, dass man falsche Entscheidungen getroffen hat. Hat man das? Liest man die vorverfassten Abschiedsreden von Bellemare und seinen Kumpanen kommt dort keinerlei Reue auf. Man ist auf dem richtigen Weg, endlich tilgt man die aufgehäuften Schulden, man habe den Turnaround geschafft und präsentiert sich auch entsprechend stolz. Man bedankt sich brav bei den Kolleginnen und Kollegen und schaut jetzt schon stolz auf die Impulse, die Bombardier auf seinem selbstzerstörerischen Weg gesetzt hat. Daß man dabei nicht nur die eigenen Mitarbeiter ausgepresst, sondern auch Lieferanten an den Rand der Insolvenz und darüber hinaus getrieben hat, wird hier nicht erwähnt!

Ja, wir hätten Aufgaben. Man hat uns für den Standort Mannheim vieles versprochen: eine Product-Engine für LOC, Reparaturcenter für Stromrichter aller Leistungsklassen (Customer Care Center), Konsolidierung und Festschreibung umfangreicher Entwicklungsaufgaben im Bereich Leittechnik/Visualisierung, usw. Selbst die Betreuung von Bestandskunden, beispielsweise mit Softwareupdates, erfolgt nicht mehr von Mannheim aus.

Über all diese Dinge werden wir eventuell auch Öffentlichkeit herstellen müssen, um diese wieder einzufordern. Das ist und bleibt eine unserer Aufgaben als Betriebsrat.

Mit der IG Metall zusammen sind wir immer noch dabei, Anschlußverhandlungen zur Fortführung der GBV95 in die Wege zu leiten. Die Sicherung der Standorte und der Arbeitsplätze auch politisch im „Automobilland“ Deutschland zu verankern und sicherzustellen, ist nur eines der vor uns liegenden Ziele.

Denn wir beenden, was wir angefangen haben.

Erst-Infos kamen wieder nur aus der Presse

Was auch der Betriebsrat (BR) so alles zunächst nur aus der Presse erfahren hat, war deutlich mehr, als man erwarten würde. Denn in Deutschland ist der Arbeitgeber gemäß Betriebsverfassungsgesetz verpflichtet, vor Umsetzung betrieblicher Maßnahmen mit den Betriebsräten zu sprechen. Das ist wichtig, damit wesentliche Interessen der Beschäftigten fristgerecht und sinnvoll gewahrt werden können.

Aber: Die aktuellen, groß angelegten Maßnahmen wurden aus Kanada heraus angebahnt, offenbar ohne den Bereich Bombardier Transportation Deutschland, insbesondere die deutsche Geschäftsführung, einzubinden oder zu unterrichten. Natürlich kann man auf diese Art schnell Fakten schaffen. Aber kooperativ oder „vertrauensvoll“ kann man das leider gar nicht nennen.

Was die oberste Unternehmensleitung in Kanada also bereits verspielt hat, ist ein gewisser Vertrauensvorschuss, der für einen seichten Übergang nötig wäre, wo also eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu einer zügigen Einigung führen könnte. Wir, der BR Mannheim, werden zusammen mit dem Gesamtbetriebsrat und mit der Gewerkschaft IG Metall jeden Vorschlag und jede Aktion des Arbeitgebers detailliert von allen Seiten prüfen. Das braucht mehr Zeit, als standardmäßig nötig. Denn Vertrauen ist hier – wieder – unangebracht.

Aber nun zur Presse. Nebenstehend findet ihr einige Passagen aus den vergangenen Tagen:

Mannheimer Morgen, 18.02.2020:

Vorausgesetzt, die Kartellbehörden stimmen zu, soll die Übernahme im ersten Halbjahr 2021 abgeschlossen sein.“

Die gegenwärtige Situation schafft erneut eine hohe Verunsicherung der Beschäftigten, die schnellstmöglich beendet werden muss.“

Frankfurter Allgemeine / FAZ, 17.02.2020:

Im globalen Vergleich sind die Unternehmen mit rund 35.000 Mitarbeitern etwa gleich groß, doch in Deutschland müssten die 2.600 Alstom Beschäftigten mit den 6.500 Mitarbeitern von Bombardier integriert werden.“

Als Vorstandvorsitzender ist der französische Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge vorgesehen, der [vor 2 Jahren] auch das Gespann von Siemens und Alstom führen sollte.“

Handelsblatt, 12.02.2020:

Ob die Übernahme Bombardiers durch Alstom vor der EU-Wettbewerbskommission Bestand haben wird, ist dabei fraglich. Die beiden Unternehmen zählen zu den führenden Anbietern von Regional- und Nahverkehrszügen in Europa. Bei den Hochgeschwindigkeitszügen könnte es jetzt allerdings einfacher sein.“

Alstom wie Bombardier litten lange Zeit an Überkapazitäten. Die Franzosen haben zu viele Werke in ihrem Heimatland, Bombardier vor allem in Deutschland. Erst zwei Jahre ist es her, dass nur politischer Druck das Unternehmen [Bombardier] davon abhalten konnte, eines seiner beiden Werke in Sachsen zu schließen.“

Handelsblatt, 24.01.2020:

Die Gespräche mit der französischen Alstom hätten im Juli begonnen und seien im September vertieft worden. Auch auf Hitachi seien die Kanadier im vergangenen Jahr zugegangen. […] Bombardier braucht Geld, und die Zug-Sparte mit Sitz in Berlin gilt als werthaltigster Teil des Konzerns.“


(Bericht: Roland Schuster)