Energiewende in Mannheim – wie weiter mit dem Großkraftwerk?
Wie geht es weiter mit dem Großkraftwerk Mannheim?
Strittig: Zeitpunkt des Ausstiegs aus der Steinkohle-Verstromung – 2030 oder 2033?
Strittig: Welche Technologie folgt nach dem Ausstieg aus der Steinkohle? Erdgas-Kraftwerke als Übergangstechnologie der Einstieg in 100% erneuerbare Energie?
Offen: Art und Umfang und Art der zu erhaltenden Arbeitsplätze
Offen: Erhalt der Fernwärme
Die Auseinandersetzung über die weitere Ausrichtung des Großkraftwerks Mannheim konzentriert sich vor allem auf diese vier Punkte.
1) Der Zeitpunkt des Ausstiegs aus der Kohleverstromung
Die Bundesregierung hat mit dem Kohleausstiegsgesetz den Termin für den spätest möglichen Ausstieg beschlossen. Dass ausgerechnet die noch problematischere Braunkohle-Verstromung mit dem Ausstieg bis 2038 länger als die Steinkohle am Netz bleiben darf, ist eine politische Entscheidung und wird zu recht vielfach kritisiert. Die Nutzung der Steinkohle ist hiernach bis 2033 möglich. Bisher geht das Großkraftwerk Mannheim und das Mannheimer Energieunternehmen MVV Energie AG , das mit 28% einer der Großaktionäre des GKM ist, nun von diesem Ausstiegszeitpunkt 2033 aus. Ebenso auch die Stadt Mannheim, die Mehrheitsaktionär der MVV ist, und die überwiegende Mehrheit der im Gemeinderat vertretenen Parteien.
Ein Teil der politischen Bewegung fordert ein früheres Ausstiegsszenario bis 2030. Hierzu zählen die Umweltverbände wie BUND und Greenpeace und die in letzter Zeit stark an Bedeutung zugenommene Bewegung „Fridays for Future“ Mannheim und die umweltpolitische Initiative „Mannheim Kohlefrei“. Von den Fraktionen im Mannheimer Gemeinderat fordert dies ebenfalls die LI.PAR.TIE, die Fraktion aus LINKE, Die Partei und Tierschutzpartei. Die GRÜNEN als vermeintliche Umweltpartei vermeintliche Umweltpartei äußern sich bisher eher vage. Der Kohleausstieg in Mannheim soll laut Kommunalwahlprogramm „zügig“ realisiert werden.
2) Welche Technologie folgt nach dem Ausstieg aus der Steinkohle? Erdgas- Kraftwerke als Übergangstechnologie oder der Umstieg in 100% erneuerbare Energie?
Fridays for Future und Mannheim kohlefrei haben sich eindeutig gegen eine Übergangstechnologie mit Erdgas als fossilen Träger positioniert. Sie fordern den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Sie halten dies nicht nur im Sinne der CO-2-Reduzierung für dringend geboten, sondern auch technisch für machbar ohne die Energie- und Wärmeversorgung Mannheims und der Region zu gefährden. DIE LINKE geht in ihrem Kommunalwahlprogramm von 2019 noch von einer Option auf Erdgas als Übergangstechnologie aus. Wenn die Energie- und Wärmeversorgung gewährleistet werden kann, unterstützt sie allerdings den 100%-Umstieg auf erneuerbare Energie.
Auf der politischen Ebene scheint sich in dieser Frage zur Zeit einiges zu ändern. Offenbar setzen inzwischen auch die MVV wie auch die Stadt Mannheim mit OK Kurz nicht mehr auf die Gastechnologie als Übergang. So hat sich OB Kurz auch auf einer Veranstaltung der SPD am 10. März geäußert. Eine Übergangstechnologie für viel Geld zu errichten, die dann später wieder stillgelegt werden müsse, scheint nicht mehr sonderlich attraktiv zu sein. Die MVV prüft zur Zeit den Einsatz von Geothermie „im Großraum südlich von Mannheim“. Neben Geothermie wird auch der Bau eines Biomassekraftwerks, die verstärkte Nutzung von industrieller Abwärme und der Einsatz von Flusspumpen geprüft, so der MVV-Vorstandsvorsitzende Georg Müller in einem Interview mit dem Mannheimer Morgen.
Als harter Vertreter des Einsatzes von Erdgas als fossilen Träger nach dem Ende der Steinkohle zeigt sich das gewerkschaftliche „Überbetriebliche Solidaritätskomitee Rhein-Neckar“. Und zwar vor allem aus zwei Gründen: Nur so könne die notwendige Grundlast des Kraftwerks für die Bereitstellung der Fernwärme sichergestellt werden. Nur so könne das Großkraftwerk seine Stärke in Kraft-Wärme-Kopplung zur Geltung bringen. Der zweite Grund bestehe darin, dass nur so die insgesamt 1.000 Arbeitsplätze (600 incl. Ausbildung bei GLM, 300 für die ständige Revision, 100 über Fremdfirmen) erhalten bleiben.
3) Was ist mit den Arbeitsplätzen?
Das Solidaritätskomitee hat sich wie oben hier eindeutig geäußert. Aber auch die Vertreter mit anderer Meinung haben den Erhalt der Arbeitsplätze bzw. Ersatzarbeitsplätze als wichtiges Ziel ausgegeben. Klaus Stein als Vertreter der IG Metall hat sich auf besagter SPD-Veranstaltung z.B. dahin geäußert, dass der Veränderungsprozess beim Großkraftwerk nur erfolgreich gelingen kann, wenn die Beschäftigten hierbei ein hohes Maß an sozialer Absicherung haben. Da das Stadium der Veränderung erst am Anfang steht, ist der Ausgang noch völlig offen. Aber je größer die Veränderungen sind, desto wichtiger wird die Frage von Ersatzarbeitsplätzen für die Beschäftigten des Großkraftwerks. Die Frage stellt sich aber auch bei einem neuen Erdgaskraftwerk, dass mit erheblich weniger Menschen wie bisher betrieben würde.
Die IG BCE, ver.di und die IG Metall Küste haben sich mit den Unternehmensverbänden der Energiewirtschaft in einem Eckpunktepapier auf folgenden Passus verständigt: “Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, den Kohleausstieg sozialverträglich zu gestalten” (Kompakt, Mitgliedermagazin der IG BCE). Dies sollte m.E. auch für die Beschäftigten des GKM gelten.
4) Fernwärme?
Ob die Gewährleistung der Fernwärme nur über Auskoppelung eines Gasbetriebenen Kraftwerks möglich ist, ist die Frage. Laut MVV ist das offensichtlich auch über den Einsatz ausschließlich erneuerbarer Energie möglich. Wenn diese Voraussetzung stimmt, muss man sich in der Tat fragen, warum Erdgas als Übergangstechnologie zum Einsatz kommen soll.
Dieser Artikel möge zur politischen Meinungsbildung beitragen und die Positionen der vorliegenden Auseinandersetzung und die noch offenen Fragen deutlich machen.
Ausblick
Die Positionen Frühest mögliche Umstellung des Mannheimer Großkraftwerks zu einem „grünen Kraftwerk“, Erhalt der Energie- und Wärmeanforderungen für die Bevölkerung und Erhalt der Arbeitsplätze bzw. Ersatzarbeitsplätze für die Beschäftigten des Großkraftwerks sind per se kein Widerspruch sondern sollten zusammengebracht werden.
Um sich ein genaueres Bild über die einzelnen Positionen zu machen, haben wir die Positionspapiere von Mannheim kohlefrei und dem Solidaritätskomitee an diesen Text angehängt.
Roland Schuster
Position von Mannheim kohlefrei
Stoppt Großkraftwerk Mannheim
Die Klimakrise schreitet immer schneller voran. Auch in der Region Mannheim ist sie mittlerweile spürbar.
Unsere Landwirtschaft, der Odenwald und das Stadtklima sind durch den Klimawandel bereits heute akut bedroht.
Trotzdem stammt noch immer ein Großteil der Fernwärme aus extrem klimaschädlicher Steinkohle, die im Großkraftwerk Mannheim (GKM) verbrannt wird. Mit jährlich 6,8 Mio. Tonnen CO2-Emissionen heizt das Kraftwerk das Klima weiter an. Dies entspricht knapp zehn Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen Baden-Württembergs.
Das GKM trägt nicht nur zur globalen Temperaturerhöhung bei, sondern belastet auch die Gesundheit der Mannheimer Bürger*innen durch Emissionen von Stickoxiden, Schwefel, Feinstäuben und Quecksilber! Um das Pariser Klimaziel von 1.5° maximaler Erderwärmung zu verhindern, müssen zeitnah Block 6,7 und 8 abgeschaltet werden, Block 9 muss spätestens 2030 vom Netz.
Die Bahn hat bereits angekündigt die Verträge mit dem GKM für den Bahnstrom nicht zu verlängern. Ein guter Schritt, wann zieht Mannheim bei der Fernwärme nach?
Deswegen muss Mannheim endlich seiner Verantwortung für Mensch und Umwelt gerecht werden und in 100% erneuerbare Fernwärme einsteigen!
Wir fordern deshalb vom Mannheimer Gemeinderat:
-
Stoppen Sie die Lieferung von Steinkohle-Fernwärme nach Mannheim
-
Lassen Sie jetzt die Potenziale für Gebäudedämmung und klimaneutrale Wärmeerzeugung und Energie erheben und zügig realisieren
-
Setzen Sie sich für existenzsichernde Lösungen für Beschäftigte des GKMs ein
-
Finden Sie Lösungen für flächendeckende Gebäudedämmung ohne das Mieter*innen zusätzlich belastet werden
-
Sorgen Sie für den Ausbau von 100% klimaneutraler Wärme und Energie bis spätestens 2030
-
Verhindern Sie Erdgas-Kraftwerke als Übergangstechnologie
Position des Überbetrieblichen Solidaritätskomitee Rhein-Neckar
Großkraftwerk Mannheim GKM Arbeitsplätze sichern, Klimaschutz stärken!
Der von der Bundesregierung beabsichtigte Ausstieg aus der Kohleverstromung bevorteilt Braunkohlekraftwerke. Dort wird aber – von der Atomenergie einmal abgesehen – die am meisten umweltzerstörende Energie erzeugt. Trotzdem soll ein modernes Kraftwärme-KopplungsKraftwerk wie das GKM Jahre früher als die Braunkohlekraftwerke geschlossen werden. Das ist unsinnig und nicht hinnehmbar.
Von den Fakten ausgehen
-
Im und für das GKM arbeiten rund 1.000 Menschen (600 inklusive Azubis direkt beim GKM, 300 für die ständige Revision, 100 über Fremdfirmen).
-
Das GKM versorgt rund 2,5 Mio. StromkundInnen.
-
Das GKM liefert derzeit 15 % des gesamten Bahnstroms in Deutschland, der rund um die Uhr fließen muss.
-
Das GKM versorgt derzeit rund 120.000 Haushalte in der Region (Tendenz steigend) und fast alle öffentlichen Gebäude und Betriebe der Stadt Mannheim mit Fernwärme.
-
Das GKM ist von der Bundesnetzagentur als systemrelevantes Grundlastkraftwerk für den Südwesten eingestuft, um die unabdingbare Netzfrequenz von 50 Hertz sichern und plötzliche Stromausfälle verhindern zu können.
-
Ohne GKM müsste bei Stromknappheit auf absehbare Zeit Kohlestrom aus Polen und Atomstrom aus Frankreich importiert werden.
Aus diesen Gründen halten wir es für notwendig, dass das GKM nicht abgeschaltet, sondern umgebaut wird. Es müssen wirksame Alternativen zum Abbau der Arbeits- und Ausbildungsplätze von den Eigentümern des GKM entwickelt und finanziert werden.
Zum Beispiel könnten später anstelle der Kohleblöcke gasbefeuerte Gas- und Dampfturbinenblöcke mit Fernwärmeauskopplung errichtet werden (wie beispielsweise in Köln und Düsseldorf). Damit könnten mehrere Ziele unter einen Hut gebracht werden:
-
Sichere, preisgünstige, klimaschonende Versorgung mit Strom und Wärme
-
Regelung und Stabilisierung des „Grünstrom“-Netzes
-
Weitere Verringerung des CO2-Ausstoßes
-
Erhalt der Arbeits- und Ausbildungsplätze im GKM.
Der baden-württembergische Umweltminister Untersteller (Grüne) hält das GKM für „unverzichtbar“. Er empfiehlt mittelfristig eine Umstellung von Kohle- auf Gasbefeuerung. Das GKM wird auch Jahre später noch als Regelkraftwerk systemrelevant sein, um sogenannte „Dunkelflauten“ zu überbrücken und das Netz zu stabilisieren, weil der „Grünstrom“ je nach Witterung schwankt und nach wie vor Stromspeicher fehlen werden.
Artikel 14 Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet!“
Das GKM ist ein Gemeinschaftskraftwerk von RWE, EnBW und MVV. Die beiden letzten befinden sich mehrheitlich in gesellschaftlichem Eigentum. Die EnBW gehört mehrheitlich dem Land Baden-Württemberg und die MVV mehrheitlich der Stadt Mannheim. Auch an RWE ist die öffentliche Hand über Städte wie Dortmund und Essen beteiligt.
Nach Artikel 14 des Grundgesetzes ist Eigentum auch „dem Wohle der Allgemeinheit“ verpflichtet. Das gilt erst recht für gesellschaftliches Eigentum. Bei dieser Eigentumsform kommt zudem eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber den dort Beschäftigten hinzu. Deshalb müssen die Eigentümer ihrer Verantwortung gerecht werden und die Zukunftssicherung der Arbeits- und Ausbildungsplätze des GKM und den Umbau des GKM im Sinne eines konsequenten Klimaschutzes garantieren. Die drei Stromkonzerne, der Bund, das Land Baden-Württemberg und die Stadt Mannheim sind hier in der Pflicht.
Darüber hinaus unterstützen wir die aktuellen Forderungen der GKM-Belegschaft und ihrer Gewerkschaft ver.di.
Eine ausreichende Laufzeit des GKM ist erforderlich, um folgende Maßnahmen umsetzen zu können:
-
Umbau des GKM zu einem gasbefeuerten Regelkraftwerk mit Fernwärmeauskopplung
-
Ersatzarbeitsplätze in den Eigentümerkonzernen mit Umschulung
-
Großzügige Altersteilzeit- und Vorruhestandsregelungen
-
Beschäftigungssicherung und Verbot von Entlassungen.
Das Überbetriebliche Solidaritätskomitee Rhein-Neckar wird gemeinsam mit dem GKM-Betriebsrat und der Gewerkschaft ver.di die Belegschaft in den anstehenden Auseinandersetzungen unterstützen und Solidarität organisieren.