Carsharing schlägt Alarm: Wegen Coronakrise brechen die Einnahmen weg

Bisher eine einmalige Erfolgsgeschichte

Bisher schrieb Stadtmobil Rhein-Neckar, der Carsharing-Anbieter in dieser Region eine beispiellose Erfolgsgeschichte. 1992 zunächst als Genossenschaft von ein paar Leuten in Heidelberg und Mannheim gegründet, mauserte sich das Unternehmen zu einer Aktiengesellschaft, in der Mitglieder des Vereins Ökostadt Rhein-Neckar und Carsharing-Nutzer die Aktien der Stadtmobil Rhein-Neckar AG halten. Seit 2012 ist Stadtmobil im Besitz des gemeinnützigen Vereins Ökostadt Rhein-Neckar e.V., von Stadtmobil-Kunden, Mitarbeitern und Vereinsmitgliedern. Stadtmobil hat sich den Zielen der Gemeinwohlökonomie verpflichtet.

Die Erfolgsgeschichte lässt sich auch in in Zahlen ablesen: 2019 gab es ca. 12.000 Kunden mit fast 600 Autos in 26 Städten und Gemeinden in der Rhein-Neckar-Region. Tendenz steigend.

Seit der Coronakrise geht die Entwicklung rückwärts

Stadtmobil-Geschäftsführerin Miriam Caroli bei der Vorstellung einer neuen Station in Viernheim

Seit der Coronakrise jedoch steht das mobile Leben in Deutschland weitgehend still. Viel weniger Menschen fahren mit dem Auto zur Arbeit, zu Terminen, machen Ausflüge oder gar Urlaubsfahrten.

Das betrifft natürlich auch Stadtmobil Rhein-Neckar. „Buchungs- und Umsatzrückgänge sind um ca. 60% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – seit Mitte März eingebrochen. Seit Ostern nimmt die Tendenz zwar wieder leicht zu, liegt aber immer noch rund 50% schlechter als im Vorjahr“, so Miriam Caroli vom Vorstand von Stadtmobil Rhein-Neckar zu Rückfragen seitens des Kommunalinfos.

Wie kritisch ist die Entwicklung?

Ja, die Entwicklung ist kritisch,“ so Miriram Caroli, „weil wir mit einer schnellen Erholung nicht rechnen können. Wir machen relevante Teile unserer Erlöse mit Fahrten von mehr als 100 km und auch mit Urlaubsfahrten. Seit Mitte März fand nichts davon statt, keine Osterurlaube, vermutlich an Pfingsten auch nichts, über Sommer und Herbst kann man derzeit nur spekulieren. Wir halten es auch für möglich, dass wir bis Mitte 2021 keine langen Fahrten mehr haben werden. Das wäre dann existenzbedrohend.“

Verkleinerung des Fuhrparks und Rückbau von Stationen möglich

Zum Abbau von Fahrzeugen: „Wir gehen aktuell davon aus, dass wir uns `gesund schrumpfen´ müssen. Einen erheblichen Teil des Angebots in der Region finanzieren wir schon immer aus den Gewinnen, die wir nur in den Kernstädten machen. Aus verkehrspolitischer Überzeugung erschließen wir aber auch die Fläche, obwohl wir dort kaum kostendeckend sind. Alles das, was sich nicht selbst trägt, ist aktuell in Gefahr. Mit verschiedenen Aktionen versuchen wir, so viel wie möglich zu erhalten.“

Kosteneinsparungen und Förderungen

Neben Kosten-Einsparungen versuchen wir auch Förderungen zu bekommen, wo es geht: Wir haben Soforthilfe beantragt, was noch nicht beschieden ist. Wir stehen im Kontakt mit dem Baden-Württembergischen Verkehrsministerium. Wir nehmen an Programmen des Bundes teil, die Klinikpersonal durch Förderung von Fahrzeugangeboten unterstützen, und wir haben verschiedene Aktionen ins Leben gerufen, damit Menschen auch unsere Autos zu attraktiven Konditionen länger nutzen können, falls sie derzeit nicht auf den ÖPNV zugreifen können oder wollen.“

Caroli stellt abschließend fest: „Insgesamt `rettet´ uns das alles nicht, wenn uns weiterhin monatlich – wie aktuell – ca. 150.000 Euro fehlen. Dieser Zustand darf nicht zu lange anhalten“.

Caroli hofft aber, dass auf Grund der Corona-Lockerungen eine Erholung eintritt. „Wenn es günstig kommt, können wir mit dem blauen Auge davon kommen“

Auch wenn die Carsharing-Firmen mit einer bundesweiten Flotte von nur rund 25.000 Fahrzeugen im Vergleich zu mehr als 45 Millionen Autos in Deutschland nur ein Nischendasein führen – für die dringend notwendige Verkehrswende ist ihre Bedeutung wegen ihres Potenzials sehr groß (taz 15-04-2020) – sozusagen systemwichtig.

Über die Unterstützung der Autoindustrie durch die Politik wird viel gesprochen. Die Forderungen nach einer Autoabwrackprämie und einem Konjunkturprogramm werden immer lauter. Da ist eine Forderung nach Unterstützung des Carsharings mehr als berechtigt. Es wäre ein Fiasko, wenn die bisherigen Fortschritte von Stadtmobil bei der Erschließung der Fläche kaputt gehen. Das Gegenteil wäre vonnöten.

Roland Schuster