Zukunft des Großkraftwerks Mannheim und der Wärme- und Energieversorgung?
Interessante Veranstaltung zur Zukunft des GKM und der Wärme- und Energieversorgung in Mannheim
Am 21. Oktober fand in der Turnhalle des Volkshauses Neckarau eine Veranstaltung mit dem Titel „Wie ist die Zukunft des GKM und der Wärme- und Energieversorgung in Mannheim und der Metropolregion?“.
Organisiert hatte die Veranstaltung der Neckarauer Ortsverein der SPD.
Die Veranstaltung wurde als Podiumsdiskussion durchgeführt, bei der auch Stellungnahmen aus dem Publikum möglich waren.
Auf dem Podium saßen die Umweltwissenschaftlerin Dr. Amany von Oehsen vom BUND Heidelberg, Holger Becker, kaufm. Vorstand des Großkraftwerks Mannheim GKM, der GKM-Betriebsratsvorsitzende Ümit Lehimci, Dr. Hansjörg Roll als Mitglied des Vorstands der MVV Energie AG sowie der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Dr. Boris Weirauch MdL. Die Moderation führt der Neckarauer SPD-Stadtrat Dr. Bernhard Boll.
Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage des Podiumsteilnehmer*innen konnte man von einer klärenden Auseinandersetzung für diese in Mannheim so wichtige Frage ausgehen.
Bei aller Unterschiedlichkeit der Standpunkte war aber viel Gemeinsames erkennbar.
Fernwärme unverzichtbar
Zunächst zu den Gemeinsamkeiten: Alle wollen die Energiewende in Deutschland, das heißt Stromerzeugung aus erneuerbarer statt aus fossiler Energie. Das ist ja das Ziel des regierungsamtlichen Kohleausstiegsplans. Das betrifft auch das Großkraftwerk Mannheim. Im Gegensatz zu den Braunkohlekraftwerken, die bis 2038 am Netz bleiben sollen, sollen die Steinkohlekraftwerke schon früher vom Netz. Das GKM soll im Jahr 2034 vom Netz. „Ein sofortiger Ausstieg aus der Kohleverbrennung“ wurde von keinem der Podiumsteilnehmer gefordert, Übergangsfristen gerade auch im Hinblick auf die im Großkraftwerk hergestellte Fernwärme hielten Alle für notwendig. Keiner stellte die in Mannheim erzeugte Fernwärme für ca. 165.000 Abnehmer in Frage. Einigkeit bestand wohl auch darin, dass die Transformation „sozialverträglich“ ablaufen sollte.
Strittig: Erdgas als Übergangstechnologie und der Zeitraum für die Umstellung auf erneuerbare Energien
Bei aller Unterschiede sind dann allerdings bei dieser Veranstaltung die Unterschiede das Spannende. Diese betreffen den Zeitraum der Energiewende und die Frage, ob Erdgas als fossiler Energiestoff als Übergangstechnologie eine Rolle spielen solle. Betreffend des GKM war die strittige Frage, ob ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk errichtet werden sollte.
Becker vom Großkraftwerk und der Betriebsratsvorsitzende Lehmici beklagten zunächst, dass Steinkohlekraftwerke, und damit auch das GKM, das nach dem Standort Datteln das zweitjüngste und damit modernste Steinkohlekraftwerk sei, früher als die Braunkohlekraftwerke vom Netz gehen müssten. Der Block 9 sei ja erst 2015 ans Netz gegangen und normaler Weise für 40 Jahre ausgelegt.
Lehimci sprach sich nicht grundsätzlich nicht gegen die Energiewende aus, jedoch sorgte er sich um die Zukunft und die Arbeitsplätze der ca. 520 Beschäftigten des GKM. Außerdem macht er auf die hohe Ausbildungsquote (ca. 80 Auszubildende) aufmerksam.
Flusswärmepumpen und Geothermie
Die Umweltwissenschaftlerin von Oehsen hielt einen früheren Kohleausstieg für möglich und angesichts der allgemeinen Klimakrise auch für notwendig. Sie unterstützt den „Einwohner*innenantrag: Mannheims Fernwärmeversorgung erneuerbar bis zum Jahr 2030.“ Mit diesem von „Mannheim kohlefrei“ durch eine Unterschriftensammlung initiierten Einwohner*innenantrag soll der Mannheimer Gemeinderat nach § 20 Gemeindeordnung beauftragt werden, ein Klimakonzept von der Stadtverwaltung erstellen zu lassen. Das Klimakonzept soll die Umstellung der Mannheimer Fernwärme von heute Steinkohle und Müll auf erneuerbare Energieträger bis zum Jahre 2030 beinhalten. Mit Hilfe von Flusswärmepumpen an Rhein und Neckar (40%) und Geothermie aus dem Oberrheingraben (30%) sei dies möglich. Von Oehsen räumte ein, dass dies ein sportliches Ziel sei, deshalb müssten jetzt schon die Voraussetzungen geschaffen werden. Ein Gas- und Dampfkraftwerk lehnte sie ab. Diese Energieerzeugung sei in der Gesamtbewertung auch nicht sauberer als Steinkohle aber auch nicht notwendig. Sie wandte sich nicht generell dagegen aus, dass das GKM als Steinkohlekraftwerk auch in späterer Zukunft zum Einsatz kommen könne, allerdings nicht zur Deckung der Grundlast sondern nur zur Deckung der Spitzenlast.
Interessant war in diesem Zusammenhang der Standpunkt des Vertreters der MMV, Vorstandsmitglied Roll. Die MVV als Mannheimer Energieversorgungsunternehmen ist mit 28% einer der drei Großaktionäre des GKM (EnBW 32%, RWE 40%). Um ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk zu betreiben, müssen die technischen Voraussetzungen gegeben sein. Der hierfür notwendiger Netzausbau müsse deutlich vorankommen. Das gelte aber grundsätzlich auch für die erneuerbaren Energien. Er sieht die Zukunft des GKM als Gaskraftwerk zunehmend kritisch, da die Infrastruktur momentan nicht gegeben sei und zu viele politische Unwägbarkeiten seien. Auch er sieht ähnlich wie von Oehsen bei der Erzeugung der Fernwärme ein großes Potenzial bei Geothermie und Flusswärmepumpen Für den Einsatz von Flusswärmepumpen gäbe es einen konkreten Förderantrag an die Bundesregierung. Das GKM habe auch als Kraftwerk für Geothermie, Flusswärme und Biomasse eine Zukunft, ob mit oder ohne Erdgas. Und auf die Frage „Ist das auch bezahlbar?“, antwortete er: Die MVV werde dafür garantieren, dass auch in Zukunft der Strom bezahlbar bleibe.
Der Landtagsabgeordnete Boris Weirauch hält die Energie-Transformation für richtig, sagt aber: „Für mich ist klar, dass wir einen Dreiklang von Klimaschutz, wirtschaftlicher Prosperität und verlässliche Perspektiven für die ArbeitnehmerInnen brauchen, um den Strukturwandel erfolgreich zu meistern.“
Mein persönliches Fazit: Pro Einwohner*innenantrag
Die Umstellung des Großkraftwerks auf erneuerbare Energie ist offensichtlich eher möglich als bisher offiziell geplant. Erdgas als Übergangstechnologie ist hierfür nicht sinnvoll. Der Einwohner*innenantrag von kohlefrei ist deshalb im Prinzip richtig. Da sich dieser Antrag zunächst sich nur auf die Fernwärme bezieht, ist nachvollziehbar und logisch, da die Stadt Mannheim diesen Vorgang selbst in der Hand hat. Außerdem wird ein bisheriger Kritikpunkt an „mannheim kohlefrei“ hiermit gegenstandslos. Dass nämlich ein Abschalten der Steinkohleerzeugung die Fernwärme gefährden würde. Ein sofortiges Abschalten wird aber nicht mehr gefordert. Aber man sollte die Voraussetzung schaffen, um dies angesichts der klimapolitischen Anforderungen so schnell wie möglich zu erreichen. Bezüglich Fernwärme scheinen die technologischen Voraussetzungen im Prinzip gegeben sein. Eine Umstellung auf erneuerbare Energien würde von Mannheim aus nicht nur ein umweltpolitisches Signal sondern auch ein Signal bzgl. Zukunftstechnologie senden. Hierbei werden nicht nur Arbeitsplätze wegfallen, sondern es werden auch neue Arbeitsplätze entstehen, da die Umstellung der Fernwärme von der bisherigen Hochtemperatur auf Niedertemperatur viele technische und bauliche Umstellungen erfordern. Für einen sozialverträglichen Umbau ist allerdings mehr notwendig als nur Lippenbekenntnisse. Dafür braucht es ein konkretes wirtschaftliches und politisches Konzept und ein Maßnahmenbündel wie Qualifizierungsangebote und Gelder, die dafür bereitgestellt werden müssen. Der Einwohner*innenantrag bietet die Chance für die Mannheimer Politik, sich schon jetzt mit den notwendigen Fragen zu beschäftigen und ein Konzept für den sozial/ökologischen Umbau der Mannheimer Energie- und Fernwärmeversorgung zu erarbeiten.
Roland Schuster