CETA versus kommunale Daseinsfürsorge
CETA, Schiedsgerichte, kommunale Daseinsfürsorge und Klimaschutz
Das Freihandelsabkommen CETA wird im ersten Halbjahr 2021 vermutlich wieder auf der Tagesordnung stehen, wenn das Bundesverfassungsgericht über die fünf anhängigen Klagen wegen CETA die Urteile gesprochen hat. Anschließend, so wird erwartet, wird dann im Bundestag und anschließend im Bundesrat über die Ratifizierung des Vertrages abgestimmt.

Das Bild entstand bei einer Aktion des Mannheimer Bündnis für gerechten Welthandel während der Sitzung des Gemeinderates am 25. November 2014 als über die Mannheimer Resolution/Antraf zum Freihandelsabkommen TTIP abgestimmt wurde.
Eine Ratifizierung würde bedeuten, dass auch kommunale Entscheidungen Gegenstand von Klagen ausländischer Konzerne und Finanzinvestoren werden können. Bislang gab es eine solche Möglichkeit in Deutschland nur durch den Energie-Charter-Vertrag von 1998, der sich auf Energieerzeugung bezieht. Er erlaubt ausländischen Konzernen nicht nur eine Entschädigung für den Verlust der Investition selbst einzuklagen, sondern darüber hinaus auch für entgangene Gewinne oder wegen Verstoß gegen gerechte und billige Behandlung. Genau das nutzte Vattenfall, um dem Stadtstaat Hamburg wegen Umweltauflagen (die den EU – Vorgaben entsprachen) für ihr Kraftwerk in Moorburg mit einer Klage über 1,4 Mrd. € zu drohen. Daraufhin hat Hamburg die Auflagen zurückgezogen. Jetzt wird die Bundesrepublik von der EU-Kommission vor dem EUGH verklagt wegen Nichteinhaltung der Vorschriften der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Es wird zwar bestritten, dass dies mit der Klage von Vattenfall im Zusammenhang steht. Dies lässt sich jedoch nicht überprüfen, weil die Unterlagen des Investitionsschutz-Verfahren nicht öffentlich sind.
Zudem hat Vattenfall die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstieges auf inzwischen über 6 Mrd. € verklagt, wegen entgangener Gewinne aus den Pannenreaktoren Brunsbüttel und Krümmel.
CETA würde jetzt solche Klagen grundsätzlich für alle Bereiche des Wirtschaftens erlauben inklusive Dienstleistungen, Infrastruktur, Daseinsvorsorge und Kultur. Grundsätzlich ausgenommen sind Sicherheitsbereiche, z.B. Polizei. Jedes Land kann außerdem noch spezifische Ausnahmen in einer Liste aufführen, die im Falle Deutschlands aber sehr kurz ist. CETA-Recht steht über dem nationalen Recht.

Die Stufen zum Gemeinderatssaal im Stadthaus Mannheim am 25.11.2014
Ein großes Risiko besteht für Kommunen in der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. So hat der Deutsche Richterbund bemängelt, dass sich das CETA-Recht durch die Rechtsprechung und die CETA-Ausschüsse selbst schafft. Das steht im Gegensatz zu dem deutschen Recht, wo Gesetze vom Gesetzgeber erlassen werden. Außerdem haben Investoren nur Rechte, aber keine Pflichten. Der Deutsche Richterbund fordert eine Ablehnung des geplanten Investor-Schiedsgerichtshofes.
Und was wäre für uns zu gewinnen mit CETA? CETA soll eine allgemeine Steigerung des Wohlstands durch Wirtschaftswachstum erzeugen. Ist diese Zusammenhang schon falsch, so lässt sich Wirtschaftswachstum (BIP) durch keine seriöse wissenschaftliche Studie belegen. Negative Auswirkungen wie Erwähnung von Arbeitslosigkeit oder Ungleichheit spielen bei diesen Prognosen keine Rolle. Selbst eine von der EU-Kommission für TTIP (ein wirtschaftlich viel größeres Abkommen als CETA) in Auftrag gegebene Studie ergab, dass Effekte auf das Wirtschaftswachstum kleiner sind als die Prognosegenauigkeit, Wetter hat einen größeren Einfluss.
Mannheim hat sich zu der Umsetzung der von der UN gesetzten 17 Nachhaltigkeitsziele bekannt. Außerdem sollen auch die Vorgaben zur CO2-Reduktion umgesetzt werden, wie sie sich aus dem Klimavertrag von Paris ergeben. Der CETA – Vertrag aber hat Schlagseite: Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz, Daseinsvorsorge etc. sind juristisch sehr schwach formuliert. Kommunale Selbstbestimmung und das Pariser Klimaschutzabkommen werden erst gar nicht erwähnt.
Negative Auswirkung auf die kommunale Daseinsvorsorge wurde schon in der Vergangenheit in Mannheim gesehen und aufgegriffen. CETA und weitere Freihandelsverträge wie TTIP waren Gegenstand von Anfragen und Entschließungen im Gemeinderat der Stadt Mannheim, da sie erhebliche Auswirkungen auf die kommunale Daseinsvorsorge haben werden.
Der Gemeinderat in Mannheim hat am 3. November 2014 in vier Punkten beschlossen, dass die kommunale Daseinsvorsorge und Selbstverwaltung durch ein Freihandelsabkommen nicht eingeschränkt wird und deshalb nicht Vertragsbestandteil sein darf. Und fordert zudem fünftens, dass „auf spezielle Investitionsschutzregelungen und insbesondere die Einführung von Schiedsgerichten verzichtet wird, da dies zwischen Staaten mit ausgeprägter rechtsstaatlicher Tradition und ausreichendem Rechtsschutz nicht erforderlich ist.“
Noch am 16. Oktober 2018 wurde von den Grünen im Gemeinderat ein Antrag eingebracht, indem die Fragen aufgestellt werden, welche Auswirkungen Freihandelsabkommen wie CETA auf die kommunale Selbstverwaltung haben und was die städtische Verwaltung unternahm, um diese Gefahren abzuwehren. Anfragen vom Mannheimer Bündnis für gerechten Welthandel an die Mannheimer Grünen eine mögliche Zustimmung im Bundesrat durch die BaWü-Landesregierung zu verhindern, ist seit einem Jahr unbeantwortet.
Parteien, die behaupten, Klimaschutz und Gemeinwohl zu schützen, können CETA und den Investor-Schiedsgerichten nicht zustimmen.
Auch die Stadt Mannheim muss die Frage beantworten, wie sie die Interessen ihrer Bürger hier wahren kann.
Literatur:
Stellungnahme des deutschen Richterbundes Drucksache 21/17, November 2017 https://www.drb.de/positionen/stellungnahmen/stellungnahme/news/2117/, abgerufen Nov. 2020
https://www.gerechterwelthandelmannheim.wordpress.com
Mannheimer Bündnis für gerechten Welthandel
c/o Johannes Hauber