Mannheimer Gourmetrestaurant wegen Beihilfe zur Tiermisshandlung angezeigt
Der Vorwurf
Der Geschäftsführer des Gourmetrestaurants Dobler’s in der Seckenheimer Straße wurde Ende Januar von der Tierrechtsorganisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) angezeigt. Der Vorwurf lautete, Profite mit verbotenen Tierqualprodukten zu erzielen. Konkret geht es um den Verdacht auf Beihilfe zur quälerischen Tiermisshandlung laut Tierschutzgesetz durch den Verkauf von Foie gras (Stopfleber). Die aus Frankreich importierte Stopfleber ist in dem Lokal beispielsweise Bestandteil eines „Menü zur Jahreszeit“ zum Schnäppchenpreis von 127 Euro. Laut Eigenwerbung ist die Küche in dem Restaurant „stark von saisonalen und regionalen Gegebenheiten geprägt“. Deshalb bietet das Menü außer der französischen Stopfleber auch noch bretonischen Hummer, bretonischen Seeteufel und Hochrippe vom US-amerikanischen Kansas-Rind. Die Tierrechtsorganisation hatte das Dobler’s bereits im Juli und November 2022 angeschrieben und dabei auch über das ungeheure Tierleid informiert, das durch die ‚Produktion‘ von Gänse- und Entenleber entsteht. Von den Gastronomen aber kam keine Reaktion, weshalb jetzt die Strafanzeige kam.
Die Mast
Für Stopfleber werden überwiegend männliche Gänse und Enten ‚verwendet‘, weil die Leber der weiblichen Tiere nicht so groß wird und zudem viel Nervengewebe enthält. Die weiblichen Küken werden direkt nach der Geburt grausam getötet, allein in Frankreich handelt es sich hierbei um mehr als 14 Millionen Tiere. Die männlichen Vögel werden mehrmals täglich mit einem Metallrohr „gestopft“, das ihnen mit Gewalt in die Speiseröhre gestoßen wird. Dabei wird ihnen bis zu einem Kilogramm Getreidebrei mit Schweineschmalz verabreicht, was ungefähr dem entsprechen würde, dass man einen Menschen mit täglich 15 Kilogramm Spaghetti bolognese befüllt. Die brutale Zwangsmast lässt die Lebern der Vögel in nur 10 bis 18 Tagen auf das bis zu Zehnfache ihres Normalgewichts anschwellen. Sie verursacht Verletzungen am Hals und in der Speiseröhre, pathologische Fettleber, Atemnot, Knochenbrüche, Leberblutungen und Herzversagen. Die Tiere werden geschlachtet, kurz bevor sie an dieser Mast sowieso sterben würden. Viele sterben aber bevor sie den Schlachthof erreichen. Die anderen werden elektrisch betäubt und ausgeblutet. Es wird jedoch immer wieder von TierrechtlerInnen dokumentiert, dass viele der Tiere während des Ausblutens aufwachen und somit bei Bewusstsein und stärksten Schmerzen sterben.
Die Anzeige
Die Anzeige lautet auf Beihilfe zur quälerischen Tiermisshandlung, weil die Einordnung als Beihilfe nicht voraussetzt, dass die Haupttat (die Mast) auch da begangen wurde, wo sie strafbar ist. Eine Beihilfe ist auch dann strafbar, wenn die Tiere im Ausland gequält und getötet wurden, es reicht aus, dass die Tat gegen ein deutsches Strafgesetz verstößt, was hier der Fall ist. Die öffentliche Meinung und die Rechtsprechung sind hier in Bewegung, Ende letzten Jahres musste ein angezeigter Stopfleber-Händler 500 Euro für die Einstellung des Verfahrens an einen Tierschutzverein zahlen. Zahlreiche Restaurants und Sternehotels haben die Stopfleber schon von der Karte genommen, auch in Frankreich gibt es sie in vielen Städten nicht mehr auf offiziellen Empfängen. In London gab König Charles vor kurzem bekannt, Stopfleber aus all seinen Häusern zu verbannen.
Das Verbot
In der europäischen Union ist die ‚Produktion‘ von Stopfleber bereits seit 1999 verboten. Auch in vielen außereuropäischen Ländern ist sie verboten, so in Argentinien, Indien, Israel, Australien und Kalifornien. In Europa aber wird das Verbot in Ungarn, Bulgarien und einigen belgischen Regionen ignoriert, Frankreich umging das Verbot, indem es die Stopfleber zum „Kulturgut“ erklärte – ein ‚schönes‘ Beispiel dafür, wie Profitstreben jedweden Zynismus möglich macht. In Frankreich arbeiten ca. 30.000 Menschen in der inzwischen industrialisierten Zwangsmast von Enten und Gänsen, produzieren dabei im Jahr etwa 20.000 Tonnen des „Kulturgutes“ und damit etwa drei Viertel der Weltproduktion.
Die Einordnung
Das Ausmaß des Leids, das erzeugt wird, bis diese 20.000 Tonnen Enten- und Gänseleber verkaufsfertig sind, übersteigt jedes Vorstellungsvermögen. Die Stopfleberproduktion ist gleichwohl nur ein klitzekleiner Teil der industriellen Tierhaltung. Über 80 Milliarden nichtmenschliche Tiere und damit 94 Prozent aller Wirbeltiere dieser Erde sind sogenannte Nutztiere, etwa 98 Prozent von ihnen ‚leben‘ in Massentierhaltung. Die Stopfleberproduktion macht anschaulich, in welch einer monströsen Weise die nichtmenschlichen Tiere einer systemischen Gewaltherrschaft unterworfen sind. Es führen mehr als eine Überlegung zu der Folgerung: Alle fortschrittlichen Ziele – soziale und Umweltgerechtigkeit und Beendigung der Herrschaft von Menschen über Menschen – sind in ganz weiter Entfernung, solange wir nicht dafür kämpfen, die Ausbeutung, die Unterdrückung und die Verdinglichung aller empfindungsfähigen Lebewesen zu überwinden.
Michael Kohler